Bewusstes Offenlassen von Fragen in der Schadenanzeige kann arglistiges Verschweigen des Versicherungsnehmers sein

LG Dortmund, Urteil vom 12.01.2011 – 2 O 263/10

Bei der Falschbeantwortung von Fragen in der Schadenanzeige liegt Arglist vor, wenn der Versicherungsnehmer sich der Unwahrheit seiner Angaben bewusst ist und durch die Falschangabe die Schadenregulierung zu beeinflussen versucht, auch wenn er durch die Falschbeantwortung nur Schwierigkeiten bei der Regulierung vermeiden will. Dementsprechend ist bei dem Offenlassen von Fragen in der Schadenanzeige (hier: Frage nach der Einnahme von Alkohol vor dem Schadensereignis) ein arglistiges Verschweigen von Tatsachen anzunehmen, sofern der Versicherungsnehmer die Frage beantworten könnte, dies aber bewußt unterlässt, um für den Fall wahrheitsgemäßer Beantwortung befürchtete Schwierigkeiten bei der Regulierung zu umgehen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger nach einem Streitwert in Höhe von 7.669,50 € auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 2006 eine Familien-Unfallversicherung, der die AUB 95 (Anlage B 1 zur Klageerwiderung) zugrundeliegen. § 2 AUB 95 lautet, soweit hiervon Interesse:

2

„Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde gilt:

3

Nicht unter den Versicherungsschutz fallen:

4

I. (1)

5

Unfälle durch Geistes- oder Bewußtseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder Krampfanfälle, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen.

6

Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn diese Störungen oder Anfälle durch ein unter diesen Vertrag fallendes Unfallereignis verursacht waren.

7

…“

8

Bestandteil der ebenfalls vereinbarten Besonderen Bedingungen für die Versicherung nach dem Tarif Unfall-Exklusiv-Fassung 2005 ist die sogenannte „Trunkenheitsklausel“ mit folgender Formulierung:

9

„1. In welchem Umfang sind Bewusstseinsstörungen eingeschlossen?

10

In teilweiser Abänderung von § 2 I. (1) AUB 95 sind auch Unfälle infolge von Bewusstseinsstörungen, soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind, mitversichert; beim Lenken von Kraftfahrzeugen jedoch nur, wenn der Blutalkoholgehalt unter 1,3 Promille liegt.“

11

Am 22.03.2008 besuchte der Kläger ein Osterfeuer. Auch Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr waren zugegen. Der Kläger konsumierte Weizenbier.

12

Er wurde um kurz vor 24.00 Uhr auf dem Hof seines Hauses von einem Notarzt erstversorgt und mit der Diagnose Alkoholintoxikation und commotio cerebri in das Krankenhaus S eingeliefert. Dort wurden eine linksseitige Schädelkalottenfraktur sowie eine epidurale Blutung ohne nennenswerten raumfordernden Defekt festgestellt.

13

In einem Bericht des Krankenhauses S vom 07.04.2008 wird der Verlauf wie folgt dargestellt:

14

„Herr N kam in der Nacht des 23.03.2008 stationär zur Aufnahme, nachdem er nach dem Osterfeuer auf dem Weg zum Auto gestolpert und mit dem Kopf gegen das Auto geschlagen war. Keine anamnestisch bekannte Bewusstlosigkeit, keine retrograde Amnesie, keine Erinnerungslücken. Zunehmende Übelkeit und mehrfaches Erbrechen im Schockraum.

15

…“

16

Auf die Frage eines weiteren Versicherers des Klägers nach seinen Angaben bei der Erstaufnahme hinsichtlich des Unfallereignisses antwortete der Chefarzt B des Krankenhauses S mit Schreiben vom 24.05.2008 wie folgt:

17

„Der Versicherte gab an, nach dem Verlassen des eigenen Pkw gestürzt zu sein.“

18

Der Kläger schilderte das Ereignis vom 22.03.2008 in der Schadenanzeige vom 31.03.2008 so:

19

„22.03.08/ca. 23.45 Uhr.

20

Auf dem Hof zu Hause M.weg ….

21

Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug auf der Beifahrerseite ausgerutscht und mit dem Hinterkopf auf die Pflasterung des Hofes aufgeschlagen.“

22

Von den beiden für die Beantwortung der Frage „Hat die versicherte Person innerhalb der letzten 24 Stunden vor dem Unfall alkoholische Getränke, Medikamente, Drogen oder andere berauschende Mittel zu sich genommen?“ vorgesehenen Ja- und Nein-Kästchen kreuzte der Kläger keines an. Hinter die Ergänzungsfrage „Wenn ja, Art und Menge“ setzte er das Zeichen “ ·/· “ .

