AG Frankfurt, Urteil vom 08.11.2011 – 33 C 2792/11
Es ist allgemein anerkannt und gehört zur heute üblichen Lebensführung, dass ein Mensch Tiere, insbesondere auch Hunde, hält. Dies ist nicht mehr nur auf ländliche Gebiete beschränkt, sondern auch in Großstädten und von mehreren Mietern oder Eigentümern genutzten Häusern der Fall (Rn 15).
Zu den herkömmlichen soziokulturellen Gegebenheiten gehört eben auch die Haustierhaltung, insbesondere von Hunden. Bei ordnungsgemäßer Hundehaltung können die Beeinträchtigungen für andere so gering gehalten werden, dass diesen ein nennenswerter Nachteil nicht erwächst. Ein nennenswerter Nachteil ist schlichtweg bei „verlorenen Hundehaaren“ nicht gegeben. Es mag nachbarschaftlich nicht fein sein, seinen Hund vor der Tür zu bürsten, da dies unproblematisch auch in der Wohnung stattfinden kann, jedoch ist damit noch nicht eine Grenze erreicht, die es dem Vermieter gestatten würde, auf den anderen Mieter einzuwirken (Rn. 16).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 365,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 90,70 € seit de, 05.04.2011, aus 93,70 € seit dem 04.05.2011, aus 90,70 € seit dem 03.06.2011 und aus 90,70 seit dem 05.07.2011 seit dem 05.07.2011 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 1/3 und die Klägerin zu 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die jeweilige Partei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die widerstreitenden Parteien sind verbunden durch einen Wohnraummietvertrag hinsichtlich einer Wohnung in der Liegenschaft … in Frankfurt am Main. Die monatliche Nutzungsgebühr beträgt 453,50 Euro. Die Beklagte mindert seit Januar 2011 die Miete und gibt als Grund an, der Hund der Nachbarn bzw. dessen Haare störten die Gesundheit der Tochter der Beklagten. Ferner gäbe es „erhebliche Ruhestörungen“, die Sprechanlage sei „über einen längeren Zeitraum ausgefallen“.
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Nachdem die Klägerin die Klage in einem Teil von 362,80 € zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr noch,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 275,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 90,70 € seit de, 05.04.2011, aus 93,70 € seit dem 04.05.2011, aus 90,70 € seit dem 03.06.2011 und aus 90,70 seit dem 05.07.2011 seit dem 05.07.2011 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte beruft sich hinsichtlich der Mieten auf eine gerechtfertigte Mietminderung in Höhe von 20 % wegen der Hundehaare.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet, der Klägerin daher mit ihrem Begehren zu diesem Teil zu folgen.
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Die Beklagte ist zur Zahlung des streitgegenständlichen Mietzinses verpflichtet, § 535 II BGB i. V. m. dem Mietvertrag. Soweit die Beklagte angibt, ihr stehe ein Recht zur Minderung in entsprechendem Umfange zu, kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden. Die Darstellung ist, was die Ruhestörung und die Sprechanlage betrifft, völlig unsubstantiiert. Unzulässig ist es jedoch, Behauptungen aufzustellen, die nicht im erforderlichen Maße substantiiert sind. Eine Partei genügt eben nur genau dann ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen.
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Die Angabe näherer Einzelheiten ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind; dabei hängt es vom Einzelfall ab, in welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen noch weiter substantiieren muss, vgl. zu den Substantiierungsanforderungen z. B. BGH, NJW-RR 1998, 712, 713; NJW 1999, 1859, 1860 und NJW-RR 1999, 1481 m. w. N.
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Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden.
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Hier hingegen konnte die Beklagte gerade nicht den Anforderungen der erforderlichen Substantiierung in dem notwendigen Maße entsprechen, sondern stellte lediglich pauschale Behauptung auf.
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Im Übrigen besteht kein Recht zur Minderung, was die Hundehaare und etwaig damit verbundene Allergien o. ä. bei der Tochter der Beklagten auslöst. Es mag bedauernswert sein, dass ein kleines Kind auf Hundehaare entsprechend reagiert, indes gibt es keine Möglichkeit für den Vermieter, und nur auf den kommt es in dieser Beziehung an, auf die anderen Mieter entsprechend einzuwirken. Es ist nicht ersichtlich, wie hier der Hausfrieden nachhaltig gestört sein soll oder eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit der Wohnung im Sinne des § 536 BGB vorliegen soll.
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Ziel der gegenseitigen Rücksichtnahme ist es, einen vernünftigen Kompromiss zu erreichen und zu Befriedung und einem geordneten Zusammenleben beizutragen.
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Es ist jedoch allgemein anerkannt und gehört zur heute üblichen Lebensführung, dass ein Mensch Tiere, insbesondere auch Hunde, hält. Dies ist nicht mehr nur auf ländliche Gebiete beschränkt, sondern auch in Großstädten und von mehreren Mietern oder Eigentümern genutzten Häusern der Fall.
16
Zu den herkömmlichen soziokulturellen Gegebenheiten gehört eben auch die Haustierhaltung, insbesondere von Hunden. Bei ordnungsgemäßer Hundehaltung können die Beeinträchtigungen für andere so gering gehalten werden, dass diesen ein nennenswerter Nachteil nicht erwächst. Ein nennenswerter Nachteil ist schlichtweg bei „verlorenen Hundehaaren“ nicht gegeben. Es mag nachbarschaftlich nicht fein sein, seinen Hund vor der Tür zu bürsten, da dies unproblematisch auch in der Wohnung stattfinden kann, jedoch ist damit noch nicht eine Grenze erreicht, die es dem Vermieter gestatten würde, auf den anderen Mieter einzuwirken.
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Ferner würde dies auch gegen das in Art. 1 I, 2 I GG manifestierte Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit verstoßen.
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Dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, die Autonomie des Einzelnen vor Eingriffen von Außen zu schützen, entspricht es, die Integrität der Persönlichkeit zu wahren. Dies wiederum kann nur dann vollumfänglich gewährt werden, wenn jeder sich nach seinem Willen so entfalten kann, wie er es möchte. Grundsätzlich handelt es sich hierbei klassischerweise um ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat, doch muss dies auch bei der Gestaltung privatrechtlicher Angelegenheiten Einzug und Beachtung finden. Selbstredend kann dieses Recht nur insoweit in Anspruch genommen werden, als Rechte Dritter nicht verletzt werden. Hierbei bedarf es im Kollisionsfall einer gerechten Abwägung. Durch das generelle Verbot, wie von der Beklagten gewünscht, einen Hund zu halten, wird jedoch in unverhältnismäßiger Art und Weise das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in seinen Grundfesten getroffen und ausgehöhlt. Ein generelles Verbot indes trifft auch den redlichen Hundehalter, der seinen Hund ordnungsgemäß hält und jede erhebliche Beeinträchtigung anderer auszuschließen vermag.
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Es greift daher unmittelbar in den Kern des Wohnungseigentums ein und höhlt dieses dergestalt aus, dass von einer sinngerechten Wahrnehmung desselben nicht mehr gesprochen werden kann.
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Mithin stellt das Bürsten des Hundes vor der Haustür ein unfreundliches Verhalten von Nachbar zu Nachbar dar, erreicht aber noch nicht die Grenze, um wie von der Beklagten gewünscht zu tenorieren.
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Der Zinsanspruch ist als Verzugsschaden begründet, §§ 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.