BGH, Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 157/16
1. Die Schutzimpfung eines Kindes ist auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt.(Rn.20)
2. Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.(Rn.27)
3. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektions- und Impfrisiken ist hierfür nicht erforderlich.(Rn.27)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 7. März 2016 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Wert: 3.000 €
Gründe
I.
1
Der Antragsteller (im Folgenden: Vater) und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Mutter) sind die gemeinsam sorgeberechtigten nichtehelichen Eltern ihrer im Juni 2012 geborenen Tochter. Diese lebt bei der Mutter. Zwischen den Eltern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre Tochter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge beantragt.
2
Der Vater befürwortet vorbehaltlos die Durchführung altersentsprechender Schutzimpfungen. Er sieht sich im Rahmen der elterlichen Gesundheitssorge verpflichtet, sein Kind grundsätzlich gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen, soweit Schutzimpfungen verfügbar seien und durch die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (im Folgenden: STIKO) empfohlen würden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.
3
Das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf bestimmte Schutzimpfungen (gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln) beschränkt.
4
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Mutter ihr Anliegen weiter, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis in Bezug auf Schutzimpfungen zu übertragen.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Das Oberlandesgericht hat in seiner in FamRZ 2016, 1175 veröffentlichten Entscheidung die Auffassung vertreten, es entspreche dem Kindeswohl, die Entscheidungsbefugnis bezüglich Impfungen nach § 1628 Satz 1 BGB dem Vater zu übertragen.
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Die Impffrage könne nicht zu einer Angelegenheit untergeordneter Bedeutung herabgestuft werden, die von der Mutter kraft der ihr nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB zustehenden Alltagssorge allein zu entscheiden sei. Vielmehr sei angesichts der mit einer Impfung ebenso wie bei einer Nichtimpfung zumindest potenziell verbundenen gesundheitlichen Folgewirkungen von einer erheblichen Bedeutung im Sinne von § 1628 Satz 1 BGB auszugehen. Möge die Gefahr von Komplikationen und Nebenwirkungen durch die präventive Beibringung eines Impferregers, wie auch umgekehrt das Risiko, aufgrund mangelnden Impfschutzes an einer Infektion zu erkranken, statistisch betrachtet je für sich genommen gering sein, so trete eine daraus resultierende Gesundheitsschädigung doch nicht so außergewöhnlich selten auf, als dass sie im Prüfungskontext des § 1628 Satz 1 BGB außer Betracht bleiben könne. Das gelte aus Sicht eines Impfbefürworters wie auch eines Impfgegners. Gegen eine Einstufung als untergeordnete Angelegenheit der Alltagssorge spreche auch die gesteigerte Aufmerksamkeit, die der Thematik in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung seit längerem zu Teil werde. Die Einstufung könne nicht vom Ergebnis der Entscheidung abhängig sein.
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Der Vater sei wegen seiner affirmativen Haltung bezüglich der Impfvorsorge besser geeignet, eine kindeswohlkonforme Entscheidung im Sinne des § 1697 a BGB zu treffen.
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Die Frage, ob einer bestimmten Impfung bei abstrakter Bewertung eine gesundheitserhaltende Schutzwirkung zugeschrieben werden könne oder aber Nachteile im Sinne unerwünschter Nebenwirkungen und Komplikationen überwögen, erfordere medizinische Sachkunde und entzöge sich daher zunächst der eigenen Beantwortung durch das Familiengericht. Gleichwohl sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich, weil von den Empfehlungen der STIKO auszugehen sei. Diese würden nach dem Stand der Wissenschaft entwickelt und fortgeschrieben. Wie der Bundesgerichtshof im Rahmen der Arzthaftung dargelegt habe, liege den behördlichen Impfempfehlungen das öffentliche Interesse einer Grundimmunisierung der Gesamtbevölkerung zur Vermeidung einer epidemischen Verbreitung von Krankheiten zugrunde. Dabei habe durch die Gesundheitsbehörden eine Abwägung zwischen den Risiken der Impfung für den Einzelnen und seine Umgebung auf der einen und den der Allgemeinheit und dem Einzelnen drohenden Gefahren einer Nichtimpfung auf der anderen Seite bereits stattgefunden. Dem sei im Hinblick auf die Impfempfehlungen der STIKO zu folgen. Diese könnten als Richtschnur bei der Definition der Gesundheitsbelange dienen, soweit diese das Kindeswohl mitbestimmten.
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Der von der Mutter erhobene Vorwurf, die STIKO-Empfehlungen seien „das interessengebundene Produkt unheilvoller Lobbyarbeit der Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“, sei nicht hinreichend konkretisierbar, um ihn anhand einer Beweiserhebung über bestimmte Tatsachen verifizieren oder widerlegen zu können. Aus dem Fehlen einer gesetzlich verankerten Impfpflicht sei keine staatliche Neutralität abzuleiten. Vielmehr entfalteten auch unterhalb der Schwelle gesetzlicher Ge- oder Verbote anzusiedelnde Verhaltensempfehlungen Leitwirkung, deren Beachtung für die Prüfung des Kindeswohls von Bedeutung sein könne.
