BGH, Urteil vom 17.07.2008 – I ZR 181/05
Die Vorschriften der CMR kommen grundsätzlich – sofern sich aus dem anwendbaren nationalen Recht nicht etwas anderes ergibt – unmittelbar nur auf Verträge über unimodale grenzüberschreitende Straßengütertransporte zur Anwendung (Abgrenzung BGH, 24. Juni 1987, I ZR 127/85, BGHZ 101, 172 und BGH, 30. September 1993, I ZR 258/91, BGHZ 123, 303) (Rn.20) (Rn.26).
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten und der Streithelferin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. September 2005 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mönchengladbach vom 11. Juli 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Die Klägerinnen tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren und die der Streithelferin entstandenen Kosten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die klagenden Versicherer nehmen die Beklagte, ein japanisches Speditionsunternehmen, aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen Beschädigung von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
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Die in Japan ansässige C. Inc. erteilte der Beklagten im Mai 2000 den Auftrag, 24 von ihr gepackte Container von Tokio nach Mönchengladbach zu befördern, wo die C. GmbH (im Weiteren: C. GmbH), ein Tochterunternehmen der C. Inc., ihr zentrales Auslieferungslager unterhält. Für den ihr erteilten Transportauftrag stellte die Beklagte den Frachtbrief („WAYBILL“) Nr. KKLUJP0490152 vom 26. Mai 2000 aus. Die Container wurden zunächst im Auftrag der Beklagten auf dem Seeweg von Tokio nach Rotterdam befördert. Von dort sollten sie anschließend per Lkw nach Mönchengladbach weitertransportiert werden. Ein Fahrer der Streithelferin der Beklagten übernahm am 28. Juni 2000 in Rotterdam den Container mit der Nr. KLFU1976621 zur Weiterbeförderung nach Mönchengladbach. Noch im Hafen von Rotterdam stürzte der mit dem Container beladene Trailer bei einem Linksabbiegemanöver um. Dabei wurde der Container stark deformiert und an seiner Stirnseite von einem drei Meter langen Stahlrohr durchbohrt. In dem beschädigten Container befanden sich 50 Kopiergeräte, die die C. GmbH von der C. N.V. gekauft hatte. Für den Transport von Rotterdam nach Mönchengladbach hat die Beklagte einen CMR-Frachtbrief ausgestellt.
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Die Klägerinnen haben behauptet, der durch den Verkehrsunfall verursachte Sachschaden an den Kopiergeräten belaufe sich auf insgesamt 403.316,79 DM. Darüber hinaus begehren die Klägerinnen Ersatz der für die Feststellung des Schadens aufgewendeten Kosten in Höhe von 24.004,59 DM und Erstattung der Frachtkosten und Zölle.
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Die Klägerinnen haben weiterhin geltend gemacht, sie hätten an die C. GmbH, deren Transportversicherer sie seien, einen Ersatzbetrag in Höhe von 462.684,47 DM geleistet. Die C. GmbH habe ihre Schadensersatzansprüche wegen des streitgegenständlichen Transportschadens an sie abgetreten.
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Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 218.485,44 € nebst Zinsen zu zahlen, und zwar zu 70 % an die Klägerin zu 1 und zu jeweils 10 % an die Klägerinnen zu 2 bis 4.
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Die Beklagte und ihre Streithelferin haben die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für nicht gegeben erachtet. Die Beklagte hat vorgetragen, dem streitgegenständlichen Frachtvertrag hätten die auf der Rückseite des Frachtbriefs („WAYBILL“) abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde gelegen. Danach sei mit der C. Inc. vereinbart worden, dass für Rechtsstreitigkeiten aus dem Frachtvertrag ausschließlich der Tokyo District Court zuständig sei und das Vertragsverhältnis dem japanischen Recht unterliege. Im Übrigen haben die Beklagte und ihre Streithelferin die Ansicht vertreten, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich auch nicht aus den Bestimmungen der CMR, da diese nur auf unimodale und nicht auch auf multimodale Transportverträge Anwendung finde.
