Keine verhaltensbedingte Kündigung wegen Alkoholisierung bei Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit

Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.08.2010 – 7 Sa 417/09

Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen pflichtwidriger Alkoholisierung am Arbeitsplatz scheidet in der Regel aus, wenn der Arbeitnehmer bei Kündigungsausspruch alkoholabhängig ist.(Rn.26) Fehlendes Verschulden wegen Alkoholabhängigkeit muss im Kündigungsschutzprozess substantiiert eingewandt werden. Gesteht der persönlich angehörte Arbeitnehmer zu, nicht alkoholabhängig zu sein, kann sein Prozessvertreter nicht das Gegenteil behaupten. Der Arbeitnehmer kann vom eigenen Prozessvertreter nicht gegen seinen Willen in einen Streit über eine Alkoholabhängigkeit gezwungen werden.(Rn.28)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 03.09.2009, 2 Ca 107/09, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.

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Die Beklagte ist ein Unternehmen der Süßwarenindustrie. Sie unterhält im thüringischen K. einen Produktionsbetrieb mit regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmern. Der Kläger (geb. am 0.0.1967, verheiratet, ein Kind) war dort seit 20.07.1992 als Mechaniker beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag in der Fassung vom 10.03.1993 (Bl. 133 bis 137 d.A.) wird Bezug genommen. Dort sind in § 12 die Bestimmungen des jeweils gültigen Tarifvertrages ergänzend vereinbart. § 5 verweist für die Vergütung auf den Entgelttarifvertrag für die Süßwarenindustrie in Thüringen, § 4 für die Arbeitszeit, § 7 für den Urlaub, § 8 für die Jahressonderzuwendung und § 9 für die Kündigung auf den „Bundesmanteltarifvertrag“.

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Mit Schreiben vom 24.11.2004 (Bl. 20 d.A.) wurde der Kläger abgemahnt, weil er in der Spätschicht tief schlafend im Lager aufgefunden wurde. Er widersprach dieser Abmahnung ohne konkrete Begründung (Bl. 71 d.A.).

4

Mit Schreiben vom 13.10.2005 (Bl. 22 d.A.) wurde der Kläger wegen Alkoholisierung abgemahnt. Ein mit seiner Zustimmung durchgeführter Alkoholtest hatte 0,4 Promille ergeben.

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Mit Schreiben vom 28.02.2006 (Bl. 23 d.A.) wurde der Kläger abgemahnt, weil er sich einem Alkoholtest wegen Alkoholgeruches dadurch entzog, dass er den Betrieb verließ ohne abzustempeln.

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Am 28.02.2006 schlossen die Parteien zum Erhalt des Arbeitsplatzes und zur Vermeidung einer Kündigung wegen Alkoholmissbrauchs eine schriftliche „verhaltensbedingte Vereinbarung“ (Bl. 27 d.A.). Der Kläger verpflichtete sich, die Arbeit nicht unter Alkoholeinfluss aufzunehmen und während der Arbeitszeit keinen Alkohol zu trinken sowie eine Suchtberatung in Anspruch zu nehmen. Abschließend ist ausgeführt, dass die Beklagte bei Verstoß gegen diese Vereinbarung entsprechende arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten wird.

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Laut Mitteilung der Thüringer Suchthilfe wurde die Beratung in Form von Einzelgesprächen am 15.03.2006 aufgenommen und am 06.05.2008 beendet (Bl. 132 d.A.).

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Unstreitig hatte der Kläger in der Spätschicht am 09.03.2009 Verständigungs- und Koordinationsprobleme. Streitig ist, ob Ursache eine Alkoholisierung war – so die Beklagte – oder eine Zahnbehandlung und Fußgelenksentzündung nebst Tabletteneinnahme – so die nachträgliche Erklärung des Klägers. Den verlangten Alkoholtest mittels Alkomat lehnte der Kläger ab. Er verließ den Betrieb vor Schichtende ohne abzustempeln.

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Die Beklagte entschloss sich zur verhaltensbedingten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 31.05.2009. Nach dem Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie in den neuen Bundesländern vom 11.05.1994 beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit ab 10 bis 20 Jahren 2 Monate zum Monatsende (§ 2 Nr.5).