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Dieser abstrakten Nutzen-Risiko-Abschätzung stünden im vorliegenden Fall keine Umstände des Einzelfalls wie etwa eine Impfunverträglichkeit entgegen, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würden. Der Vater sei zudem vom Verfahrensbeistand als der tolerantere, auf die Belange des anderen Elternteils eher eingehende Elternteil beschrieben worden, der auch mehr die Perspektive des Kindes und dessen individuelle Wünsche und Bedürfnisse wahrnehme.
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Der von der Mutter beabsichtigte Weg, eine Schutzimpfung nur aus konkretem Anlass, beispielsweise vor einer Auslandsreise in ein Gefährdungsgebiet, vorzunehmen, erscheine nicht geeignet, gesundheitliche Gefahren vom Kind abzuwenden. Es bestehe die Gefahr, dass die Infektionsgefahr zu spät erkannt werde und eine Schutzimpfung zu spät komme. Die von der Mutter eingewendete Gefahr, dass sich nicht geimpfte Geschwister des betroffenen Kindes, darunter ein Säugling, durch Impferreger infizieren könnten, bestünde gerade dann, wenn das betroffene Kind eine der Krankheiten austragen würde, vor denen eine Impfung schütze.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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a) Nach § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Das Familiengericht hat in diesem Fall den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen. Entweder ist die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand zu belassen. Ein Eingriff in die – gemeinsame – elterliche Sorge nach § 1628 BGB ist nur insoweit zulässig, als das Gericht einem Elternteil die Entscheidungskompetenz überträgt, nicht hingegen darf das Gericht die Entscheidung anstelle der Eltern selbst treffen (Senatsbeschluss vom 9. November 2016 – XII ZB 298/15 – FamRZ 2017, 119 Rn. 7 mwN).
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Die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts richtet sich gemäß § 1697 a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Wenn eine Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlösung erscheint, genügt es, den Antrag zurückzuweisen. Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Entscheidung nach § 1628 BGB zu treffende Prüfung ergeben (Senatsbeschluss vom 9. November 2016 – XII ZB 298/15 – FamRZ 2017, 119 Rn. 9 f. mwN). Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt.
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b) Dass das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall die Entscheidungsbefugnis bezüglich der Schutzimpfungen auf den Vater übertragen hat, entspricht diesen Maßstäben.
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aa) Das Oberlandesgericht hat die Durchführung von Schutzimpfungen zutreffend als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 1628 Satz 1 BGB angesehen.
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Zum Teil wird die Auffassung vertreten, sogenannte Standard- oder Routineimpfungen unterfielen der Alltagssorge nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB (OLG Frankfurt FamRZ 2011, 47; OLG Dresden FamRZ 2011, 48; Schwab FamRZ 1998, 457, 469; Schilling NJW 2007, 3233, 3234; Staudinger/Salgo BGB [2014] § 1687 Rn. 45).
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Demgegenüber sind andere der Meinung, die Durchführung von Schutzimpfungen stelle durchweg eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind dar (KG Berlin FamRZ 2006, 142; OLG Frankfurt FamRZ 2016, 834; OLG Karlsruhe Beschluss vom 2. Juni 2015 – 18 UF 117/15 – juris; Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2015] § 1628 Rn. 29; MünchKommBGB/Huber 7. Aufl. § 1628 Rn. 14; Palandt/Götz BGB 76. Aufl. § 1687 Rn. 7; BeckOGK/Mehrle BGB [Stand: 15. November 2016] § 1687 Rn. 63; jurisPK-BGB/Poncelet [Stand: 15. Oktober 2016] § 1687 Rn. 21; Zuck MedR 2008, 410, 414; Brissa JR 2012, 401, 404; Osthold FamRZ 2016, 1179).
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Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind nach § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB in der Regel nur solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht um Entscheidungen, die häufig vorkommen (zutreffend Palandt/Götz BGB 76. Aufl. § 1687 Rn. 7). Denn hierfür ist auf jede einzelne Impfung gesondert abzustellen. Auch soweit die jeweilige Impfung eine oder mehrere Wiederholungen oder Auffrischungen erforderlich macht, ist die Entscheidung sinnvollerweise nur einheitlich zu treffen. Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt mithin im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Zudem kann die Entscheidung schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben, wobei zunächst offenbleiben kann, ob die Infektionsrisiken im Fall der Nichtimpfung die Impfungsrisiken überwiegen oder umgekehrt. Die Bedeutung der Angelegenheit ist dabei unabhängig von der jeweils ins Auge gefassten Entscheidungsalternative zu beurteilen. Für eine unterschiedliche Gewichtung der Bedeutung einer Entscheidung je nach deren Ergebnis (so AG Darmstadt NZFam 2015, 778) ist mithin kein Raum.
