Zur Haftung Minderjähriger für Inbrandsetzung einer Scheune

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 30.11.2010 – 24 U 155/09

Zur Haftung Minderjähriger für Inbrandsetzung einer Scheune

Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 2. gegen das am 11.11.2009 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Aachen – 11 O 25/07 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist der Berufung gegen das am 11.11.2009 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Aachen – 11 O 25/07 – verlustig.

Die Klägerin und der Beklagte zu 2. tragen die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. im Berufungsverfahren. Der Beklagte zu 2. trägt die außergerichtlichen Kosten der Streithelfer der Klägerin im Berufungsverfahren und zur Hälfte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten zu 2. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 2. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Beklagte zu 2. kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Beklagte zu 2. kann die Vollstreckung der Streithelfer der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Streithelfer der Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.

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Gründe:
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I.
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Die Klägerin nimmt die Beklagten aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns, des Zeugen T., wegen der Inbrandsetzung einer Halle am 05.04.2003 auf dem als Reitanlage genutzten landwirtschaftlichen Anwesen X., auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte zu 2. ist der am xx.xx.1993 geborene Sohn des Zeugen T. aus seiner geschiedenen Ehe mit der Beklagten zu 1. Am Tag des Brandereignisses spielte der Beklagte zu 2. unbeaufsichtigt zusammen mit dem Sohn der Klägerin aus einer früheren Ehe, dem am xx.xx.1995 geborenen Zeugen Q., auf dem Anwesen und in der Halle. Die Halle bestand aus einem auf Stützen stehenden Dach aus Blech und Folie, unter dem Strohballen aufgestapelt waren. Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Weiteren auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage gegen den Beklagten zu 2. unter Aufhebung eines klageabweisenden, am 15.09.2008 verkündeten Versäumnisurteils, gegen das die Klägerin mit einem am 29.09.2008 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.09.2008 Einspruch eingelegt hatte, dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und zur Begründung ausgeführt, der Schadensersatzanspruch ergebe sich aus §§ 823 Abs. 1, 828 Abs. 3, 830 BGB. Der Beklagte zu 2. sei an der Brandstiftung gemeinschaftlich mit dem Zeugen Q. beteiligt gewesen, wie beide Jungen es zwei Tage nach dem Brand gegenüber dem Zeugen Kriminalhauptkommissar L. beschrieben hätten. Soweit der Beklagte seine Tatbeteiligung unter Hinweis darauf bestritten habe, dass er etwa neun Monate später vor dem Einschlafen unter Tränen eine alleinige Begehung durch den Zeugen Q. angegeben habe, könne dieser Vortrag als wahr unterstellt werden, denn er sei nicht geeignet, das ursprüngliche Geständnis in Frage zu stellen. Ohne Vortrag des Beklagten zu 2. zum Tatgeschehen selbst und ohne Beweisantritt dazu habe keine Veranlassung bestanden, den Beklagten zu 2. von Amts wegen anzuhören oder zu vernehmen. Gleich welche Tatbeteiligung vorliege, hafteten der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. im Außenverhältnis ohnehin gemäß §§ 830, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Dass dem Beklagten zu 2. bei Tatbegehung kurz vor Vollendung des 10. Lebensjahres die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht, § 828 Abs. 3 BGB, gefehlt habe, sei weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Ein Mitverschulden müsse sich die Klägerin unter keinem Gesichtspunkt anrechnen lassen. Ein Mitverschulden des Zeugen Q. durch Beteiligung an der Tat sei ihr ebenso wenig zuzurechnen wie eine Aufsichtspflichtverletzung ihres Ehemanns als Vater des Beklagten zu 2. Auch ein eigenes Mitverschulden der Klägerin wegen Verletzung der Aufsicht über den Zeugen Q. und über den Beklagten zu 2. liege nicht vor. Was die allgemeine Aufklärung und Belehrung über die Gefahr von Feuer angehe, habe diese gegenüber dem Beklagten zu 2. nicht der Klägerin oblegen, sondern der Beklagten zu 1., bei der sich der Beklagte zu 2. grundsätzlich aufgehalten habe. Ob die Klägerin gegenüber dem Zeugen Q. eine allgemeine Aufklärung und Belehrung über die Gefahr von Feuer vorgenommen habe, könne dahinstehen, denn diese hätte sich auf das Geschehen nicht ausgewirkt, sei doch der Zeuge Q. bei Tatbegehung nur siebeneinhalb Jahre, der Beklagte zu 2. jedoch fast zehn Jahre alt gewesen. Hinsichtlich der konkreten Überwachung am Tattag liege eine Aufsichtspflichtverletzung der Klägerin nicht vor. Zu Grunde zu legen sei die Darstellung der Klägerin, beide Kinder hätten nach dem Mittagessen zwischen 13:30 Uhr und 14:35 Uhr unbeaufsichtigt auf dem Hof gespielt; diese Darstellung habe der Beklagte zu 2. nicht zulässig mit Nichtwissen bestritten. Eine solche Dauer unbeaufsichtigten Spiels, wenn auch ohne genaue Kenntnis von dem genauen Spielort innerhalb des Anwesens, sei nicht zu beanstanden, weil weder frühere Vorkommnisse noch erkennbare Verhaltensauffälligkeiten eine intensivere Beaufsichtigung veranlasst hätten. Der Anspruch sei schließlich auch nicht verjährt. Die Klage gegen die Beklagte zu 1. hat das Landgericht durch Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 15.09.2009 abgewiesen.
