OLG Zweibrücken, Urteil vom 14.12.2011 – 1 U 78/11
Allgemeine Geschäftsbedingungen eines privaten Krankenversicherers, die eine Kostenerstattung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung von einer vor Behandlungsbeginn erteilten Zusage abhängig machen, sind wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, wenn die Erteilung der Zusage unter bestimmten Bedingungen als nur möglich in Aussicht gestellt wird.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. März 2010 wird – soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt ist – zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.930,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Februar 2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.472,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Januar 2011 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden auferlegt wie folgt:
Die Kosten erster Instanz haben der Kläger zu 47 % und die Beklagte zu 53 % zu tragen.
Die Kosten zweiter Instanz haben der Kläger zu 45 % und die Beklagte zu 55 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der er eine private Krankenversicherung unterhält, die Erstattung von Behandlungs- und Medikamentenkosten, die im Rahmen ärztlicher Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung angefallen sind. Er begehrte außerdem die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten eines weiteren, zur Erfüllung seines Kinderwunsches möglicherweise erforderlichen Behandlungszyklusses zu tragen.
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Dem Vertragsverhältnis der Parteien liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB/VT) sowie die Bedingungen Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 zugrunde. In § 1 Abs. 2 AVB/VT ist bestimmt:
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„Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“. In Abschnitt I § 1 Absatz 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 ist im Hinblick auf die Erstattungsfähigkeit von im Zusammenhang mit künstlichen Befruchtungen entstehenden Heilbehandlungskosten geregelt:
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„Maßnahmen der assistierten Reproduktionsmedizin (künstliche Befruchtung) zur Erfüllung eines Kinderwunsches sind nur dann erstattungsfähig, wenn der Versicherer diese vor Behandlungsbeginn schriftlich zugesagt hat. Ohne vorherige schriftliche Zusage besteht kein Erstattungsanspruch. Eine schriftliche Zusage ist nur dann möglich, wenn
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– nach Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit durch den Hausarzt oder den Gynäkologen vor Konsultation eines Reproduktionsmediziners mit dem Versicherer Kontakt aufgenommen wurde und
– nicht bereits ein Kind durch künstliche Befruchtung gezeugt wurde und der Versicherer hierfür Leistungen erbracht hat und
– die Frau das 40. Lebensjahr und der Mann das 50. Lebensjahr zu Beginn der Kinderwunschbehandlung noch nicht vollendet haben und
– es sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung mit hinreichender Aussicht auf Erfolg handelt.
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Erstattet werden unter den oben genannten Voraussetzungen höchstens
– 3 Inseminationen und
– 3 In-vitro-Fertilisationen (IVF) oder
– 3 In-vitro-Fertilisationen /Intracytoplastmatische Spermien-Injektionen (ICSI)“.
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Im Juli 2009 reichte der Kläger bei der Beklagten eine Rechnung des Facharztes für Gynäkologie und Reproduktionsmedizin Dr. E… vom 26. Juni 2009 mit dem Betreff – Spermatogramm, Kinderwunsch – sowie eine Rechnung des Urologen Dr. K… vom 20. Juli 2009 mit dem Betreff – hochgradiges OAT-Syndrom – 09.07.2009 Z.B. tox. bedingte Störung der Spermiogenese, 09.07.2009, hypertropher Hoden bds -. Mit Schreiben vom 5. August 2009 antwortete die Beklagte hierauf, dass sie prüfen müsse, ob sie bezüglich der in den Rechnungen genannten Erkrankungen leistungspflichtig ist. Beginnend ab Mitte August 2009 wurden am Kläger sowie dessen Ehefrau Maßnahmen der assistierten Reproduktionsmedizin durchgeführt. Eine vorherige Zusage zur Kostenübernahme hatte die Beklagte nicht erteilt.
