Zur Frage der Unabwendbarkeit des Transportschadens durch Raubüberfall

OLG Stuttgart, Urteil vom 20.04.2011 – 3 U 49/10

Zur Unabwendbarkeit nach Art. 17 Abs. 2 CMR (hier: Verlust des gesamten Frachtgutes durch Raubüberfall in Italien – Unabwendbarkeit verneint). Die pauschale Behauptung des Frachtführers, dass es auf der von ihm befahrenen Strecke keine stärker bewachten Parkplätze gebe, reicht für die Annahme einer Unvermeidbarkeit nicht aus. (Rn. 48 f.)

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Vorsitzenden der 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 16.04.2007 – 36 O

106/06 KfH –

abgeändert

und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.767,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % p.a. seit dem 01.12.2005 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von

1.479,90 € zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in sämtlichen Instanzen einschl. des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils

vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 60.767,52 €.

Gründe

A.

1

Die Klägerin, ein deutsches Speditionsunternehmen, nimmt den in Italien ansässigen Beklagten wegen Verlustes von Transportgut aus abgetretenem Recht auf

Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Firma K… N… Italia S.A.R.L., eine Tochtergesellschaft der Klägerin mit Sitz in … N… R…/Italien (im Weiteren: N… Italia), beauftragte den Beklagten am

11.11.2005 mit dem Transport einer Partie Schokolade von R…/Deutschland nach S… N… L.. S…/Italien. Ein Fahrer des Beklagten übernahm das auf 34 Paletten

gepackte Gut mit einem Nettogewicht von 14.074 kg am 14.11.2005 in R…, wo die Klägerin für die Firma A… R… GmbH & Co. KG (im Weiteren: Versenderin) ein Lager

unterhielt, zur Beförderung nach Italien (vgl. Frachtbrief gem. Anlage K 10, Bl. 66 d.A.). Er erreichte am 15.11.2005 gegen 17.00 Uhr die nördlich von N…

gelegene Autobahnraststätte „T… O…“, auf der er den beladenen Lkw abstellte, um eine Ruhepause einzulegen. In der Nacht zum 16.11.2005 wurde der Fahrer von

drei Männern auf der Raststätte überfallen, die das Gut raubten. Die Versenderin stellte der Klägerin für die abhanden gekommene Ware am 05.04.2006 60.767,52

€ in Rechnung (vgl. Anlagen K 15 und K 16, Bl. 72/73 d.A.).

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte für den Verlust des Gutes gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR, da die Voraussetzungen für einen

Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR nicht vorlägen. Darüber hinaus schulde der Beklagte ihr den Ersatz der durch die außergerichtliche

Rechtsverfolgung angefallenen Kosten, weil er sich mit der Erfüllung ihrer berechtigten Schadensersatzforderung in Verzug befunden habe.

4

Die Klägerin hat zunächst unter Berufung auf die Abtretung von Schadensersatzansprüchen durch die N… Italia vom 29.03.2006 wegen des

streitgegenständlichen Verlustes den Beklagten aus fremdem Recht auf Zahlung von 60.767,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % seit dem 01.12.2005 sowie auf

Erstattung von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 749,95 € in Anspruch genommen. Nach Einreichung der Klage am 01.08.2006, aber vor Zustellung der Klage an

den Beklagten hat sie am 28.09.2006 den geltend gemachten Schadensersatzanspruch an die N… Italia zurückabgetreten. Diese hat die Klageforderung nach

Zustellung der Klage gegen Ansprüche aufgerechnet, die dem Beklagten aus früheren Transportgeschäften unstreitig gegen sie zustanden. Die Klägerin hat

daraufhin die Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit mit Ausnahme der verlangten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in der Hauptsache erledigt

sei, und ihren Zahlungsantrag auf die Zinsen und die vorgerichtlichen Kosten beschränkt.

5

Wegen der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sowie wegen des Vortrages der Parteien in erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil vom

16.04.2007 Bezug genommen.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Erledigung in der Hauptsache durch Aufrechnung sei nicht eingetreten, da die

Klägerin infolge einer Rückabtretung bereits vor Rechtshängigkeit ihre Aktivlegitimation verloren habe. Auch bezüglich der geltend gemachten Nebenansprüche

fehle es an der Aktivlegitimation sowie an den Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozessstandschaft.

7

Im Berufungsverfahren ist die Klägerin zu ihrem ursprünglichen Zahlungsantrag zurückgekehrt, weil die N… Italia nach ihrem Vortrag mit Vereinbarung vom

23.08.2007 erneut sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Transport vom 14.11.2005 gegen den Beklagten an sie abgetreten habe und die von der N… Italia

erklärte Aufrechnung mangels Zustimmung des Beklagten nicht wirksam geworden sei. Ihr Antrag auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Kosten wurde auf

1.479,90 € erweitert.

8

Der Senat hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 58.767,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % seit dem 01.12.2005 sowie

vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.479,90 € zu bezahlen (Urteil vom 31.10.2007 – 3 U 92/07 – veröffentlicht in juris). Im Übrigen wurde die Klage

abgewiesen. Auf die Gründe dieses Urteils wird ebenfalls verwiesen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei von einer Aktivlegitimation auszugehen, weil

die von der N… Italia am 31.10.2006 erklärte Aufrechnung unwirksam sei; diese richte sich nach italienischem Recht, wobei vom Beklagten die

Schadensersatzforderung der N… Italia bestritten worden sei. Die Abtretung vom 23.08.2007 von der N… Italia an die Klägerin sei wirksam, weil die

Voraussetzungen von Art. 1264 Codice Civile, der hier anwendbar sei, erfüllt seien. Von der Abtretung habe der Beklagte im Prozess Kenntnis erlangt. Die

Frage der Wirksamkeit der früheren Abtretungen könne offen bleiben. Der Beklagte sei gemäß Art. 17 Nr. 1, Art. 23 CMR zur Leistung von Schadensersatz in der

tenorierten Höhe verpflichtet. Auf die Befreiung von der Haftung wegen Unvermeidbarkeit gemäß Art. 17 Nr. 2 CMR könne sich der Beklagte nicht mit Erfolg

berufen. Es sei davon auszugehen, dass die im Frachtbrief, den Lieferscheinen und den Rechnungen aufgeführten Waren verlorengegangen seien. Von der

Klageforderung seien Frachtkosten in Höhe von 2.000,00 € in Abzug zu bringen, weil die Lieferung ausweislich des Lieferscheins frei Haus habe erfolgen

sollen. Die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei die 1-jährige Verjährungsfrist gemäß

Art. 32 Nr. 1 CMR noch nicht verstrichen gewesen. Die Hemmung der Verjährung sei nicht durch die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin entfallen.

9

Auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung mit Urteil vom 29.10.2009 (I ZR 191/07

TranspR 2010, 200) aufgehoben und das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Auf der Basis der bislang

getroffenen tatsächlichen Feststellungen sei rechtsfehlerhaft eine Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung angenommen worden. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB setze

eine Klage des materiell Berechtigten voraus. Ob die Klägerin zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung bei Einreichung oder

Zustellung der Klage berechtigt gewesen sei, könne noch nicht abschließend beurteilt werden. Dies hänge davon ab, ob die erste Forderungsabtretung der N…

Italia vom 29.03.2006 wirksam war. Möglicherweise sei die Klägerin bei Einreichung der Klage oder deren Zustellung aufgrund einer Ermächtigung der N… Italia

oder einer gewillkürten Prozessstandschaft befugt gewesen, den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch geltend zu machen.