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Die Klägerin hat gegen das ihr am 12.11.2009 zugestellte Urteil mit einem am 10.12.2009 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 11.01.2010 zurückgenommen.
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Der Beklagte zu 2. hat gegen das ihm am 17.11.2009 zugestellte Urteil mit am 10.12.2009 per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung um einen Monat mit einem am 17.02.2010 per Telefax eingegangenen Schriftsatz vom 16.02.2010 begründet.
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Die Berufung des Beklagten zu 2. macht geltend, weil die Klägerin nicht allein, sondern zusammen mit dem Zeugen T. gemeinsam Eigentümer und Inhaber des Reiterhofs sei, könne sie allein nicht unter Berufung auf eine während des Rechtsstreits erteilte Ermächtigung ihres Ehemanns auf Leistung an sich allein klagen. Diese Ermächtigung sei ausdrücklich bestritten worden. Im Falle einer gewillkürten Prozessstandschaft hätte der Antrag auf Leistung an die Rechtsinhaber gerichtet sein oder eine weitergehende Ermächtigung offen gelegt werden müssen.
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Eine Haftung des Beklagten zu 2. sei ohnehin nicht gegeben. Das Landgericht habe seinen unter Beweis gestellten Sachvortrag übergangen, dass er etwa neun bis zehn Monate nach dem Vorfall gegenüber der Beklagten zu 1. – auf Grund von Verhaltensauffälligkeiten, Schwierigkeiten beim Einschlafen und Weinen nach der Ursache befragt – angegeben habe, er habe zwar immer wieder mit dem Zeugen Q. Feuer gemacht, diese aber jeweils ausgemacht; als der Zeuge Q. am Vorfallstag dann ein größeres Feuer machen wollte, habe er nicht mehr mitgemacht und sei gegangen. Die von dem Landgericht vorgenommene Beweisantizipation trage die getroffenen Feststellungen nicht.
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Das Landgericht habe auch zu Unrecht eine Aufsichtspflichtverletzung der Klägerin verneint. Eine Aufsicht über die sieben und neun Jahre alten Jungen habe nicht stattgefunden. Die Kinder hätten unbeaufsichtigt auf dem Hofgelände gespielt. Das Feuerzeug hätten sie ebenfalls dort gefunden. Die Klägerin habe den ihr gemäß § 832 BGB obliegenden Beweis einer ausreichenden Beaufsichtigung nicht geführt und auch die Kausalitätsvermutung nicht widerlegt.
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Der Beklagte zu 2. beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Aachen vom 11.11.2009 – 11 O 25/07 – aufzuheben, soweit es die Klage gegen den Beklagten zu 2. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat, und das Versäumnisurteil vom 15.09.2008 des Landgerichts Aachen aufrecht zu erhalten.
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Die Klägerin und die Streithelfer der Klägerin beantragen,
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die Berufung des Beklagten zu 2. zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Das Landgericht habe bereits in der Erörterung anlässlich der mündlichen Verhandlung auf seine Einschätzung zur Mitverursachung des Brandes durch den Zeugen Q. und zum fehlenden Mitverschulden der Klägerin und ihres Ehemanns hingewiesen. Weil der Beklagte zu 2. nach diesem Hinweis nicht auf sein Beweisangebot zurück gekommen sei, sondern ohne jeden Vorbehalt streitig zur Sache verhandelt habe, liege eine konkludente Rücknahme des Beweisangebots in erster Instanz vor; jedenfalls aber habe er sein Rügerecht verloren. Das Grundurteil wäre selbst dann berechtigt, wenn die Klägerin nur hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten Schäden allein aktivlegitimiert wäre.
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Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Bonn – 63 Js 162/03 – waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 25.05.2010, vom 29.06.2010 und vom 07.09.2010. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 25.05.2010 und vom 07.09.2010 Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2. ist nicht begründet.
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1. Das Verfahren in erster Instanz ist durch den Einspruch der Klägerin gemäß § 342 ZPO in die Lage vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt worden. Die den Anforderungen des § 340 ZPO genügende Einspruchsschrift ist innerhalb der Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 1 ZPO bei dem Landgericht eingegangen.
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2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2. ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, 828 Abs. 3, 830 Abs. 1 S. 1 BGB zu.
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a) Der Beklagte zu 2. hat gemeinsam mit dem Zeugen Q. den Brand in der Halle der Klägerin als Mittäter gemäß § 830 Abs. 1 S. 1 BGB herbeigeführt.
