Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 01.09.2009 – 6 Sa 474/06
Die Kammer bleibt dabei, dass die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ gerade bei einer staatlichen Behörde durchaus dahingehend verstanden werden kann, dass die private Nutzung des Internets in Einzelfällen als erlaubt anzusehen sein könnte (Rn. 51).
Tenor
1. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 25.03.2003, Az. 2 Ca 1952/02, wird, soweit noch nicht rechtskräftig über sie entschieden ist, zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der Revision zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten noch über eine verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung, den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers sowie einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers.
2
Der 1953 geborene, für seine Ehefrau unterhaltspflichtige Kläger ist seit 01.05.1991 im staatlichen Wasserwirtschaftsamt als Diplom-Ingenieur beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages bzw. den diesen ersetzenden Tarifverträgen. Der Kläger ist seit 1999 schwerbehindert mit einem Grad von 50. Diese Schwerbehinderung teilte er dem Beklagten mit Schreiben vom 20.08.2002 schriftlich mit.
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Nachdem auf dem dienstlichen Rechner des Klägers Störungen aufgetreten waren, wurde durch Mitarbeiter der Datenverarbeitung am 27.06.2002 eine neue Festplatte installiert. Dabei wurde das User-Profil des Klägers gesichert. Am 05.07.2002 erfolgte die Rückgabe des Rechners an den Kläger. Bei einer Nachkontrolle des Rechners am 15.07.2002 wurde festgestellt, dass die Software-Programme JAVA und JAP – beides Software zur Anonymisierung von Internetzugriffen – auf den Rechner des Klägers installiert waren. Nach Rückgabe des Rechners an den Kläger installierte dieser die Programme auch auf die neue Festplatte. Auf der gewechselten Festplatte des klägerischen Rechners befanden sich unter dem Ordner „Favoriten“ mehrere Internetadressen wie „Airlines.de – Einfach abheben“, „ARD-Ratgeber Bauen und Wohnen“, „Ausstellung von Town- und Country-Massivhäusern“, „Bayr. Landeszahnärztekammer“, „Die Nordsee – sieben Inseln – eine Küste“, „Fenster- und Fassadenhersteller“,, „Ostsee“, „Lochness Live“, Worldwide WEB Cameras“, „SMS-Infowelt – Die Handyzeitung“, „Handelsblatt, Internetbörsenmagazin“, „Anwaltssuche, Kanzleien in Deutschland“, „Landkarten, Stadtpläne, Routenplaner“, „Anonym im Internet“, dazu fünf Favoriten mit WebCam „Gardesee“ und zwei Favoriten „Outdoor-Produkte“. Auf der neu installierten Festplatte wurden die Favoriten „Aktien, Börse, Wirtschaft sharper.de“, „comdirect – Informer 2“, „OnVista-Wertpapieranalyse-Aktienkurse“ und „Mobilfunk Elektrosmog“ gefunden.
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Beim Wasserwirtschaftsamt Würzburg existiert eine Dienstanweisung für den PC-Einsatz vom 19.10.1992/01.11.1992 über die PC-Nutzung (Anlage 4 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 25.10.2002, Bl. 137 ff. d. A.). Der Kläger hat bestätigt, diese Dienstanweisung erhalten zu haben (Anlage 4 a, ebenda, Bl. 137 d. A.). Aus der Dienstanweisung ergibt sich, dass der PC nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden dürfe und dass nur dienstliche Software verwendet werden dürfe. Aus einer weiteren Dienstvereinbarung vom 27.04.2000 (Anlage 5, ebenda, Bl. 142 ff. d. A.) ergibt sich, dass die Installation von Software auf dem dienstlichen PC nicht zulässig ist und dass die private Nutzung des Internets grundsätzlich unzulässig ist. Auf den Abschluss dieser Dienstvereinbarung wies der Dienststellenleiter im Informationsschreiben an die Mitarbeiter vom April 2000 hin (Anlage 5 b, ebenda, Bl. 152 d. A.). Im Informationsschreiben vom Dezember 2001 wurde nochmals erinnert, dass bei jeder Beschaffung von Hard- und Software die Zustimmung der Fachabteilung erforderlich sei (Anlage 7, ebenda, Bl. 155 f d. A.).
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Mit Schreiben vom 31.07.2002 gab der Behördenleiter dem Kläger Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, er habe verbotenerweise die Anwendungen JAP und JAVA auf seinen PC heruntergeladen, er habe mit einer Privatnutzung von Intranet und Internet von durchschnittlich 1,2 Stunden am Tag gegen die Dienstvereinbarung verstoßen und er habe sich mit der Verwendung der Anonymisierungsprogramme der Dienstaufsicht entzogen. Der Kläger ließ durch seine Anwälte um Verlängerung der Stellungnahmefrist bis 09.08.2002 bitten; dies lehnte der Behördenleiter ab.
6
Der Behördenleiter, Baudirektor G, sprach dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 08.08.2002 die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31.03.2003 aus. Mit Schreiben vom 05.09.2002, unterzeichnet durch den Bauoberrat B, wurde dem Kläger erneut außerordentlich und hilfsweise ordentlich mit Wirkung zum 31.03.2003 gekündigt. Der Kläger ließ diese Kündigung mit Telefax und Schreiben vom 05.09.2002 wegen fehlender Vollmachtsvorlage zurückweisen. Mit Schreiben vom 06.09.2002 wurde die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wiederholt, diesmal unter Vorlage einer Originalvollmacht. Mit Schreiben vom 09.09.2002 kündigte der Behördenleiter erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich.
