AG Bremen, Urteil vom 07.06.2011 – 18 C 632/10
Übergibt ein Versicherungsnehmer einen Hausratsgegenstand an einen geschäftsmäßig handelnden Verkäufer zum Zwecke des Verkaufs, besteht für diesen Hausratsgegenstand kein Außenversicherungsschutz im Rahmen einer Hausratsversicherung. Der dem Versicherungsnehmer durch einen Einbruch in das Ladengeschäft des Verkäufers entstehende Diebstahlsschaden ist deshalb nicht vom Hausratsversicherer zu erstatten.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus einer Hausratversicherung Schadensersatz für entwendeten Schmuck.
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Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Hausratversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 2000) zu Grunde. Ziffer 7.1 der VHB 2000, die den sogenannten Außenversicherungsschutz für Hausrat regelt, lautet: Versicherte Hausratsachen, die in Ihrem Eigentum oder im Eigentum einer mit Ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person stehen oder die Ihrem oder deren Gebrauch dienen, sind weltweit auch versichert, solange sie sich vorübergehend außerhalb der Wohnung befinden. Zeiträume von mehr als 3 Monaten gelten nicht als vorübergehend.“
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Die Klägerin behauptet, sie habe beginnend ab Februar 2009 nach und nach ihr gehörenden Schmuck in das Geschäft „.“ in Bremen gebracht, damit der Ladeninhaber diesen Schmuck verkauft. Mit dem Ladeninhaber habe die Klägerin vereinbart, dass sie den Schmuck, der sich nicht kurzfristig verkaufen ließ, spätestens nach drei Monaten wieder zurücknehme. Den Erlös aus dem Verkauf von Schmuck habe die Klägerin regelmäßig, d.h. mindestens einmal wöchentlich abgeholt.
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Die Klägerin behauptet weiter, in der Nacht vom 16. auf den 17.04.2009 sei in das Geschäft „ “ eingebrochen worden. Dabei sei auch der Schmuck der Klägerin, der sich zu dieser Zeit im Laden befunden habe, gestohlen worden. Für die einzelnen angeblich gestohlenen Schmuckstücke der Klägerin wird auf die Auflistung des Ladeninhabers (Bl. 5 d.A.) Bezug genommen. Der gestohlene Schmuck habe einen Wert von 3.819,- € gehabt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.819,- € nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. seit dem 21.04.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte meint, die Sachen seien nicht vorübergehend im Sinne von Ziffer 7.1 VHB 2000 aus dem Haushalt der Beklagten entfernt worden, da sie zum Verkauf in das Geschäft „ “ gebracht wurden. Deshalb bestehe kein Zahlungsanspruch der Klägerin.
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Ergänzend wird für das Parteivorbringen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I) Die zulässige Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen.
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1) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch aus dem Hausratversicherungsverhältnis.
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2) Es kann dahinstehen, ob – wie von der Klägerin behauptet – im Geschäft „XXX“ eingebrochen wurde und dabei der Klägerin gehörender Schmuck im Wert von 3.819,- € entwendet wurde. Denn der Schmuck, der sich aufgrund der von der Klägerin behaupteten Abreden mit dem Ladeninhaber im Geschäft „ “ befunden haben soll, war dort jedenfalls nach den Versicherungsbedingungen nicht mehr im Rahmen des sogenannten Außenversicherungsschutzes für Hausrat gemäß Ziffer 7.1 der Versicherungsbedingungen versichert.
