Zur Darlegungslast in einem aut-aut-Fall

Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.06.2012 – 16 Ta 134/12

Hat der Kläger in einem aut-aut-Fall schlüssig zur Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen, darf sich die Beklagtenseite nicht auf ein bloßes Bestreiten beschränken, sondern sie hat ihrerseits substantiiert zum Vorliegen eines freien Dienstvertrages vorzutragen.

(Leitsatz des Gerichtes)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 28.3.2012 – 8 Ca 408/11 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten anlässlich einer Zahlungsklage über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

2

Der Kläger war seit 1. Oktober 2010 bei dem Hotel L in dem Arbeitsbereich Rezeption und Service bei einer Fünf Tage Woche und einem zeitlichen Umfang der Tätigkeit zwischen 11:00 Uhr 21:00 Uhr beschäftigt. Der Tätigkeit lag der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26. September 2010 (Bl. 39-41 der Akten) zu Grunde. Der Kläger war zur Sozialversicherung angemeldet; Lohnsteuer wurde für seine Tätigkeit abgeführt. Ab dem 1. Mai 2011 verpachtete die damalige Betriebsinhaberin den Hotel- und Gaststättenbetrieb an die Beklagte. Der Kläger blieb in dem Betrieb tätig.

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Mit seiner Klage macht er Arbeitsvergütung für den Zeitraum 1. bis 15. November 2011 sowie Überstundenvergütung geltend.

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Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen bestritten. Ein Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden. Es sei der Wunsch des Klägers gewesen, freiberuflich tätig zu werden. Seine Tätigkeit habe sich nach dem BGB gerichtet.

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Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf Teil I des Beschlusses des Arbeitsgerichts (Bl. 48,49 der Akten) verwiesen.

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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. März 2012 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet gehalten. Der Kläger habe substantiiert dargelegt, dass er im Klagezeitraum als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt war. Dies habe die Beklagte lediglich pauschal bestritten, was unbeachtlich sei.

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Gegen diesen, ihr am 31. März 2012 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit einem am 10. April 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 54 der Akten). Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde am 10. April 2012 nicht abgeholfen (Bl. 55 der Akten).

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Die Beklagte vertritt weiter die Ansicht, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht gegeben. Der Kläger habe der Auflage des Arbeitsgerichts Kassel, zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vorzutragen, nicht entsprochen. Seine Begründung und Beweisantritt seien ungeprüft und stellten keinen Beweis dar. Nach wie vor werde das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger bestritten. Der Kläger sei nur freiberuflich tätig gewesen, zumal er Gesellschafter eines F Hotels sei und anderweitig Dienstleistungen am Hotelmarkt erbringe. Mangels Vorliegen eines Arbeitsvertrages, gelte § 613a BGB nicht.

II.

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1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, § 17a Abs. 4 S. 3 GVG i.V.m. § 48 Abs. 1, § 78 ArbGG, § 567 Absatz 1 ZPO. Die zweiwöchige Beschwerdefrist ist eingehalten, § 569 Abs. 1 ZPO. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, § 572 Abs. 1 ZPO. Die erforderliche Bevollmächtigung des Herrn R hat die Beklagte durch Vorlage der Generalvollmacht vom 15. Juni 2011 (Bl. 30 der Akte) belegt.

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2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben, weil zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG. Dies hat das Arbeitsgericht in Ergebnis und Begründung zutreffend erkannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Arbeitsgerichts unter II des Beschlusses vom 28. März 2012 Bezug genommen. Das Vorbringen der Beklagten im Beschwerdeverfahren führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

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Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Vertragspartners (Arbeitgeber) unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann (Bundesarbeitsgericht 25. Mai 2005-5 AZR 347/04). Arbeitnehmer ist, wer im Gegensatz zum Handels- und Versicherungsvertreter nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

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Für die Anforderungen an die Darlegungslast gilt folgendes: In Fällen, in denen der Anspruch lediglich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann und lediglich fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen (so genannter sic-non-Fall), z.B. die auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage, reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus (Bundesarbeitsgericht 24. April 1996 -5 AZB 25/95). Demgegenüber ist in Fällen, in denen ein Anspruch entweder auf eine arbeitsrechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sich aber gegenseitig ausschließen (so genannter aut-aut-Fall), z.B. bei einer auf Zahlung des vereinbarten Entgelts für geleistete Arbeit gerichteten Klage, das der Kläger als Arbeitsverhältnis, die Beklagte dagegen für ein nicht arbeitnehmerähnliches freies Mitarbeiterverhältnis hält, muss der Tatsachenvortrag zur Arbeitnehmereigenschaft zumindest schlüssig sein. Ob über streitige Behauptungen Beweis zu erheben ist, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 10. Dezember 1996 (AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 4) offen gelassen. Selbst wenn man mit einem Teil der Literatur (Germelmann, ArbGG, 7. Aufl., § 2 Rn. 166 m.w.N.) von einer Beweisbedürftigkeit ausgeht, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen vorliegend gegeben.