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aa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben sich der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. am 05.04.2003 nach dem Mittagessen ein Feuerzeug aus dem Container verschafft, in dem die beiden Zeugen T1 wohnten. Der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. nahmen das Feuerzeug mit in die Halle, wo sie auf den dort gestapelten Strohballen mit dort gefundenem Stroh zunächst ein kleines Feuer entzündeten und wieder löschten. Erneut in Brand gesetztes Stroh entzündete einen Strohballen. Der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. konnten das sich ausbreitende Feuer nicht mehr löschen, so dass das Feuer auf weiteres Stroh und die ganze Halle übergriff.
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bb) Diesen Hergang der Brandstiftung hat der Beklagte zu 2., den der Senat gemäß § 455 Abs. 2 ZPO als Zeugen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.09.1965 – II ZR 239/64, NJW 1965, 2253, 2254) vernommen hat, selbst beschrieben. Der Beklagte zu 2. hat dabei insbesondere beschrieben, dass er sich zusammen mit dem Zeugen Q. entschlossen hatte, Stroh in der Halle auf den dort gestapelten Strohballen anzuzünden. Soweit der Beklagte zu 2. dabei beschieben hat, der Zeuge Q. habe Stroh oben auf den in der Halle gestapelten Strohballen entzündet, als er bereits auf den Boden zurückgeklettert war, ergibt sich aus seiner Schilderung weiter, dass dies mit seinem Einverständnis geschah, denn er – der Beklagte zu 2. – war von den Strohballen heruntergeklettert, um zu schauen, ob man auch von unten den Rauch sehen konnte. Diese Bekundung des Beklagten zu 2. wird im Kern durch die Bekundung des Zeugen Q. bestätigt. Auch er hat von einem gemeinsamen Entschluss zum Spiel mit und vom Entzünden von Stroh in der Halle berichtet. Damit haben der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. ihre Angaben im Ermittlungsverfahren zwei Tage nach der Tat gegenüber dem Kriminalhauptkommissar L. bestätigt, der diese seinerzeit als glaubhaft bewertet hatte, wie sich aus dessen Vermerk vom 07.04.2003 (Bl. 12 f der Akte Staatsanwaltschaft Bonn – 63 Js 162/03) ergibt. Die besondere Glaubwürdigkeit dieser Angaben zwei Tage nach der Tat beruht darauf, dass damit die beiden unabhängig voneinander vernommenen Jungen von ihrer ursprünglich am Tattag, entsprechend einer gemeinsamen Abrede gegebenen Darstellung abrückten, zwei andere Jungen mit einem Mofa und einem Motorrad hätten mit Feuerzeug oder Streichholz an der Halle gezündelt. Diese Aussagegenese trägt unter Berücksichtigung des damaligen Alters des Beklagten zu 2. und des Zeugen Q. die Bewertung, dass beide nunmehr die Wahrheit unter Aufgabe der ursprünglichen Schutzbehauptung rückhaltlos beschrieben haben. Schon damals sind beide Jungen von einer gemeinsamen Brandlegung ausgegangen, ohne von einem überschießenden, nicht dem gemeinsamen Wollen entsprechenden Tun des anderen, insbesondere des Zeugen Q. zu berichten. Diese Darstellung entspricht auch der heutigen Erinnerung beider. Ebenso hat der Beklagte zu 2. das Geschehen auch gegenüber seiner Schwester, der Zeugin T2, und dem Zeugen T. berichtet. Andere Zeugen für das Entstehen des Brandes gibt es nicht. Gegenüber den Zeugen N. und T1 haben der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. auch keine Schilderungen zur Brandentstehung gemacht.
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cc) Diese Schilderung des Tatgeschehens durch den Beklagten zu 2. und den Zeugen Q. erscheint als glaubhaft. Der schriftsätzliche Vortrag des Beklagten zu 2., wonach er einige Zeit nach der Tat gegenüber seiner Familie nach Alpträumen klargestellt habe, tatsächlich habe er den Zeuge Q. allein zurückgelassen, als dieser weiter Feuer machen wollte, haben sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Beklagte zu 2. hat sich an eine solche Berichtigung der im Ermittlungsverfahren zuletzt gemachten Angaben nicht erinnern können. Die Zeugin T2 hat den Vortrag des Beklagten zu 2. nicht bestätigt, sondern ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 2. ihr gegenüber einmal berichtet habe, dass der Zeuge Q. ihn weggeschickt habe, als er allein ein größeres Feuer habe machen wollen. Auch der Zeuge T. hat den Vortrag des Beklagten zu 2. nicht bestätigt.