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a) Der Versicherungsschutz der Hausratversicherung bezieht sich grundsätzlich auf Sachen, die zum Haushalt in einer bestimmten im Versicherungsschein bezeichneten Wohnung gehören. Nach Ziffer 7.1 der hier einschlägigen Versicherungsbedingungen sind Sachen, die in diesem Sinne zum Haushalt einer bestimmten Wohnung zählen (Hausrat) allerdings auch dann versichert, wenn sie vorübergehend nicht in der versicherten Wohnung sind. Eine Sache befindet sich in diesem „vorübergehend“ außerhalb der Wohnung, wenn sich nach dem Willen des Versicherungsnehmers das weitere Geschehen zeitlich und räumlich so entwickeln soll, dass die Sache in die Wohnung zurück gelangt (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 28. Auflage 2010, § 11 VHB 2000, Rn 8). Bei der Abgrenzung, ob eine Sache in diesem Sinne „vorübergehend“ außerhalb der Wohnung ist, aber noch dem Hausrat zuzuordnen ist, oder aber dauernd aus der Wohnung entfernt wurde, kommt es auch darauf an, ob die Sache wahrscheinlich wieder in die Wohnung zurück gelangt (vgl. BGH VersR 1986, 778). Jedenfalls, wenn sich die Sache nur ausnahmsweise außerhalb der Wohnung befindet, soll der Versicherungsschutz fortbestehen (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 1990, 529).
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b) Es ist umstritten, ob sich eine Sache, die von einem kommerziellen Verkäufer für den Versicherungsnehmer verkauft werden soll und sich deshalb im Geschäft des Verkäufers befindet, nur vorübergehend außerhalb der versicherten Wohnung befindet und deshalb Außenversicherungsschutz genießt. Das Amtsgericht Eschweiler bejaht in seiner Entscheidung vom 27.05.2010 (Az. 23 C 177/08, RuS 2010, 422), einen Versicherungsschutz, weil entweder bei erfolgreichem Verkauf der Erlös als Surrogat für die Sache in die Wohnung zurückkehren soll, oder bei erfolglosen Verkaufsbemühungen die Sache selbst. Das Amtsgericht Hamburg hat in seiner Entscheidung vom 05.04.1990 (Az. 22a C 224/90, VersR 1991, 1051) einen Außenversicherungsschutz hingegen abgelehnt und dabei auf die feste Verkaufsabsicht des Versicherungsnehmers abgestellt. Auch das Landgericht Düsseldorf lehnt einen Außenversicherungsschutz jedenfalls dann ab, wenn die Sache als Kommissionsware an einen gewerblichen Verkäufer zum Verkauf gegeben wird (LG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.1981, Az 21 S 379/80, VersR 1982, 57).
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c) Der Schmuck, der sich nach der Behauptung der Klägerin zum Verkauf im Geschäft „ “ befunden haben soll, unterlag dort nicht mehr dem Außenversicherungsschutz der Hausratversicherung, da er sich nicht nur vorübergehend außerhalb der versicherten Wohnung der Klägerin befand.
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aa) Maßgeblich für diese Sichtweise des Gerichts ist, dass die Klägerin nach ihrer Vorstellung die betreffenden Schmuckstücke endgültig aus ihrem Hausrat ausgegliedert hat. Wenn ein Versicherungsnehmer sich entscheidet, eine zu seinem Haushalt gehörende Sache einem Verkäufer zu überlassen, damit dieser sie verkaufe, so findet er sich damit ab, dass diese Sache bei planmäßigem Verlauf nach Übergabe an den Verkäufer nicht mehr an ihn zurück gelangt. Er begibt sich auch weitgehend des weiteren Einflusses auf den Verkaufsvorgang und darauf, ob die Sache tatsächlich verkauft wird oder nicht. Dies setzt deshalb eine Entscheidung voraus, die betreffende Sache aus dem eigenen Haushalt auszugliedern.
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Der Versicherungsnehmer, der eine Sache zum Verkauf weggibt, hat damit die Sache aus dem Haushalt ausgesondert, denn er rechnet damit, die Sache nicht mehr zurück zu erhalten. Die Rückkehr der Sache in die versicherte Wohnung wird nicht bezweckt, sondern stellt eine Ausnahme dar. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Versicherungsnehmer wie die Klägerin, mit dem Verkäufer vereinbart hat, dass Ware nur eine kurze Zeit beim Verkäufer im Angebot bleiben soll. Denn auch dann beabsichtigt der Versicherungsnehmer vorrangig den Verkauf. In einem solchen Fall geht der Außenversicherungsschutz mit Übergabe an den Verkäufer verloren.
