BGH, Urteil vom 18. Dezember 2000 – II ZR 84/99
Prospekthaftungsansprüche, die sich aus dem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds ergeben, verjähren in sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers, spätestens aber drei Jahre nach dem Erwerb des Anteils.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten zu 2 werden das Urteil des
10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. März
1999 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Ulm vom 16. Mai 1997 abgeändert, soweit zum Nachteil des
Beklagten zu 2 entschieden worden ist.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen.
Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen die Parteien wie
folgt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin
tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1 je zur Hälfte; die
außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin
allein; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt
dieser selbst.
Die Kosten der Revisionsinstanz tragen die Parteien wie folgt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin
tragen die Klägerin zu 88 % und der Beklagte zu 1 zu 12 %;
die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin
allein; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt
dieser selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin zeichnete am 20. November 1990 zwei Gesellschaftsanteile
gemäß Zeichnungsschein des In. B.. Herausgeber des Prospekts zu diesem
geschlossenen Immobilienfondswar die I.-GmbH, deren damaliger Geschäftsführer
unter anderem der Beklagte zu 2 war; dieser war zugleich mit 50 % an der Gesellschaft
beteiligt. Die Klägerin geriet wegen der finanziellen Belastungen durch die zur Finanzierung
ihrer Gesellschaftsanteile auf sie abgeschlossenen Lebensversicherung
in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie nimmt den Beklagten zu 2 als
Gesamtschuldner neben dem wegen fehlerhafter Anlagevermittlung belangten
Beklagten zu 1 auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin
wirft dem Beklagten zu 2 vor, daß der Prospekt zu dem (streitbefangenen) geschlossenen
Immobilienfonds fehlerhaft und insbesondere die Finanzierung
über die Kapitallebensversicherung nicht in der im Prospekt angegebenen
Weise möglich gewesen sei. Der Beklagte zu 2 bestreitet dies und erhebt die
Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat der Klage gegen beide Beklagte stattgegeben, das
Oberlandesgericht hat die Berufung beider Beklagten zurückgewiesen. Die Revision
des Beklagten zu 1 ist durch Senatsbeschluß vom 11. September 2000
nicht angenommen worden. Der Beklagte zu 2 verfolgt mit seiner Revision seinen
Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe:
Da die Klägerin im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe
nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten zu 2 durch
Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch
inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf umfassender Sachprüfung (vgl.
BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision des Beklagten zu 2 ist begründet und führt zur Abweisung
der gegen diesen gerichteten Klage wegen Verjährung der Klageforderung.
I. 1. Das Berufungsgericht hat die von dem Beklagten zu 2 erhobene
Einrede der Verjährung nicht durchgreifen lassen, weil es von einer Verjährungsfrist
von 30 Jahren ausgegangen ist. Die hiergegen gerichteten Angriffe
der Revision haben Erfolg.
2. Die Grundsätze zur allgemeinen Prospekthaftung hat die Rechtsprechung
in Analogie zu den gesetzlich geregelten Prospekthaftungstatbeständen
entwickelt (etwa BGHZ 71, 284, 286 ff.; 111, 314, 316 ff.; 115, 213, 217 ff.; 123,
106, 109 f.). Diese Tatbestände sehen durchweg vor, daß Ansprüche aus Prospekthaftung
in sechs Monaten nach Kenntnis des Anlegers von dem Prospektfehler, spätestens
jedoch nach drei Jahren verjähren. Dies ist etwa in § 20 Abs. 5 KAGG und § 12 Abs. 5
AuslInvestmG sowie seit Inkrafttreten des Dritten
Finanzmarktförderungsgesetzes vom 1. April 1998 in § 47 BörsG und § 13 VerkaufsprospektG
i.V.m. § 47 BörsG vorgesehen. Dabei stellen § 20 Abs. 5
KAGG und § 12 Abs. 5 AuslInvestmG für den Beginn der Dreijahresfrist auf den
Kaufvertrag, § 47 BörsG und § 13 VerkaufsprospektG i.V.m. § 47 BörsG auf die
Prospektherausgabe ab.
Unter diesen Umständen lag es nahe, die gesetzlichen Bestimmungen
nicht nur bei den Haftungsvoraussetzungen, sondern auch bei der Verjährungsfrist
als Maßstab zu berücksichtigen. Dies hat dazu geführt, daß der Senat
in Anlehnung an die damals bereits in Kraft gewesenen Bestimmungen des
§ 20 Abs. 5 KAGG und des § 12 Abs. 5 AuslInvestmG entschieden hat, daß
auch die in der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsansprüche in
sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers und spätestens drei Jahre
nach dem Beitritt zu der Gesellschaft oder dem Erwerb der Anteile verjähren.