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Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerinnen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen und Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin zu 1 145.064,62 € und an die Klägerinnen zu 2 bis 4 jeweils 20.723,52 € nebst Zinsen zu zahlen.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagte und ihre Streithelferin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerinnen beantragen, die Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte schulde der C. GmbH wegen des streitgegenständlichen Transportschadens gemäß Art. 17, 23, 25 i.V. mit Art. 13 CMR Schadensersatz in Höhe von 207.235,18 €. Dieser Anspruch sei gemäß § 67 Abs. 1 VVG auf die Klägerinnen im Verhältnis ihrer Beteiligungen am Transportversicherungsvertrag übergegangen. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
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Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits ergebe sich aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR. Der zwischen der Beklagten und der C. Inc. geschlossene Frachtvertrag unterfalle hinsichtlich der Landbeförderungsstrecke von Rotterdam nach Mönchengladbach dem Anwendungsbereich der CMR. Diese finde auf alle Transportverträge Anwendung, die auf eine grenzüberschreitende Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen abzielten, wenn der im Vertrag vorgesehene Ort der Ablieferung in einem Vertragsstaat der CMR liege. Dies gelte auch für den Fall, dass der im Beförderungsvertrag vereinbarte grenzüberschreitende Landtransport – wie im Streitfall – lediglich eine Teilstrecke im Rahmen eines multimodalen Transportvertrags betreffe.
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Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR seien erfüllt, da das Gut bei einem Verkehrsunfall im Hafen von Rotterdam – also während der Obhutszeit der Beklagten – beschädigt worden sei. Die Beklagte und ihre Streithelferin könnten sich nicht mit Erfolg auf einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR berufen. Ebenso wenig sei eine Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 lit. c CMR anzunehmen. Die Beklagte und ihre Streithelferin hätten nicht bewiesen, dass der Schaden durch eine nicht fachgerechte Stauung der Kopiergeräte seitens der C. Inc. entstanden sei.
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Die C. GmbH sei als Empfängerin der Sendung nach Art. 13 Abs. 1 CMR berechtigt, die frachtvertraglichen Schadensersatzansprüche aus der CMR gegen die Beklagte geltend zu machen. Nach Art. 23 Abs. 1 CMR sei für die Schadensberechnung der Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung maßgeblich. Da die CMR lediglich den Straßengütertransport regele, sei mit dem Ort der Übernahme zur Beförderung derjenige Ort gemeint, an dem der der CMR unterliegende Straßentransport begonnen habe. Dies sei Rotterdam gewesen. Der am Frachtgut entstandene Schaden belaufe sich auf 192.649,37 € (= 376.789,42 DM). Darüber hinaus hätten die Klägerinnen gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR einen Anspruch auf Erstattung der angefallenen Frachtkosten und Zölle, die sich auf insgesamt 14.585,81 € (= 28.527,37 DM) beliefen.
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Die Klägerinnen seien Transportversicherer der C. GmbH. Sie hätten ihre Versicherungsnehmerin in Höhe der Klageforderung entschädigt mit der Folge, dass die der C. GmbH zustehenden Schadensersatzansprüche nach § 67 Abs. 1 VVG auf die Klägerinnen entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligung am Versicherungsvertrag übergegangen seien.
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Die Kosten für die Feststellung des Schadens sowie Lagerkosten könnten die Klägerinnen nicht nach Art. 23 ff. CMR ersetzt verlangen. Die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung der Beklagten gemäß Art. 29 Abs. 1 CMR seien nicht erfüllt.
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II. Die Revisionen haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die deutschen Gerichte nicht zuständig für die Entscheidung des Rechtsstreits.
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1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR ergebe, da die Vorschriften der CMR nicht nur auf unimodale grenzüberschreitende Gütertransportverträge, sondern auch dann zur Anwendung kämen, wenn der im Beförderungsvertrag vereinbarte grenzüberschreitende Landtransport per Lkw lediglich eine Teilstrecke im Rahmen eines multimodalen Frachtvertrags darstelle. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 CMR gebiete nicht die Auslegung, dass die CMR ihren Anwendungsbereich allein auf unimodale Beförderungsverträge beschränken wolle. Im englischen Text werde der dem Geltungsbereich der CMR unterfallende Vertragstyp mit „contract for the carriage by road“ umschrieben. Diese Beschreibung treffe auch auf einen Beförderungsvertrag zu, durch den sich der Frachtführer verpflichtet habe, eine (grenzüberschreitende) Teilstrecke des Transports mittels Lkw auszuführen. Der (gleichermaßen) verbindliche französische Vertragstext, der den dem Anwendungsbereich der CMR unterfallenden Vertragstyp mit „contrat de transport de marchandises par route“ umschreibe, stehe dieser Auslegung des Art. 1 CMR nicht entgegen. Ebenso wenig lasse sich aus Art. 2 CMR überzeugend herleiten, dass Art. 1 Abs. 1 CMR sich nur auf den unimodalen Straßengütertransport beziehe.