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Der Behördenleiter kündigte nochmals mit Schreiben vom 25.10.2002 hilfsweise ordentlich zum 31.03.2003, nachdem das Integrationsamt der ordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 14.10.2002 zugestimmt hatte. Der Kläger ließ auch diese Kündigung mit Schreiben vom 25.10.2002 wegen fehlender Vollmachtsvorlage zurückweisen.
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Mit seinen rechtzeitig – gegen die Kündigung vom 25.10.2002 wandte er sich mit am 30.10.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz selben Datums – gegen die Kündigungen erhobenen Klageanträgen hat der Kläger geltend gemacht, es bestehe weder ein wichtiger Grund noch seien die Kündigungen sozial gerechtfertigt. Es fehle an einer Abmahnung und an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrates.
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Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht – nach Zurücknahme des Fortbestehensantrages – daher zuletzt folgende Anträge gestellt:
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1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 08.08.2002, vom 05.09.2002, vom 06.09.2002, vom 09.09.2002 und vom 25.10.2002 nicht aufgelöst worden ist.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Diplomingenieur weiterzubeschäftigen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
Er hat die Auffassung vertreten, sämtliche der Kündigungen seien wirksam. Der Kläger habe dadurch, dass er zweimal die Anonymisierungssoftware JAP auf seinen Rechner heruntergeladen habe, das Vertrauensverhältnis zerstört. Diese Software sorge dafür, dass man im Internet anonym und unbeobachtet surfen könne. Auch für den Arbeitgeber sei daher nicht mehr nachvollziehbar, auf welche Internetadressen der Arbeitnehmer zugegriffen habe. Außerdem habe der Kläger den Rechner umfangreich für private Tätigkeiten genutzt. Personalrat und Datenschutzbeauftragter hätten der Überprüfung des Rechners des Klägers zugestimmt. Das Statistische Landesamt habe im Rahmen der Auswertung festgestellt, dass das Programm JAP allein auf dem Rechner des Klägers installiert gewesen sei. Der Kläger habe im Zeitraum 01.02.2002 bis 16.07.2002 das Internet an 89 Arbeitstagen etwa 89 Stunden genutzt, davon an mehreren Tagen mehrere Stunden lang. Der Kläger habe damit gegen die Dienstanweisung über PC-Nutzung, die Allgemeine Geschäftsordnung und die bei der Behörde abgeschlossene Dienstanweisung verstoßen. Es habe sich durch die Installation der Software die große Gefahr ergeben, dass das gesamte Netz des Freistaats Bayern gestört werden könnte, dass umfangreiche Daten verloren gehen und erhebliche Schäden auftreten könnten. Aufgrund der Schwere dieser Pflichtverletzungen sei eine Abmahnung entbehrlich. Ähnliches gelte wegen der Länge der mit dem Surfen im Internet verschwendeten Arbeitszeit. Mit dem Kläger habe es im übrigen wegen beleidigender Äußerungen über Kollegen, Missachtung dienstlicher Anweisungen und häufigem Zuspätkommen schon des öfteren Probleme gegeben. Dem Personalrat seien sämtliche Umstände erläutert worden, zuletzt mit Schreiben vom 07.10.2002 (Bl. 268 ff. d. A.).
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Der Kläger hat eingewandt, ihm sei die Vertretungsregelung der Beschäftigungsbehörde nicht bekannt gewesen. Die Allgemeine Geschäftsordnung gelte nicht für interne Personalangelegenheiten. Es sei ihm nicht mit der nötigen Sicherheit bekannt gewesen, dass der Behördenleiter G der die Kündigung vom 25.10.2002 unterzeichnet habe, zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt gewesen sei. Eine solche Befugnis habe normalerweise nur der Abteilungsleiter Personal. Die Dienstvereinbarung schließe die private Nutzung des Internets nicht vollständig aus, lasse mit der Verwendung des Begriffs „grundsätzlich“ Ausnahmen zu. Die Dienstvereinbarung zur Internetnutzung sei ihm nicht bekannt gewesen. Die vorgelegten Informationsschreiben habe er nicht erhalten. Auch andere Mitarbeiter hätten das Internet privat genutzt. Es sei nicht zulässig, ihn als einzigen herauszugreifen. Das Programm JAP sei viren- und störungsfrei, biete ebenso wie das Programm JAVA sogar Sicherheitsvorteile. Er habe diese Programme verwendet, um Einblicke Außenstehender in die dienstliche Nutzung zu verhindern. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass er dabei auch Einblicke des Arbeitgebers verhindere. Das Verfahren zeige, dass Überwachungsmöglichkeiten bestanden hätten; der Systemadministrator habe ebenso wie sein Vorgesetzter Zugriff auf den PC gehabt. Das Programm JAP sei als Icon deutlich sichtbar auf dem PC zu sehen gewesen. Es sei falsch, dass er das Internet umfangreich für private Zwecke genutzt habe. Von 321 angelegten Adressen seien nur 26 privater Natur gewesen. Wirtschaftlicher Schaden sei nicht entstanden.
