Wie man es dreht und wündet, die Klage ist nicht begründet – Urteil in Reimform

AG Northeim, Urteil vom 02.10.1995 – 3 C 420/95

Zur Frage des Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag für durch eine entlaufene Kuh verursachten Fahrzeugschaden

Wie man es dreht und wündet, die Klage, sie ist nicht begründet – Urteilsgründe in Reimform

Tatbestand

Der Kl. beruft sich auf einen Schadensersatzanspruch und trägt dazu folgendes vor: Am Sonntag, den 11.9.1994 sei es geschehen, daß sich eine Kuh des Bekl. verselbständigt hatte und in der Gemarkung sichtlich doch mehr oder minder verstört herumgeirrt sei. Es habe sich um eine schwarzbunte Kuh gehandelt. An diesem bewußten Tage sei der Kl. zusammen mit seiner Ehefrau in seinem Pkw den Rübenschnellweg gefahren. Sie hätten irgendwo anhalten und ihren im Pkw mitgeführten Schäferhund in der Gemarkung ausführen wollen. Unterwegs seien sie auf die oben schon erwähnte Kuh gestoßen. Diese hätte es sich am Wegesrand bequem gemacht, d.h. sie habe sich hingelegt. Für den Kl. und seine Ehefrau sei sofort klar gewesen, daß diese Kuh nun zwar nicht herrenlos, wohl aber ihrem Herrn offenkundig davongeeilt gewesen sei. Sie habe sich nämlich nicht auf einer Weide befunden. Der Kl. sei sich im klaren darüber gewesen, daß er zusammen mit seiner Ehefrau, noch dazu gewissermaßen belastet durch seinen im Inneren des Pkw sitzenden Schäferhund, zunächst nichts würde ausrichten können. Der Kl. sei daher mit dem Pkw zurück nach E. gefahren. Dort sei er zunächst auf den Bauern K getroffen. Diesem habe er von seinem „Fund“ berichtet. Bauer K habe beizusteuern gewußt, daß eine Kuh in der Gemarkung schon am Samstag gesehen worden sei. Ihm, K, würde die Kuh nicht gehören. Weitere Erkundigungen des Kl. nach dem Eigner der Kuh in E. seien ergebnislos verlaufen. Der Kl. habe daraufhin die Polizei angerufen und dieser gegenüber sein sonntägliches beunruhigendes Ereignis von der am Wegesrand sich selbst überlassenen Kuh berichtet. Die Polizei habe ihm telefonisch empfohlen, daß er doch so freundlich sein möge, nach Möglichkeit das Tier dingfest zu machen, weil dieses Tier einen Gefahrenherd bilde. Es sei nicht auszudenken gewesen, so trägt der Kl. weiter vor, wenn die Kuh etwa auf die nahegelegene Bundesstraße sich verirrt hätte. Der Kl. jedenfalls habe sich gegenüber dem Ansinnen der Polizei nicht verschlossen gezeigt. Die Polizei, mit der er einen Treffpunkt in der Gemarkung vereinbart hatte, habe versprochen, alsbald zu erscheinen.

In E. habe der Kl. bei dem ihm bekannten Ka eine Kuhkette organisiert. Mit dieser Kuhkette sei er zurück in die Feldmark gegangen, um die streunende Kuh gewissermaßen dingfest zu machen. Nach ca. einer halben Stunde hätten sie das Tier unweit der Stelle gefunden, wo es zuvor der Kl. mit seiner Ehefrau gesehen hatte. Es sei nun nicht so einfach gewesen, die Kuh zu bändigen. Schließlich sei es ihnen doch gelungen. Die Kuh sei mit vereinten Kräften an die Kette gelegt und die Kette am Pkw des Kl. befestigt worden. Alsdann habe man mit dem Pkw samt der hinten angeketteten Kuh, wie auch unter Zuhilfenahme menschlicher Schubkraft – das Anschieben einer sich weigernden Kuh müsse auch gelernt sein – den Feldweg in Richtung E. zurückgelegt, wo man erfreulicherweise ohne wesentliche Zwischenfälle den Hof des Bauern K erreicht habe. Der Kl. habe nun gehofft, die inzwischen ihm schon lästig gewordene Kuh loszuwerden. Leider habe der Landwirt K in seinen Stallungen keinen Platz mehr frei gehabt. Auch andere in E. angesprochene Landwirte hätten sich leider unkonziliant gezeigt. Er habe zunächst nicht gewußt, was nun mit der Kuh geschehen sollte. Niemand habe ihm sagen können, wer denn nun der Besitzer des Tieres gewesen sei. Er, der Kl., und seine Helfer hätten sich in einer nahezu recht ausweglosen Lage befunden. Die Kuh sei zu diesem Zeitpunkt immer noch an seinem Fahrzeug befestigt gewesen. Man habe sich schließlich dahingehend geeinigt, daß die Kuh vorübergehend erst einmal auf einer nahe der Scheune des Landwirts K gelegenen Rasenfläche angepflockt werden könne. Sie hätten allerdings vergessen, die Kuh rechtzeitig in die Planung mit einzubeziehen. Die Kuh habe etwas dagegen einzuwenden gehabt. Es habe den Anschein erweckt, als ob sich der Kuh natürliche Ängste bemächtigten. Als jedenfalls der Zeuge Ka die Kuh vom Fahrzeug des Kl. in der besten Absicht zu dem aufgezeigten Zwecke habe abbinden wollen, habe diese sich plötzlich wie toll gebärdet. Sie habe ihren Kopf und Oberkörper wild bewegt und mit ihren Hufen in Richtung des Zeugen Ka geschlagen, der sich man gerade noch habe in Sicherheit begeben können. Der Pkw des Kl. indessen sei den überraschenden Angriffen der Kuh ausgesetzt worden und habe einiges ertragen müssen. Der Pkw des Kl. sei dabei an einigen Stellen eingebeult worden. Damit sei für den Kl. dieser Sonntag „gelaufen“ gewesen. Zwar sei es dann noch mit vereinten Kräften gelungen, die Kuh, wie ursprünglich beabsichtigt, auf eine nahegelegene Wiesenfläche zu verbringen und dort auch festzumachen. Kurz danach sei die Polizei auf der Bildfläche erschienen, die ja ihre Hilfe zugesagt hatte. Aufgrund einer im Ohr der Kuh befindlichen Ohrenmarke habe man den Bekl. als Halter der Kuh ermitteln können. Er, der Kl., habe dem Bekl. gegenüber seinen Schaden angemeldet. Die Haftpflichtversicherung des Bekl. weigere sich doch, seinen Schaden auszugleichen. Lediglich habe die Versicherung den Pkw des Bekl. nach diesem Vorfall begutachten lassen. Aufgrund der Schadensschätzung betrage der Schaden am Pkw des Kl. 1.187,98 DM. Mehr wolle der Kl. auch nicht geltend machen, obschon er, wie er meint, dazu berechtigt sei. Man müsse auch einmal daran denken, daß ihm die sonntägliche Freude jedenfalls für den Rest des Tages gänzlich vergrellt gewesen sei; schließlich habe er, wie er vorträgt, am Sonntag sicherlich etwas Besseres zu tun gewußt, als unnützen Zeitaufwand für eine fremde Kuh zu investieren.