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2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revisionen nicht stand. Eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits besteht nicht, weil die CMR grundsätzlich nicht auf multimodale Frachtverträge anwendbar ist.
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits nur aus Art. 31 Abs. 1 CMR ergeben kann. Dies setzt aber voraus, dass die CMR auf den Frachtvertrag zwischen der C. Inc. und der Beklagten unmittelbar Anwendung findet. Eine (mittelbare) Anwendung der CMR über die §§ 452, 452a HGB scheidet aus, weil auf den hier in Rede stehenden Frachtvertrag kein deutsches Recht anzuwenden ist (vgl. dazu Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 452 HGB Rdn. 1a). Die Parteien haben weder eine entsprechende Rechtswahl getroffen (Art. 27 EGBGB), noch führt die Vorschrift des Art. 28 EGBGB im Streitfall zur Anwendung deutschen Sachrechts. Die Frage, ob § 452a HGB neben den Haftungsregelungen der CMR auch auf Art. 31 CMR verweist, kann daher offenbleiben (vgl. dazu Koller, TranspR 2004, 361, 362 f.).
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b) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die C. Inc. und die Beklagte einen sogenannten multimodalen Transport vereinbart haben. Nach seinen Feststellungen sah der einheitliche Auftrag von vornherein eine Beförderung mit unterschiedlichen Beförderungsmitteln vor (See- und Straßentransport).
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c) Die Frage, ob die CMR über den Sonderfall des Art. 2 CMR hinaus auf multimodale Frachtverträge anwendbar ist, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Im deutschen Schrifttum ist die Ansicht vorherrschend, die eine Anwendbarkeit ablehnt (vgl. Koller aaO § 452 HGB Rdn. 19, Art. 1 CMR Rdn. 5/6; ders., TranspR 2003, 45 ff.; ders., TranspR 2004, 361 f.; Herber, TranspR 2006, 435, 439; Ramming, TranspR 1999, 325, 329 ff.; ders., VersR 2005, 607, 608 f.; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 2 CMR Rdn. 1; Thume/Fremuth, Kommentar zur CMR, 2. Aufl., Art. 2 Rdn. 51; Drews, TranspR 2003, 12, 14; Erbe/Schlienger, TranspR 2005, 421, 424; Rogert, Einheitsrecht und Kollisionsrecht im internationalen multimodalen Gütertransport, 2005, S. 105, 117; Mast, Der multimodale Frachtvertrag nach deutschem Recht, 2002, S. 185, 193; wohl auch Herber/Piper, CMR, Art. 1 Rdn. 45, Art. 2 Rdn. 6; Gass in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Art. 2 CMR Rdn. 1/2, Art. 41 CMR Rdn. 13; a.A. Haak/Hoeks, TranspR 2005, 89, 95 ff.; Clarke, TranspR 2005, 182 ff.). Dieser Auffassung ist zuzustimmen.
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aa) Die CMR gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für jeden Vertrag „über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist“. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 CMR schließt die unmittelbare Anwendung der CMR auf multimodale Frachtverträge nicht eindeutig aus. Die Formulierung „Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen“ (englisch: „carriage of goods by road in vehicles for reward“; französisch: „transport de marchandises par route a titre onéreux au moyen de véhicules“) spricht aber eher gegen die direkte Geltung der CMR für den multimodalen Frachtvertrag, weil dort die Beförderung eben nicht (nur) auf der Straße mittels Fahrzeugen i.S. des Art. 1 Abs. 1 CMR durchgeführt wird, sondern auch mit anderen Beförderungsmitteln.