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dd) Eine Gesamtschau der Beweismittel führt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. nach anfänglichem Leugnen unter Hinweis auf zwei unbekannte Jugendliche mit Mofa und Motorrad seit dem Zeitpunkt, als sie kurz nach der Tat gegenüber der Polizei die gemeinschaftliche Brandlegung eingeräumt hatten, konstant stets eine gemeinschaftliche Brandlegung berichtet haben. Dies erscheint als glaubhaft. Auch wenn sich nicht ausschließen lässt, dass der Beklagte zu 2. entsprechend der Darstellung in seiner Zeugenvernehmung gegenüber dem Senat von den Strohballen heruntergeklettert war, als der Zeuge Q. das dann nicht mehr zu löschende Feuer entzündete, liegt auch in diesem Fall eine mittäterschaftliche Brandlegung und Schadensverursachung vor. Denn der Zeuge Q. entzündete nach der Darstellung des Beklagten zu 2. das Feuer auf den Strohballen, damit er – der Beklagte zu 2. – vom Hallenboden aus prüfen konnte, ob man auch dort den Rauch bemerken konnte, also mit seinem Einverständnis gemäß gemeinsamer Verabredung. Danach hat der Beklagte nicht nur den Zeugen Q. in Kenntnis von dessen beabsichtigtem Spiel mit Feuer an den Tatort begleitet, was für eine Tatbeteiligung des Beklagten zu 2. nicht ausreichend wäre (vgl. BGH, Urt. v. 29.05.1990 – VI ZR 205/89, Juris Rn. 16 f.; OLG Oldenburg, Urt. v. 13.04.2004 – 15 U 36/04, Juris Rn. 23 ff.), sondern das Inbrandsetzen von Stroh erfolgte durchweg gemäß gemeinsamer Verabredung.
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b) In Folge des von dem Beklagten zu 2. mit dem Zeugen Q. entzündeten Strohfeuers geriet das in der Halle gelagerte Stroh in Brand und die Halle brannte ab. Dabei wurde Eigentum der Klägerin und des Zeugen T. beschädigt oder zerstört.
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c) Der Beklagte zu 2., der im Zeitpunkt des Brandes fast zehn Jahre alt war, ist für den Schaden gemäß § 828 Abs. 3 BGB verantwortlich. Nach ständiger Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 28.02.1984 – VI ZR 132/82, Juris Rn. 9; BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 335/03, Juris Rn. 15) besitzt derjenige die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB, der nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, die Gefährlichkeit seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein, ohne dass es auf die individuelle Fähigkeit ankäme, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Einsichtsfähigkeit trägt der in Anspruch genommene Minderjährige, denn ab dem Alter von sieben Jahren wird deren Vorliegen vom Gesetz widerleglich vermutet. Daran hat sich durch die Einfügung des § 828 Abs. 2 BGB im Jahr 2002 durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 (BGBl. I, 2674) nichts geändert (vgl. BGH, Urt. v. 14.06.2006 – VI ZR 181/04, Juris Rn. 8). Der danach darlegungspflichtige Beklagte zu 2. hat nichts zu einem Mangel in seiner Person vorgetragen, insbesondere nicht, dass er das Gefährliche des Entzündens von offenem Feuer in der mit Stroh gefüllten Halle nicht habe erkennen und sich der Verantwortung seines Tuns nicht habe bewusst sein können.
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d) Der Beklagte zu 2. handelte bei Begehung der Tat auch schuldhaft. Von der Frage des Fehlens der erforderlichen Einsicht gemäß § 828 Abs. 3 BGB zu trennen ist die Feststellung des Verschuldens (vgl. Palandt/Sprau, 69. Auflage, § 823 BGB Rn. 6 f.). Der Beweis der Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt obliegt nach allgemeinen Regeln dem Anspruchsteller (vgl. nur Haag in: Geigel, Haftpflichtprozess, 25. Auflage 2008, Kapitel 16, Rn. 10). Ausreichend ist ein fahrlässiges Verhalten, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und dabei die Möglichkeit eines Schadenseintritts erkannt oder sorgfaltswidrig verkannt wurde, wenn ein die Gefahr vermeidendes Verhalten möglich und zumutbar war. Bei einem minderjährigen Schädiger kommt es darauf an, ob Kinder oder Jugendliche seines Alters und seiner Entwicklungsstufe den Eintritt eines Schadens hätten voraussehen können und müssen und es ihnen bei Erkenntnis der Gefährlichkeit ihres Handelns in der konkreten Situation möglich und zumutbar gewesen wäre, sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten (BGH, Urt. v. 28.02.1984 – VI ZR 132/82, Juris Rn. 12; BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 335/03, Juris Rn. 18). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Kinder in der Altersgruppe des Beklagten wissen über die Gefährlichkeit des Feuers und daraus entstehender Brände Bescheid. Dass der Beklagte zu 2. diese Einsicht noch nicht hatte oder nicht nach ihr handeln konnte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte zu 2. erkannte, dass das Entzünden von Stroh auf den in der Halle gelagerten Strohballen verboten und gefährlich war, was durch seine von ihm berichtete Kontrolle belegt wird, ob man das Feuer oder den Rauch vom Hallenboden aus bemerken konnte.
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e) Ein Mitverschulden steht dem Anspruch nicht, auch nicht anspruchsmindernd, entgegen. Die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen die Pflichten gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Beklagte zu 2. nicht geltend gemacht. Ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung gemäß § 254 Abs. 1 BGB kann nicht eingewandt werden.
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aa) Der Beklagte zu 2. kann dem Anspruch der Klägerin gegenüber nicht gemäß § 254 Abs. 1 BGB einwenden, diese habe während seines Aufenthalts auf dem Reiterhof ihre Aufsichtspflicht gemäß § 832 BGB ihm oder dem Zeugen Q. gegenüber verletzt.