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Der Beklagte hat erklärt, die Bestimmungen der Dienstvereinbarung, die zudem am Schwarzen Brett ausgehängt gewesen sei, seien hinreichend konkret. Das Mitteilungsblatt sei dem Kläger jeweils von seinem Vorgesetzten übergeben worden. Private und verbotene Internet-Nutzung anderer Mitarbeiter sei nicht bekannt. Dem Kläger seien die Folgen seiner Handlungen bekannt gewesen; dies zeige sich daran, dass er das Herunterladen zunächst bestritten habe. Es ergebe sich aus der Programmbeschreibung, dass das Anonymisierungsprogramm auch vor Überwachung „durch den Chef“ schütze.
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Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 25.03.2003 wie folgt erkannt:
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1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 08.08.2002, 05.09.2002, 06.09.2002, 09.09.2002 und 25.10.2002 nicht aufgelöst worden ist.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Diplom-Ingenieur weiterzubeschäftigen.
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3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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4. Der Streitwert wird auf € 14.474,96 festgesetzt.
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Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, die Kündigung vom 08.08.2002 sei schon wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam. Ein wichtiger Grund sei nicht gegeben. Der Kläger habe zwar mit dem Herunterladen der Software gegen bestehende Dienstanweisungen verstoßen. Eine konkrete Störung sei hierdurch jedoch nicht eingetreten. Letztlich bleibe die abstrakte Netzgefährdung. Der Verstoß durch längerfristige Privatnutzung sei nicht nachgewiesen, zumal eine Internetnutzung auch im Hintergrund aktiviert sein könne, ohne dass dadurch Arbeitszeit verloren gehe. In einem solchen Fall hätte der Ausspruch einer Abmahnung genügt. Für die Kündigungen vom 06.09. und vom 09.09. fehle es an der Zustimmung des Personalrats und des Integrationsamtes. Beide Zustimmungen seien durch den Ausspruch der Kündigung vom 05.05.2002 verbraucht.
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Gegen das am 28.04.2003 zugestellte Endurteil hat der Beklagte mit am 28.05.2003 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 01.09.2003 – mit am 28.08.2003 eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Der Beklagte hat sich in der Berufung darauf gestützt, die Kündigungen seien wirksam. Der Personalrat sei mit Schreiben vom 23.08.2002 ordnungsgemäß angehört worden. Die private Nutzung des Internets und das zweimalige Herunterladen der Anonymisierungssoftware stelle einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung dar. Der Ausspruch einer Abmahnung sei bei einer derart krassen Pflichtverletzung entbehrlich. Zudem habe der Kläger weit mehr als 26 nur privat nutzbare Internetadressen abgespeichert. Die Nutzungszeiten des Internets lägen innerhalb seiner Arbeitszeit. Es überwögen die Interessen an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Zudem sei eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten. Durch die Verwendung des Anonymisierungsprogramms über acht Monate hinweg habe der Kläger in ganz erheblichem Umfang gegen seine Dienstpflichten verstoßen und für ein hohes Risiko für die EDV des Arbeitgebers gesorgt. Er habe mit Hilfe des Programms seine Spuren der privaten Nutzung verwischt und daher das Vertrauen in gröbster Weise missbraucht. Auch seine im Verfahren zutage getretene Uneinsichtigkeit etwa bezüglich der Befugnisse des Systemadministrators passe ins Bild.
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Der Beklagte hat als Berufungskläger daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge gestellt:
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1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 25.05.2003, Az. 2 Ca 1952/02, wird abgeändert.
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2. Die Klage wird abgewiesen.
28
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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4. Hilfsweise: Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 13.000,– € nicht überschreiten sollte, zum 31.03.2003 aufgelöst.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen sowie den Auflösungsantrag abzuweisen.
32
Das Landesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 26.10.2004 erkannt wie folgt:
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I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 25.03.2003, Az. 2 Ca 1952/02, wird zurückgewiesen.
34
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
35
III. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
36
Das Landesarbeitsgericht hat diese Entscheidung im wesentlichen damit begründet, die Berufung gegen die Kündigung vom 08.08.2002 sei schon unzulässig, im übrigen aber unbegründet. Das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger gegen wirksame Anweisungen verstoßen habe. Allerdings stehe nicht eindeutig fest, dass jegliche Privatnutzung ohne Wenn und Aber verboten gewesen wäre. Zwar könne in der privaten Nutzung des Internets ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß liegen, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Eine solche exzessive Nutzung habe der Beklagte nicht dargelegt; sie ergebe sich auch nicht aus der Zahl der privaten Adressen oder dem Stundenumfang der Internet-Nutzung. Allein der im Herunterladen der Software liegende Pflichtenverstoß genüge ebenfalls nicht. Die bloße abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Behördennetzes wiege nicht so schwer, dass das Arbeitsverhältnis beendet werden müsse; es hätte der Ausspruch einer Abmahnung genügt. Der berechtigte Verdacht, der Kläger habe seine Vorgesetzten täuschen wollen, rechtfertige die Kündigung nicht, weil sie als Tatkündigung ausgesprochen worden sei. Eine Täuschungsabsicht stehe nicht fest. Im übrigen überwögen die Interessen des Klägers in Anbetracht seines Alters, der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Schwerbehinderung die Interessen des Beklagten an der Auflösung. Dasselbe gelte für die soziale Rechtfertigung der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen. Der Auflösungsantrag sei unbegründet; es ergebe sich nicht, dass ein weiteres gedeihliches Zusammenarbeiten künftig nicht mehr möglich sei.
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Auf die vom Beklagten eingereichte Revision hin hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12.01.2006 erkannt wie folgt:
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 26.10.2004 – 6 Sa 348/03 – teilweise aufgehoben, soweit es über die Kündigung vom 25. Oktober 2002, den Weiterbeschäftigungsantrag und den Auflösungsantrag sowie über die Kosten entschieden hat.