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bb) Aus dem Umstand, dass der Verkaufserlös statt der weggegebenen Sache in den Haushalt des Versicherungsnehmers gelangen soll, kann entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Eschweiler jedenfalls bei einem beabsichtigten Verkauf der Sache durch einen Dritten und Übergabe der Sache an diesen nicht auf einen Versicherungsschutz im Rahmen der Außenversicherung geschlossen werden.
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Das Amtsgericht Eschweiler begründet seine Auffassung damit, dass ein Versicherungsschutz für Sachen, die dauerhaft aus der Wohnung gebracht werden, dann anerkannt sei, wenn statt der entfernten Sache eine andere Sache als Surrogat in die Wohnung zurückkehren soll. Dies wird in der Literatur angenommen, wenn Sachen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufs aus der Wohnung verbracht werden (Knappmann in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 28. Auflage 2010, § 11 VHB 2000, Rn 12) oder wenn Bargeld zum Erwerb einer Sache aus der Wohnung entfernt wird (Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage 1992, G V 28).
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Es kann dahinstehen, ob in den von der Literatur aufgeführten Fällen ein Versicherungsschutz auch für eine an sich dauerhaft aus der Wohnung entfernte Sache zu bejahen ist. Jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem die entfernte Sache einem gewerbsmäßigen Verkäufer zum Zwecke eines späteren Verkaufs übergeben wird, geben weder der Wortlaut der einschlägigen Ziffer 7.1 der Versicherungsbedingungen noch der Zweck einer Hausratversicherung Anlass, eine solche Erweiterung des Außenversicherungsschutzes zu bejahen. Vielmehr erscheint die Ablehnung eines Versicherungsschutzes im Rahmen der Außenversicherung des Hausrates sachgerecht, weil der Verkauf einer Sache durch einen Dritten typischer Weise nicht zum Vorhalten eines Hausrates durch den Versicherungsnehmer gezählt werden kann. Gegen einen Versicherungsschutz im Rahmen einer bestehenden Hausratversicherung spricht bei einer Übergabe einer Sache an einen gewerbsmäßigen Verkäufer und Diebstahl dieser Sache beim Verkäufer außerdem, dass in solchen Fällen sich in erster Linie ein Risiko verwirklicht, das aus dem kommerziellen Anbieten von Ware gegenüber der Öffentlichkeit und der Lagerung der Ware am Verkaufsort resultiert (ähnlich LG Düsseldorf a.a.O.). Es erscheint daher nicht sachgerecht, dieses Risiko als versichertes Risiko einer Hausratversicherung anzusehen. Dementsprechend verneinen teilweise auch die Befürworter einer Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf an sich dauerhaft entfernte Sachen einen Außenversicherungsschutz jedenfalls bei Übergabe der entfernten Sache an einen Verkaufskommissionär (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage 1992, G V 26).
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3) Darauf, ob die Klägerin wegen der Hinweise zur Hausratversicherung, die laut Klägerin dem Versicherungsschein beigefügt gewesen sein sollen, von einem bestehenden Versicherungsschutz für den Schmuck im Geschäft „ “ ausgehen durfte, was wegen der einleitenden Bemerkungen auf die ausschließliche Verbindlichkeit der Versicherungsbedingungen nach Ansicht des Gerichts fraglich erscheint, braucht nicht weiter eingegangen zu werden. Denn die Behauptung, dem Versicherungsschein seien diese Hinweise beigefügt gewesen, erfolgte erstmals in einem insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung und war gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Anlass zu Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt dieses Vorbringen nicht.
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II) Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.