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Auch der Umstand, dass das Kind im Zeitpunkt der Entscheidung über eine Impfung (noch) nicht erkrankt ist, führt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht dazu, dass es sich um eine Alltagsangelegenheit handelt. Bei der Beurteilung der Folgen verdeutlicht vielmehr sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung, dass es sich nicht nur um eine Alltagsangelegenheit handelt, sondern um eine Angelegenheit mit erheblicher Bedeutung für das Kind. Hinzu kommt, dass die Frage – wie auch der vorliegende Fall zeigt – von insoweit uneinigen Eltern nachvollziehbar als grundsätzliche Entscheidung empfunden und ihr folglich auch subjektiv erhebliche Bedeutung zugemessen wird. Die Anwendung des § 1628 BGB erscheint daher seinem Zweck entsprechend nicht zuletzt auch zur Sicherung des dem Kindeswohl dienlichen Rechtsfriedens unter den Eltern als geboten.
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bb) Das Oberlandesgericht hat den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür maßgeblich darauf abgestellt, dass der Vater Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Hierbei handelt es sich um eine im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbare tatrichterliche Feststellung (vgl. auch BVerwG NVwZ-RR 2011, 447 f.). Als solche ist sie vom Rechtsbeschwerdegericht nur zu beanstanden, wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder auf einem Verfahrensfehler beruht (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 2016 – XII ZR 29/13 – FamRZ 2016, 965 Rn. 30 mwN). Das ist hier nicht der Fall.
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(1) Das Oberlandesgericht ist insbesondere nicht von bestehenden Erfahrungssätzen abgewichen. Dass es bei seiner Entscheidung maßgeblich von den Impfempfehlungen der STIKO ausgegangen ist, ist nicht zu beanstanden.
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Die Kommission ist beim Robert-Koch-Institut eingerichtet. Sie hat als sachverständiges Gremium gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 IFSG die Aufgabe, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Zweck des Infektionsschutzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (vgl. § 1 Abs. 1 IFSG). Impfungen dienen demnach dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl. Auch mit dem letztgenannten Aspekt haben sie einen Bezug zum Schutz des individuellen Kindeswohls, weil das Kind – wenn es etwa noch nicht im impffähigen Alter ist – von der Impfung anderer Menschen, insbesondere anderer Kinder, und der damit gesenkten Infektionsgefahr profitiert.
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Die Impfempfehlungen der STIKO sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als medizinischer Standard anerkannt worden. Daran nimmt die den Empfehlungen zugrunde liegende Einschätzung teil, dass der Nutzen der jeweils empfohlenen Impfung das Impfrisiko überwiegt (vgl. BGHZ 144, 1 = FamRZ 2000, 809, 811).
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Einen dem entgegenstehenden Erfahrungssatz hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Der Verweis darauf, dass die Impfempfehlungen „umstritten“ seien, reicht hierfür – abgesehen von der mangelnden Spezifizierung – nicht aus (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17. November 2016 – L 6 VJ 4009/15 – juris Rn. 62, 70 mwN). Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass öffentliche Empfehlungen eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Lebensumstände des betroffenen Kindes nicht ersetzen könnten, trifft zwar für sich genommen zu, stellt aber das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage. Denn das Oberlandesgericht hat die individuellen Lebensumstände des Kindes durchaus in seine Würdigung einbezogen. Es hat zudem einen Verfahrensbeistand für das Kind bestellt, der die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater befürwortet und sich hierfür auf die individuellen Lebensumstände des Kindes wie auch die Persönlichkeiten der Eltern bezogen hat.
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(2) Das Oberlandesgericht war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde im Rahmen der Amtsermittlung nach § 26 FamFG auch nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es konnte vielmehr aufgrund der als medizinischer Standard anerkannten Empfehlungen der STIKO davon ausgehen, dass der Nutzen der Impfungen deren Risiken überwiegt. Die entsprechende Feststellung beruht mithin bereits auf sachverständigen Erkenntnissen der hierfür eingesetzten Expertenkommission. Da über die im Rahmen der Impfempfehlungen getroffene generelle Beurteilung hinaus keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehende besondere Impfrisiken vorliegen, hat sich das Oberlandesgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine eigene Sachkunde hinsichtlich medizinischer Fragen angemaßt, sondern für seine Beurteilung in zulässiger Weise auf vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen.
28
Die von der Mutter angeführten Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“ resultieren, hat das Oberlandesgericht dagegen zutreffend für bereits unkonkret gehalten und daher zu Recht nicht zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen. Einzelfallbezogene Aspekte, die dem Oberlandesgericht überdies zu weiteren Ermittlungen hätten Veranlassung geben können, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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cc) Schließlich steht der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung auch nicht entgegen, dass eine gesetzliche Impfpflicht nicht besteht. Im Fall der Uneinigkeit der Eltern nach § 1628 BGB ist lediglich der Konflikt zwischen den Eltern zu beheben, indem die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil übertragen wird, der das für das Kind bessere Lösungskonzept verfolgt.
30
Das Oberlandesgericht hat im vorliegenden Fall unter Abwägung aller maßgeblichen Umstände folgerichtig den Vater als besser geeignet angesehen, um die Entscheidung über die aufgezählten Schutzimpfungen im Sinne des Kindeswohls zu treffen.