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aaa) Allerdings war die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2. während der Dauer des Aufenthalts im Sinne von § 832 BGB zur Aufsicht verpflichtet. Dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine gesetzliche Aufsichtspflicht des neuen (Ehe-)Partners eines nicht sorgeberechtigten Elternteils für dessen Kind im Sinne des § 832 Abs. 1 BGB besteht, während der nicht sorgeberechtigte Elternteil sein Umgangsrecht mit Kindern aus einer früheren Beziehung ausübt (vgl. dazu Bernau, FamRZ 2006, 82, 87). Jedenfalls hat die Klägerin die Aufsichtspflicht stillschweigend vertraglich im Sinne von § 832 Abs. 2 BGB übernommen. Dazu erforderlich ist die Übernahme einer weitreichenden Obhut von längerer Dauer und weitgehender Einwirkungsmöglichkeit, wie sie etwa bei einem längeren Besuch eines Minderjährigen bei Verwandten oder bei Aufnahme in deren Haushalt vorliegt, nicht aber beim gewöhnlichen Besuch eines anderen Kindes zum gemeinsamen Spiel und den gegenseitigen Besuchen von Kindern im Haushalt ihrer Freunde, welche noch am selben Tag enden (BGH, Urt. v. 02.07.1968 – VI ZR 135/67, Juris Rn. 15 ff.). Die stillschweigende vertragliche Übernahme ist auch innerhalb von „Patchwork-Familien“ möglich (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.1990 – 22 U 189/90, NJW-RR 1992, 857 zum früheren Familienrecht). Im vorliegenden Fall hielt sich der Beklagte zu 2. regelmäßig seit der Trennung seiner Eltern im Jahr 1996 an den Wochenenden auch über Nacht auf dem Reiterhof der Klägerin und des Zeugen T. auf. Dabei lebte der Beklagte zu 2. in deren Familie zusammen mit dem Zeugen Q. und wurde von der Klägerin zusammen mit dem Zeugen T. ebenso wie dieser beaufsichtigt; er war in die auf dem Reiterhof lebende Familie der Klägerin und des Zeugen T. integriert; er besuchte nicht nur stundenweise den Zeugen Q..
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bbb) Der Berücksichtigung einer Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Aufsichtspflichtigen gemäß § 832 BGB als Mitverschulden gemäß § 254 BGB im Falle der Inanspruchnahme des zu Beaufsichtigenden durch den Aufsichtspflichtigen steht jedoch in entsprechender Anwendung § 840 Abs. 2 BGB entgegen. Der Senat folgt nicht der verbreitet vertretenen Auffassung (OLG Zweibrücken, Urt. v. 25.08.1999 – 1 U 199/98, Juris Rn. 7; BGB-RGRK/Kreft, § 832 BGB Rn. 9; Belling in: Staudinger, Neubearbeitung November 2007, § 832 BGB Rn. 154; Geigel/Haag, 25. Auflage, § 16 Rn. 45), nach der sich der Aufsichtspflichtige die Verletzung seiner Aufsichtspflicht als mitwirkendes Verschulden anrechnen lassen müsse, wenn er durch den Minderjährigen, den er zu beaufsichtigen hat, verletzt worden sei und der Minderjährige hierfür nach §§ 827, 828 BGB verantwortlich und infolgedessen dem Aufsichtspflichtigen haftbar sei. Vielmehr kann sich, wie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Fall der Haftung des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen gemäß § 831 BGB (BGH, Urt. v. 11.11.2003 – VI ZR 13/03, Juris Rn. 17) und im Verhältnis des Verkehrssicherungspflichtigen zu dem mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht Beauftragten (BGH, Urt. v. 23.01.1990 – VI ZR 209/89, Juris Rn. 17) anerkannt ist, auch im Innenverhältnis derjenige, der eine Pflicht verletzt, gegenüber einem Überwachungspflichtigen grundsätzlich nicht auf eine unzureichende Überwachung berufen. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken, dass in den Fällen, in denen auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt, im Innenverhältnis derjenige den ganzen Schaden tragen soll, der nachweislich schuldhaft gehandelt hat. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung (OLG Schleswig, Urt. v. 29.06.1989 – 16 U 201/88, Juris Rn. 45 ff.; ebenso: Wagner in: MünchKomm, 5. Auflage, § 840 BGB Rn. 19 unter Hinweis auf RGZ 71, 7) für die Tierhalterhaftung auch die Berücksichtigung eines Mitverschuldens eines Aufsichtspflichtigen gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen der dem § 840 Abs. 2 BGB entsprechenden Regelung des § 840 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
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ccc) Der Anwendung von § 840 Abs. 2 BGB auf das Innenverhältnis von Aufsichtspflichtigem und zu Beaufsichtigendem steht hier auch nicht entgegen, dass die Klägerin oder der Zeuge T. selbst hinsichtlich der Brandverletzung schuldhaft gehandelt hätten. § 840 Abs. 2 BGB findet allerdings keine Anwendung, wenn der Aufsichtspflichtige nicht nur aus vermutetem, sondern aus tatsächlichem Verschulden haftet (Vieweg in: Staudinger, Neubearbeitung 2007, § 840 BGB Rn. 81 a.E.). Entsprechend versagt die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 08.01.1963 – VI ZR 35/62, VersR 1963, 285; BGH, Urt. v. 23.11.1965 – VI ZR 158/64, Juris Rn. 15; zustimmend: Oetker in: MünchKomm, 5. Auflage, § 254 BGB Rn. 110; a.A. Belling/Riesenhuber, ZZP 108 (1995), 455 ff.; ebenso Looschelders, Die Mitverantwortung des Geschädigten im Privatrecht, Tübingen 1999, S. 584 f.; Schiemann in: Staudinger, Neubearbeitung 2005, § 254 BGB Rn. 122), von der abzuweichen der Senat keinen Anlass hat, im Rahmen des § 254 BGB die Berufung auf vermutetes Verschulden und billigt dem Schädiger bei der Abwägung eines Mitverschuldens damit die bei der Haftungsbegründung für den Geschädigten gemäß §§ 831, 832 BGB bestehende Beweiserleichterung nicht zu. Den ihm danach obliegenden Beweis einer Aufsichtspflichtverletzung der Klägerin oder des Zeugen T. ihm oder dem Zeugen Q. gegenüber hinsichtlich des Umgangs mit Zündmitteln hat der Beklagte zu 2. hier nicht geführt.