23

In der Folgezeit hielt die Beklagte mit Schreiben vom 15.04.2008 bei dem Kläger Nachfrage wie folgt:

24

„… zwischenzeitlich liegt uns der Arztbericht des Krankenhauses vor. Überraschenderweise teilt der behandelnde Arzt mit, dass sie bei der Aufnahme alkoholisiert waren. Gleichwohl hatten sie dies in der Schadenanzeige auf unsere konkrete Frage hin verneint.

25

Hierzu erbitten wir Ihre schriftliche Stellungnahme.

26

Dies ist bereits die zweite unwahr beantwortete Frage. Bereits unsere Frage, ob eine Erkrankung oder eine Behinderung vorlag, wurde von ihnen verneint, obgleich aufgrund einer Rotatorenmanschettenruptur am rechten Arm eine Behinderung vorliegt, die sogar zu einer Erwerbsminderungsrente geführt hat.

27

In der Schadenanzeige hatten wir bereits darauf hingewiesen, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben auch dann zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, wenn dem Versicherer daraus kein Nachteil entsteht.

28

…“

29

Hierauf reagierte der Kläger mit einer Email vom 16.04.2008 folgenden Inhalts:

30

„… die Frage habe ich meines Wissens nicht beantwortet, da ich zu diesem Zeitpunkt einen totalen Gedächtnisverlust für die Zeit vor dem Unfall und ca 6 Std. nach dem Unfall hatte. Auf Nachfrage wurde mir später berichtet, ich hätte an dem Abend zwei Glas Weizenbier getrunken.

31

Im Arztbericht steht nicht alkoholisiert, sondern lediglich Alkoholgeruch. Und Alkoholgeruch wird schon nach geringer Menge Weizenbier bemerkt!!

32

Es wurde mir auch bestätigt, dass der Unfall ausschließlich auf das Ausrutschen auf dem Hof zurückzuführen sei.

33

…“

34

Der Kläger behauptet, der Unfall habe sich so abgespielt, wie dies der Zeuge X in seinem Schreiben vom 25.07.2008 an die Beklagte dargelegt hat:

35

„Ich habe am 22.03.2008 Herrn N mit seinem eigenen Pkw nach Hause gebracht. Auf dem Hof des Anwesens M.weg … stieg Herr N aus dem Fahrzeug aus. Dabei rutschte er aus, (es hatte stark geregnet), und fiel mit voller Wucht auf den Hinterkopf. Beim Aufprall auf den Steinen (Waschbetonplatten) hörte ich trotz laufendem Motor und Radiomusik ein lautes Aufklatschen. Da ich selber Rettungssanitäter bin, war mir sofort klar, dass hier mehr passiert sein musste. Ich schaltete sofort den Motor aus, verließ das Fahrzeug, um Herrn N zu Hilfe zu eilen. Als ich um das Fahrzeug herum kam, lag Herr N regungslos auf dem Boden. Auf lautes Ansprechen sowie Auslösen eines Schmerzreizes reagierte Herr N überhaupt nicht. Hierauf rief ich sofort den Notarzt. Als der NA eintraf, hatte Herr N zwar die Augen geöffnet, er war aber dennoch nicht ansprechbar. Ich begleitete ihn noch bis zum RTW. Allerdings war er bis dort auch nicht richtig bei bewußt sein und nicht ansprechbar.

36

Meiner Meinung nach ist der Sturz auf die schlechten Wetterverhältnisse zurückzuführen, da sie selber vielleicht wissen dass nasse Waschbetonplatten sehr rutschig sind.

37

…“

38

Der Kläger behauptet, er habe binnen 1 ½ Stunden nur etwa zwei Weizenbiere getrunken. Die Erinnerung fehle ihm (nur) ab dem Zeitpunkt, als er auf dem Hof die Beifahrertür seines Pkw’s geöffnet habe.

39

Der Kläger behauptet, er habe unfallbedingt den Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Er verlangt daher die Zahlung eines Betrages in Höhe von 15 % der mit 51.130,00 € vereinbarten Versicherungssumme (= 7.669,50 €).

40

Er beantragt daher,

41

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.669,50 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.01.2009 zu zahlen.

42

Die Beklagte beantragt,

43

die Klage abzuweisen.

44

Sie beruft sich auf den Ausschluss gemäß § 2 I AUB 95, da dem Kläger vor dem Sturz „schwarz vor Augen“ geworden sei. Hierfür spreche auch das Fehlen von Abwehrverletzungen an den Extremitäten.