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Der Betriebsrat wurde mit Schreiben vom 16.03.2009 (Bl. 17 d.A.) über den Vorfall vom 09.03.2009 und die vorausgegangenen Abmahnungen nebst Vereinbarung vom 28.02.2006 unterrichtet. Er teilte mit Schreiben vom 17.03.2009 (Bl. 18 d. A.) mit, dass er die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung zum 31.05.2009 zur Kenntnis nehme. Sie wurde ausgesprochen mit Schreiben vom 20.03.2009, das dem Kläger am gleichen Tag zuging.

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Mit seiner am 31.03.2009 eingereichten Kündigungsschutzklage hat sich der anwaltlich vertretene Kläger gegen die Kündigung vom 20.03.2009 zur Wehr gesetzt und klagerweiternd seine vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Im erstinstanzlichen Gütetermin vom 21.04.2009 und in der Berufungsverhandlung verneinte er eine Alkoholabhängigkeit.

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Mit Urteil vom 03.09.2009, auf dessen Tatbestand ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Kündigung vom 20.03.2009 als außerordentliche unwirksam, als ordentliche aber wirksam ist und das Arbeitsverhältnis damit zum 31.05.2009 aufgelöst wurde. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei nach eigener Einlassung nicht alkoholkrank und könne sein Verhalten damit steuern. Am 09.03.2009 sei er wieder alkoholisiert gewesen, wofür schon die eingeräumten Ausfallerscheinungen sprächen. Unglaubhaft sei die Schutzbehauptung, die verschwommene Sprache und der schwankende Gang beruhten auf Tabletteneinnahme bzw. Zahnarztbehandlung und Fußgelenksentzündung. Das Gericht müsse sich vieles anhören, aber nicht alles glauben. Unabhängig davon, ob die behauptete Krankheit bzw. Behandlung überhaupt geeignet sei, die Ausfallerscheinungen zu bewirken, habe sich der Kläger darauf am 09.03.2009 nicht berufen, sondern den Alkoholtest verweigert und den Betrieb fluchtartig verlassen. Als außerordentliche sei die Kündigung vom 20.03.2009 aber unwirksam, weil eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der relativ kurzen tariflichen Kündigungsfrist zumutbar sei. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei hingegen aus verhaltensbedingten Gründen wirksam. Nach zwei einschlägigen Abmahnungen wegen Alkoholmissbrauchs sei die Zukunftsprognose negativ.

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Die Beklagte hat die erstinstanzliche Entscheidung über die Unwirksamkeit ihrer außerordentlichen Kündigung akzeptiert. Der Kläger hat gegen das ihm am 14.09.2009 zugestellte Urteil am 12.10.2009 Berufung eingelegt, die am 11.11.2009 begründet wurde.

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Die Berufung rügt, auch die ordentliche Kündigung sei unwirksam, weil der Kläger objektiv alkoholabhängig sei. Auf seine gegenteilige subjektive Einschätzung komme es nicht an.

15

Das Arbeitsgericht glaube dem Kläger schließlich auch sonst nicht. Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht die Kündigung nicht am strengen Maßstab der personenbedingten Kündigung aus Krankheitsgründen geprüft. Selbst wenn der Kläger nicht alkoholabhängig wäre, sei der Kündigungsvorwurf unzutreffend. Ohne erforderliche Beweisaufnahme habe das Arbeitsgericht eine Alkoholisierung unterstellt. Die undeutliche Sprache sei auf eine Zahnbehandlung zurückzuführen, der verlangsamte Gang auf eine Fußgelenksentzündung. Zudem habe der Kläger unter Medikamenteneinnahme gestanden. Zur Durchführung des verlangten Alkoholtestes mittels Alkomat sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Selbst wenn die ordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre, sei die gesetzliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen nicht bezeichneten Bundesmanteltarifvertrag sei unbestimmt und halte einer AGB-Kontrolle nicht stand.