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a) Bei der Bestimmung der Anforderungen, welche an aufmerksame und besonnene Aufsichtspflichtige bei der Beaufsichtigung eines zu beaufsichtigenden Kindes im Hinblick auf den Umgang mit Zündmitteln zu stellen sind, gilt entsprechend zu § 832 Abs. 1 BGB (vgl. zum Nachfolgenden ausführlich Bernau, ZfSch 2008, 482): Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze zwischen erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Bei der Bestimmung des erforderlichen Aufsichtsmaßes hinsichtlich der Belehrung über die Gefahren des Feuers und auch der Überwachung eines möglichen Umgangs mit Zündmitteln sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen, weil erfahrungsgemäß das Entzünden eines Feuers einen besonderen Reiz auf Kinder ausübt. Weil vor allem Kinder im unreifen Alter ein Feuer nicht unter Kontrolle halten können und nicht selten Brände mit erheblichen Schäden verursachen, erfordert die Aufsichtspflicht ein hohes Maß an Sorgfalt und Umsicht; dies gilt gerade in ländlichen Gebieten, in denen durch das Entzünden von Stroh eine besondere Brandgefahr besteht (BGH, Urt. v. 17.05.1983 – VI ZR 263/81, Juris Rn. 6; OLG München, Urt. v. 06.12.1996 – 14 U 582/96, ZfSch 1998, 245, 246). Denn das Risiko der Brandverursachung gehört nicht primär zu den von der Allgemeinheit zu tragenden Lebensrisiken, sondern ist durch § 832 BGB in erster Linie den Aufsichtspflichtigen zugewiesen, die auch die Möglichkeit haben, in der gebotenen Weise auf das Kind einzuwirken und das Schadensrisiko in zumutbarer Weise zu versichern. Bei normal entwickelten Kindern bis zum Ende des Grundschulalters (vgl. zur Abgrenzung zu älteren Kindern BGH, Urt. v. 19.01.1993 – VI ZR 117/92, Juris Rn. 7) müssen die Eltern neben der Belehrung und Aufklärung ihrer Kinder über die Gefahren von Feuer und der Kontrolle auf einen etwaigen Besitz von Zündmitteln auch eine Besitzerlangung von Zündmitteln im häuslichen Bereich im Rahmen des Zumutbaren unterbinden (OLG Hamm, Urt. v. 15.04.1997 – 9 U 219/96, VersR 1998, 722, 723). Allerdings würde es die Aufsichtsanforderungen überspannen, einem Kind von sechseinhalb Jahren das Verbot des psychischen Beistandleistens beim Spiel mit Streichhölzern zu vermitteln (BGH, Urt. v. 29.05.1990 – VI ZR 205/89, Juris Rn. 19); eine eindringliche Warnung muss aber mit dem Inhalt erfolgen, weder anderen Kindern bei dem Entfachen und dem Unterhalten eines Feuers in irgendeiner Weise zu helfen noch sie dazu anzustiften. Für die Besitzkontrolle ist es ausreichend, wenn die Eltern bei den sich ihnen bietenden Gelegenheiten (z.B. Aufräumen des Kinderzimmers oder Waschen der Kleidung) Nachschau halten. Bei Kindern im Alter von sieben oder acht Jahren ist eine Kontrolle auf den Besitz von Zündmitteln nicht täglich erforderlich, sondern nur bei besonderem Anlass (OLG Celle, Urt. v. 15.06.1994 – 9 U 63/93, Juris Rn. 6). Gelegentlich müssen die Aufsichtpflichtigen das Kind auch während der Freizeit beobachten (Überwachungspflicht), jedoch verbietet sich bei Kindern im Grundschulalter eine Überwachung auf Schritt und Tritt aus pädagogischen Gründen; insbesondere eine Kontrolle im halbstündigen Abstand ist grundsätzlich nicht erforderlich, sondern eine gelegentliche Beobachtung reicht aus (BGH, Urt. v. 10.07.1984 – VI ZR 273/82, Juris Rn. 12; BGH, Urt. v. 01.07.1986 – VI ZR 214/84, Juris Rn. 5 ff.). Zudem besteht keine dahingehende Lebenserfahrung, nach der Aufsichtspflichtige bei einem Aufenthalt eines achtjährigen Kindes auf einem Reiterhof damit rechnen müssten, dass es dort Zündmittel finden werde, die für das dort eingelagerte Heu und Stroh eine erhöhte Gefahr bedeuten (BGH, Beschl. v. 25.09.2007 – VI ZR 19/07, Juris: Nichtannahmebeschluss zu OLG Celle, Urt. v. 13.12.2006 – 4 U 99/06, Juris Rn. 25 f., 29 f., 33 ff.). Strenger sind die Anforderungen allerdings bei negativ veranlagten oder retardierten Kindern (vgl. BGH NJW 1995, 3385, 3386; BGH, Urt. v. 27.02.1996 – VI ZR 86/95, Juris Rn. 12 f.; BGH, Urt. v. 18.03.1997 – VI ZR 91/96, Juris): Ist etwa eine Zündelneigung bekannt, ist die Zumutbarkeit der erforderlichen Aufsicht – Belehrungen reichen nicht – nach dem im Einzelfall festzustellenden Ausmaß der Gefahren zu bestimmen, die außenstehenden Dritten durch die Eigenarten und den Charakter des Kindes drohen. So stellt es eine Verletzung der Aufsichtspflicht dar, ein Kind, welches schon mehrfach durch Neigung zum Zündeln aufgefallen ist, für mehrere Stunden unbeaufsichtigt im Freien spielen zu lassen (BGH, Urt. v. 27.02.1996 – VI ZR 86/95, Juris Rn. 12 f.).
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ß) Ein Verstoß gegen die so beschriebenen Pflichten von Aufsichtspflichtigen lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Die gegenüber dem Zeugen Q. und dem Beklagten zu 2. nach der Schilderung der Klägerin sowie den Bekundungen der Zeugen T und T2, Q., C., N. und T1 sowie des wiederum gemäß § 455 Abs. 2 ZPO als Zeugen vernommenen Beklagten zu 2. erfolgten Belehrungen, Aufsichtsmaßnahmen und Kontrollen waren ausreichend, sind also für den vom Beklagten zu 2. zu führenden Beweis einer Pflichtverletzung nicht ergiebig. Danach sind der Beklagte zu 2. und der Zeuge Q. regelmäßig über die Gefahren von Feuer insbesondere im Hinblick auf das in der Halle lagernde Stroh belehrt worden. Zündmittel wurden grundsätzlich unzugänglich aufbewahrt und Kontrollen auf ihren Besitz hin durchgeführt. Die Kinder wurden auch ausreichend beim Spiel überwacht. Der fast zehn Jahre alte Beklagte zu 2. und der gut sieben Jahre alte Zeuge Q. bedurften auch beim gemeinsamen Spiel, dem nach der Lebenserfahrung auf Grund gruppendynamischer Prozesse eine stärkere Gefahr für das Überschreiten von Regeln innewohnt, keiner ununterbrochenen Kontrolle. Vielmehr war es unter Berücksichtigung des Umstands, dass Zündmittel auf dem Reiterhof grundsätzlich nicht frei zugänglich waren, im Hinblick auf die Gefahr des Zündelns nicht zu beanstanden, die Kinder nur gelegentlich beim Spiel auf dem Reiterhof zu kontrollieren. Auch das hier zum Feuermachen verwendete Feuerzeug war nicht frei zugänglich gewesen. Insbesondere eine Verletzung der Pflicht zur Beaufsichtigung am Nachmittag des Brandes – etwa durch stundenlanges unbeaufsichtigtes Spiel – lässt sich danach nicht feststellen. Anlass zu einer besonderen Kontrolle gegenüber dem Beklagten zu 2. oder dem Zeugen Q., die beide mit dem Leben auf dem Reiterhof vertraut waren, bestand nicht. Keiner von beiden war dort zuvor nachweislich durch Zündeln oder Feuerchenmachen aufgefallen.