45

Die Beklagte beruft sich ferner auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen (Falschangaben zu Alkoholkonsum und Vorerkrankungen -Hörminderung rechts -).

46

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen X und G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2011, Blatt 100 ff. d. A., Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

47

Die zulässige Klage ist unbegründet.

48

Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Invaliditätsleistung, § 1 VVG a.F., § 7 I AUB 95, vorliegen. Denn jedenfalls ist die Beklagte wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß §§ 9 II. , 10 AUB 95 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG a.F. leistungsfrei geworden.

49

1. Das Gericht hält dafür, dass der Kläger bereits arglistig handelte, als er die Frage nach dem Konsum von alkoholischen Getränken in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall in der Schadenanzeige vom 31.03.2008 unbeantwortet ließ.

50

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist hier jedoch nicht von einer Verneinung der Frage auszugehen, sondern lediglich von einer Nichtbeantwortung. Dies folgt daraus, dass keines der für die Antworten vorgesehenen Kästchen angekreuzt worden ist. Allein, dass die Zusatzfrage nach „Art und Menge“ mit dem Zeichen „·/·“ versehen wurde, reicht nicht aus, um eine Verneinung der vorhergehenden Frage anzunehmen. Dabei wird nicht verkannt, dass durchaus auch allein durch die Verwendung eines Striches die Verneinung der Frage zum Ausdruck gebracht werden kann (vgl. hierzu Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 31 Rn. 12 m.w.N.; Leverenz in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., 9. Bd., AUB 2008, Ziff. 7, Rn. 81). In der hier vorliegenden Fallgestaltung steht einer solchen Interpretation jedoch das unterbliebene Ankreuzen eines der beiden Antwortkästchen entgegen. Dies steht mit der unbefangenen Interpretation des Klägers im Einklang, wie sie in dessen Mail vom 16.04.2008 zum Ausdruck kommt. Auch er geht davon aus, die Frage nicht beantwortet zu haben.

51

b) Das Gericht geht allerdings dabei davon aus, dass der Kläger die Frage arglistig nicht beantwortet hat. Die arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt (BGH VersR 2011,337). Bei der Falschbeantwortung von Fragen in der Schadenanzeige liegt Arglist vor, wenn der Versicherungsnehmer sich der Unwahrheit seiner Angaben bewusst ist und durch die Falschangabe die Schadenregulierung zu beeinflussen versucht, auch wenn er durch die Falschbeantwortung nur Schwierigkeiten bei der Regulierung vermeiden will (BGH VersR 1978, 121; OLG Hamm r+s 1992, 41; OLG Oldenburg r+s 1998, 188; OLG Hamm OLG Report 1999, 86). Dementsprechend ist bei dem Offenlassen von Fragen in der Schadenanzeige ein arglistiges Verschweigen von Tatsachen anzunehmen, sofern der Versicherungsnehmer die Frage beantworten könnte, dies aber bewußt unterlässt, um für den Fall wahrheitsgemäßer Beantwortung befürchtete Schwierigkeiten bei der Regulierung zu umgehen.

52

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger die Frage offen ließ, um etwaige Schwierigkeiten bei der Regulierung zu umgehen. Dabei kann ausgeschlossen werden, dass er die Frage lediglich deshalb nicht beantwortete, weil er sie übersah. Dann wäre nicht erklärlich, warum er die zusätzliche Frage nach Art und Menge mit dem Zeichen “ ·/· “ versah.

53

Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.01.2011 steht auch fest, dass der Kläger sich an das Geschehen bei dem Osterfeuer und seinen dortigen Alkoholkonsum erinnern konnte und insofern ein Gedächtnisverlust nicht vorlag. Soweit er sich demgegenüber in seiner Mail vom 16.04.2008 auf einen eben solchen Gedächtnisverlust beruft, unterstreicht dies gerade die Haltung des Klägers, zumindest etwaige Schwierigkeiten bei der Regulierung zu umgehen, was für die Annahme von Arglist ausreichend ist. Insgesamt lässt sich für die Nichtbeantwortung der Frage keine andere plausible Erklärung finden, als dass der Kläger bestrebt war, die Frage einer Alkoholisierung aus der Regulierung herauszuhalten.

54

2. Selbst aber dann, wenn man annehmen wollte, der Kläger habe nicht arglistig gehandelt, so hat er jedenfalls die Vorsatzvermutung, § 6 Abs.3 VVG a.F., nicht widerlegt. Der Kläger hat auf die Nachfrage der Beklagten mit der Email vom 16.04.2008 die Frage nach dem Alkoholkonsum – jedenfalls soweit es die eigene Wahrnehmung – betrifft, wieder nicht beantwortet und zugleich der Wahrheit zuwider erklärt, er habe für die Zeit vor dem Unfall einen „totalen Gedächtnisverlust“ erlitten.