Entscheidungsgründe

Wie man es auch dreht und windet,

die Klage, sie ist nicht begründet.

Zwar hat der Kl., wie man sieht,

sich redlich um die Kuh bemüht.

Nun ist jedoch in dem Geschehen

nicht zu erkennen und zu sehen,

was der Jurist Geschäfte nennt,

die ohne Auftrag man auch kennt,

wenn sie geführt von fremder Hand,

Gefahr zu bannen, die bekannt (§§ 677, 680 BGB).

Der Tatbestand lässt deutlich werden,

man macht sich selber oft Beschwerden.

Eine Kuh am Wegesrand,

wiederkäuend sich vergnügend,

sonntäglichen Frieden liebend,

wird vom Kl. hier verkannt.

Wo ist die Gefahr ersichtlich,

die der Kl. hier gerichtlich

festzustellen sich bemüht?

Ach, es ist ein altes Lied!

Die Polizei war informiert,

nur kurzfristig nicht orientiert,

sie hätte aber unumwunden

die Kuh am Wegesrand gefunden,

und Rat gewusst, wie man das Tier

befrieden kann im Felde hier.

Warum nun PKW und Kette,

warum des Schiebens große Müh?

Dabei gibt es doch ganz nette

Transportgeräte für das Vieh.

Die Kuh, vielleicht mit Namen Liese,

träumte noch von jener Wiese,

wo sie der Kl. aufgespürt,

nun fremdem Hofe zugeführt.

„So geht mein Herr nicht mit mir um“

macht deutlich sie dem Publikum,

das nun auf Landwirt K’ses Hofe

versammelt ist mit Knecht und Zofe.

Sie ist verschreckt, geschockt, verstört

und reagiert, sie ist empört.

Nur deshalb regt sich Kopf und Klaue,

die Kuh hat Angst, dass man sie haue.

Denn alles, was bisher geschehen,

es war nicht gut, es war nicht schön.

Wer kennt die Psyche einer Kuh,

wenn sie aus sonntäglicher Ruh’

auf einen fremden Hof gebracht,

ja, wer kennt da des Rindviehs Macht.

Sie spürte, wie die fremden Stimmen

in ihr Kuhgemüt eindringen,

sie fürchtete nur um ihr Leben,

dies muss man doch der Kuh vergeben!

Deshalb die Tritte und das Weh

am frischpolierten PeKaWe.

Der Kl. hätte nichts verbockt,

hätt’ er die Kuh dort angepflockt,

am Wegesrand, am Wiesenrain,

des Nachmittags im Sonnenschein.

Sein PKW in altem Glanz

wär’ nicht verbeult, er wäre ganz.

Der Kläger hat, wie’s oft passiert,

ein wenig überreagiert.

Er hat sich sicher gut bedacht,

als er die Kuh ins Dorf gebracht.

Doch tat ihm dieses gar nichts nützen,

er bleibt jetzt auf dem Schaden sitzen

und muss, das bleibt auch ohne Fragen,

für diesen Fall die Kosten tragen (§ 91 ZPO).

Der Kosten wegen, wie sich’s frommt,

vorläufig die Vollstreckung kommt,

wenn der Bekl. seine Kosten

zusammenstellt als off’ne Posten.

Auch wenn’s den Kl. nicht ergötzt,

geschrieben steht dies im Gesetz (§ 708 Nr. 11 ZPO).

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