Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 22.09.2010 – 427 C 11141/09
Zur Zulässigkeit der Beitreibung von abgetretenen Schadensersatzforderungen aus einem Unfallgeschehen durch einen Dritten
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 140,65 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Dez. 2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger macht aus abgetretenem Recht restliche Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall in Dortmund vom 14.10.2008 geltend, wobei die Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung dem Grunde nach unstreitig ist. Die Parteien streiten dar, ob die als Geschädigte auftretende Zeugin … zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des geschädigten Fahrzeugs – Pkw Audi E war und ob die vom Zeugen … für die vorgenannte Zeugin wirksam die Abtretung erklären konnte sowie letztlich auch um die Wirksamkeit der Abtretung überhaupt und Höhe der Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten.
Der Kläger trägt dazu vor, dass im Rahmen der Auftragserteilung eine Einigung dahin getroffen worden sei, dass das Honorar auf der Grundlage der Honorartabelle des Klägers, welche den Mittelwerten des Honorarkorridors HB III der Honorarbefragung des BVSK 2005/2006 entspreche, habe berechnet werden sollen. Aufgrund des Auftrags habe er das Gutachten am 22.10.2008 erstellt mit 14 Lichtbildern, wobei ein Reparaturschaden von 2.174,75 EUR netto, ein Wiederbeschaffungswert von 2.950,00 EUR und ein Restwert von 600,00 EUR ermittelt worden sei. Der Kläger hält die von ihm berechneten Gebühren lt. Rechnung v. 22.10.2008 (Bl. 9 d.A.) i.H.v. insgesamt 608,69 EUR für gerechtfertigt und auch ersatzfähig. Abtretung der Schadenersatzforderung aus dem Verkehrsunfall sei mit der Erklärung vom 15.10.2008 (Bl. 6 d.A.) erfolgt durch den Zeugen Q für die geschädigte Eigentümerin, die Zeugin F.
Die Beklagte hat auf die Sachverständigenkosten vorprozessual 381,17 EUR gezahlt, den Restbetrag von 227,52 EUR macht der Kläger vorliegend mit der am 14.11.09 zugestellten Klage geltend, nachdem er diese durch seine Prozessbevollmächtigten unter dem 18.12.08 zur Zahlung unter Fristsetzung zum 30.12.08 angemahnt hat.
Der Kläger macht neben den restlichen Sachverständigenkosten vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 39,00 EUR geltend und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 227,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2008 zu zahlen sowie ihn von seiner Verbindlichkeit aus der Rechtsanwaltsgebührenrechnung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 39,00 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass die Zeugin ….. Eigentümerin des Unfallgeschädigten Fahrzeugs gewesen sei sowie das der Zeuge … der Zeugin F überhaupt wirksam bevollmächtigt gewesen sei zum Handeln gegenüber dem Kläger. Auch verstoße die Abtretung gegen das Rechtsberatungs- bzw. Rechtsdienstleistungsgesetz. Darüber hinaus meint die Klägerin, dass die in Ansatz gebrachten Sachverständigenkosten auch weit überhöht und damit nicht ersatzfähig seien. Eine etwaige Gebührenvereinbarung sei unerheblich. Geschuldet sei allein der erforderliche Aufwand, mithin allein übliches bzw. angemessenes Honorar. Dies sei vorliegend sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch der Nebenkosten in unerträglichem Maße überschritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat die Zeugen F und Q gehört gem. Sitzungsprotokoll vom 01.09.2010.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist im zuerkannten Umfang begründet.
Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf restliche Sachverständigenkosten zu.
Zunächst ist davon auszugehen, dass die Zeugin F als Eigentümerin des bei dem Unfall geschädigten Pkw Audi mit dem amtl. Kennzeichen … war und ihrerseits ihren Lebensgefährten, den Zeugen Q, bevollmächtigt hatte die Abtretung für sie vorzunehmen bzw. zumindest die erfolgte Abtretung genehmigt hatte. Dies hat die Beweisaufnahme durch Vernehmung der beiden unzweifelhaft ergeben. Im Übrigen hatte die Beklagte schließlich auch schon vorprozessual aufgrund der Abtretung die Zahlung des ihrer Meinung nach gerechtfertigten Anspruchs auf Ersatz der Sachverständigenkosten an den Kläger geleistet, sodass es schon zweifelhaft erscheint, dass sie nunmehr plötzlich die Eigentümerstellung der Zeugin F sowie auch die Berechtigung des Zeugen … zur Erklärung der Abtretung für die Zeugin F bestreitet.