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Der Rechtsstreit wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
40
Im Übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
41
Das Bundesarbeitsgericht hat, soweit es die Revision nicht zurückgewiesen hat, im wesentlichen ausgeführt, es liege eine schuldhafte Arbeitsvertragspflichtverletzung des Klägers vor. Diese seien erheblich. Zum einen habe der Kläger das sich aus der Dienstanweisung und der Dienstvereinbarung ergebende Verbot einer Installation von privater Software missachtet. Zum anderen habe er durch die eigenmächtige Verwendung von technischen Arbeitsmitteln des Arbeitgebers seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt und durch sein Handeln seine Obhuts- und Betreuungspflicht gegenüber den ihm überlassenen und anvertrauten Betriebsmitteln missachtet. Eine Abmahnung sei in einem solchen Fall nicht erforderlich. Die Rechtswidrigkeit seiner in der Installation der Anonymisierungssoftware liegenden schweren Pflichtverletzung sei dem Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen. Er habe nicht mit der Hinnahme seines Handelns durch den Beklagten rechnen können. Aufgrund der Dienstanweisung und der Dienstvereinbarung habe er gewusst, dass er keine Software herunterladen durfte. Es habe sich ihm aufdrängen müssen, dass insbesondere die Installation der Anonymisierungssoftware den Interessen seines Arbeitgebers eklatant zuwiderlaufen würde. Aus den Hinweisen zu diesem Programm habe er entnehmen können, dass auch der Arbeitgeber nicht feststellen könne, welche Verbindungen aufgebaut würden. Er habe damit auch dem Arbeitgeber die Möglichkeit genommen, seine technischen Hilfsmittel zu überwachen und zu kontrollieren. Dies gilt umso mehr, als er die Installation heimlich vorgenommen und dem Arbeitgeber nicht zur Kenntnis gebracht habe. Ob dieser Pflichtenverstoß ausreichend sei, das Arbeitsverhältnis zu beenden, hänge von einer umfassenden Interessenabwägung ab. Die bisherige Abwägung enthalte Defizite. Zwar sei zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Zu beachten sei jedoch zugunsten des Beklagten, dass der Kläger seine Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt habe. Hinzu komme, dass der Kläger gerade eine Anonymisierungssoftware installiert habe, mit der dem Arbeitgeber jede Kontrollmöglichkeit seines technischen Hilfsmittels entzogen sei. Sei diese Installation bewusst vom Kläger zur Umgehung einer möglichen Kontrolle erfolgt, würde sich dies bei einer Abwägung erheblich zu Lasten des Klägers auswirken. Soweit dies nicht der Fall sei, müsse berücksichtigt und weiter aufgeklärt werden, ob und in welchem Umfang eine private Nutzung des Internets durch den Kläger erfolgt sei und ob gegebenenfalls in der Dienststelle geringfügige private Nutzungen toleriert worden seien. Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, ob durch die Installation des Programms JAP/JAVA die Gefahr eines Virenbefalls durch Umgehung des rechnereigenen Schutzsystems bestanden habe. Falls dies der Fall gewesen sei, sei dies zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
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Der Beklagte hat im Hinblick auf die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt, man werde eine Absicht des Klägers, durch die Installation der Anonymisierungssoftware bewusst eine mögliche Kontrolle des Arbeitgebers verhindert zu haben, nicht auf den ersten Blick nachweisen können. Zu beachten sei jedoch, dass es eine Tolerierung privater Nutzungen nicht gegeben habe. Dafür, dass die Installation bewusst erfolgt sei, spreche, dass der Kläger das Programm zweimal heruntergeladen habe. Das Einrichten des Programms sei relativ aufwändig gewesen und habe mehrere Schritte erfordert. Zudem hätten die standardmäßigen Einstellungen des Browsers geändert werden müssen. Aus der Programmbeschreibung habe der Kläger erkennen müssen, dass er sich hierdurch die Möglichkeit verschafft habe, unbeobachtet und ohne Spur zu surfen. Die Installation habe daher nur den Zweck haben können, eine intensive private Internetnutzung zu verheimlichen. Der für dienstliche Zwecke bereitgestellte Internetzugang sei vorsätzlich manipuliert worden. Ein versehentliches Herunterladen sei ausgeschlossen. Die Installation könne nur den einen Zweck haben, eine intensive Privatnutzung des Internets zu verheimlichen. Eine Kontrolle durch den Arbeitgeber mittels Firewall, die bestimmte Seiten hätte sperren können, sei ebenso wenig möglich wie eine nachträgliche Ermittlung bei Missbrauchsverdacht. Der Kläger habe die Gefährdung der Sicherheit des Netzes zumindest billigend in Kauf genommen. Zu beachten sei auch, dass der Kläger bei der Anhörung vom 16.07.2002 sein Fehlverhalten zunächst geleugnet habe. Derartige Manipulationen dienten ausschließlich dem Zweck, dem Anwender einen Vorteil zu verschaffen und eine spätere Beweisführung zu vereiteln. Zudem habe der Kläger die eingerichtete serverbasierte Antivirensoftware umgangen. Nach der Rechtsprechung des BAG vom 07.07.2005 sei die Gefahr des Einschleppens von Viren und die unbefugte Belegung von Arbeitsplatzspeicher zu berücksichtigen, ebenso die Kostenbelastung des Arbeitgebers durch den Verbindungsaufbau, die Verletzung der Arbeitspflicht durch Surfen während der Arbeitszeit, die Beeinträchtigung des Rufes des Arbeitgebers, wenn Seiten verbotenen Inhalts heruntergeladen würden und das Außerkraftsetzen von Kontrollmechanismen. Es könne gerade wegen der vom Kläger vorgenommenen Installation nicht mehr festgestellt werden, in welchem Umfang der Kläger seine Pflichten durch die verbotene Privatnutzung verletzt habe. Folgerichtig könnten auch keine Feststellungen zu Schäden getroffen werden. Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bewusst zur Umgehung einer möglichen Kontrolle durch den Arbeitgeber gehandelt habe. Als Leiter des Wasserwirtschaftsamtes sei Baudirektor G zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt gewesen.
