Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27.11.2012 – 17 U 236/11
Schadensersatzklagen gegen die Bausparkasse Badenia – keine Verjährung der Ansprüche trotz Kenntnis des Prozessbevollmächtigten vom BaFin-Bericht
Die Kläger, eine damals 42-jährige Verwaltungsangestellte und ein 43-jähriger kaufmännischer Angestellter, wurden im Dezember 1993 von einem Untervermittler der IHB Immobilien Heinen und Biege GmbH geworben, zum Zwecke der Steuerersparnis eine Eigentumswohnung in Hameln zu kaufen. Die H&B vertrieb seit dem Jahre 1990 in großem Umfang von der Beklagten finanzierte Anlageobjekte. Zur Finanzierung des Gesamtaufwandes schlossen die Kläger einen Darlehensvertrag über ein sogenanntes Vorausdarlehen und zwei nacheinander anzusparende Bausparverträge mit der Bausparkasse. Neben einer Vereinbarung über Mietenverwaltung (Beitritt zur Mietpoolgemeinschaft) unterzeichneten die Anleger ein Formular betreffend einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag an die H&B, in dem eine Gebühr für die Finanzierungsvermittlung in Höhe von 2,4 % des Kaufpreises und eine Courtage von 3,45 % ausbedungen war. Anfang Dezember 1993 erwarben die Kläger von der Verkäuferin ALLWO eine 66,24 m² große Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 175.152,00 DM. Am 20.12.2004 beauftragten sie ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen.
Mit ihrer am 29.12.2008 beim Landgericht Karlsruhe eingegangenen Klage begehren die Kläger Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzung durch die Beklagte. Unter anderem erheben sie den Vorwurf der Aufklärungspflichtverletzung wegen Wissensvorsprunges von der arglistigen Täuschung über die im Kaufpreis versteckten Provisionen. Das Landgericht hat die Schadensersatzklage der Kläger wegen Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat der für das Bankenrecht zuständige 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von ca. 110.000,00 EUR Zug um Zug gegen Rückübertragung der Eigentumswohnung verurteilt.
Der Senat hat festgestellt, dass die Kläger jedenfalls über die Höhe der insgesamt anfallenden Vertriebsprovisionen von den Vermittlern arglistig getäuscht worden seien. Die Angaben in dem Formular zu den Provisionen seien objektiv unrichtig gewesen, da die H&B von der ALLWO, der Verkäuferin, zusätzliche Provisionen von mehr als 15 % des Kaufpreises erhalten habe. Aufgrund der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs mit der entsprechenden Beweiserleichterung bei institutionalisiertem Zusammenwirken von Verkäufer, Vermittler und finanzierender Bank werde der Wissensvorsprung der beklagten Bausparkasse über die arglistige Täuschung widerleglich vermutet. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht widerlegt, auf die Vernehmung der von ihr benannten Zeugen habe sie ausdrücklich verzichtet.
Danach stehe den Klägern gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch zu, der entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verjährt sei. Im Streitfall laufe eine dreijährige Verjährungsfrist, die erst ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Anspruchs beginne. Als die Kläger im November 2010 ihre Klageerweiterung auf die Kenntnis von einer arglistigen Täuschung über die Vermittlungsprovision gestützt hätten, sei diese dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen. Für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis genüge nicht, dass dem Prozessbevollmächtigten der Kläger 2004 der Prüfbericht des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (BaFin) bekannt gewesen sei.
Im Mai 2001 hatte die BaFin die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und Touche mit der Prüfung des Geschäfts der beklagten Bausparkasse mit der H&B beauftragt. Dabei sollte insbesondere geprüft werden, ob die Gewährung der Darlehen an die von H&B vermittelten Kunden von der Beklagten ordnungsgemäß vorgenommen wurden.
Aus dem Prüfbericht ergebe sich aber nicht einmal die Kenntnis der Kläger über ein einheitliches Handeln der Verkäuferseite. Vielmehr stellten die Prüfer lediglich eine Vermutung auf, dass ein Teil des Kaufpreises an die Vertriebsgesellschaft zurückgeflossen sei, deren Umfang nicht nachvollzogen werden könne. Auf der Basis dieser Information über eine „generelle Provisionspraxis“ der H&B hätten die Anleger nicht einmal den schlüssigen Vorwurf einer arglistigen Täuschung durch den Vertrieb bei dem Anlageobjekt im vorliegenden Fall erheben können. Weder sei in dem Bericht die tatsächliche Höhe der aus dem Kaufpreis abgezweigten Provisionszahlungen angegeben, noch werde die Relation zu den im Formular angegebenen Provisionssätzen deutlich. Danach hätten die Anleger allenfalls argwöhnen können, auch sie seien über die Höhe der Provisionszahlungen bei Auftragserteilung an die H&B getäuscht worden. Auf einen bloßen Verdacht und die hieraus abgeleitete Vermutung, es könne auch in ihrem Fall so gewesen sein, hätten sie jedoch eine Klage nicht stützen können. Außerdem hätten die Kläger aufgrund des Prüfberichts keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass die beklagte Bausparkasse selbst Kenntnis von den Angaben des Vertriebs in den Formularen und der darin liegenden arglistigen Täuschung gehabt habe.
Der den Klägern zustehende Schadensersatzanspruch erfasse auch den Vermögensschaden, den sie im Zusammenhang mit dem zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Vorausdarlehen und aus der späteren Umfinanzierung über ihre Hausbank erlitten hätten.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 27. November 2012