Die Abtretung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) unwirksam. Aus der Abtretungserklärung ergibt sich eindeutig, dass es sich um eine Sicherungsabtretung bis zur Höhe des Sachverständigenhonorars handelt und der Auftraggeber sich um die Zahlung zu kümmern hat und im Falle der Nichtzahlung oder nicht vollständigen Zahlung seitens des Versicherers innerhalb der angegebenen Frist von 6 Wochen ab Erhalt des Gutachtens durch den Auftraggeber dieser den dann noch offenen Betrag selbst zu zahlen hat. Wenn nunmehr der Kläger daher hinsichtlich des nicht gezahlten Honorarteils aus der Sicherungsabtretung vorgeht, nimmt er vornehmlich ein eigenes Geschäft wahr (ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und auch der Berufungszivilkammer des Landgerichts Dortmund, zuletzt im Urteil v. 05.08.2010, 4 S 11/10).
Da die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist, hat die Beklagte gem. § 249 BGB den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustandes ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, wozu auch Sachverständigenkosten zählen, soweit die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig war. Daran sind Zweifel nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Soweit die Parteien um die Höhe der berechtigten und im Rahmen des § 249 BGB zu ersetzenden Sachverständigenkosten streiten, kommt es nicht auf eine Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen an, zumindest dann nicht, wenn dieses deutlich überhöht ist. Insoweit ist anerkannt, dass ebenso wie bei den Mietwagenkosten der Geschädigte hinsichtlich der Sachverständigenkosten die Kosten erstattet verlangen kann, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zweckmäßig und angemessen erscheinen (so das erkennende Gericht noch zuletzt Urt. v. 06.05.2010, Az.: 427 C 10381/09; auch LG Dortmund a.a.O.). Ausgehend zunächst von dem Grundhonorar ist dieses nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass eine Pauschalierung des Grundhonorars nach der Schadenshöhe zulässig ist (so auch BGH NJW 2006, 2471 und NJW 2007, 1450). Auch der insoweit angesetzte Betrag ist vorliegend nicht überhöht. Er hält sich im Rahmen der Tabelle aus der vom Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen (BVSK) vorgenommenen Befragung zur Höhe des üblichen Sachverständigenhonorars 2005/2006 und auch der von 2008/2009, und zwar im Honorarkorridor HB III, d.h. dem Wert, innerhalb dessen 40 – 60 % der BVSK-Mitglieder nach der jeweiligen Schadenshöhe ihr Honorar berechnen und auch innerhalb der Spannen HB I, 90 % berechnen oberhalb des Wertes, und HB II, 90 % berechnen unterhalb des Wertes. Es kann daher keinem Zweifel obliegen, dass das vom Kläger nach seiner Honorartabelle berechnete Grundhonorar von 320,50 EUR netto damit als üblich und für eine Berechnung des Schadens bzw. gar Schätzung als angemessen anzusehen ist.
Hinsichtlich der Nebenkosten ist das Gericht allerdings der Ansicht, dass diese, auch wenn sie pauschaliert werden, nicht aufgrund einer Befragung zu ermitteln sind, sondern sich an üblichen, hierfür anfallenden Kosten zu orientieren haben. Dies gilt insbesondere für Fotokosten, Schreibkosten und Telekommunikations- und Portokosten. Hierfür kann nicht Grundlage sein, was Sachverständige allgemein ansetzen, zumindest dann nicht, wenn die Kosten als überhöht anzusehen sind.
Insoweit ist das Gericht der Ansicht, dass heute bei Fotokosten im digitalen Fotozeitalter und entweder des Ausdrucks auf eigenem Drucker oder auch Anfertigung durch Fotolabors und Fotoentwicklungsdienste Kosten über 2,00 EUR pro Stück für den ersten und 1,00 EUR pro Stück für den zweiten Fotosatz die absolute Obergrenze ist. So sind Fotos über das Internet bereits für 0,10 EUR pro Stück in der Größe 10 X 15 cm zu erhalten. Selbst unter Berücksichtigung von Abschreibung auf einen digitalen Fotoapparat, Entwicklungs- bzw. Druckkosten und auch Versand- und damit zusammenhängender Kosten erscheint der o.a. Betrag ausreichend und absolut angemessen. Gleiches gilt letztlich für Schreibarbeiten bzgl. des Gutachtens. Insoweit vermag das Gericht Kosten von 2,98 EUR pro Gutachtenseite bzw. 0,76 EUR pro Seitenkopie absolut nicht zu akzeptieren. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass heutige Gutachten grundsätzlich nicht von Schreibkräften insgesamt tatsächlich geschrieben werden. So ist es so, dass die Seiten eines Schadensgutachtens mit den Kostenpositionen aus dem Computer nach den für die Erstellung des Gutachtens eingegebenen Daten lediglich ausgedruckt werden. Hinzu kommen lediglich wenige Seiten mit individuellen Eingaben bzgl. der Fahrzeugdaten sowie sonstigen Daten u.a. zur Schadensfeststellung, Besonderheiten, Wertminderung u.Ä. Auch dies sind in der Regel computermäßig eingegebene Daten, die dann ausgedruckt werden, und keine regelrechten Schreibarbeiten, wobei die Daten grundsätzlich ja vom Sachverständigen selbst eingegeben werden dürften und damit diese Tätigkeit auch durch das Grundhonorar abgegolten wird. Insoweit erscheint es dem Gericht völlig ausreichend und an der absoluten Obergrenze liegend, dass für das Gutachten als sog. Schreibkosten pro Seite ein Wert von 2,00 EUR angesetzt wird und für die Ausdrucke dann 0,50 EUR pro Seite. Insoweit ist jedoch nicht ersichtlich, dass hier drei Gutachtenausfertigungen im Rahmen der Schreib.Kopien angesetzt werden. Ohne nähere Darlegung erscheinen zwei Ausfertigungen des Gutachtens ausreichend und in der Regel auch tatsächlich übersandt, d.h. eine für die gegnerische Versicherung und eine für die eigenen Unterlagen.