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Der Kläger meint, der festgestellte Pflichtenverstoß rechtfertige die Kündigung nicht. Es sei falsch, dass er – der Kläger – mit der Installierung der Software bewusst zur Täuschung des Arbeitgebers gehandelt habe. Er sei von der Seriosität des Programms aufgrund der öffentlichen Förderung und seiner offensichtlichen Vorteile im Hinblick auf Datenschutz überzeugt gewesen. Er habe keine Vorkehrungen getroffen, um das Auffinden des Programms zu erschweren. Er habe insbesondere den Einleitungssatz beachtet, in dem es unter der Überschrift „Schutz der Privatsphäre im Internet“ heiße, dass das Programm ermögliche, anonym und unbeobachtet im Internet zu surfen. Er bestreite, dass sich der Satz, das Programm schütze auch gegen den Chef, in der Programmbeschreibung befunden habe. Die Pressemitteilung des Landeszentrums Datenschutz Schleswig-Holstein habe den Eindruck über die Seriosität des Programms zusätzlich erhärtet. Das Schreiben des Landeszentrums vom 12.12.2002 sei erst nach der Kündigung erstellt worden. Auch dieses Schreiben mache deutlich, dass es darum gehe, die Vorschriften des Teledienstdatenschutzgesetzes umzusetzen. Es sei falsch, dass die private Internetnutzung vollständig untersagt gewesen sei. Von entsprechenden Informationsschreiben habe er keine Kenntnis gehabt. Zudem sei die Formulierung „grundsätzlich“ zumindest missverständlich. Die Nutzung sei nicht erheblich gewesen. Eine Gefahr für Virenbefall sei durch das Herunterladen nicht entstanden. Eine auf dem Arbeitsplatz des Nutzers installierte Anti-Viren-Software werde nämlich durch JAP nicht umgangen. Es sei daher auch nicht zutreffend, dass er – der Kläger – eine Gefahr für das Netz des Beklagten billigend in Kauf genommen hätte. Eine solche Gefahr habe nicht bestanden. Die Personalratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Der Baudirektor habe der Kündigung keine Vollmacht beigefügt. Er, der Kläger, sei über eine Bevollmächtigung hierfür nicht in Kenntnis gesetzt worden. Der vormalige Baudirektor habe vielmehr, wie ihm, dem Kläger, bekannt gewesen sei, die Zustimmung der nächsthöheren Behörde abwarten müssen. Die Regierung von Unterfranken unterhalte eine eigene Personalabteilung. Die Stellung als Baudirektor und Behördenleiter sei nicht üblicherweise mit der Befugnis zum Ausspruch von Kündigungen verbunden. Die Geschäftsordnung des Wasserwirtschaftsamtes beziehe sich nur auf eine Vertretung nach außen, nicht aber gegenüber Mitarbeitern.
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Der Beklagte bezieht sich darauf, dass zwar möglicherweise eine auf dem Server installierte Firewall nicht umgangen worden sei, wohl aber die serverbasierte des Arbeitgebers. Üblich seien Kombinationen von Sicherheitslösungen auf dem einzelnen Rechner und dem Server; dort erfolge bereits im Vorfeld eine Kontrolle und Filterung. Der Behördenleiter sei schon aufgrund gesetzlicher Grundlage zur Vertretung seiner Behörde befugt. Sie ergebe sich aus der Mustergeschäftsordnung für Wasserwirtschaftsämter, in der die besondere Stellung des Behördenleiters hervorgehoben sei (Bl. 570 ff. d. A.). Ähnliches könne dem VwZVG und dem VwZG entnommen werden.
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Die Kammer hat Beweis erhoben zur Frage, inwieweit das Anonymisierungsprogramm JAP trotz eines vorhandenen Virenschutzes auf dem Rechner des Klägers zu einer Gefährdung von Virenbefall auf dem Netz des Beklagten führen konnte, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Des genauen Wortlautes des Gutachtens wegen wird auf den Text der Ausführungen des Sachverständigen Dipl-Inf. M vom 15.01.2009 Bezug genommen (Bl. 664 ff. d. A.). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist, soweit noch über sie zu entscheiden ist, nicht begründet.
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1. Das Arbeitsverhältnis ist durch die – einzig noch streitgegenständliche – Kündigung vom 25.10.2002 nicht aufgelöst worden.
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a. Zwar liegt unstreitig eine ganz erhebliche Pflichtverletzung des Klägers vor. Er hat entgegen den dienstlichen Anweisungen eine Software installiert. Bei dieser Software handelt es sich um ein Programm, das verhindert hat, dass der Arbeitgeber nachvollziehen konnte, welche Bewegungen der Kläger im Internet vornahm und welche Dateien er auf den dienstlichen Rechner heruntergeladen hat. Außerdem hat der Kläger den dienstlichen Rechner zumindest auch für private Zwecke genutzt.