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Die Berufung beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 03.09.2009, Az.: 2 Ca 107/09, abzuändern und

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 20.03.2009 zum 31.05.2009 aufgelöst wurde;

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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in Vollzeit als Mechaniker mit einem Bruttogehalt von 2.464,92 € im Werk K., weiterzubeschäftigen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und behauptet weiterhin, der Kläger sei nicht alkoholabhängig, wie er selbst einräume. Dafür hätten auch keine Anhaltspunkte vorgelegen. Er habe sich nicht wegen Abhängigkeit zur Suchtberatung verpflichtet, sondern zur Vermeidung eines Alkoholmissbrauchs. Am 06.05.2008 seien die Einzelgespräche abgeschlossen worden, was gerade gegen eine Abhängigkeit spreche. Andernfalls wären nämlich weitere therapeutische Maßnahmen erforderlich gewesen. Gewohnheitsmäßig habe der Kläger nicht getrunken.

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Ergänzend wird auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der Berufungsverhandlung Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

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A. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

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I. Die noch streitige ordentliche Kündigung vom 20.03.2009 ist aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).

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1. Die Rüge, fehlerhaft habe das Arbeitsgericht nicht den strengen Maßstab einer personenbedingten Kündigung wegen Alkoholerkrankung angezogen, greift schon deshalb nicht, weil die Kündigung darauf nicht gestützt wird und auch nicht gestützt werden könnte, weil der Betriebsrat nicht entsprechend angehört wurde. Richtig ist aber, dass eine verhaltensbedingte Kündigung wegen pflichtwidriger Alkoholisierung am Arbeitsplatz Verschulden voraussetzt. Bei Alkoholabhängigkeit scheidet eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Alkoholisierung in der Regel aus. Der Alkoholabhängige kann sein Verhalten suchtbedingt nicht steuern. Dann kommt nur eine personenbedingte Kündigung wegen Alkoholkrankheit in Betracht.

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2. Die Sozialwidrigkeit einer Kündigung beurteilt sich nach der objektiven Sachlage bei Kündigungszugang. Die subjektiven Erwägungen des Arbeitgebers sind nicht maßgeblich. Deshalb ist die richtige Reaktion des Arbeitgebers auf alkoholbedingtes Fehlverhalten mit Unsicherheiten verbunden, wenn er nicht weiß, ob eine Abhängigkeit zugrunde liegt. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess Alkoholabhängigkeit einwendet und dieser Entschuldigungsgrund vom Arbeitgeber nicht widerlegt wird, der die Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung hat. Der Einwand fehlenden Verschuldens ist nicht daran gebunden, dass sich der Arbeitnehmer alsbald nach Zugang der verhaltenbedingten Kündigung auf Alkoholabhängigkeit beruft (so aber Willemsen/Brune, DB 88, 2304 unter Bezug auf die damalige Rechtsprechung des LAG Frankfurt). Materiellrechtlich kommt es nur darauf an, ob der Arbeitnehmer bei Kündigungsausspruch abhängig ist (KR-Griebeling, 9. Aufl. 2009, § 1 KSchG Rz 421; APS-Dörner, 3. Aufl. § 1 KSchG Rz. 311). Ob der Einwand der Alkoholabhängigkeit im Kündigungsschutzprozess verspätet ist, bestimmt Verfahrensrecht.

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3. Anlass zur Prüfung einer Alkoholabhängigkeit besteht aber nur dann, wenn sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess auf diesen Entschuldigungsgrund auch beruft, und zwar substantiiert. Das Gericht hat den Sachverhalt nicht von Amts wegen aufzuklären. Im Zivilprozess gilt die Partei – und nicht die Untersuchungsmaxime. Der Parteivortrag bestimmt also die vom Gericht ggf. durch Beweisaufnahme festzustellende objektive Sachlage bei Kündigungsausspruch. Im Rechtsstreit hier hat der Kläger sowohl im erstinstanzlichen Gütetermin als auch in der Berufungsverhandlung zugestanden, nicht alkoholabhängig zu sein. Sein Prozessvertreter behauptet zwar das Gegenteil. Herr des Verfahrens ist aber die Partei, die vom Gericht auch bei anwaltlicher Vertretung angehört werden darf, und zwar auch im Berufungsrechtzug mit Vertretungspflicht. Der Kläger kann vom eigenen Prozessvertreter nicht gegen seinen Willen in einen Streit um eine Alkoholabhängigkeit gezwungen werden. Auch wenn die fehlende Einsicht in die Alkoholerkrankung suchttypisch ist, wusste der Kläger in der Berufungsverhandlung, um was es geht. Er blieb dabei, nicht alkoholabhängig zu sein. Die Beklagte ist gleicher Auffassung. Was unstreitig ist, muss vom Gericht nicht aufgeklärt werden.