10

Zur Anschlussrevision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof im vorerwähnten Urteil ausgeführt, nach Art. 23 Abs. 4 CMR habe der Frachtführer bei

gänzlichem Verlust des Gutes die Fracht in voller Höhe zurückzuerstatten. Von dieser Bestimmung könne nicht durch Parteivereinbarung abgewichen werden. Nach

dem Vortrag der Klägerin habe sich die Frachtvergütung auf 1.217,28 € belaufen. Das entsprechende Vorbringen sei im Berufungsrechtszug zu berücksichtigen.

11

Nach Zurückverweisung verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Zahlungsanspruch in Höhe von 60.767,52 € nebst Zinsen ebenso weiter wie ihren

Schadensersatzanspruch hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.479,90 €, hilfsweise begehrt sie Zahlung von 1.479,90 €

(Rechtsanwaltskosten) und von 2.793,62 € (Zinsen) sowie die Feststellung, dass sich der Rechtsstreit in Höhe des Betrages von 60.767,52 € durch Aufrechnung

der N… Italia vom 31.10.2006 in der Hauptsache erledigt hat.

12

Sie macht in Ergänzung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens im Wesentlichen geltend, die N… Italia sei damit einverstanden gewesen, dass sie, die

Klägerin, Ansprüche aus dem Transportvertrag vom 14.11.2005 weiterverfolge und Zahlung an sich verlange. Dementsprechend habe sie den Schaden dem Beklagten

in Rechnung gestellt. Zwischen der N… Italia und dem Beklagten sei schon im Januar 2006 vereinbart worden, dass die Regulierung durch die Klägerin erfolgen

solle. Von der Abtretung vom 29.03.2006 habe der Beklagte spätestens durch Zustellung der Klage Kenntnis erlangt, sodass zu diesem Zeitpunkt eine

Forderungsinhaberschaft zu bejahen sei. Außerdem hätten die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozessstandschaft vorgelegen. Ein schutzwürdiges

Eigeninteresse an der Verfolgung der streitgegenständlichen Ansprüche sei dadurch begründet, dass sie gegenüber der Versenderin bereits am 25.11.2005

Schadensersatz geleistet habe. Mit dieser bestehe ein Rahmenvertrag für nationale Transporte (Anlage BK 18), für die Beförderung der streitgegenständlichen

Partie Schokolade sei ein separater Auftrag durch die Versenderin per Datenfernübertragung erteilt worden. Für die Rückabtretung vom 28.09.2006 gelte

italienisches Recht mit der Folge, dass diese unwirksam sei, weil die Rückabtretung dem Beklagten erst später bekanntgegeben worden sei. Ferner ergebe sich

ihre materielle Berechtigung vorliegend aus Art. 37 lit. a) CMR.

13

Die Klägerin stellt die Anträge:

14

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 16.04.2007 – 36 O 106/06 KfH – wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 60.767,52 €

nebst Zin-sen in Höhe von 5 % seit dem 01.12.2005 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.479,90 € zu zahlen,

15

hilfsweise für den Fall, dass

16

a) der Beklagte der Aufrechnung vom 31.10.2006 zustimmt sowie

17

b) das Berufungsgericht die Umstellung auf den ursprünglichen Klagantrag als unzulässig ansehen sollte,

18

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart – 36 O 106/06 KfH – vom 16.04.2007

19

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.479,90 € zu zahlen;

20

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.793,62 € zu zahlen;

21

3. festzustellen, dass der Rechtsstreit sich in Höhe des Betrages von 60.767,52 € durch Aufrechnung der N… Italia S.A.R.L. vom 31.10.2006 in der

Hauptsache erledigt hat.

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Er erstrebt nach wie vor Klagabweisung und hebt insbesondere hervor, die Klägerin sei bei der Zustellung der Klage aufgrund der Rückabtretung vom

28.09.2006 nicht mehr materiell Berechtigte gewesen. Nach italienischem Recht sei Im Verhältnis zwischen Zessionar und Zedenten die Abtretung auch ohne eine

Anzeige an den Schuldner wirk-sam. Diese diene nur dem Zweck, eine befreiende Wirkung einer Zahlung an den Altgläubiger auszuschließen, der hier keine

Relevanz habe. Im Fall einer gewillkürten Pro-zessstandschaft führe erst deren Offenlegung zur Hemmung der Verjährung. Dies sei mit Schriftsatz des

Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom Februar 2007 und damit nach Eintritt der Verjährung erfolgt. Der vorprozessuale Schriftverkehr habe keinerlei

Hinweis auf eine Abtretung von Ansprüchen durch die N… Italia enthalten. Eine mit ihm getroffene Vereinbarung, wonach die Klägerin den Schaden regulieren

solle, wird vom Beklagten bestritten. Die Gründe, die zu einer Korrektur der Rechnung der Versenderin geführt haben, seien von der Klägerin nicht offen

gelegt worden.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten

schriftlichen Unterlagen verwiesen.

26

Der Senat hat im Termin vom 28.07.2010 die Zeugen J… R… und W… G.. und im Termin vom 30.03.2011 die Zeugen K… P… und A… B… vernommen. Wegen des

Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28.07.2010 (Bl. 329/336 d.A.) und vom 30.03.2011 (Bl. 464/470) Bezug genommen.

B.

27

Die Berufung der Klägerin erweist sich als zulässig (I.). Sie hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann vom Beklagten Zahlung von 60.767,52 € nebst

Zinsen in Höhe von 5 % p.a. seit dem 01.12.2005 sowie Erstattung von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 1.479,90 € verlangen (II.).

I.

28

Die Berufung ist zulässig. Bei einer einseitigen Erledigungserklärung ist die Rückkehr zur ursprünglichen Leistungsklage als eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zu

behandelnde Klageänderung zulässig, solange über den Antrag noch nicht entschieden worden ist (BGH TranspR 2001, 479; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, §

264 Rn. 3 b). So liegt der Fall hier. Die Erledigungserklärung der Klägerin ist einseitig geblieben. Über ihren Feststellungsantrag wurde nicht entschieden.

Die Klageerhöhung hinsichtlich der verlangten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist ebenfalls nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

II.

29

Die zulässige Klage ist im Hauptantrag begründet. Der Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 CMR zur Leistung von Schadensersatz

verpflichtet. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht verjährt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die

Klägerin bei Klageeinreichung und bei Klageerhebung zur Verfolgung der streitgegenständlichen Ansprüche berechtigt. Eine materielle Berechtigung der Klägerin

ergibt sich aus einer von der N… Italia vorgerichtlich erteilten Einziehungsermächtigung.

1.

30

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung von § 513 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu prüfen ist (BGH TranspR 2009,

130), folgt jedenfalls aus § 39 S. 1 ZPO, weil der Beklagte zur Sache verhandelt hat, ohne das Fehlen der internationalen Zuständigkeit der deutschen

Gerichte zu rügen (BGHZ 120, 334; BGHZ 134, 127).

2.

