Moselschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 05. Februar 1999 – 3 U 91/98 BSchMo
Zur Haftung des Inhabers einer Wasserski-Schule wegen grober Fahrlässigkeit
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 17. April 1998 verkündete Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar – 4 C 12/97 BSch Mo – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Moselschifffahrtsgericht hat zu Recht eine Haftung des Beklagten für die vom Kläger durch den Unfall vom 8. August 1995 erlittenen Schäden bejaht. Es kann offenbleiben, ob zwischen den Parteien ein Haftungsverzicht vereinbart war, da dieser jedenfalls gemäß § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz unwirksam wäre; denn der Beklagte hat grob fahrlässig gehandelt. Dies ergibt sich schon aus dem unstreitigen Sachverhalt, so dass es auf eine Vernehmung der Zeugin M.I. nicht ankommt. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, er habe gesehen, dass der Kläger bereits einen Fuß im Boot gehabt und die Zeugin M.I. ihm die Hand zugestreckt habe, um ihm beim restlichen Einsteigen behilflich zu sein bzw. ihn ins Boot zu ziehen. Der Kläger war demnach noch teilweise im Wasser, als sich der Beklagte nach vorn wandte und das Boot startete. Da sich der Kläger am Heck im Bereich der Schiffsschraube befand, hätte der Beklagte diese auf keinen Fall in Bewegung setzen dürfen, bevor er sich vergewissert hatte, dass der Kläger vollkommen im Boot war. Er durfte sich nicht darauf verlassen, dass es diesem mit Hilfe der Zeugin I. gelingen werde, sofort auf die Plattform zu steigen. Dies gilt umso mehr, als es dem zur Unfallzeit erst 7 1/2 Jahre alten Kläger bisher aus eigener Kraft nicht gelungen war, aufs Boot hoch zu kommen. Der Beklagte hat somit im wahren Sinne des Wortes rücksichtslos gehandelt, indem er den Vorwärtsgang eingekuppelt hat, ohne abzuwarten, bis sich das Kind tatsächlich ganz im Boot befand.
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Der Kläger kann daher von dem Beklagten gemäß §§ 823, 847 BGB Ersatz seiner durch den Unfall erlittenen materiellen und immateriellen Schäden beanspruchen.
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Das vom Moselschifffahrtsgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 DM, unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung von 5.000,00 DM also insgesamt 10.000,00 DM, erscheint angemessen. Der Kläger hat eine Trümmerfraktur mit großem knöchernem Substanzverlust des Fußwurzelknochens und Keilbeins sowie multiple Rupturen des Strecksehnenapparates erlitten. Angesichts der Schwere der Fußverletzung ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass er wochenlang unter starken Schmerzen gelitten hat. Er war 4 Wochen im Krankenhaus, was für ein siebenjähriges Kind eine erhebliche psychische Beeinträchtigung bedeutet, selbst wenn es von seinen Eltern täglich besucht wird.
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Für vergleichbare Fälle von Fußverletzungen sind in der Rechtsprechung Schmerzensgeldbeträge in der Größenordnung von 6.000 – 10.000,00 DM zugesprochen worden (vgl. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 18. Auflage Nr. 808, 850, 931, 957 und 1025). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen teilweise bereits etwa 10 Jahre zurückliegen, so dass schon im Hinblick auf das geänderte Preisniveau eine Anhebung des zuzuerkennenden Schmerzensgelds in eine Größenordnung bis zu 10.000,00 DM angezeigt erscheint.
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Zudem kommt im vorliegenden Fall neben der Ausgleichsfunktion auch der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes erhebliche Bedeutung zu. Zum einen hat der Beklagte den Unfall – wie oben ausgeführt – grob fahrlässig verursacht. Zum anderen hat er nachträglich versucht, sich vor den Konsequenzen seines Handelns zu drücken. Gegen Zahlung von vorab 5.000,00 DM auf die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat er die Einstellung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens gemäß § 153 a Abs. 2 StPO erreicht. Dabei sollte der genannte Betrag nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Einstellungsbeschlusses nicht auf eventuell von der Versicherung des Beklagten zu leistende Zahlungen angerechnet, sondern dem Kläger zusätzlich zu Gute kommen. Dem ist zu entnehmen, dass der Beklagte den Verfahrensbeteiligten vorgespiegelt hat, es könne noch zu Versicherungsleistungen an den Kläger kommen. Tatsächlich wusste der Beklagte längst aufgrund des Schreibens der S.er Versicherungs-AG vom 10. November 1995, dass diese für den Schaden nicht eintrat, weil durch den Gebrauch des Motorboots verursachte Schäden nicht von der Versicherung erfasst waren. Der Beklagte hatte ausweislich seines vorprozessualen Schreibens vom 4. Juli 1997 gegen die Ablehnung des Versicherungsschutzes auch keine Deckungsklage erhoben. Unter diesen Umständen hält es der Senat für gerechtfertigt, dass der Beklagte zum Ausgleich der immateriellen Schäden des Klägers über die bereits gezahlten 5.000,00 DM hinaus noch einen zusätzlichen Betrag in der Größenordnung der zu erwartenden Versicherungsleistung zahlt. Angesichts der Schwere der Fußverletzung des Klägers wären dies mindestens 5.000,00 DM gewesen. Nach alledem ist die Höhe des vom Moselschifffahrtsgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrages nicht zu beanstanden.
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Zu Recht hat dieses auch den Klageanträgen zu 1) – Besuchskosten der Eltern – und zu 3) – Feststellung – stattgegeben. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es hierzu entgegen der Auffassung des Beklagten nicht. Das Moselschifffahrtsgericht konnte aus eigener Kenntnis ohne Hilfe eines Sachverständigen zu der Überzeugung gelangen, dass sich die häufige Anwesenheit der Eltern am Bett des Kindes im Krankenhaus positiv auf den Heilungsverlauf auswirkte. Der Kläger hat nur 50 % der entstandenen Fahrtkosten und Parkgebühren geltend gemacht. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass das Moselschifffahrtsgericht den Schaden dementsprechend geschätzt hat (§ 287 ZPO).
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Für den Feststellungsausspruch genügt – auch für künftige immaterielle Schäden – die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit, dass künftig weitere, bisher noch nicht erkenn- und voraussehbare Leiden auftreten (vgl. Palandt-Thomas, BGB 58. Auflage, § 847 18 m.w.N.). Davon kann im vorliegenden Fall aufgrund des ärztlichen Attestes vom 8. Dezember 1995 ohne weiteres ausgegangen werden; denn im Hinblick auf den knöchernen Substanzverlust ist vor Abschluss der Wachstumsphase des Klägers noch offen, ob es zu künftigen Beeinträchtigungen kommen kann.
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Nach alledem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.
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Wert des Berufungsverfahren und Beschwer des Beklagten: 7.890,26 DM