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bb) Auch die Tatsache, dass die Regelungen gemäß Art. 2 in die CMR aufgenommen worden sind, spricht eher gegen die unmittelbare Anwendbarkeit der CMR auf den multimodalen Frachtvertrag. Die Vorschriften des Art. 2 CMR regeln einen Sonderfall einer multimodalen Beförderung, nämlich den Transport des Straßenfahrzeugs samt dem auf ihm befindlichen Gut mittels anderer Verkehrsmittel auf einem Teil der Strecke (sog. Huckepack-Verkehr; vgl. dazu Koller aaO Art. 2 CMR Rdn. 3; Herber/Piper aaO Art. 2 Rdn. 1). Die Vorschrift wurde namentlich auf Wunsch Großbritanniens in die CMR aufgenommen, dessen geographische Lage grenzüberschreitende Transporte mit Kraftfahrzeugen auf dem Landweg nicht zuließ (Herber/Piper aaO Art. 2 Rdn. 1; Koller aaO Art. 2 CMR Rdn. 1). Systematisch ist sie daher als Ausnahme von dem in Art. 1 CMR geregelten Grundsatz zu verstehen, wonach die CMR den multimodalen Transportvertrag nicht erfasst. Dafür spricht auch der Wortlaut des Art. 2 CMR, nach dem die CMR im Fall des Huckepack-Verkehrs „trotzdem“ (engl. „nevertheless“; franz. „néanmoins“) für die gesamte Beförderung gilt.
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cc) Aus der Entstehungsgeschichte der CMR ergibt sich klar, dass das Abkommen mit Ausnahme seines Art. 2 nicht direkt auf den Multimodalvertrag anwendbar ist. Im Unterzeichnungsprotokoll (BGBl. 1961 II S. 1146) haben sich die Staaten verpflichtet, über ein Übereinkommen betreffend den Beförderungsvertrag für den kombinierten Verkehr zu verhandeln. In der Folgezeit wurde am 24. Mai 1980 das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die internationale multimodale Güterbeförderung abgeschlossen, das jedoch bislang nicht in Kraft getreten ist. Auch die Denkschrift der Bundesregierung zur CMR (BT-Drucks. III/1144, S. 33 ff.) geht davon aus, dass die CMR mit Ausnahme von Art. 2 nur anwendbar ist, wenn die vereinbarte Beförderung nach dem Vertrag ausschließlich auf der Straße durchgeführt werden soll. Die Rechtsvereinheitlichung für Frachtverträge über kombinierte Transporte sollte wegen der damit zusammenhängenden schwierigen Fragen einem besonderen Abkommen vorbehalten bleiben (vgl. BT-Drucks. III/1144, S. 34). Entsprechend schildert der Berichterstatter der Konferenz von 1956 den Regelungsinhalt der CMR (Loewe, ETR 1976, 503 Anm. 6, 26).
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dd) Der deutsche Gesetzgeber ist bei der Schaffung der Regelungen zum Multimodalverkehr (§§ 452 ff. HGB) im Rahmen der Transportrechtsreform ebenfalls davon ausgegangen, dass die CMR mit ihrem Artikel 2 nur eine Einzelfrage des multimodalen Frachtvertrags regelt (BT-Drucks. 13/8445, S. 98). Nur deshalb musste und konnte er auch in § 452a HGB eine begrenzte Verweisung auf das Teilstreckenrecht vornehmen (vgl. Koller, TranspR 2004, 361).
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ee) Der Zweck der CMR, den internationalen Straßengütertransport zu vereinheitlichen, steht einer Auslegung nicht entgegen, wonach die CMR auf den Multimodalvertrag keine unmittelbare Anwendung findet. Die angestrebte Rechtsvereinheitlichung erstreckt sich – wie der Entstehungsgeschichte zu entnehmen ist – nur darauf, die unimodale Beförderung und den Huckepack-Verkehr zu regeln (vgl. auch Koller, TranspR 2004, 361, 362).