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b. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann die Berufungskammer nach wie vor nicht erkennen, dass der Kläger die Software bewusst deswegen aufgespielt habe, um die Kontrollmöglichkeit seiner Internetbewegungen durch den Arbeitgeber zu verhindern, um ungestört und vom Arbeitgeber unkontrolliert im Internet surfen zu können. Insoweit bleibt es beim Verdacht – eine Überzeugung davon, dass der Beweggrund für das Installieren der Software die Verdeckung gegenüber seinem Arbeitgeber war, konnte die Berufungskammer nicht gewinnen. Der Einwand des Beklagten, aus dem wiederholten Installieren ergebe sich, dass der Kläger dieses Bewusstsein gehabt habe, überzeugt nicht. Es ist nie streitig gewesen, dass der Kläger die Software nicht aus Versehen, sondern bewusst und gewollt heruntergeladen hat. Darum geht es nicht. Entscheidender Gesichtspunkt für die Interessenabwägung ist vielmehr seine Motivation, warum er dies getan hat. Sein Einwand, er habe seine Internetdaten schützen wollen, ist nicht zu widerlegen. Die genannte Software wird nicht speziell dafür angeboten, sich vor Recherchen durch den Arbeitgeber zu schützen. Der Kläger verweist auf die Pressemitteilung des „Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein“ (Anlage K 11, Bl. 214 ff. d. A.). Durch sie kann in der Tat der Eindruck entstehen, dass die Software in erster Linie vor einem Nachvollziehen der Internetbewegungen durch Dritte schützen soll. Seine Argumentation, die Darstellung erwecke den Eindruck, die verwendete Software werde von Datenschützern unterstützt, ist durchaus nachvollziehbar. Auch wenn es in der Programmbeschreibung, wie der Beklagte ausführt, heißt, dass „diese Version bereits gegen Angreifer, die das Netz nur lokal an einer Stelle überwachen, wie z. B. den Provider, den Chef oder den Betreiber eines Mixes“ schütze, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Kläger dieses Programm gerade wegen des Schutzes vor der Kontrolle durch seinen Arbeitgeber heruntergeladen hätte. Diese Beschreibung steht auch nach den Angaben des Beklagten nicht im Mittelpunkt der Werbung für dieses Produkt. Die Passage deutet schon vom äußeren Eindruck her darauf hin, dass dieser Schutz lediglich ein Nebeneffekt sei. Wenn der Beklagte darlegt, eine andere Motivation sei gar nicht denkbar, so ist auch dies in dieser Form nicht zwingend logisch. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger der Auffassung war, mit der Verwendung der Software sei seine dienstliche Internetverwendung vor einem Nachvollziehen durch außenstehende Dritte geschützt, komme er dem Datenschutz umso besser nach. Mit Recht weist der Kläger zudem darauf hin, dass auch die Tatsache, dass das Icon zum Anklicken dieser Installationssoftware offen auf dem Bildschirm zu sehen war, gegen eine bewusste Täuschung des Arbeitgebers spricht. Jeder zufällige Blick auf den Bildschirm durch Kollegen oder Vorgesetzte hätte ohne weiteres die Nachfrage entstehen lassen können, was sich hinter diesem offen einzusehenden Symbol befinde. Hätte er Vorgesetzte oder den Arbeitgeber täuschen wollen, hätte es nahegelegen, dieses Symbol nicht offen auf dem Bildschirm zu platzieren. Die Tatsache, dass er – nach bestrittenen Angaben des Beklagten – zunächst bestritten habe, Software heruntergeladen zu haben, beweist für sich gesehen nichts. Möglich ist genauso gut, dass der Kläger nur bestreiten wollte, überhaupt fremde Software auf den Rechner heruntergeladen und dadurch einen Verstoß begangen zu haben. Für seine Motivation gerade hinsichtlich der Anonymisierungssoftware besagt dieser Umstand nichts. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände besteht eine Überzeugung der Kammer davon, dass der Kläger die Software gerade zur Täuschung des Arbeitgebers und zur Verhinderung seiner Kontrollen genutzt habe, gerade nicht.
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c. Nach den vorgetragenen Umständen lässt sich nicht feststellen, in welchem Umfang der Kläger während der Arbeitszeit private Dinge im Internet erledigt hat. Zwar steht fest, dass der Kläger durchaus während der Dienststunden das Internet auch für private Zwecke genutzt hat, dass er auf dem Rechner private Angelegenheiten erledigt hat. Insbesondere deutet die Anlage von „Favoriten“-Adressen auf eine solche private Nutzung hin. Mit Recht wendet der Kläger allerdings ein, dass die weit überwiegende Zahl der angelegten „Favoriten“ dienstlicher Natur waren. Auch wenn gerade die installierte Software einer nachträglichen Feststellung entgegensteht, in welchem Umfang die private Nutzung erfolgt ist, kann eine solche umfangreiche private Nutzung nicht unterstellt werden. Es bleibt auch hier der Verdacht, dass eine solche umfangreiche private Nutzung vorlag. Der Beklagte hat den Kläger zu einem solchen Verdacht aber nicht ausreichend angehört. Es ist nicht erkennbar, was entgegenstand, der Bitte um Verlängerung der Stellungnahmefrist um wenige Tage nachzukommen. Auf den Verdacht einer umfangreichen privaten Nutzung hat der Beklagte seine Kündigung auch nicht gestützt. Jedenfalls muss der Umfang der privaten, während der Dienstzeit erfolgten Nutzung letztlich offenbleiben. Er kann weder zugunsten noch zulasten des Klägers in die Abwägung eingestellt werden.