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4. Ein nicht auf Alkoholabhängigkeit beruhender Alkoholmissbrauch im Betrieb ist – in der Regel nach erfolgloser Abmahnung – an sich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (BAG vom 16.01.1995, 2 AZR 694/94, BAGE 79, 176). Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, seine Arbeitsfähigkeit nicht durch Alkoholkonsum zu beeinträchtigen. Auf Verlangen der Beklagten hat sich der Kläger nach zwei einschlägigen Abmahnungen darüber hinaus zu einem strikten Alkoholverbot am Arbeitsplatz nebst Suchtberatung verpflichtet. Das war eine vom Kläger akzeptierte Hilfestellung zur Vermeidung einer Kündigung wegen Alkoholmissbrauchs. Eine Alkoholabhängigkeit hatte er auch damals nicht geltend gemacht. Damit ist entscheidungserheblich, ob der Kläger am 09.03.2009 erneut alkoholisiert war.

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a. Die Berufung sieht im Ansatz richtig, dass die Beklagte eine bestrittene Alkoholisierung beweisen muss. Sie rügt deshalb, das Arbeitsgericht habe die erforderliche Beweisaufnahme verfahrensfehlerhaft übergangen. Das ist zu kurz argumentiert. Die Verständigungs- und Koordinationsprobleme sind unstreitig. Die Berufung erklärt sie mit einer Zahnbehandlung und Fußgelenksentzündung nebst Tabletteneinnahme. Das Arbeitsgericht hat diese Verteidigung nach § 286 ZPO gewürdigt und als unglaubhaft bewertet. Unglaubwürdiger Sachvortrag ist unbeachtlich und löst die Beweislast der Beklagten nicht aus.

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b. Die Würdigung des Arbeitsgerichts überzeugt. Auch das Berufungsgericht glaubt dem Kläger nicht. Tabletteneinfluss hat er erst nachträglich in der erstinstanzlichen Güteverhandlung behauptet. Welche Tabletten mit welchen Nebenwirkungen wird nicht erläutert. Stattdessen wird zusätzlich eine Zahnbehandlung und Fußgelenksentzündung nachgeschoben, was zutreffen mag. Das erklärt aber nicht, warum der Kläger darauf am 09.03.2009 nicht hinwies, den verlangten Alkoholtest verweigerte und den Betrieb vorzeitig verließ, noch dazu ohne abzustechen. Zum Alkoholtest konnte er zwar nicht gezwungen werden. Auf Grundlage seiner eigenen Verteidigung hatte er aber nichts zu befürchten. Ein Alkoholtest hätte ihn vielmehr entlastet. Das Verhalten des Klägers ist nur damit zu erklären, dass er alkoholisiert war. Schon mit Schreiben vom 28.02.2006 war er abgemahnt worden, weil er sich einem Alkoholtest auf gleiche Weise entzogen hatte. Das Verhaltensmuster ist also nicht neu.

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5. Die stets erforderliche Negativprognose hat das Arbeitsgericht nach zwei einschlägigen Abmahnungen bejaht. Die Berufung meint, die Abmahnungen seien wegen Zeitablaufs wirkungslos. Darauf kommt es aber nicht an. Der Kläger war gewarnt. Die Vereinbarung vom 28.02.2006 diente ausdrücklich der Vermeidung einer Kündigung wegen Alkoholmissbrauches. Dort wird darauf hingewiesen, dass bei Verstoß arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden. Der Kläger wusste also, dass das Arbeitsverhältnis bei erneuter Alkoholisierung gefährdet ist. Dennoch hat er wieder getrunken, womit ihm unabhängig von den vorausgegangenen Abmahnungen eine negative Zukunftsprognose zu stellen ist. Eine nochmalige Abmahnung war nicht erforderlich.