31

Der Rechtsstreit zwischen der N… Italia und dem Beklagten vor dem Landesgericht Bozen – Außenstelle Schlanders – begründet keine entgegenstehende

Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 31 Nr. 2 CMR.

32

Die ursprüngliche Leistungsklage ist durchgehend rechtshängig geblieben, weil die einseitige Erledigungserklärung lediglich eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO

zulässige Klagebeschränkung darstellt. Anders als bei der beiderseitigen Erledigungserklärung bleibt die Hauptsache rechtshängig, weil das Gericht auch über

die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage in der Hauptsache entscheidet (BGH NJW 1990, 2682; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a ZPO Rn. 34).

33

Im Übrigen ist an dem Rechtsstreit in Italien die Tochtergesellschaft der Klägerin beteiligt, während hier die Klägerin selbst auftritt. Es fehlt demnach

an einer Identität der Parteien.

3.

34

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

35

Unstreitig ist Vertragspartnerin des Beklagten die N… Italia gewesen (vgl. Anlage K 8, Bl. 63 d.A.). Diese hat ihre Schadensersatzansprüche am 23.08.2007

(Anlage BK 5, Bl. 209 d.A.) wirksam an die Klägerin abgetreten.

a)

36

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständliche Forderung zunächst am 29.03.2006 von der N… Italia an die

Klägerin zediert worden ist. Das Original der Abtretungsurkunde wurde von der Klägerin zu den Akten gereicht (Anlage K 1, Bl. 116 d.A.). Der Zeuge R…, der

bei der Klägerin mit der Abwicklung von Großschadensfällen befasst war, hat im Rahmen seiner Vernehmung glaubhaft bestätigt, dass er bei der N… Italia nach

anwaltlicher Beratung eine Abtretung eingeholt hat (S. 3 des Protokolls vom 28.07.2010). Dies deckt sich nicht nur mit dem Inhalt der E-Mail des Zeugen vom

22.03.2006, die an die N… Italia gerichtet war und die der Zeuge im Termin vorgelegt hat (Bl. 337 d.A.), sondern auch mit dem Inhalt des Begleitschreibens

vom 29.03.2006, mit dem die angeforderte Abtretungserklärung von der N… Italia an die Klägerin versandt worden ist und das einen Eingangsstempel vom

31.03.2006 trägt (Anlage BK 16, Bl. 278 d.A.). Der Grund für die Anforderung der Abtretungserklärung habe, wie der Zeuge R…weiter nachvollziehbar berichtet

hat, darin bestanden, dass auch für die ausländischen Niederlassungen die Schadensfälle in V… abgewickelt würden (S. 4 des Protokolls). Unter diesen

Umständen ist die Echtheit der Abtretungsurkunde, die vom Beklagten bestritten worden ist, als erwiesen anzusehen.

b)

37

Die Abtretung war sofort wirksam.

aa)

38

Die Übertragung der Forderung richtet sich gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB nach italienischem Recht, da gemäß Art. 28 Abs. 4 S. 1 EGBGB das auf den Vertrag

anzuwendende Recht das italienische ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagte seinen Sitz in Italien hat und sich dort auch der Entladeort befindet.

Rechtlich unerheblich ist der Vortrag der Klägerin, dass für die fragliche Abtretung zwischen ihr und der N… Italia die Geltung deutschen Rechts vereinbart

worden sei, weil diese Parteien nicht über das auf das mit dem Beklagten bestehende Vertragsverhältnis anzuwendende Recht disponieren können.

39

Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) ist

nicht heranzuziehen. Gemäß Artt. 28, 29 der Verordnung gilt diese für Schuldverhältnisse, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden, und somit nicht für das

streitgegenständliche Vertragsverhältnis zischen N… Italia und dem Beklagten, welches im Jahr 2005 zustande gekommen ist.

bb)

40

Mit Abschluss des Abtretungsvertrages ist gemäß Art. 1260 Codice Civile (c.c.) die Forderung auf die Klägerin übergegangen. Es kommt für die

Rechtsgültigkeit der Abtretung vom 29.03.2006 nicht auf die Anzeige gegenüber dem Beklagten als Schuldner bzw. dessen Annahme der Abtretung an. Zwar ist

gemäß Art. 1264 Abs. 1 c.c. die Abtretung dem Schuldner gegenüber nur wirksam, wenn er hiervon durch Zustellung in Kenntnis gesetzt wurde oder die Abtretung

angenommen hat. Im vorliegenden Fall ist diese Norm aber nicht anwendbar. Denn nach der italienischen Rechtsprechung und der dort überwiegend vertretenen

Literaturmeinung stellt die Anzeige bzw. Annahme i.S.v. Art. 1264 Abs. 1 c.c. im Verhältnis zum Schuldner keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Abtretung

dar, vielmehr führt die Anzeige oder Annahme lediglich zum Verlust des guten Glaubens des Schuldners, was für die Frage einer schuldbefreienden Leistung des

Schuldners an den Altgläubiger Relevanz erlangen kann. Die Abtretung selbst ist auch gegenüber dem Schuldner sofort (d.h. im Zeitpunkt der Abtretung) wirksam

(vgl. dazu die vom Beklagten als Anlage Bkl 15 vorgelegte Entscheidung des 3. Senats des italienischen Kassationsgerichtshofs vom 21.01.2005 mit der Nr. 1312

nebst Übersetzung als Anlage Bkl 16, ferner Claudia Rudolf, Einheitsrecht für die internationale Forderungsabtretung, Max-Planck-Institut für ausländisches

und internationales Privatrecht, Beiträge zum ausländischen und internationalem Privatrecht Nr. 83, 2006, S. 224/225, und Aldo A. Dolmetta/Guiseppe B.

Portale in Hadding/Schneider, Die Forderungsabtretung, insbesondere zur Kreditsicherung, in ausländischen Rechtsordnungen, 1999, S. 347-349 mit weiteren

Nachw.).

41

Da hier Fragen des Schutzes des guten Glaubens des Schuldners nicht berührt sind, bleibt es bei dem Grundsatz, dass bereits durch die Abtretung der

Übergang der Forderung auf die Klägerin herbeigeführt worden ist.

c)

42

Richtig ist zwar, dass die Klägerin die streitgegenständliche Schadensersatzforderung am 28.09.2006 wieder an die N… Italia rückabgetreten hat (Anlage K

2, Bl. 117 d.A.). Auch insoweit ist italienisches Recht maßgeblich (Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 28 Abs. 4 S. 1 EGBGB), sodass von einer sofortigen Wirksamkeit

der Zession auszugehen ist (s. oben unter B. II. 3. lit. b) bb)). Gründe, die gegen die Wirksamkeit dieser Abtretung sprechen, hat der Beklagte nicht

vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin hat jedoch durch die erneute Zession vom 23.08.2007 (Anlage BK 5, Bl. 209 d.A.), die sich

nach den schon zitierten Vorschriften gleichfalls nach italienischem Recht richtet, die Aktivlegitimation wiedererlangt.

d)

43

Die aus dem Beförderungsvertrag vom 11.11.2005 resultierende Schadensersatzforderung ist nicht durch die von der N… Italia erklärte Aufrechnung vom

31.10.2006 (vgl. Anlage BK 4, Bl. 187 d.A.) erloschen, weil die Aufrechnung mangels Feststehens der Schadensersatzforderung nach Grund und Höhe nicht wirksam

war.