Bei den Telekommunikations- und Portokosten sind nach Ansicht des Gerichts angesichts möglicher anfallender Kosten durch Telefonate und Portokosten bzgl. der Gutachtenversendung pauschal Kosten i.H.v. 16,00 EUR als Obergrenze anzusetzen. Gegen die pauschalen Fahrtkosten von 22,00 EUR sind nach Ansicht des Gerichts Bedenken nicht begründet.
Soweit schließlich Restwertermittlungskosten eingesetzt sind, bestehen hiergegen Bedenken. Die Restwertermittlung ist nach Ansicht des Gerichts durch das Grundhonorar abgegolten. Im Übrigen ist vorliegend nicht ersichtlich, dass und wieso diese Kosten nun tatsächlich konkret angefallen sind. Es kann schließlich nicht sein, dass immer weitere Kosten wie Restwertermittlungskosten oder Kosten z.B. auch für eine Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes neben dem Grundhonorar eingestellt werden. Dies geht, wie das erkennende Gericht aus anderen Verfahren weiß, so weit, dass auch Kosten für Fachliteratur oder Computerprogramme für bestimmte Vorgänge oder Berechnungen angesetzt werden. Nach Ansicht des Gerichts werden tatsächlich solche Kosten im Rahmen eben des Grundhonorars mit abgegolten.
Es ergeben sich daher sog. Nebenkosten neben dem Grundhonorar von 118,00 EUR und insgesamt folgende berechtigte Kosten:
Grundhonorar 320,50 EUR
Fahrtkosten pauschal 22,00 EUR
Fotosatz I 14 X 2,00 EUR 28,00 EUR
Fotosatz II 14 X 1,00 EUR 14,00 EUR
Schreibkosten Original 16 Seiten X 2,00 EUR 32,00 EUR
Schreibkosten 2 X Kopie 16 Seiten X 0,50 EUR 16,00 EUR
Telekommunikations- und Portokosten 16,00 EUR
Gesamt netto 438,50 EUR
Mehrwertsteuer 19 % 83,32 EUR
Gesamt brutto 527,82 EUR
Unter Berücksichtigung der vorprozessual seitens der Beklagten erfolgten Zahlung ergibt sich für den Kläger ein restlicher Anspruch auf Sachverständigenkosten i.H.v. 140,65 EUR.
Der Zinsanspruch ist gem. §§ 280, 286, 288 BGB begründet.
Ein Anspruch auf Freistellung von vorprozessualen Anwaltskosten steht dem Kläger nach Ansicht des Gerichts nicht zu. Hierzu wäre erforderlich, dass sich die Beklagte dem Kläger gegenüber in Verzug befunden hat. Dies ist jedoch dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Insoweit ist die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 18.12.08 zur Regulierung der restlichen Sachverständigenkosten unter Fristsetzung zum 30.12.08 aufgefordert worden, sodass damit erst eine Inverzugsetzung erfolgte. Dass zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung bereits Verzug seitens der Beklagten vorlag, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, zumal erst unter dem 19.12.08 seitens der Beklagten nach klägerischem Vortrag eine weitere Regulierung abgelehnt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung gem. § 511 Abs. 4 ZPO lagen keine der hierfür erforderlichen Gründe vor. Die reinen Rechtsfragen sind obergerichtlich entschieden. Im Übrigen handelt es sich um jeweils Einzelfallentscheidungen.