LG Karlsruhe, Urteil vom 06.05.2011 – 15 O 104/10 KfH IV
Zum Schadensersatz aus einem multimodalem Transportvertrag
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Verlust einer Sendung im Gewahrsam der Beklagten.
Die Klägerin ist ein Transport-Assekuradeur in … .
Die Beklagte ist eine in den USA eingetragene Gesellschaft mit weltweit ansässigen Niederlassungen, die im Frachtgeschäft tätig ist.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von F. enthalten unter anderem folgende Regelungen:
14.1 F. behält sich das Recht vor, jede Sendung auf einem geeignet erscheinenden Versandweg zu befördern. …
Die Firma H. GmbH veräußerte Schmuckware an ihre Kundin in der Schweiz, die Firma P. Sarl, …
Die Firma P. Sarl übergab ein Paket der Firma V. SARL zum Zwecke der Rücksendung an die Firma H. GmbH. Von dort aus wurde die Ware der Beklagten am 13.10.2008 übergeben, die hierzu den Airway bill Nr. … (Anlage K 7 = AS. 13 aus dem Anlagenband) ausstellte. Das Paket geriet bei der Beklagten in Verstoß.
Die Klägerin trägt vor, sie sei Transportassekuradeur der Firma H. GmbH. Die Beklagte sei von der Firma H. GmbH mit der Rückholung der Ware beauftragt worden und somit Vertragspartnerin der Firma … Die Firma V. SARL sei eine Subunternehmerin der Beklagten.
Die Klägerin hafte gemäß Artikel 13 CMR für den Verlust der Ware unbeschränkt, da sie ihrer sekundären Darlegungslast zur Art und Weise des Verlusts nicht nachgekommen sei. In dem Paket der Rücksendung habe sich Schmuck im Wert von 19.231,00 EUR befunden.
Die Klägerin macht hilfsweise Ansprüche der Firma P. S. a. r. l und hilfsweise der Firma V. SARL aus abgetretenem Recht geltend.
Sie beantragt mit der am 02.09.2010 (AS. 18) zugestellten Klage:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe.
Sie trägt vor, Auftraggeberin des Rücktransports sei nicht die Firma H. GmbH gewesen. Sie, die Beklagte, sei vielmehr von der Firma V. SARL, die nicht ihre Subunternehmerin sei, mit dem Transport beauftragt worden. Auf das Vertragsverhältnis finde das Montrealer Übereinkommen Anwendung, da ein Lufttransport vereinbart sei. Mangels ordnungsgemäßer Schadensanzeige bestünden keine Ansprüche.
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst den dort in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.
Gründe
Die Klage ist in der Hauptsache unbegründet und hinsichtlich der jeweils hilfsweise geltend gemachten Ansprüche mangels Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unzulässig.
1.
Soweit die Klägerin abgetretene Ansprüche der Firma H. GmbH geltend macht, hat sie nicht bewiesen, dass entsprechende Ansprüche der Firma H. GmbH bestehen.
Das angerufene Gericht ist insoweit als örtlich zuständig (§ 440 HGB) anzusehen.
Ausgangspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst allein der schlüssige Klägervortrag (Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 24.06.2008 – X ARZ 69/08 – und 27.10.2009 – VIII ZB 42/08 – sowie Urteile vom 09.12.1963 – VII ZR 113/62 – vom 25.11.1993 – IX ZR 32/93 – und vom 06.07.2007 – VI ZR 34/07; zum Gerichtsstand des Orts der unerlaubten Handlung zuletzt: Urteil vom 29.03.2011 – VI ZR 111/10 –).
Zwar ist zur Zuständigkeit Beweis zu erheben, wenn die vorgetragenen Tatsachen bei ausreichender Substantiierung streitig sind. Handelt es sich dabei jedoch um Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind, reicht für die Zulässigkeit die einseitige Behauptung aller erforderlichen Tatsachen (Bundesgerichtshof, Urteile vom 25.11.1993 – IX ZR 32/93 – und vom 09.12.1963 – VII ZR 113/62 – sowie Beschluss vom 27.10.2009 – VIII ZB 42/08 –). Dies gilt auch dann, wenn allein die Würdigung der vorgelegten unstreitigen Schriftstücke (hier: Airway bill) entscheidend ist. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Transport aufgrund eines Vertrages zwischen der Firma H. GmbH und der Beklagten erfolgte. Der Vertragsschluss ist eine Tatsache, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit von Bedeutung ist.
a)
Vertragliche Ansprüche der Firma H. GmbH hat die Klägerin nicht dargetan.
Bei Sachverhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates beurteilt sich die Frage, welche Rechtsordnungen anzuwenden sind, gemäß Art. 3 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich nach den Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010 – I ZR 194/08 –). Nach Art. 3 Abs. 2 EGBGB haben Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbares innerstaatliches Recht geworden sind (so das CMR und das MÜ), allerdings Vorrang gegenüber den Bestimmungen des EGBGB.