44

Die Rechtsgültigkeit der Aufrechnung richtet sich gleichfalls nach italienischem Recht. Nach Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB regelt das Vertragsstatut die

verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen der Parteien, zu denen auch die Aufrechnung zu zählen ist (BGH NJW 2006, 3631; Palandt/Thorn, BGB, 68.

Aufl. 2009, Art. 32 EGBGB Rn. 6). Die Wirksamkeit einer Aufrechnung ist nach dem Schuldstatut der Hauptforderung zu beurteilen, gegen die aufgerechnet wird

(BGHZ 38, 254; BGH NJW 2006, 3631). Da die Hauptforderungen des Beklagten, gegen die aufgerechnet werden soll, aus früheren Transportgeschäften resultieren,

die der Beklagte für die N… Italia durchgeführt hat, ist für die Wirksamkeit der Aufrechnung auf das italienische Recht abzustellen. Sowohl die

Tochtergesellschaft der Klägerin als auch der Beklagte sind in Italien ansässig, dort hat sich auch der jeweilige Entladeort befunden (Art. 28 Abs. 4 S. 1

EBGB).

45

Gemäß Art. 1243 Abs. 1 c.c. müssen beide Forderungen nach Grund und Höhe feststehen („liquidità“), wobei auch bestrittene Forderungen dem Grunde nach

feststehen, wenn das Bestreiten offensichtlich unbegründet ist (Kindler, a.a.O., S. 239 m. Nachw.). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt: Der Beklagte

hat den von der N… Italia behaupteten Schadensersatzanspruch bestritten. Für ein offensichtlich unbegründetes Bestreiten durch den Beklagten fehlen jegliche

Anhaltspunkte. Eine gerichtliche Aufrechnung nach Art. 1243 Abs. 2 c.c. wurde unstreitig nicht durchgeführt. Daraus folgt, dass die von der N… Italia

erklärte Aufrechnung ins Leere geht. Diese Rechtsansicht hat der BGH im vorerwähnten Urteil vom 29.10.2009 geteilt.

4.

46

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin beläuft sich auf 60.767,52 € (Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 CMR).

a)

47

Die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 CMR sind gegeben. Nach dieser Vorschrift hat der Frachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Verlust des Gutes

entsteht, wenn das Schadensereignis zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Unstreitig hat der Fahrer des

Beklagten die abhanden gekommene Sendung in der Niederlassung der Klägerin in R…/Deutschland übernommen. Eine Ablieferung bei der bestimmungsgemäßen

Empfängerin in S… N… L… S…/Italien ist nicht erfolgt, sodass ein Verlust während des Obhutszeitraums des Beklagten anzunehmen ist.

b)

48

Der Beklagte ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR von seiner Haftung für den streitgegenständlichen Schaden befreit, da der Raubüberfall – und damit der

Verlust des Transportgutes – für ihn nicht unabwendbar im Sinne der genannten Vorschrift gewesen ist.

49

Unvermeidbarkeit im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR ist nur dann anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und ggf. beweist, dass der Schaden auch bei

Anwendung der äußersten dem Frachtführer möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (BGH TranspR 1999, 59; BGH TranspR 1998, 250).

Diesen Nachweis hat der Beklagte, der nach Art. 3 CMR für das Verhalten seines Fahrers einzustehen hat, nicht erbracht. Der Fahrer des Beklagten hat den

Verlust des Gutes mit zumindest leichter Fahrlässigkeit verursacht. Mögliche Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung eines Raubes oder Diebstahls des

Transportgutes wurden vom Beklagten nicht ergriffen. Aus Ziff. 3.3 der zwischen dem Beklagten und der N… Italia geschlossenen Rahmenvereinbarung (Anlage K 9

a, Bl. 65 d.A.) geht hervor, dass beladene Transportbehältnisse verschlossen auf einem gesicherten Grundstück, bewachten Parkplatz oder sonst beaufsichtigt

abzustellen sind. Als zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wären der Einsatz eines zweiten Fahrers oder die Wahl einer Fahrtroute, auf der es bewachte Parkplätze

gegeben hat, in Betracht gekommen, darüber hinaus die Ausstattung des Transportfahrzeugs mit einer Alarmanlage etc.. Der darlegungspflichtige Beklagte hat

nicht konkret vorgetragen, dass ihm eine sicherere Routenplanung schlechthin unzumutbar war. Er hat lediglich pauschal behauptet, dass es zwischen R… und N…

keine stärker bewachten Parkplätze gebe, was für die Annahme einer Unvermeidbarkeit nicht ausreicht.

50

Wären derartige zusätzliche Sicherungsmaßnahmen ergriffen worden, hätte der Überfall möglicherweise vermieden werden können. Die hiergegen von dem

Beklagten im Revisionsrechtszug erhobenen Einwendungen hat der BGH ausdrücklich im Urteil vom 29.10.2009 für unberechtigt erachtet.

c)

51

Die Haftungshöchstgrenze nach Art. 29 CMR ist nicht überschritten. Unter Berücksichtigung des Gewichts der Ladung von 14.074 kg ist die Haftung des

Beklagten auf eine Haftungshöchstsumme begrenzt, die weit über die Klagforderung hinausgeht. Daher kann offen bleiben, ob den Beklagten (oder einen seiner

Leute) ein qualifiziertes Verschulden i.S.v. Art. 29 CMR trifft.

d)

52

Der Klägerin ist ein Schaden in Höhe von 60.767,52 € entstanden (Art. 23 Abs. 1 CMR).

53

Der Beweis für den Umfang und den Wert einer verlorengegangenen Sendung unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO (BGH TranspR

2009, 262). Der Tatrichter kann sich die Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Umfangs einer Sendung anhand von vorgelegten Lieferscheinen und dazu

korrespondierenden Rechnungen bilden, wobei es nicht erforderlich ist, dass sowohl Lieferscheine als auch korrespondierende Rechnungen zum Nachweis vorgelegt

werden (BGH TranspR 2009, 262). Hiervon ausgehend hat die Klägerin den Umfang und den Wert der verlorengegangenen Sendung ausreichend belegt. Diese hat nicht

nur die an sie adressierten Rechnungen der Versenderin vom 05.04.2006 vorgelegt über 59.989,20 € bzw. 778,32 € (Anlagen K 15 und K 16, Bl. 72/73 d.A.),

sondern zusätzlich Rechnungen vom 15.11.2005 der Versenderin über die gleichen Beträge, die an die Empfängerin gerichtet waren (Anlagen K 13 und K 14,

Bl.69/70 d.A.). Außerdem liegen zwei korrespondierende Lieferscheine vor, die dem Frachtgut und dem Frachtbrief beigefügt waren (Anlagen K 11 und K 12, Bl.

67/68 d.A.). Aus dem Frachtbrief (Bl. 12 d.A.) ergibt sich zusätzlich, dass insgesamt 34 Paletten Schokolade transportiert wurden.

54

Dem Umstand, dass die Klägerin die ursprünglich vom Beklagten geforderte Ersatzleistung in Höhe von 65.877,76 € (vgl. Anlagen BKl. 7 und BKl. 8, Bl.