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Einschließlich der beiden vorgenannten Rechnungen reichte der Kläger bei der Beklagten im Zeitraum Juli bis Oktober 2009 folgende Arztrechnungen betreffend Kosten der besagten ärztlichen Maßnahmen in Höhe von insgesamt 6.774,99 € ein:
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– Rechnung Dr. S… vom 26. Juni 2009:
130,17 €
– Rechnung Dr. E… vom 25. Juni 2009:
134,47 €
– Rechnung Dr. G… vom 24. Juli 2009:
349,95 €
– Rechnung Dr. K… vom 20. Juli 2009:
353,57 €
– Rechnung Dr. K… vom 20. Juli 2009:
10,72 €
– Rechnung Dr. F… vom 19. September 2009:
1.542,15 €
– Rechnung Dr. E… vom 22. Oktober 2009:
118,08 €
– Rechnung Dr. E… vom 22. Oktober 2009:
4.135,88 €
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Auf diese Rechnungen zahlte die Beklagte an den Kläger eine Pauschale von 2.000,00 € sowie weitere 20,86 €. Sie erstattete darüber hinaus weitere 800,00 €, welche sie mit dem (dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen) Selbstbehalt des Klägers verrechnete. Diese Verrechnung bezog sich im Einzelnen auf folgende Rechnungsbeträge:
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– Rechnung Dr. S… vom 26. Juni 2009 über
130,17 €
– Rechnung Dr. G. vom 24. Juli 2009 über
349,95 €
von denen 329,09 € verrechnet wurden und die restlichen 20,86 € ausgezahlt wurden
– Rechnung Dr. K… vom 20. Juli 2009 über
353,57 €
von denen 330,02 € verrechnet wurden, während 23,55 € nicht erstattet wurden
– Rechnung Dr. K… vom 20. Juli 2009 über
10,72 €
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Weitere Leistungen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juli 2009 mit der Begründung ab, dass der Kläger vor Behandlungsbeginn ihre schriftliche Zusage zur Kostenübernahme nicht eingeholt habe. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 weigerte sich die Beklagte zudem, die Kosten für weitere Versuche der künstlichen Befruchtung zu erstatten. Daraufhin wurde sie mit Schreiben des Klägervertreters vom 15. Januar 2010 zur Zahlung von 5.756,52 € für Arztrechnungen und Medikamente sowie zur Zusage der Kostenübernahme für weitere ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung aufgefordert. Mit Schreiben vom 4. Februar 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Kosten für einen künftigen weiteren Behandlungszyklus nach ihren Tarifbedingungen übernehmen werde. Eine Kostenübernahme im Übrigen lehnte sie jedoch weiterhin ab.
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Der Kläger hat vorgetragen:
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Die Beklagte sei auch ohne vorherige schriftliche Zusage vertraglich verpflichtet, die geltend gemachten Behandlungskosten der durchgeführten künstlichen Befruchtung wie auch die Kosten zweier weiteren Behandlungszyklen zu übernehmen. Die Bestimmung in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009, welche die Kostentragungspflicht des Versicherers von einer vorherigen schriftlichen Zusage zur Kostenübernahme abhängig macht, benachteilige den Versicherungsnehmer unangemessen und sei daher unwirksam. Er (der Kläger) habe eine weitere Rechnung Dr. K… vom 20. Juli 2009 über Behandlungskosten in Höhe von 330,02 € bei der Beklagten eingereicht, welche von dieser ebenfalls auszugleichen sei. Darüber hinaus seien im Rahmen der durchgeführten künstlichen Befruchtung Medikamentenkosten in Höhe von insgesamt 1.472,37 € angefallen, die von der Beklagten zu tragen seien. Erstattungsfähig seien insoweit im Einzelnen die Kosten der mit den folgenden ärztlichen Rezepten – die bei der Beklagten unstreitig mit Schreiben des Klägers vom 19. Januar 2011 eingereicht wurden – verschriebenen Medikamente:
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– Rezept Dr. E… vom 19. August 2009 für Orgalutran und Menogon:
807,66 €
– Rezept Dr. E… vom 19. August 2009 über Menogon Hp:
208,50 €
– Rezept Dr. E… vom 27. August 2009 über Orgalutran:
105,34 €
– Rezept Dr. E… vom 27. August 2009 für Menogon Hp und Brevactid 5000
350,87 €