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Ein dem Beklagten zu 2. günstigeres Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich auch nicht aus den Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Zeugen. Der Senat verkennt nicht, dass die auf dem Hof der Familie lebenden Zeugen – mit Ausnahme des Zeugen C. – ein naheliegendes Interesse daran haben, dass die hinter dem Beklagten zu 2. stehende Haftpflichtversicherung für die in großer Höhe geltend gemachten Schäden ohne einen Abzug wegen Mitverschuldens eintreten muss. Dies gilt insbesondere, nachdem sich die Klägerin gegenüber ihrem Sachversicherer in einem Vergleich vom 02.11.2006 im Verfahren LG Köln – 24 O 521/04 – auf eine Abfindung in Höhe eines Bruchteils der hier geltend gemachten Schäden eingelassen hat. Die sich daraus ergebenden Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen begründen zwar ein zu Lasten des beweisbelasteten Beklagten zu 2. gehendes Non Liquet, tragen aber nicht den Umkehrschluss, eine Belehrung, Beaufsichtigung und Kontrolle habe gar nicht oder in nicht ausreichendem Umfang stattgefunden.
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bb) Ebenso wenig kann der Beklagte zu 2. den Ansprüchen der Klägerin, soweit diese aus dem Recht des Zeugen T. geltend gemacht sind, gemäß § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten, der Zeuge T. habe ihn nicht ausreichend beaufsichtigt, so dass ihn eine Haftung aus § 832 BGB treffe.
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cc) Dem Umstand, dass der Beklagte zu 2. für den entstandenen Schaden dem Grunde nach in vollem Umfang haftet, kann auch nicht entgegengehalten werden, dass neben ihm möglicherweise auch weitere Personen für den Schaden einzustehen haben. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob auch der Zeuge Q. der Klägerin oder dem Zeugen T. gemäß §§ 823 Abs. 1, 828 Abs. 3, 830 Abs. 1 S. 1 BGB oder die Klägerin und der Zeuge T. einander wechselseitig gemäß § 832 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sind. Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht im Verhältnis zum Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 05.10.2010 – VI ZR 286/09, Juris Rn. 9 m.w.N.). Dies gilt auch für eine mögliche Haftung der Klägerin, soweit das Eigentum des Zeugen T. geschädigt ist, und ebenso für eine mögliche Haftung des Zeugen T., soweit das Eigentum der Klägerin betroffen ist.
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f) Der Anspruch ist nicht verjährt. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist mit dem Brandereignis vom 05.04.2003 entstanden. Der Anspruch verjährt daher grundsätzlich gemäß § 195 BGB nach drei Jahren; der Schadensersatzanspruch unterfällt nicht der Ausnahme des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB („familienrechtlicher Anspruch“). Die Verjährung begann gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Ende des Jahres 2003 zu laufen und wäre ohne Hemmung oder Unterbrechung mit dem 31.12.2006 eingetreten. Der Lauf der Verjährung ist hier aber gemäß § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB für die Dauer der Ehe der Klägerin mit dem Zeugen T. gehemmt, solange der Beklagte zu 2. noch minderjährig ist. Für die Anwendbarkeit des § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB kommt es auf die elterliche Sorge nicht an (Peters/Jacoby in: Staudinger, Neubearbeitung 2009, § 207 BGB Rn. 11; Grothe in: MünchKomm, 5. Auflage, § 207 BGB Rn. 7).
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3. Über den Anspruchsgrund war in Ausübung des durch § 304 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens vorab zu entscheiden. Der Streit über den Anspruchsgrund ist zur Entscheidung reif. Zur Höhe des Schadens ist noch eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen, etwa zum Schaden an der abgebrannten Halle und zu den behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen der Pferde, die das Brandereignis miterlebt haben. Es steht aber bereits fest, dass der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest in irgendeiner Höhe besteht. Bei dem Brandereignis sind die Halle und ihr Inhalt unstreitig beschädigt oder zerstört worden. Soweit der Beklagte zu 2. zu den geltend gemachten Schäden insbesondere das Eigentum der Klägerin oder des Zeugen T. als ihrem Rechtsvorgänger an den nach dem Vortrag der Klägerin geschädigten Sachen und Tieren bestritten hat, bedarf es hinsichtlich der Berechtigung keiner Klärung im Einzelnen. Bei Schadensersatzklagen reicht es aus, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass irgendein Schaden entstanden ist (BGH, Urt. v. 10.03.2005 – VII ZR 220/03, Juris Rn. 15). Dies ergibt sich hier schon daraus, dass die Klägerin und der Zeuge T. ausweislich der in Kopie vorgelegten Grundbuchauszüge als Miteigentümer zur Hälfte eingetragen sind, also gemäß § 94 Abs. 1 S. 1 BGB auch Miteigentümer der abgebrannten Halle waren. Soweit bei dem Brand bewegliche Sachen und Tiere zu Schaden gekommen sind, gilt die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zugunsten der Kläger, soweit die Klägerin oder der Zeuge T. die beweglichen Sachen oder Tiere vor dem Brand besessen haben.
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III.
41

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer der Klägerin folgt sie daraus, dass die Streithelfer der Klägerin nur der Berufung des Beklagten zu 2. entgegengetreten sind (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage, § 101 ZPO Rn. 2 a.E.). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42

IV.
43

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, soweit der Abzug eines Mitverschuldensanteils gemäß § 254 Abs. 1 BGB verneint worden ist.

Antrag zu 1. (Zahlung) 736.930,89 €
Antrag zu 2. (Freistellung)  30.975,47 €
Zusammen  767.906,36 €

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