89/90 d.A., und Anlage BK 11, Bl. 266/267 d.A.) vorprozessual mit Schreiben vom 26. April 2006 (vgl. Anlagen BKl. 9-11, Bl. 91/93 d.A.) um 5.110,24 € auf die

Klagforderung reduziert hat, hat die Klägerin plausibel damit erklärt, dass ihr durch die Versenderin zunächst im November 2005 irrtümlich ein höherer

Schaden in Rechnung gestellt worden sei (vgl. Anlagen BK 19 – 20, Bl. 317/319 d.A.); im April 2006 habe die Versenderin die Schadensberechnung korrigiert

(vgl. Anlagen K 15 – 16, Bl. 72/73 d.A.). Ein Vergleich der vorerwähnten, an die Klägerin adressierten Rechnungen der Versenderin zeigt, dass nur die

berichtigte Fassung den korrekten Nettopreis von jeweils 46,00 € je 100 Stück enthält, der den Handelsrechnungen vom 14.11.2005 entspricht, mit denen die

Ware von der Versenderin gegenüber der Empfängerin abgerechnet werden sollte (vgl. Anlagen K 13 – 14, Bl. 69/70 d.A.), während aus der ursprünglichen Fassung

ein falscher Nettopreis von je 50,00 € je 100 Stück hervorgeht. Damit ist der diesbezügliche Vortrag der Klägerin ausreichend belegt. Nach alledem lässt die

Korrektur der Schadensberechnung durchgreifende Zweifel an der Höhe des Schadens, den die Klägerin erlitten hat, nicht aufkommen. Mit der Menge des

tatsächlich zur Beförderung übergebenen Transportgutes hat die Reduzierung des Anspruchs nichts zu tun.

55

Die Annahme, dass für den Umfang der in Verlust geratenen Ladung auch im hier zu entscheidenden Fall auf die Grundsätze über den Anscheinsbeweis

zurückgegriffen werden kann, hat der BGH Im Urteil vom 29.10.2009 geteilt.

e)

56

Bei gänzlichem Verlust der Sendung hat der Frachtführer die Frachtkosten in voller Höhe zurückzuerstatten (Art. 23 Abs. 4 CMR). Von dieser Bestimmung

kann nicht durch Parteivereinbarung abgewichen werden. Denn gemäß Art. 41 Abs. 1 S. 1 CMR ist jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von den

Bestimmungen des Übereinkommens abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung. Es ist deshalb ohne rechtliche Relevanz, ob die Lieferung frei Haus erfolgen

sollte. Die Klägerin hat die Frachtkosten auf 1.217,28 € beziffert und vorgetragen, diese seien bereits bezahlt worden (Bl. 218 d.A.). Dieser Vortrag der

Klägerin ist im Berufungsrechtszug unwidersprochen geblieben und daher zu berücksichtigen (BGHZ 161, 138 = NJW 2005, 291). Ein Abzug von der Klageforderung

ist somit nicht vorzunehmen.

5.

57

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist seit 01.12.2005 in Höhe von 5 % p. a. zu verzinsen (Art. 27 Abs. 1 CMR). Den Schaden hat die Klägerin

unstreitig mit Schreiben vom 30.11.2005 im Anschluss an die Haftbarhaltung vom 16.11.2005 (Anlage K 5, Bl. 60 d.A.) gegenüber dem Beklagten geltend gemacht.

Die Abtretung vom 23.08.2007 umfasst auch den Zinsanspruch.

6.

58

Weil Art. 27 CMR die Anwendung nationalen Rechts für Verzugsschäden, die nicht die Kapitalnutzung betreffen, nicht ausschließt (BGH VersR 2001, 397), hat

der Beklagte die eingeklagten Rechtsanwaltskosten aufgrund seines Verzugs mit der Begleichung der Schadensersatzforderung gemäß §§ 249, 286 BGB zu erstatten

(OLG Hamm TranspR 1998, 459; Koller, Transportrecht, 7. Aufl. 2010, Art. 27 CMR Rn. 6). Bei Zugrundelegung eines Streitwerts von 60.767,52 € belaufen sich

diese auf 1.479,90 € netto (1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 1.459,90 € gem. Nr. 2300 des VV zum RVG zuzügl. Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € gem. Nr.

7001, 7002 des VV zum RVG).

7.

59

Verjährung ist nicht eingetreten.

a)

60

Nach Art. 32 Abs. 1 S. 1 CMR verjähren Ansprüche aus einer dem Übereinkommen unterliegenden Beförderung grundsätzlich in einem Jahr. Die Verjährungsfrist

beginnt – wie hier – bei gänzlichem Verlust gemäß Art. 32 Abs. 1 S. 3 lit. b) CMR mit dem 30. Tag nach Ablauf der vereinbarten Lieferfrist. Ausweislich des

Transportvertrages vom 11.11.2005 (Bl. 11 d.A.) sollte die Anlieferung des Gutes in Italien am 16.11.2005 erfol-gen. Somit begann die Verjährungsfrist am

17.12.2005 zu laufen und endete frühestens am 16.12.2006.

61

Art. 32 Abs. 1 S. 2 CMR, der eine Verjährungsfrist von 3 Jahren vorsieht, greift vorliegend nicht ein. Art. 32 Abs. 1 S. 2 CMR setzt Vorsatz bzw. ein dem

Vorsatz gleichgestelltes Verschulden i.S.v. Art. 29 CMR voraus (Koller, a.a.O., Art. 32 CMR Rn. 7). Den Vorwurf eines vorsatzgleichen Verhaltens hat die

Klägerin gegenüber dem Beklagten im Prozess nicht erhoben. Sie trägt weder zu den objektiven noch zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 29

CMR im konkreten Einzelfall näher vor.

b)

62

Für die Hemmung der Verjährung gilt gemäß Art. 32 Abs. 3 CMR das Recht des angerufenen Gerichts. Dementsprechend kommen im Streitfall die §§ 203 ff BGB

zur Anwendung. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine Klage des materiell Berechtigten voraus (BGH TranspR 2010, 200; BGH NJW 1999, 3707; Grothe in Münchener

Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2006, § 204 Rn. 17; Peters/Jacoby in Staudinger, Kommentar zum BGB, 2009, § 204 Rn. 6).

63

Eine materielle Berechtigung der Klägerin ergibt sich hier nicht aus Art. 37 lit. a) CMR (aa). Bei Klageerhebung war die Klägerin nicht mehr Inhaberin

der streitgegenständlichen Forderung, sodass sich eine materielle Berechtigung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt auch nicht aus einer Zession ergeben kann

(bb). § 167 ZPO führt, was die Abtretung vom 29.03.2006 anlangt, hier ebenfalls nicht zu einer Hemmung der Verjährung (cc). Die Verjährung wurde dennoch

rechtzeitig gehemmt, weil die Klägerin aufgrund einer von der N… Italia erteilten (generellen) Ermächtigung befugt war, den streitgegenständlichen

Schadensersatzanspruch im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen, und weil die Prozessführungsbefugnis dem Beklagten vor Ablauf der

Verjährungsfrist sowohl bekannt war als auch ihm gegenüber offen gelegt worden ist (dd).

64

Dazu im Einzelnen:

aa)

65

Entgegen der Ansicht der Klägerin war diese zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bzw. Klageerhebung nicht berechtigt, gem. Art. 37 lit. a) CMR den

Beklagten in Regress zu nehmen.