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Im Übrigen habe die Beklagte gegen ihre Beratungspflicht verstoßen, da sie nach Erhalt der Rechnung Dr. E… vom 26.Juni.2009 angesichts des angegebenen Betreffs „Spermatogramm, Kinderwunsch“ hätte erkennen müssen, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung geplant waren, so dass sie den Kläger über das Erfordernis der vorherigen schriftlichen Zusage zur Kostenübernahme hätte aufklären müssen.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.756,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 4. Februar 2010 zu bezahlen,
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, über eine bereits bezüglich der Kostenübernahme zugesagte Behandlung der künstlichen Befruchtung hinaus die Kosten für ambulante Heilbehandlung von Maßnahmen der assistierten Reproduktionsmedizin (künstliche Befruchtung) zur Erfüllung eines Kinderwunsches des Klägers und seiner Frau zu erstatten, soweit nicht bereits ein Kind durch künstliche Befruchtung gezeugt wurde und die Beklagte hierfür Leistungen erbracht hat, soweit die Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt des Beginns der Kinderwunschbehandlung das 40. Lebensjahr und der Kläger das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hat sowie unter Beachtung der übrigen versicherungsvertraglichen Bedingungen des Tarifs Tarif Compact PRIVAT Optimal 1200, beschränkt auf höchstens 3 Inseminationen und 3 In-vitro-Fertilisationen oder 3 In-vitro-Fertilisationen/intrazytoplasmatische Spermieninjektionen (ICSI), wobei der Ziffer 1 zugrunde liegende Behandlungszyklus als ein bereits erfolgter Versuch anzusehen ist.
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3. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 661,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen:
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Sie sei mangels Einholung einer vorherigen schriftlichen Zusage zur Kostenübernahme gemäß Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 nicht leistungspflichtig.
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Das Landgericht hat dem Leistungsantrag des Klägers teilweise – in Höhe von 3.930,58 € – und dem Feststellungsantrag entsprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte vertraglich verpflichtet sei, die streitgegenständlichen Behandlungskosten in Höhe von 3.930,58 € zu erstatten. Die Klausel in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009, welche die Erstattungsfähigkeit von Behandlungskosten von einer vorherigen schriftliche Zusage des Versicherers abhängig mache, verstoße gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB und sei deshalb unwirksam. Da die erforderliche schriftliche Zusage des Versicherers nach dieser Klausel unter bestimmten Bedingungen lediglich möglich sei, werde der Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt. Die Regelung ermögliche es dem Versicherer nämlich, eine vorher beantragte schriftliche Zusage und damit die Übernahme der Behandlungskosten auch dann zu verweigern, wenn die nachfolgend genannten medizinischen Voraussetzungen erfüllt seien. Dies führe zu einer Gefährdung des Vertragszwecks insgesamt. Nicht erstattungsfähig seien allerdings die Medikamentenkosten in Höhe von 1.472,37 €, da davon auszugehen sei, dass die diesbezüglichen Belege bei der Beklagten noch nicht eingereicht worden seien. Der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 7. Februar 2011 vorgebrachte Vortrag des Klägers, er habe die Medikamentenrechnungen am 19. Januar 2011 bei der Beklagten eingereicht, sei gemäß § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Der Feststellungsantrag des Klägers sei zulässig und begründet. Insbesondere fehle nicht das erforderliche Feststellungsinteresse, da das Begehren auf eine bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete und bevorstehende Behandlung gerichtet sei. Vorgerichtliche Anwaltskosten seien nicht zu ersetzen, da das insoweit vorgelegte anwaltliche Schreiben mit Rücksicht auf die mehrfache Ablehnung der Beklagten zur Kostenübernahme wenig erfolgversprechend gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen und der Begründung wird auf Tatbestand und Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
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Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit welcher sie die vollständige Klageabweisung anstrebt. Der Kläger hat Anschlussberufung eingelegt, mit welcher er (lediglich) die weitere Verurteilung der Beklagten hinsichtlich der vom Landgericht nicht zuerkannten Medikamentenkosten begehrt.