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6. Die Interessenabwägung spricht gegen den Kläger. Die Beklagte hat auf die Alkoholverfehlungen des Klägers mit Zurückhaltung reagiert. Sie wollte helfen. Deshalb wurde die Vereinbarung vom 28.02.2006 abgeschlossen. Die Suchtberatung wurde verlangt, um künftigem Alkoholmissbrauch zu begegnen. Bei auftretenden Alkoholproblemen ist eine therapeutische Begleitung schon deshalb sinnvoll, um ein Abgleiten in die Sucht zu verhindern. Die Suchtberatung in Form von Einzelgesprächen wurde am 06.05.2008 abgeschlossen. Dennoch war der Kläger am 09.03.2009 wieder alkoholisiert. Die jetzt ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt.

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II. Die Kündigungsfrist ist eingehalten. Damit wurde das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2009 aufgelöst.

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1. Nach § 622 Abs.2 Nr. 6 BGB beträgt die Kündigungsfrist nach einer Beschäftigungszeit ab 15 bis 20 Jahren zwar 6 Monate zum Monatsende. Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind aber tarifdispositiv (§ 622 Abs. 4 S. 1 BGB). Sie können durch Tarifvertrag abgekürzt werden. Von dieser Tariföffnungsklausel wurde mit § 2 Nr. 5 des Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie in den neuen Bundesländern Gebrauch gemacht. Danach beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit ab 10 bis 20 Jahren 2 Monate zum Monatsende.

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2. Auch bei fehlender Tarifbindung können die Arbeitsvertragsparteien im Geltungsbereich des Tarifvertrages die kürzere tarifliche Kündigungsfrist individualrechtlich vereinbaren, um die Arbeitnehmer gleichzustellen und damit eine Bevorzugung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer zu vermeiden (§ 622 Abs. 4 S. 2 BGB). Eine entsprechende Vereinbarung wurde in § 9 des Arbeitsvertrages getroffen. Die fehlende Bezeichnung des dort in Bezug genommenen Bundesmanteltarifvertrages ist unschädlich. Bestimmbarkeit genügt (ErfK/Müller-Glöge, 10. Aufl. 2010, § 622 BGB Rz. 37). Einschlägig sind die Tarifverträge für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie in den neuen Bundesländern und damit § 2 des Bundesmanteltarifvertrages. Für den Kläger war auch ohne weiteres erkennbar, dass auf das Tarifwerk für die Süßwarenindustrie verwiesen wird. Wegen der Vergütung wird in § 5 des Arbeitsvertrages ausdrücklich der Entgelttarifvertrag für die Süßwarenindustrie in Thüringen in Bezug genommen. Die Auffassung der Berufung, beispielsweise komme auch die Anwendung der Tarifverträge für das Bäckerhandwerk oder die Backwarenindustrie oder die Mühlenindustrie in Betracht, kann nicht ernst gemeint sein. Deshalb schweigt sie auch zur langjährigen Vertragspraxis.

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3. Eine AGB-Kontrolle scheidet schon deshalb aus, weil die auch auf Arbeitsverhältnisse anwendbaren §§ 305 ff BGB erst am 01.01.2002 in Kraft getreten sind. Der Arbeitsvertrag wurde 1993 geschlossen.

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4. Jenseits der rechtlichen Betrachtung sollte der Kläger nicht vergessen, dass das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gerade darauf gestützt hat, dass die Einhaltung der kurzen tariflichen Kündigungsfrist zumutbar ist. Die Beklagte hat das akzeptiert.

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III. Wegen Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung zum 31.05.2009 hat der Kläger keinen Anspruch auf die verlangte vorläufige Weiterbeschäftigung.

40

B. Die Kosten seiner erfolglosen Berufung hat der Kläger nach § 97 Abs.1 ZPO zu tragen.

41

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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