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Die Darlegungs- und Beweislast für die die persönliche Abhängigkeit begründenden Tatsachen liegt bei der Partei, die geltend macht, der Dienstverpflichtete sei Arbeitnehmer (Germelmann, ArbGG, § 5 Rn. 12). Die Darlegungslast des Prozessgegners ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. Fehlt es bereits an einem schlüssigen Tatsachenvortrag, besteht auch keine Erklärungslast. Wurden zwar alle zur Begründung des behaupteten Rechts erforderlichen Tatsachen vorgetragen, aber nicht näher konkretisiert, so genügt ein einfaches Bestreiten. Hat der Kläger substantiiert vorgetragen, trifft den Gegner die Pflicht zur konkreten Erwiderung nach § 138 Abs. 2 ZPO (Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rn. 8).

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Auszugehen ist zunächst davon, dass der Kläger seine Arbeitnehmereigenschaft im Einzelnen darzulegen hat. Hierzu hat er, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, substantiiert vorgetragen, dass er bereits bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten an fünf Tagen wöchentlich von 11:00 Uhr bis 21:00 Uhr an der Rezeption und im Servicebereich beschäftigt wurde. Eine derartige Tätigkeit wird typischerweise im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses und nicht in einem freien Mitarbeiterverhältnis ausgeübt. Ferner hat der Kläger den dem Rechtsverhältnis zu Grunde liegenden schriftlichen Vertrag, der dort ausdrücklich als „Arbeitsvertrag“ bezeichnet wird, vorgelegt. Schließlich war er für diese Tätigkeit zur Sozialversicherung angemeldet worden. Nach der am 1. Mai 2011 erfolgten Verpachtung des Hotel- und Gaststättenbetriebs an die Beklagte wurde der Kläger unverändert für diese tätig. Die Verpachtung des Betriebs stellt einen Betriebsübergang nach § 613a BGB dar. Für diesen Zeitraum hat der Kläger weitergehend vorgetragen, dass er auf Anweisung des Schwiegersohnes der Beklagten weitergehenden zeitlichen Arbeitsanforderungen genügen musste und ferner angewiesen wurde, bei Bedarf Lebensmittel für den Betrieb bei örtlichen Anbietern zu kaufen. Dies belegt seine persönliche Abhängigkeit auch im Verhältnis zur Beklagten. Nachdem sich im Juni 2011 die Krankenversicherung des Klägers gemeldet hatte, habe Herr B eine entsprechende Ummeldung veranlasst. Damit hat der Kläger hinreichend substantiiert zu seiner Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen.

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Die Beklagte durfte sich damit nicht auf ein bloßes Bestreiten beschränken, sondern musste ihrerseits substantiiert zum Vorliegen eines freien Dienstvertrages vortragen. Diesen Anforderungen genügt der Beklagtenvortrag nicht. Ob der Kläger den Wunsch hatte, freiberuflich tätig zu sein ist unerheblich, da es auf die rechtliche Einordnung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit ankommt. Die Bestimmung derselben als Arbeitsverhältnis oder freien Dienstvertrag unterliegt nicht der Disposition der Parteien. Im Übrigen hat die Beklagte nicht im einzelnen ausgeführt, wann und mit welchem genauen Inhalt der Kläger den Wunsch, seine Tätigkeit freiberuflich ausüben zu wollen, geäußert hat. Darauf, ob der Kläger anderweitig an einem Hotelbetrieb als Gesellschafter beteiligt ist, kommt es in Bezug auf das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis nicht an. Dasselbe gilt hinsichtlich der gleichfalls unsubstantiierten Behauptung, der Kläger erbringe Dienstleistungen am Hotelmarkt. Die Frage, ob -wie die Beklagte meint- der Kläger mangelhaft gearbeitet hat und unzureichende Fachkenntnisse hatte, ist für die Einordnung der Tätigkeit als Arbeitsverhältnis ohne Bedeutung.

III.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
17

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 78 S. 2, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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