(1)

66

Die Beförderung ist zwar Gegenstand eines einzigen Vertrages gewesen, andernfalls wäre Art. 37 CMR nicht – auch nicht analog – anwendbar (OLG München

VersR 1991, 1311; Koller, a.a.O., Art. 37 CMR Rn. 1). Wie der von der Klägerin vorgelegte Rahmenvertrag vom 14.08.1998 (Anlage BK 18, Bl. 307 ff. d.A.)

belegt, steht die Klägerin mit der Versenderin in ständiger Geschäftsbeziehung. Auch mit der Durchführung des streitgegenständlichen Transports nach Italien

wurde die Klägerin von der Versenderin beauftragt, wie vom Zeugen G… im Rahmen seiner Vernehmung zu erfahren war (S. 6 des Protokolls). Die Klägerin hat den

Beförderungsauftrag nach den Angaben des Zeugen an die N… Italia weitergegeben (S. 5 des Protokolls). Anhaltspunkte, an der Richtigkeit der Äußerungen des

Zeugen zu zweifeln, haben sich für den Senat zu keinem Zeitpunkt gezeigt. Diese stehen nicht nur mit der Auftragsbestätigung vom 09.11.2005 (Anlage K 6, Bl.

61 d.A.), die die Klägerin ihrer Tochtergesellschaft für den streitgegenständlichen Transport versandt hat, im Einklang, sondern auch mit den Rechnungen, die

die Versenderin an die Klägerin (und nicht an die N… Italia) gerichtet hat. Beide Transportaufträge bezogen sich auf die Gesamtstrecke von R… nach S… N… l…

S…/Italien. Gleiches gilt unstreitig für das Vertragsverhältnis, welches N… Italia mit dem Beklagten verbindet (vgl. Frachtauftrag vom 11.11.2005, Anlage

Bkl. 1, Bl. 41 d.A., und Übersetzung als Anlage Bkl. 2, Bl. 42 d.A.). Somit liegt kein sog. gebrochener Verkehr vor, bei dem mit dem ersten Frachtführer von

vornherein nur ein Vertrag über einen Teil der Strecke abgeschlossen wird.

(2)

67

Die für die Anwendbarkeit von Art. 37 CMR erforderliche weitere Voraussetzung, dass aufeinanderfolgende Frachtführer i.S.v. § 34 ff CMR vorliegen (Thume,

Kommentar zur CMR, 2. Aufl. 2007, Art. 37 Rn. 2), ist erfüllt. Von der Klägerin wurden jeweils Unterfrachtführer für die Gesamtstrecke eingeschaltet. Der

Hauptfrachtführer kann auch ein Spediteur zu festen Kosten sein (BGH WM 1970, 692; BGH NJW 1985, 555; Koller, a.a.O., Art. 34 CMR Rn. 5; Thume, a.a.O., Art.

34 CMR Rn. 14). Offen kann demnach bleiben, ob das zwischen der Versenderin und der Klägerin zustande gekommene konkrete Vertragsverhältnis als

Fixkostenspeditionsvereinbarung oder als Frachtvertrag zu qualifizieren ist.

(3)

68

Unstreitig ist die Sendung zunächst in das Zentrallager der Klägerin in R… und anschließend in die Obhut des Beklagten als Unterfrachtführer gelangt.

(4)

69

Unerheblich ist ferner, dass die Klägerin das Gut nicht selbst eine Strecke transportiert hat. Nach h.M. steht dies einer Heranziehung der Art. 34 ff.

CMR nicht entgegen (Thume, a.a.O., Art. vor 34 CMR Rn. 16; Koller, a.a.O., Art. 34 CMR Rn. 4 m.w.N.; Jesser-Huß, Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl. 2009,

Art. 34 CMR Rn. 14).

(5)

70

Die durchgehende Beförderung war aber nicht Gegenstand eines einheitlichen und durchgehenden Frachtbriefs, dem im Rahmen der CMR-Bestimmungen über die

Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer konstitutive Wirkung zukommt. Ein Frachtbrief wurde zwar ausgestellt. Wie sich aus der Anlage K 10 (Bl. 66

d.A.) zeigt, bezog sich dieser auch auf die gesamte Strecke und stammte von der Absenderin. Jedoch lautete er nicht auf den Hauptfrachtführer bzw. den ersten

Fixkostenspediteur, sondern auf die N… Italia. Er wurde auch nicht durch den Hauptfrachtführer selbst unterzeichnet (Art. 5 Abs. 1 CMR). Ein Rückgriff durch

die Klägerin scheidet bei dieser Sachlage aus (BGH TranspR 1999, 155; BGH TranspR 1990, 418; Koller, a.a.O., Art. 34 CMR Rn. 4).

bb)

71

Eine durch Zession bewirkte materielle Berechtigung der Klägerin bei Klageerhebung (§ 253 Abs. 1 ZPO) ist zu verneinen. Zu diesem Zeitpunkt war die

Klägerin nicht (mehr) Inhaberin des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruches. Die Zustellung der Klage erfolgte am 27.10.2006 (nach Bl. 30 d.A.). Zwar

war die Zession durch die N…. Italia an die Klägerin vom 29.03.2006 sofort wirksam, wie bereits näher dargelegt worden ist (s. oben unter B. II. 3. lit. b)

bb)). Indes gilt Gleiches für die Rückübertragung vom 28.09.2006, durch die die hier in Rede stehende Forderung auf die N… Italia überging. Für die

Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich ist, wann der Beklagte von der Abtretung vom 28.09.2006 in Kenntnis gesetzt worden ist, weil Art. 1264 Abs. 1 c.c.

aus den schon genannten Gründen nicht eingreift. Daraus folgt, dass die Forderung bei Klageerhebung der N… Italia zugestanden hat und nicht der Klägerin.

cc)

72

Dass die Klägerin bei Klageeinreichung aufgrund der Zession vom 29.03.2006 Forderungsinhaberin war, hat nicht nach § 167 ZPO zu einer Hemmung der

Verjährung geführt, weil sie infolge der Rückabtretung vom 28.09.2006 zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Forderungsinhaberschaft bereits wieder verloren

hatte. Fehlt bei Klageerhebung die notwendige materielle Berechtigung, bleibt für eine Heranziehung von § 167 ZPO kein Raum. Denn ohne materielle

Berechtigung der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung sind schon die Voraussetzungen von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht erfüllt mit der Folge, dass die

Klagzustellung nicht zu einer Hemmung der Verjährung führt und es somit an einer Rechtswirkung der Zustellung fehlt, die Grundlage für eine Rückbeziehung

nach § 167 ZPO sein könnte.

dd)

73

Die Klägerin kann sich aber mit Erfolg auf eine von der N… Italia schon vor Prozessbeginn erteilte Einziehungsermächtigung berufen, aus der eine

materielle Berechtigung der Klägerin mit der Folge einer Hemmung der Verjährung resultiert.

(1)

74

Materiell Berechtigter im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist, wem die materiell-rechtliche Befugnis zur Verfügung über den Gegenstand zusteht. Die

materielle Berechtigung ist nicht nur beim gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschafter zu bejahen (BGH NJW 1999, 2110; BGH NJW 1980, 2461; Grothe in

Münchener Kommentar, a.a.O., § 204 BGB Rn. 17), sondern auch beim Einziehungsermächtigten, der berechtigt ist, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu

machen, also Zahlung an sich zu verlangen (BGHZ 78, 5 = NJW 1980, 2461; BGH NJW-RR 2002, 20).