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Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren nicht mehr die Höhe der klagegegenständlichen Behandlungskosten und stellt auch nicht mehr in Abrede, dass der Kläger bei ihr die Rezepte Dr. E… betreffend die geltend gemachten Medikamentenkosten – deren Höhe sie ebenfalls nicht bestreitet – zur Kostenerstattung eingereicht hat.
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Sie trägt vor:
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Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Versicherungsnehmer durch die Klausel in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 unangemessen benachteiligt werde und diese Regelung daher unwirksam sei. Das Landgericht habe verkannt, dass sie (die Beklagte) als Krankenversicherer sogar berechtigt wäre, Behandlungen der in Rede stehenden Art vom Versicherungsschutz gänzlich auszunehmen. Durch die Regelung in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 werde der Versicherungsnehmer immerhin besser gestellt als bei einem (zulässigen) vollständigen Risikoausschluss. Das Landgericht habe desweiteren übersehen, dass die Behandlung wegen „unerfülltem Kinderwunsch“ nicht den Kernbereich der medizinischen Versorgung des Versicherungsnehmers tangiere. Daher könne nicht die Rede davon sein, dass die besagte Klausel zu einer Gefährdung des Vertragszwecks führe. Ferner habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass der Krankenversicherer ein berechtigtes Interesse daran habe, bei ärztlichen Behandlungen der in Rede stehenden Art eine vorherige Überprüfung seiner Leistungspflicht vorzunehmen und den Versicherungsschutz von der formalen Voraussetzung einer vorherigen schriftlichen Leistungszusage abhängig zu machen. Ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung seien regelmäßig besonders kostenintensiv und wiesen gleichzeitig eine verhältnismäßig geringe Erfolgsquote auf. Im Übrigen habe das Landgericht zu Unrecht dem Feststellungsantrag entsprochen. Es habe übersehen, dass es insoweit schon an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle, da die Beklagte vorprozessual ihre Leistungspflicht für einen „zweiten Versuch“ gar nicht bestritten habe.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Klage wird unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. März 2010 (Az.: 3 O 286/10) abgewiesen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger außerdem,
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unter Aufrechterhaltung des Urteils des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. März 2010 die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.472,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Januar 2011 zu bezahlen.
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Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, soweit das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 3.930,58 € verurteilt und darüber hinaus seinem Feststellungsantrag entsprochen hat.
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Im Übrigen trägt er vor:
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Die Beklagte müsse auch die streitgegenständlichen Medikamentenkosten in Höhe von 1.472,37 € erstatten, da nunmehr unstreitig sei, dass er die diesbezüglichen Belege bei ihr mit Schreiben vom 19. Januar 2011 eingereicht habe.
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Die Beklagte beantragt,
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die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
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Sie rügt das klägerische Vorbringen zu den Medikamentenkosten als verspätet und bestreitet, dass es sich bei diesen um Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 AVB/VT handelt.
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Im Übrigen halten beide Parteien an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest.
43
In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 2. November 2011 haben die Parteien den Feststellungsantrag des Klägers übereinstimmend im Hinblick darauf für erledigt erklärt, dass die Ehefrau des Klägers mittlerweile das 40. Lebensjahr vollendet hat.
II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Hauptsache ohne Erfolg. Die Anschlussberufung des Klägers ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden und begründet.