Sind die Voraussetzungen für die Vermutungsregel des Art. 28 Abs. 4 EGBGB nicht erfüllt, weil sich in dem Staat, in dem der Beförderer seine Hautniederlassung hat, weder der Verlade- oder Entladeort noch die Hauptniederlassung des Absenders befinden, so wird das anwendbare Recht mit Hilfe der engsten Verbindung nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB bestimmt. Auf die charakteristische Leistung nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB kommt es bei Güterbeförderungsverträgen nicht an, da diese Vorschrift von Art. 28 Abs. 4 EGBGB vollständig verdrängt wird (Bundesgerichtshof, Urteile vom 22.10.2009 – I ZR 88/07- und vom 22.07.2010 – I ZR 194/08 –).
Die Voraussetzungen für das Zustandekommen des (behaupteten) Vertrages bestimmen sich gemäß Art. 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht, denn – ausgehend vom Sachvortrag der Klägerin – weist ein Rückholvertrag die engsten Verbindungen mit der Bundesrepublik Deutschland auf, da hier jedenfalls sowohl der Vertragspartner und Empfänger als auch der Frachtführer ihren Sitz bzw. die geschäftliche Niederlassung haben.
Die Klägerin hat nicht dargetan, dass ein entsprechender Transportvertrag zwischen der Firma H. GmbH und der Beklagten geschlossen wurde. Zur behaupteten Beauftragung der Beklagten durch einen bevollmächtigten Vertreter der Firma H. GmbH hat die Klägerin keinen näheren Vortrag zur Person des Vertreters und zum Wortlaut der Erklärungen gehalten noch Beweis angetreten. Nach dem Airway Bill ist Versenderin die Firma V, SARL. Die Firma H. GmbH ist auf dem Luftfrachtbrief (nur) als Empfänger und Rechnungsempfänger (bill recipient) aufgeführt. Allein die (unstreitige) Tatsache, dass die Beklagte in ständigen Geschäftsbeziehungen zur Firma H. GmbH steht und dass auf dem Airway bill die Kundennummer der Firma H. GmbH aufgeführt ist, belegt noch nicht, dass der Transportauftrag im Namen und in Vollmacht der Firma H. GmbH erteilt wurde. Die Angabe der Kundennummer kann auch darauf beruhen, dass die Kosten des Transports im Innenverhältnis zur Firma P. Sarl oder zur Firma V. SARL von der Firma H. GmbH zu tragen sind und deshalb aus Vereinfachungsgründen die Firma H. GmbH als Rechnungsempfänger ausgewiesen und hierzu deren Kundennummer angegeben wurde. Es gibt keine Vermutung, dass derjenige, der die wirtschaftliche Last letztlich zu tragen hat, auch Vertragspartner hinsichtlich der notwendigen Aufwendungen ist. Gerade das Gegenteil ist vielfach der Fall. So hat im Rahmen von Schadensersatzleistungen bei Verkehrsunfällen zwar die Haftpflichtversicherung des Schädigers letztlich die (notwendigen) Kosten zu tragen und rechnet auch vielfach direkt mit den Mietwagenfirmen und Reparaturwerkstätten ab, Vertragspartner der Mietwagenfirmen und Reparaturwerkstätten ist aber meist der Geschädigte. Gegen die Vermutung, dass die Beklagte den Transportvertrag mit der Firma H. GmbH schließen wollte, spricht auch die Regelung in Ziffer 4.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Danach ist der Versender zur Zahlung des Transportentgelts verpflichtet, wenn der Rechnungsempfänger die Zahlung verweigert. Dieser Anspruch bestünde aber nicht, wenn kein Vertrag mit dem Versender geschlossen wurde. Daraus ergibt sich aber der Schluss, dass die Beklagte Personen, die sie als Rechnungsempfänger im Airway bill aufführt, nicht als ihren Vertragspartner ansieht. Ausreichenden Vortrag für einen zwischen der Firma H. GmbH und der Beklagten geschlossenen Frachtvertrag hat die Klägerin daher nicht erbracht.
b)
Die Klägerin kann sich aber auch nicht darauf berufen, ihr Anspruch gründe sich darauf, dass die Firma H. GmbH – unabhängig wer den Transportvertrag geschlossen habe – gemäß Artikel 13 CMR als Empfänger der Sendung Inhaber des Schadensersatzanspruchs geworden sei. Dem CMR unterliegen – soweit hier von Bedeutung – Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, bei denen sich der Abgangs – oder der Bestimmungsort in dem Hoheitsgebieten einer der Vertragsstaaten befindet (Art. 1 Nr. 1 CMR). Die Regelungen des CMR finden deshalb grundsätzlich nur dann Anwendung, wenn ein grenzüberschreitender Transport mittels Lkw vereinbart wurde. Eine entsprechende Vereinbarung hat die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hier aber nicht näher dargetan. Einer Einholung eines Gutachtens zum Schweizer Recht bedurfte es insoweit nicht, weil das CMR als internationales Abkommen autonom vom nationalen Recht auszulegen ist.