(2)

75

Ein schutzwürdiges rechtliches bzw. wirtschaftliches Eigeninteresse der Klägerin an der Prozessführung im eigenen Namen (BGH NJW 2003, 2232; BGH NJW-RR

2003, 1491) ist gegeben, weil die zu treffende Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage der Klägerin hat (BGH NJW-RR 1988, 127; Zöller/Vollkommer,

ZPO, 28. Aufl. 2010, vor § 50 Rn. 44). Dies ist bei einer Klage der Muttergesellschaft für eine vollbeherrschte Tochter-GmbH anzunehmen (BGH NJW-RR 1995,

360; OLG Stuttgart WRP 1996, 64). So liegt der Fall hier, zumal inzwischen belegt ist, dass die Klägerin den der Versenderin entstandenen Schaden

ausgeglichen hat (Anlagen BK 21 – 23, Bl. 320/323 d.A.). Eine Regulierung wurde auch vom Zeugen G… glaubhaft bestätigt (S. 6 des Protokolls vom 28.07.2010,

Bl. 334 d.A.).

76

Im Übrigen wäre für die Hemmung der Verjährung sogar irrelevant, ob die Klage zulässig war, also ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerin

vorgelegen hat (BGHZ 78, 5; Peters/Jacoby in Staudinger, a.a.O., § 204 BGB Rn. 27; Palandt/Heinrichs, BGB, 70. Aufl. 2011, § 204 Rn. 9).

(3)

77

Auf eine von der N… Italia erteilte Prozessführungsbefugnis einschl. der Berechtigung, Zahlung an sich selbst zu verlangen, hat sich die Klägerin im

Berufungsrechtszug ausdrücklich gestützt (Bl. 148 d.A.) und insoweit behauptet, es gebe eine generelle Absprache zwischen ihr und den verschiedenen

Tochterunternehmen einschl. der N… Italia dahin, dass sie immer dann, wenn sich ein Schaden in der Obhut eines von der ausländischen Tochterfirma

beauftragten Frachtführers ereignet habe, die Schadensersatzansprüche jeweils unmittelbar gegenüber dem ausführenden Frachtführer selbst verfolge (Bl. 452

d.A.).

78

Präkludiert ist die Klägerin mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht, weil dieser Gesichtspunkt bislang für unerheblich gehalten wurde (§ 531 Abs. 2

Nr. 1 ZPO).

79

Da der Beklagte den Sachvortrag bestritten hat (Bl. 190 d.A.), hat der Senat ergänzend Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen P… und B…. Der von

der Klägerin zu erbringende Nachweis, dass ihr durch die N… Italia eine Einziehungsermächtigung erteilt worden ist, ist durch die Beweisaufnahme als geführt

anzusehen. So hat zum einen der Zeuge P…, der Geschäftsführer der N… Italia, plausibel erklärt, es gebe eine im Qualitätshandbuch niedergelegte Regel, wonach

Schadensfälle über 2.000,00 € direkt von der Zentrale in Deutschland abgewickelt werden und von N… Italia nur die Haftbarhaltung gegenüber dem Schädiger

ausgesprochen wird (S. 2 des Protokolls vom 30.03.2011). Es liege nicht nur die ganze Verantwortlichkeit für die Schadensabwicklung bei der Zentrale, sondern

der Schadensfall werde auch finanziell von dort aus abgerechnet, d.h. die Zentrale erstelle eine Rechnung, insbesondere dann, wenn es sich um einen deutschen

Lieferanten handelt. Gerichtsverfahren würden von der Zentrale in Deutschland aus geführt. Er habe eine Mitteilung darüber erhalten, dass die Zentrale Klage

erhebt; hiermit sei er einverstanden gewesen (S. 2/3 des Protokolls vom 30.03.2011). Zum anderen stimmen die Angaben des Zeugen B…, dem Verkaufsleiter der N…

Italia, hiermit überein. Von diesem Zeugen war ebenso glaubhaft zu erfahren, dass bei großer Schadenshöhe gemäß einem schriftlichen Protokoll die Abwicklung

des Schadens durch die Zentrale vorgenommen werde (S. 5/6 des Protokolls vom 30.03.2011). Darüber hinaus hat der Zeuge B… die vom Zeugen P… erwähnte E-Mail-

Mitteilung vom 17.11.2005 zu den Akten gereicht (Bl. 471 d.A.), in der festgehalten wurde, dass die Bearbeitung des Schadens durch die NL 70 (d.h. die

Niederlassung der Klägerin in S…) erfolgen wird.

80

Der weitere Umstand, dass die Klägerin dem Beklagten schon am 30.11.2005 (Anlage BK 24, Bl. 455 d.A.) eine Rechnung über 65.877,76 € erteilt und Zahlung

an sich verlangt hat und nicht die N… Italia, deutet ebenfalls auf eine Absprache zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft hin, dass Schadensfälle von der

Muttergesellschaft reguliert werden. In diese Richtung weist auch die Tatsache, dass sich in der weiteren Folge die Klägerin selbst mit Schriftsatz vom

22.03.2006 zur Schadensregulierung an den Versicherer des Beklagten gewandt hat (Anlage BK 11, Bl. 266/267 d.A.).

81

Eine solche Handhabung, wie sie von den genannten Zeugen beschrieben worden ist, ist im Übrigen durchaus üblich, um nicht mehrfach Personal zur

Bearbeitung von Schadensfällen vorhalten zu müssen.

82

Die Äußerungen der Zeugen machen weiter deutlich, dass die Ermächtigung durch die N… Italia nicht nur auf eine außergerichtliche Geltendmachung

beschränkt war. Ein Widerspruch zur Aussage des Zeugen R… besteht insoweit nicht. Laut dem Zeugen R… ist die zentrale Versicherungsabteilung der Klägerin in

V… für die Abwicklung von Großschadensfällen verantwortlich und es war die Klägerin, die den Auftrag zur klagweisen Durchsetzung des

verfahrensgegenständlichen Anspruches der eingeschalteten Anwaltskanzlei erteilt hat (S. 3 des Protokolls vom 28.07.2010).

83

Daraus, dass die Klägerin berechtigt ist, selbst eine Rechnung zu stellen, folgt für den Senat hinreichend verlässlich, dass die Klägerin Zahlung an sich

verlangen durfte.

84

Eine andere Betrachtung ist nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Klägerin Schadensersatzansprüche zusätzlich am 29.03.2006 abgetreten wurden. Eine

Einziehungsermächtigung kann (hilfsweise) neben einer primären Zession geltend gemacht werden (BGH NJW 1999, 3707; Zöller/Vollkommer, a.a.O., vor § 50 ZPO

Rn. 51). Nach der einleuchtenden Darstellung des Zeugen P… ist eine Abtretung auch wegen der bilanziellen Folgen der Abwicklung des Schadensfalls über die

Klägerin erfolgt (S. 3 des Protokolls vom 30.03.2011).