51
d. Nach dem Sachvortrag der Parteien ist davon auszugehen, dass die Privatnutzung des Internets in der Dienststelle vom Behördenleiter nicht genehmigt wurde. Ob und inwieweit er toleriert oder nicht toleriert wurde, lässt sich dem Sachvortrag der Parteien nicht entnehmen. Weder hat der Kläger konkrete Sachverhalte aufgezeigt, in denen der Behördenleiter oder andere Vorgesetzte selbst das Internet privat genutzt hätten oder in denen sie anderen Mitarbeitern bei der Nutzung zugesehen hätten, ohne einzuschreiten, noch hat der Beklagte Konstellationen benannt, in denen der Behördenleiter oder Vorgesetzte gegen eine private Nutzung eingeschritten wären. Letztlich bleibt der Umstand, dass die private Nutzung nach der Dienstvereinbarung, die am Schwarzen Brett ausgehangen hat, „grundsätzlich“ verboten war. Über dieses Verbot hat sich der Kläger hinweggesetzt. Die Kammer bleibt dabei, dass die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ gerade bei einer staatlichen Behörde durchaus dahingehend verstanden werden kann, dass die Nutzung in Einzelfällen als erlaubt anzusehen sein könnte. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Es bleibt das Verbot – der Kläger, der die Dienstvereinbarung zumindest hätte wahrnehmen können, hat sich über dieses Verbot hinweggesetzt. Das Anlegen der Favoriten und die Art dieser Adressen zeigt, dass die private Nutzung offensichtlich nicht in einem vernachlässigbar geringfügigen Umfang etwa zum Nachschlagen im elektronischen Telefonbuch oder zum Nachsehen der Bahnverbindungen vor dem Antritt einer dienstlichen Reise erfolgte. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger das Internet in verbotener Weise genutzt hat – unabhängig davon, ob die Dienstvereinbarung die Nutzung in Ausnahmefällen als akzeptabel ansah, ob sich dies für die Mitarbeiter so darstellen konnte oder ob diese von einem vollständigen Verbot ausgehen mussten.
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e. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten geht die Kammer davon aus, dass durch die Installation der Anonymisierungssoftware keine messbar höhere Gefährdung für das Netz des Arbeitgebers bestand. Der Sachverständige hat nachvollziehbar festgestellt, dass im damaligen Zeitraum keine zentralen Virenscanner oder Contentfilter im Netz des Beklagten betrieben wurden. Der lokal betriebene Virenscanner wurde vom Einsatz der Anonymisierungssoftware nach den Feststellungen des Sachverständigen aber nicht beeinflusst. Der Sachverständige hat hierzu festgestellt, dass die Dienststelle keine weiteren zentralen Sicherheitskomponenten betrieben hat. Es seien eine konventionelle Firewall und ein manuell gepflegter URL-Filter zum Blockieren bestimmter Webseiten verwendet worden. Dafür spricht auch, dass für die Updates der damaligen Virenscanner die jeweiligen Benutzer selbst verantwortlich gewesen seien. Dieses Verfahren zeigt, dass auch die EDV-Betreuer der Behörde davon ausgingen, dass damals gerade der Virenschutz am Rechner des Mitarbeiters selbst zu aktivieren war. Die vom Beklagten behauptete besonders hohe Gefahr für einen Befall des Netzes mit Viren, die ohne die Installation der Software nicht gegeben wäre, ergibt sich aus den Feststellungen des Sachverständigen gerade nicht. Die inhaltliche Analyse des Netzwerks ist einer Gefahr des Befalls durch Viren nicht vergleichbar. Eine mündliche Befragung des Sachverständigen zu den vom Beklagten angeführten Bereichen erschien der Kammer als überflüssig. Es ist unerheblich, welchen Virenscanner der Sachverständige verwendet hat und ob dies derselbe Virenscanner war, der im Juli 2002 auch beim Wasserwirtschaftsamt verwendet worden ist. Es ist auch unerheblich, ob der seinerzeit eingesetzte Virenscanner im Hinblick auf die damaligen geringeren technischen Möglichkeiten einen Virenbefall erkannt hätte oder nicht. Die entscheidende Frage ist, ob die Anonymisierungssoftware auch den am Rechner bestehenden Virenschutz umgangen hat. Dies hat der Sachverständige ausdrücklich verneint – ebenso wie die vom Kläger zitierten Angaben des Programmanbieters. Es kann unterstellt werden, dass durch das Herunterladen jeder fremder Software eine gewisse Gefahr besteht, dass diese Software auch Viren enthält. Hierbei geht es um die einmalige Gefahr, die gerade im Herunterladen dieser Software bestand. Ob diese Viren sich dann im Netz des Beklagten verbreiten konnten, steht nicht fest. Entscheidend ist, dass der Sachverständige nicht feststellen konnte, dass durch die installierte Software eine Umgehung einer auf dem Server oder sonst im Netz des Beklagten absichernden Firewall bewirkt wurde – mit der Folge, dass bei jedem Verweilen des Klägers im Internet die Gefahr bestand, dass Viren nicht erkannt worden wären. Theoretisch wäre dies der Fall gewesen. Aber da nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht festgestellt werden konnte, dass überhaupt ein entsprechender zentraler Schutz vorhanden gewesen ist, lässt sich eine besondere Gefährdung gerade nicht feststellen.