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Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger gegen die Beklagte einen vertraglichen Erstattungsanspruch bezüglich der Behandlungskosten für die im August/September 2009 an ihm sowie an seiner Ehefrau durchgeführten ärztlichen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in Höhe von (zuletzt unstreitigen) 3.930,58 € hat.
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Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, dass der Kläger vor Durchführung der besagten ärztlichen Behandlungen eine vorherige Zusage, wie sie die Bestimmung in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e der Vertragsbestandteil gewordenen Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 für die Möglichkeit“ der Leistungspflicht des Versicherers voraussetzt, nicht eingeholt hat.
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Die Regelung in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009, welche das in § 1 Abs. 2 AVB/VT gegebene Hauptleistungsversprechen des Versicherers näher ausgestaltet und somit nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähig ist, hält – wovon auch das Landgericht ausgegangen ist – einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand und ist somit – bei Fortgeltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 BGB) – unwirksam.
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Die besagte Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine das Risiko des Versicherers begrenzende Klausel – wie sie hier vorliegt – trägt dem Transparenzgebot nur dann ausreichend Rechnung, wenn sie den durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt, welche Kosten der Versicherer als erstattungsfähig erachtet (BGH VersR 2009, 1210). Die Regelung in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 genügt diesen Anforderung nicht. Sie lässt den durchschnittlichen Versicherungsnehmer darüber im Unklaren, welche im Rahmen einer künstlichen Befruchtung anfallenden Kosten notwendiger Heilbehandlung erstattungsfähig sind bzw. unter welchen Umständen insoweit die Zusage des Versicherers zur Kostenübernahme erfolgt. Diesbezügliche Kriterien ergeben sich weder aus der Klausel selbst noch aus dem Vertrag _ insbesondere den Allgemeinen Versicherungsbedingungen _ im Übrigen. Die in der Klausel genannten vier Ausschlusstatbestände vermögen eine hinreichende Klarheit hinsichtlich des vom Versicherer zu erbringenden Leistungsumfangs ebenfalls nicht herzustellen. Die Regelung sieht in den Fällen, in denen keiner der genannten Ausschlusstatbestände erfüllt ist, nicht etwa vor, dass die Leistungszusage des Versicherers erteilt wird, sondern nur, dass eine solche unter welchen Voraussetzungen auch immer möglich ist.
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Auch die Einschränkung, dass eine Leistungszusage vorab einzuholen ist, lässt erkennen, dass sich der Versicherer eine Prüfung sonstiger Voraussetzungen als der aufgezählten Ausschlusstatbestände vorbehalten will, ohne diese aber offenzulegen. Die Ausschlusstatbestände selbst machen eine Vorabprüfung nicht erforderlich. Die Beklagte hat auch keine nachvollziehbaren Gründe dafür vorgebracht, dass sie außerhalb der genannten Ausschlusstatbestände ein berechtigtes Interesse an einer vorherigen Prüfung ihrer Leistungspflicht hat. Ihrem durchaus einleuchtenden Interesse daran, nicht die Kosten solcher ärztlicher Maßnahmen tragen zu müssen, deren medizinische Notwendigkeit mangels hinreichender Erfolgsaussicht der künstlichen Befruchtung zweifelhaft erscheint, wird bereits durch die Ausschlusstatbestände selbst ausreichend Rechnung getragen, die eine Altersgrenze der Patienten festlegen (dritte Alternative) und zudem eine hinreichende Erfolgsaussicht der Behandlung explizit fordern (vierte Alternative). Die Situation des Krankenversicherers in Fällen künstlicher Befruchtung ist auch nicht vergleichbar mit der Sachlage in Fällen der Behandlung in sog. gemischten Anstalten (vgl. § 4 Abs. 5 MB/KK) oder der psychotherapeutischen Behandlung, in denen anerkannt ist, dass der Krankenversicherer seine Leistungspflicht von einer vorherigen Zusage abhängig machen darf. Durch die Vorabprüfung im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 MB/KK wird dem Interesse des Krankenversicherers Rechnung getragen, nichtversicherte bloße Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen auszuscheiden (KG Berlin RuS 2004,244); mithin hat diese Prüfung – im Gegensatz zum vorliegenden Fall – nicht die Frage zum Gegenstand, ob der Versicherer überhaupt leistungsbereit ist. Die vorherige Prüfung in Fällen psychotherapeutischer Behandlung ist aufgrund des – hier ebenfalls nicht gegebenen – Umstandes gerechtfertigt, dass es innerhalb dieser besonderen Art der Heilbehandlung ganz unterschiedliche Behandlungs- und Anwendungsmethoden je nach Art der Erkrankung gibt ( BGH NJW 1999, 3411; OLG Frankfurt VersR 2007, 828).