Zwar hat der Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Luftfrachtführer für Transportschäden an Luftfrachtgut anlässlich einer – auftragswidrigen oder vom Auftrag gedeckten – Beförderung im Straßengüterverkehr nach den für den Straßengüterverkehr geltenden Vorschriften haftet (Urteile vom 17.05.1989 – I ZR 211/87 – und vom 13.09.2007 – I ZR 155/04 –), die Klägerin hat aber einen Straßengütertransport nicht dargetan. Es kann deshalb dahinstehen, ob die in den Urteilen, die zu Verträgen, die dem Warschauer Abkommen unterlagen, ergingen, festgestellten Grundsätze im Hinblick auf Art. 18 Nr. 4 S. 3 MÜ auch für das Haftungsregime des Montrealer Übereinkommens gelten. Des weiteren bedurfte es hier keiner Entscheidung, ob die Ansicht der Beklagten, es liege ein Luftfrachtvertrag vor, zutreffend ist. Im Hinblick auf die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von F. geregelte Befugnis, die Transportform allein bestimmen zu dürfen, liegt ein Multimodalvertrag vor (Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010 – I ZR 194/08 –).
2.
Soweit die Klägerin hilfsweise abgetretene Ansprüche der Firma P. S. a. r. l. bzw. der Firma V. SARL geltend macht, ist die Klage unzulässig.
Das Landgericht Karlsruhe ist örtlich unzuständig.
a) Eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung trägt die Klägerin nicht vor.
b) Auf ein internationales Abkommen kann die Klägerin die Zuständigkeit nicht stützen. Zwar kann im Falle der Vereinbarung eines Straßentransports am Gericht des Bestimmungsorts geklagt werden (Art. 1 a CMR Vertragsgesetz), hier hat die Klägerin aber wie ausgeführt nicht dargetan, dass ein Straßentransport vereinbart wurde.
Soweit im Falle eines Luftfrachtvertrages gemäß Art 33 MÜ beim Gericht des Bestimmungsorts Klage erhoben werden kann vermag dies die Zuständigkeit schon deshalb nicht zu begründen, weil die Klägerin einen solchen Luftfrachtvertrag in Abrede stellt. Im Übrigen liegt – wie ausgeführt – auch kein Luftfrachtvertrag sondern ein Multimodalvertrag vor.
Das UN-Abkommen über die internationale multimodale Güterbeförderung vom 24.05.1980 (MTC) wurde bisher noch nicht in Kraft gesetzt (vgl. auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.07.2008 – I ZR 181/05 –).
c) Auf die Normen der deutschen Vorschriften zum Transportrecht (§ 440 HGB) kann die Klägerin keine Zuständigkeit stützen.
Die Anwendung der §§ 452 ff HGB setzt voraus, dass der Vertrag deutschem Recht unterliegt. Dies bestimmt sich – vorbehaltlich einer Vereinbarung der Parteien (Art. 27 EGBGB – nach Art 28 EGBGB. Liegen – wie hier – die Voraussetzungen des Art 28 Abs. 4 EGBGB (Hauptniederlassung des Beförderers befindet sich im gleichen Staat wie Verladeort, Entladeort oder Hauptniederlassung des Absenders) nicht vor, ist gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB das Recht des Staates anzuwenden, zu dem nach der Gesamtschau die engsten Verbindungen bestehen. Dass die Beklagte ihre Hauptniederlassung in Deutschland hat, macht die Klägerin nicht substantiiert geltend. Da die (behaupteten) Versender, die Firmen P. S. a. r. l. bzw. V. SARL ihren Sitz in der Schweiz haben und dort die Übergabe erfolgt ist unterliegt der Vertrag Schweizer Recht. Zwar kann sich die Anwendung deutschen Rechts aus Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ergeben, wenn die Parteien durchweg auf der Grundlage deutscher Rechtsvorschriften vorgetragen haben (Bundesgerichtshof, Urteile vom 30.10.2008, – I ZR 12/06 – und vom 22.04.2010 – I ZR 74/08 –). Hier macht die beklagte aber geltend, es finde Schweizer Recht Anwendung. Eine konkludente Vereinbarung deutschen Rechts liegt daher nicht vor.
d) Welche örtlichen Zuständigkeiten das Schweizer Recht kennt bedurfte keiner Ermittlung, da die Regelung der örtlichen Zuständigkeit allein dem nationalen Gesetzgeber obliegt (Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, Rdn 1 zu Internationales Zivilprozessrecht). Nach der deutschen Zivilprozessordnung kommt hier nur der Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO) in Betracht.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Gericht gehalten ist, die Ansprüche aus allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, denn dies gilt nur für den einzelnen Streitgegenstand. Bei den (behaupteten) abgetretenen Ansprüchen handelt es sich aber jeweils um eigenständige Streitgegenstände.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.