(4)

85

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass im Falle einer gewillkürten Prozessstandschaft die Hemmung der Verjährung erst in dem Augenblick eintritt, in

dem diese prozessual offen gelegt wird oder offensichtlich ist (BGHZ 94, 117 = NJW 1985, 1826; BGH NJW-RR 2002, 20 zu § 209 Abs. 1 BGB a.F.;

Zöller/Vollkommer, a.a.O., vor § 50 ZPO Rn. 47). Beide Voraussetzungen waren im hier zu entscheidenden Streitfall vor Ablauf der Verjährung erfüllt.

86

a)

87

Offensichtlich war die Prozessstandschaft für den Beklagten von Anfang an, weil ihm schon im November 2005 die der Klägerin von der N… Italia erteilte

Ermächtigung bekannt war. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin, zwischen der N… Italia und dem Beklagten sei im Anschluss an den Raub vereinbart

worden, dass die Regulierung über die Klägerin erfolgen solle (Bl. 257 d.A.), was vom Beklagten in Abrede gestellt worden ist (Bl. 284 d.A.), ist nach dem

Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls als bewiesen zu erachten. Zu diesem Punkt hat der Zeuge B…, an dessen Glaubwürdigkeit der Senat nicht zweifelt, weiter

ausgesagt, er habe dem Beklagten am 17.11. oder 18.11.2005 mitgeteilt, dass der Schaden durch die Niederlassung der Klägerin in S…. bearbeitet wird und dass

sich die Versicherung des Beklagten mit dieser Niederlassung der Klägerin in Verbindung setzen soll. Hiermit sei der Beklagte einverstanden gewesen (S. 5 des

Protokolls vom 30.03.2011).

88

ß)

89

Im Prozess ist die Offenlegung der Prozessstandschaft mit Schriftsatz vom 22.02.2007 erfolgt (Bl. 98 d.A.), der der Gegenseite in der Sitzung vom

26.02.2007 zugestellt worden ist (Bl. 100 d.A.). Dies war zwar nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist am 16.12.2006, aber trotzdem noch rechtzeitig, weil

der Ablauf der Verjährungsfrist aus den nachfolgenden Gründen bis Juni 2007 gehemmt gewesen ist:

90

Nach Art. 31 Abs. 2 S. 1 CMR ist eine Hemmung der Verjährung durch die Haftbarhaltung vom 16.11.2005 eingetreten (Anlage K 5, Bl. 60 d.A.), die im

Original, das dem Beklagten übermittelt worden ist, dem Schriftformerfordernis dieser Vorschrift genügt hat. Jedenfalls hat der Beklagte Abweichendes nicht

behauptet. Die Hemmung hat bis zur schriftlichen Zurückweisung von Ansprüchen durch Schreiben des Versicherers des Beklagten vom 10.02.2006 (Anlage BK 10,

Bl. 264/265 d.A.) angedauert, d.h. für einen Zeitraum von knapp 2 Monaten (zwischen dem 17.12.2005 und dem 10.02.2006), weil eine Hemmungswirkung nicht vor

dem Beginn der Verjährungsfrist eingetreten sein kann.

91

Die Rechnungen der Klägerin vom 20.02.2006, 06.03.2006, 15.05.2006 und 12.06.2006 (Anlagen Bkl 7 – 10, Bl. 89/92 d.A.) stellen lediglich weitere

Reklamationen i.S.v. Art. 32 Abs. 2 S. 4 CMR dar und sind aus diesem Grund für die Frage der Verjährung unbeachtlich.

92

Ferner haben zwischen der Klägerin und dem Versicherer des Beklagten Verhandlungen gem. Art. 32 Abs. 3 S. 1 CMR i.V.m. § 203 BGB stattgefunden. Art. 32

Abs. 3 S. 1 CMR bestimmt, dass unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 2 für die Hemmung der Verjährung das Recht des angerufenen Gerichts gilt. Nach h.M.

ist § 203 BGB i.V.m. Art. 32 Abs. 3 CMR neben Art. 32 Abs. 2 CMR anwendbar (Thume, 2. Auflage 2007, Art. 32 CMR Rn. 89 m.w.N; BGH TranspR 2008, 467 zur

vergleichbaren Problematik des § 439 Abs. 3 HGB). Die Klägerin hat mit Schreiben vom 22.03.2006 (Anlage BK 11, Bl. 266/267 d.A.) Ansprüche angemeldet, worauf

der Versicherer nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin unter dem Datum vom 05.04.2006 mit einem Vergleichsangebot über 50 % in Höhe von

32.938,88 € reagiert haben soll. Nachdem ein solcher Vorschlag von der Klägerin am 05.04.2006 abgelehnt worden war (Anlage BK 13, Bl. 268/269 d.A.), erhöhte

der Versicherer mit Schreiben vom 24.04.2006 das Vergleichsangebot auf 75 % (Anlage BK 14, Bl. 270 d.A.). Dies wurde von der Klägerin nicht akzeptiert, was

zur Einreichung der Klagschrift vom 31.07.2006 geführt hat. Danach dauerte dieser Hemmungstatbestand vom 22.03.2006 mindestens bis zum 31.07.2006 an, somit

für mehr als 4 Monate. Insgesamt war der Ablauf der Verjährungsfrist daher für knapp 6 Monate gehemmt.

93

Nach alledem war zum Zeitpunkt der vorerwähnten Offenlegung der Prozessstandschaft durch die Klägerin die maßgebliche Verjährungsfrist noch nicht

abgelaufen.

(5)

94

Die Rückabtretung an die N… Italia vom 28.09.2006 hat nicht zu einem Wegfall der früher erteilen Ermächtigung zur Prozessführung durch die N… Italia

geführt. Sie erfolgte lediglich zum Zweck der Aufrechnung mit offenen Forderungen des Beklagten, die am 31.10.2006 durch die N… Italia erklärt worden ist

(vgl. Anlage BK 4, Bl. 187 d.A.). Dieser Zweck wurde durch die der Klägerin erteilte Einziehungsermächtigung nicht berührt. Es lag im Gegenteil weder im

Interesse der Klägerin noch im Interesse der N… Italia, der Klägerin die Prozessführungsbefugnis wieder zu entziehen. Denn es war unklar, ob die Aufrechnung

wirksam ist. Des weiteren war damals der vorliegende Prozess schon rechtshängig und musste evtl. fortgesetzt werden. Außerdem handelte es sich bei der

zwischen der Klägerin und der N… Italia getroffenen Vereinbarung zur Schadensregulierung um eine generelle Abmachung, die nicht nur auf den vorliegenden

Einzelfall bezogen war.

ee)

95

Die Hemmungswirkung ist nicht durch die einseitige Erledigungserklärung entfallen. Diese Erklärung hat nicht die Rechtshängigkeit des für erledigt

erklärten Anspruchs beendet, vielmehr ist dieser weiterhin verfahrensrechtlich die Hauptsache geblieben (BGH TranspR 2010, 200; BGH NJW 1990, 2682).

III.

96

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Da die Klage in vollem Umfang Erfolg hat, waren dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits

aufzuerlegen. Dies gilt auch für die Kosten des Revisionsverfahrens, über die der BGH im Urteil vom 29.10.2009 nicht entschieden hat.

97

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

98

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Fragen von einer über den vorliegenden Einzelfall

hinausgehenden Bedeutung sind nicht ersichtlich. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung

des Revisionsgerichts nicht.

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