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Somit steht es letztlich im freien Ermessen des Versicherers, in Fällen künstlicher Befruchtung trotz Vorliegens einer notwendigen Heilbehandlung die Zusage zur Kostenübernahme etwa im Hinblick auf die Höhe der zu erwartenden Kosten zu versagen. Daher ist die Gefahr einer inhaltlichen Benachteiligung des Versicherungsnehmers gegeben, der nach der hier vorliegenden Vertragsgestaltung darauf vertrauen darf, dass ihm als Gegenleistung für die von ihm gezahlten Beiträge Versicherungsschutz auch in Fällen künstlicher Befruchtung wenn auch nach bestimmten Kriterien nur in eingeschränktem Umfang gewährt wird. Soweit sich die Beklagte im Ausgangspunkt zutreffend darauf beruft, dass es ihr grundsätzlich freisteht, ihr Eintrittsrisiko vertraglich zu begrenzen, und sie die Kostenübernahme für künstliche Befruchtungen sogar gänzlich aus ihrem Leistungskatalog herausnehmen könnte, geht ihr Vorbringen ins Leere. Bei einer solchen Vertragsgestaltung wäre für den Versicherungsnehmer nämlich klar, dass im Zusammenhang mit künstlichen Befruchtungen entstehende Heilbehandlungskosten vom Krankenversicherer nicht getragen werden.
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Nach alledem kann offen bleiben, ob die Regelung in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 auch hinsichtlich der in ihr enthaltenen Ausschlusstatbestände unwirksam ist, was jedenfalls im Hinblick auf die Bestimmung, wonach eine Zusage nur dann erteilt wird, wenn nicht bereits ein Kind durch künstliche Befruchtung gezeugt worden ist und der Versicherer hierfür Leistungen erbracht hat, mit Rücksicht darauf in Erwägung zu ziehen ist, dass die Verwirklichung dieses Ausschlusstatbestandes die Geburt eines gesunden Kindes offenbar nicht voraussetzt.
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Dahinstehen kann außerdem, ob der von der Beklagten ausschließlich erhobene Einwand, dass eine vorherige Zusage zur Kostenübernahme nicht erteilt worden sei, hier als reine Förmelei und damit als rechtsmissbräuchlich vor dem Hintergrund anzusehen ist, dass sie für eine weitere (zweite) Behandlung die Kostenerstattungszusage ohne Weiteres erteilt hat, ohne dass ersichtlich wäre, dass diese sich bezüglich Ausgangssituation oder Behandlungsmethode von der Erstbehandlung unterscheidet.
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Keiner Klärung bedarf zudem die Frage, ob der Argumentation des Klägers zu folgen ist, dass ihn die Beklagte zur Wahrung ihrer Aufklärungspflicht auf das Erfordernis der vorherigen Zusage zur Kostenübernahme bei künstlichen Befruchtungen hätte hinweisen müssen, nachdem sie die Rechnung Dr. E… vom 26. Juni 2009 betreffend die Durchführung eines Spermatogramms mit dem Zusatz „Kinderwunsch“ erhalten hatte.