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f. Legt man die – nach dem Bundesarbeitsgericht maßgeblichen – weiteren Gesichtspunkte zugrunde, überwiegen nach der Überzeugung der Kammer die Interessen des Klägers am Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses. Dabei ist zu seinen Gunsten die Dauer der Betriebszugehörigkeit – im Zeitpunkt des Ausspruchs der nunmehr allein noch streitgegenständlichen Kündigung über 11 Jahre –, sein Lebensalter von fast 50 Jahren und seine Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Zu seinen Lasten ist zu berücksichtigen, dass er eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat, von deren Duldung durch den Arbeitgeber er nicht ausgehen konnte. Diese besteht zum einen im Herunterladen einer fremden Software als solches, bei der allein schon die – einmalige – Gefahr eines Virenbefalls bestand. Diese besteht zum weiteren in der Tatsache, dass er durch die Verwendung der Software Kontrollmöglichkeiten seines Arbeitgebers über seine Aktivitäten im Internet verhinderte. Und diese besteht zum Dritten in der – zumindest in diesem Umfang – nicht erlaubten privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass es dem Kläger darauf ankam, gerade solche Kontrollmöglichkeiten zu verhindern und den Arbeitgeber über seine Aktivitäten zu täuschen. Ein solcher Beweggrund steht gerade nicht fest. Zu seinen Gunsten muss daher angenommen werden, dass er an diesen Aspekt nicht gedacht bzw. dessen Bedeutung nicht ausreichend eingeschätzt und die entstehenden Wirkungen nicht bewusst herbeigeführt hat. Auch kann nicht festgestellt werden, dass er die private Nutzung in erheblichem Umfang und in großem Umfang während der Arbeitszeit praktiziert hat. Letztlich muss – natürlich nicht zuletzt durch die Art der installierten Software – offenbleiben, ob die Arbeitszeitverletzungen in großem oder nur in kleinem Umfang bestanden. Zu Lasten des Klägers zählt, dass die private Nutzung in dem von ihm praktizierten Umfang und mit den von ihm offenbar – sichtbar an den Favoriten – verwendeten Adressen und Inhalten keinesfalls geduldet war und dass er dies auch hätte wissen müssen. Eine Tolerierung privater Internetnutzung durch die Behördenleitung kann nicht festgestellt werden.
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Auch eine besondere Gefährdung des Netzes der Behörde oder des Freistaats Bayern, die über die Gefährdung durch das einmalige Herunterladen der Software hinausgeht, kann nicht festgestellt werden. Es bestand nach den Feststellungen keine jedes Mal neu auftretende – über die auch ohne die installierte Software bestehende – erhöhte Gefahr des Befalls des Netzes von Viren, weil jedes Mal die eigens zum Schutz vor solchen Viren installierte Software umgangen worden wäre. Entscheidender Gesichtspunkt erscheint für die Kammer, dass eine Absicht, den Arbeitgeber zu täuschen oder zu schädigen, nicht nachgewiesen werden kann. Auch im Ergebnis ist ein Schaden für den Beklagten in größerem Umfang offenbar nicht entstanden. Eine Verletzung der Arbeitspflicht in größerem Umfang durch das Surfen während der Dienstzeit kann jedenfalls nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden. Soweit eine gewisse Arbeitspflichtverletzung als gesichert erscheint, erreicht diese keine Größenordnung, die gerade bei einem älteren schwerbehinderten Arbeitnehmer die Interessen des Arbeitgebers überwiegen ließe. Sonstige Störungen durch die Handlungen des Klägers hat der Beklagte nicht vorgetragen. Gerade angesichts dessen, dass es dem Kläger in seinem Alter und mit seiner Behinderung schwer fallen dürfte, eine anderweitige Beschäftigung zu finden, erscheint es der Kammer unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte als noch hinnehmbar, dem Kläger noch eine Chance zu geben. Nach alldem überwiegen also die Interessen des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses diejenigen des Beklagten an dessen Beendigung. Die Kündigung erweist sich als sozial nicht gerechtfertigt.
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2. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung ist auch die Berufung in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsanspruch, dem das Arbeitsgericht stattgegeben hat, nicht begründet. Der Beklagte hat Einwendungen hiergegen, die über die Unwirksamkeit der Kündigung hinausgehen, auch nicht erhoben.
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3. Unbegründet ist der vom Beklagten gestellte Auflösungsantrag. Die Kammer sieht auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Prüfungsmaßstab geringer ist als derjenige, der für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung anzulegen ist, keinen Grund, der die Auflösung rechtfertigen würde. Insbesondere sind, wie die Kammer bereits im Urteil vom 26.10.2004 ausgeführt hat, maßgebliche Pflichtverstöße und Tatsachen, die über diejenigen hinausgehen, die bereits Gegenstand des Kündigungsvorwurfes waren, nicht erkennbar. Auch das Prozessverhalten des Klägers zeigt, wie die Kammer im Urteil vom 26.10.2004 ausführlich ausgeführt hat, keine gegen die Interessen des Arbeitgebers gerichtete Gesinnung auf. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
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4. Der Beklagte hat als Unterliegender die Kosten des Berufungsverfahrens und auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO).
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5. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.