55

Eine entlastende und plausible Erklärung für diese unzutreffende Angabe und die Nichtbeantwortung der Frage nach dem Alkoholkonsum hat der Kläger nicht geben können.

56

a) Die für die Beklagte bestehende Nachfrageobliegenheit hat diese mit Schreiben vom 15.04.2008 erfüllt. Wenn in diesem Schreiben auch davon ausgegangen wird, der Kläger habe die Frage nach Alkoholkonsum in der Schadenanzeige nicht offen gelassen, sondern verneint, so erfüllt das Schreiben doch den Zweck, den Kläger zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage anzuhalten. Dem Kläger sind durch die Annahme der Beklagten, er habe die Frage verneint, auch keine Nachteile entstanden. Denn wie aus seiner Email vom 16.04.2008 hervorgeht, hat er darauf beharrt, die Frage nicht beantwortet zu haben, so dass er sich hierzu auch verhalten hat.

57

Das Schreiben der Beklagten vom 15.04.2008 enthält auch die gegebenenfalls erforderliche Wiederholung der Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung.

58

3. Selbst dann, wenn ein arglistiges Verhalten des Klägers nicht vorläge und es wegen der ersichtlich nicht widerlegten Vorsatzvermutung noch auf die Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes ankäme, so bliebe es bei einer Leistungsfreiheit für die Beklagte.

59

Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit war hier in zweierlei Hinsicht relevant. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Interessen des Versicherers ist nicht erforderlich, sondern es genügt, dass sie generell zur Interessenbeeinträchtigung geeignet ist (BGH r + s, 1993, 308). Die fehlende Mitteilung einer Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt birgt für den Versicherer die Gefahr, dass er die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss des § 2 I (1) AUB 95 (= 5.1.1. AUB 99, OLG Saarbrücken r + s 2007, 298) nicht erkennt. Der Versicherer ist auf die wahrheitsgemäßen Angabe seines Versicherungsnehmers angewiesen, weil es nicht sicher ist, dass die Alkoholisierung dem Versicherer anderweitig zur Kenntnis gebracht wird. Unvollständige Angaben über einen Alkoholkonsum stellen deshalb eine ernsthafte Gefährdung der Interessen des Versicherers dar (OLG Hamm VersR 1984, 931; OLG Hamm r + s 1990, 34; OLG Saarbrücken a.a.O.).

60

Abweichendes folgt hier nicht aus der Vereinbarung der “ Trunkenheitsklause“, weil sich aus dieser etwa folgern ließe, es komme für die Leistungsprüfung überhaupt nicht auf eine Alkoholisierung an. Denn jedenfalls für Unfälle beim Lenken eines Fahrzeugs mit einer BAK von mindestens 1,3 Promille kann der Ausschluß aus § 2 I.(1) AUB 95 wieder greifen, so dass eine jedenfalls generelle Eignung der Aufklärungspflichtverletzung zur Gefährdung der Interessen des Versicherers bejaht werden muss.

61

Auch soweit man auf die Falschangabe des Klägers hinsichtlich der Erinnerungslücke abstellt, ergibt sich nichts Anderes. Auch diese Falschangabe ist generell geeignet, die Interessen der Beklagten zu beeinträchtigen. Es ist nicht von untergeordneter Bedeutung, ob die Angaben zum Alkoholkonsum auf einer eigenen Wahrnehmung des Versicherungsnehmers beruhen oder aufgrund einer erfragten Wahrnehmung dritter Personen, die nicht notwendig durchgehend Wahrnehmungen zum Alkoholkonsum des Versicherungsnehmers gemacht haben müssen, erfolgen (vgl. für den „umgekehrten“ Fall der Nichtangabe einer retrograden Amnesie: OLG Köln, VersR 1969, 55).

62

Den Kläger trifft auch ein erhebliches Verschulden. Es handelt sich nicht um ein Fehlverhalten, dass auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag. Auch liegen Umstände, die das Verhalten des Versicherungsnehmers in einem milderen Licht erscheinen lassen, nicht vor.

63

Letztlich hat die Beklagte auch in dem Formular Schadenanzeige eine den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügende Belehrung im Fettdruck vor der Unterschriftenzeile vorgenommen. Unter Bezugnahme auf diese Belehrung wurde im Schreiben vom 15.04.2008 nochmals über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung belehrt.

64

Nach alledem war zu erkenn wie geschehen.

65

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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