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Der Kläger kann auch die mit der Anschlussberufung geltend gemachten Medikamentenkosten in Höhe von 1.472,37 € erstattet verlangen. Dass der Kläger die diesbezüglichen ärztlichen Atteste bei der Beklagten nunmehr eingereicht hat, ist zwischen den Parteien unstreitig, so dass der Berücksichtigung des dahingehenden klägerischen Vortrags § 531 Abs. 2 ZPO nicht entgegensteht. Durch die Vorlage der inhaltlich nachvollziehbaren ärztlichen Atteste hat der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten auch seiner prozessualen Pflicht genügt, darzulegen, dass die geltend gemachten Medikamentenkosten infolge Durchführung notwendiger Heilbehandlungen angefallen sind. Es wäre nunmehr worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2011 hingewiesen hat Sache der Beklagten gewesen, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. zur Indizwirkung des Urteils des behandelnden Arztes für die Notwendigkeit der Heilbehandlung: OLG München VersR 1992, 1124; vgl. zu dem vom Auskunftsbegehren des Versicherers abhängigen Umfang der Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers in der Krankenversicherung: OLG Koblenz VersR 2000, 1404) vorzutragen, weshalb die ärztlicherseits verschriebenen Medikamente zur Heilbehandlung nicht erforderlich gewesen sein sollen oder warum und inwieweit dies jedenfalls zweifelhaft ist und deshalb näherer Darlegung bedarf. Die Beklagte hat hierzu indes auf den Hinweis des Senats nichts vorgetragen, sondern lediglich mitgeteilt, medizinisch nicht sachkundig zu sein.
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Die Entscheidungen über die Zinsforderungen beruhen auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 91 a ZPO.
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Bezüglich der Kosten erster Instanz war zu Lasten des Klägers zu beachten, dass die Klage durch die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich eines Betrages von 353,57 € (nicht, wie vom Kläger offenbar angenommen, in Höhe von lediglich 23,55 €) in der Hauptsache rechtskräftig abgewiesen worden ist; der Kläger hat das erstinstanzliche Urteil insoweit nicht angefochten.
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Die Verfahrenskosten hinsichtlich des von den Parteien im Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Hauptsache fallen ebenfalls dem Kläger zur Last (§ 91 a ZPO). Der Klageantrag Ziffer 2, der darauf abzielte, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die ärztliche Behandlung einer dritten künstlichen Befruchtung zu tragen, war von Anfang an unzulässig. Ihm fehlte das erforderliche Feststellungsinteresse, da er kein – gegenwärtiges – Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO betraf. Zwar setzt diese Vorschrift nicht voraus, dass alle Umstände, von denen die Entstehung der festzustellenden Rechtsfolge abhängt, bereits eingetreten sind; es reicht aus, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden. Hier erstrebte der Kläger allerdings die Feststellung allein mit Blick auf die bloße Möglichkeit der – hinsichtlich ihres Eintritts völlig ungewissen – Notwendigkeit von weiteren ärztlichen Behandlungen und daraus resultierenden Erstattungsansprüchen gegen die Beklagte. Der Feststellungsantrag war damit auf ein noch ungewisses, künftiges Rechtsverhältnis gerichtet und zielte letztlich auf die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen, die nicht zur Grundlage einer Feststellungsklage gemacht werden können (vgl. BGH VersR 1992, 950).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestehen nicht. Allein die von der Beklagten angestellte Erwägung, dass es sich bei der Bestimmung in Abschnitt I § 1 Abs. 1.1 e Tarif Compact PRIVAT Optimal 2009 um eine in einer Vielzahl von Versicherungsverträgen verwendete Klausel handele und die Entscheidung des Senats daher von erheblicher Bedeutung für die Versicherungsunternehmen sei, rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Rechtsstreit von grundlegender Bedeutung i. S. d. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO ist (BGH Beschluss vom 6. Juli 2011, Az. IV ZR 217/09, juris).