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ff) Diese Auslegung steht schließlich nicht in Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 101, 172 ff.; 123, 303 ff.). Zwar hat der Senat in den genannten Entscheidungen jeweils die Lkw-Teilstrecke eines internationalen Multimodaltransports der CMR unterworfen (Urt. v. 24.6.1987 – I ZR 127/85, TranspR 1987, 447, 449 – insoweit nicht in BGHZ 101, 172; BGHZ 123, 303, 306). In beiden Fällen kam jedoch deutsches Recht auf die Verträge zur Anwendung, weil diese zwischen deutschen Parteien geschlossen worden waren (Art. 28 Abs. 2 und 4 EGBGB), was man den Veröffentlichungen der Urteile allerdings nicht ohne weiteres entnehmen kann. Aus diesem Grunde hatte der Senat keine Veranlassung gesehen, zur Frage der unmittelbaren Anwendung der CMR auf multimodale Frachtverträge Stellung zu nehmen. Im Urteil vom 24. Juni 1987 (BGHZ 101, 172 ff.) hat der Senat – noch zum alten Recht – die Grundsätze zur Haftung beim multimodalen Transport nach deutschem Recht dargelegt. Danach richtete sich für den Fall, dass der Schadensort bekannt war, die Ersatzpflicht des Frachtführers nach der Haftungsordnung für das Beförderungsmittel, bei dessen Verwendung der Schaden eingetreten war (entsprechend dem heutigen § 452a HGB). War der Schadensort unbekannt, galt das Teilstreckenrecht, das für den Anspruchsberechtigten am günstigsten war (heute durch § 452 HGB überholt). Entsprechend diesen Grundsätzen hat der Senat in den beiden genannten Entscheidungen die Haftungsregelungen der CMR als Bestandteil des deutschen Rechts auf die Lkw-Teilstrecke angewendet. Die Entscheidungen befassen sich dagegen nicht mit der sich im vorliegenden Fall mangels Anwendbarkeit des deutschen Rechts (siehe oben unter II 2 a) stellenden Frage, ob die CMR autonom auf Multimodalverträge anwendbar ist (so zutreffend Koller, TranspR 2004, 361; vgl. auch Herber, TranspR 2006, 435, 439). Im Streitfall weist der zugrunde liegende Frachtvertrag abgesehen von dem Umstand, dass der Ablieferungsort in Mönchengladbach und damit in einem CMR-Vertragsstaat liegt, keinerlei Berührungspunkte zur CMR auf. Japan ist nicht Vertragsstaat der CMR. Der Vertrag ist zwischen zwei japanischen Unternehmen geschlossen worden. Zwar haben die Klägerinnen bestritten, dass in den Vertrag die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einbezogen worden sind, denen zufolge japanisches Recht gelten und ein japanisches Gericht ausschließlich zuständig sein soll. Sie haben aber selbst nicht geltend gemacht, dass die Parteien eine Rechtswahl getroffen oder eine Zuständigkeit vereinbart hätten, die die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nahelegen würde.
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gg) Der Entscheidung des englischen Court of Appeal vom 27. März 2002 in der Sache Quantum Corporation Inc v. Plane Trucking Ltd and Another ([2002] 1 WLR 2678 (CA) = ETR 2004, 535 ff.) kann – soweit sie im Widerspruch zu den vorangegangenen Ausführungen steht – nicht beigetreten werden. In dem der Entscheidung des Court of Appeal zugrunde liegenden Fall hatte sich der Frachtführer (Air France) verpflichtet, eine größere Menge von Festplatten von Singapur nach Dublin zu transportieren, wobei der Transport von Singapur nach Paris per Flugzeug und von dort weiter per Lkw (roll on, roll off) erfolgte. Auf die Teilstrecke Paris – Dublin hat der Court of Appeal die CMR angewandt, nachdem das Transportgut auf dieser Teilstrecke unterschlagen oder gestohlen worden war. Der Court of Appeal setzt sich in dieser Entscheidung ausführlich mit der Rechtsprechung anderer europäischer Gerichte, so auch des Bundesgerichtshofs, auseinander. Nach dem geschilderten Sachverhalt kann der Entscheidung allerdings nicht abschließend entnommen werden, ob es darin – wie im Streitfall – ebenfalls um eine autonome Anwendung der CMR auf multimodale Frachtverträge ging. Der Court of Appeal hat sich in seiner Entscheidung u.a. auch auf das Senatsurteil vom 24. Juni 1987 (BGHZ 101, 172) bezogen ([2002] 1 WLR 2678 Tz. 47 ff. (CA)), das aber – wie dargelegt – einen Fall betraf, auf den deutsches Recht zur Anwendung kam. Eine autonome Anwendung der CMR auf multimodale Frachtverträge stand dagegen – was freilich der Entscheidung nicht ohne weiteres entnommen werden kann – nicht in Rede.
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III. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revisionen der Beklagten und ihrer Streithelferin aufzuheben. Die Berufung der Klägerinnen gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.