Der Senat sieht keinen Anlaß, von diesem seit BGHZ 83, 222, 224 ff. vertretenen
Standpunkt, der in der Literatur allgemein Zustimmung gefunden hat (vgl.
Assmann, Prospekthaftung 1985, S. 371; Kiethe, BB 1999, 2253, 2257;
MünchKomm.-Emmerich, BGB 3. Aufl. Vor § 275 Rdn. 152; Soergel/
Wiedemann, BGB 12. Aufl. Vor § 275 Rdn. 344; Staudinger/Löwisch, BGB
13. Aufl. Vorbem. zu § 275 ff. Rdn. 93; speziell zum geschlossenen Immobilienfonds:
Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 615; Schmidt/Weidert, DB 1998,
2309, 2313 ff.; Wagner, NZG 1999, 614 f.), abzugehen.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich auch aus
der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Juni 1994 (VII ZR 36/93,
BGHZ 126, 166 ff. = NJW 1994, 2226 f.) zu Prospekthaftungsansprüchen bei
Bauherrenmodellen (vgl. auch BGH, Urt. v. 7. September 2000 – VII ZR 433/99,
zum Bauträgermodell) weder die Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung dafür,
die Prospekthaftungsansprüche bei geschlossenen Immobilienfonds in Abweichung
von der allgemein für die Prospekthaftung geltenden kurzen Verjährung
der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB zu unterwerfen. Die
Entscheidung vom 1. Juni 1994 basiert auf der Prämisse, daß sich Bauherrenmodelle
von anderen Anlageformen grundlegend unterscheiden. Auf dieser
Grundlage wird in der Entscheidung zur Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen
bei Bauherrenmodellen eine Lösung erarbeitet, die ausschließlich in
den Besonderheiten dieser Anlageform ihre Ableitung und Erklärung findet.
Im Unterschied zu anderen Anlageformen ist das Bauherrenmodell nicht
auf unbestimmte Dauer angelegt; es zielt vielmehr darauf ab, daß der Anleger
einen Teil der fraglichen Immobilie nach den Grundsätzen des WEG zu Eigentum
erwirbt. Zudem muß der Anleger aus konzeptionellen Gründen als
Bauherr der Immobilie auftreten. Er muß rechtlich und wirtschaftlich dem
Werkbesteller gleichstehen. Allein im Hinblick auf diese Umstände sind die
vertraglichen Beziehungen bei Bauherrenmodellen in erheblichem Umfang vom
Werkvertragsrecht geprägt. Wegen dieser Besonderheit der Bauherrenmodelle
wird in der Entscheidung vom 1. Juni 1994 bei der Verjährungsfrage ausschließlich
auf werkvertragliche Gesichtspunkte abgestellt (BGHZ 126, 166,
171 ff.).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht bereits vom
Ansatz her keine Veranlassung, die auf ausschließlich werkvertraglicher Argumentation
beruhende Entscheidung vom 1. Juni 1994 zu Bauherrenmodellen
auf geschlossene Immobilienfonds zu übertragen. Anders als Bauherrenmodelle
sind geschlossene Immobilienfonds nicht auf den Erwerb von
(Teil-)Grundeigentum ausgerichtet. Ihre Konzeption erfordert es zudem nicht,
daß die Anleger rechtlich oder wirtschaftlich die Position eines Bauherren einnehmen.
Auch sonst sind die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten
nicht von werkvertraglichen Elementen geprägt. Im Vordergrund steht
– ähnlich wie bei den Publikumskommanditgesellschaften – ein auf Dauer angelegter
gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluß, wobei diese Fonds sich
von anderen gesellschaftsrechtlich geprägten Anlageformen im wesentlichen
lediglich dadurch unterscheiden, daß eine Immobilie (selten mehrere Immobilien)
den wesentlichen Vermögensgegenstand der Gesellschaft bildet. Die Interessenlage
gleicht damit derjenigen der Anleger und der Prospektverantwortlichen
bei anderen von der Prospekthaftung erfaßten Tatbeständen in allen wesentlichen
Punkten.
II. Danach hat der Beklagte zu 2 die Einrede der Verjährung zu Recht
erhoben. Die Verjährungsfrist war unstreitig verstrichen, da die Klägerin ihre
Anteile 1990 gezeichnet, ihre Schadensersatzansprüche aber erst mit einer im
August 1996 eingereichten Klage rechtshängig gemacht hat.