Zum Zustandekommen und zum Pflichtenkreis eines zusätzlichen Beratungsvertrags zwischen Verkäufer und Käufer von Zinklegierungen für Galavanikbäder

LG Siegen, Urteil vom 20.01.2012 – 7 O 64/08

Zum Zustandekommen und zum Pflichtenkreis eines zusätzlichen Beratungsvertrags zwischen Verkäufer und Käufer von Zinklegierungen für Galavanikbäder.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr die Beklagte im Zusammenhang mit der Einführung einer neuen Zinklegierung zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Beklagte bestreitet eine Ersatzpflicht.

Die Klägerin führt Feuerverzinkungen von Stahlbaukonstruktionen durch und ist Teil der „S Verzinkerei Gruppe“ unter dem Dach der S Verzinkerei Holding GmbH. Weitere Mitglieder dieser Gruppe sind die Verzinkerei W GmbH, die Verzinkerei R-M GmbH & Co. KG, die Verzinkerei B GmbH und die Verzinkerei B GmbH. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Materialtechnologiekonzern nach belgischem Recht.

Feuerverzinkungen dienen dem Korrosionsschutz von Stahlbauteilen. Eine Konkurrentin der S Verzinkerei Gruppe führte 1999 eine neue Zinklegierung in ihren Betrieben ein (sog. Duo Zink Legierung, die den verzinkten Bauteilen ein blumigglänzendes Aussehen verlieh und der Konkurrentin Vorteile auf dem Markt verschaffte. Dr. P, Leiter der Abteilung Marktentwicklung, Forschung und Entwicklung der Beklagten, entwickelte seit 1996 eine Legierung, die eine Reduzierung der Schmelztemperatur der Legierung ermöglichen sollte. Dies sollte die Zinkdicke des Überzugs mindern, für eine gegenüber herkömmlichen Legierungen ansprechende Optik sorgen und zur Kostensenkung beitragen. Diese sog. Galveco-Legierung wurde von der Beklagten im Jahr 2000 auf den Markt gebracht. Die Legierung sollte mit 96,35% Zink, 2,75% Zinn, 0,40% Wismut und 0,5% Nickel angereichert sein, wobei es aber zu Schwankungen kam (beispielsweise beim Zinnanteil von bis zu 0,3%). Die Legierung wurde in Deutschland nicht unmittelbar von der Beklagten, sondern von der Firma U Marketing Deutschland GmbH mit Sitz in E vertrieben.

Als erstes Unternehmen der S Verzinkerei Gruppe führte die Verzinkerei B GmbH die Galveco-Legierung ein. Sie begann ab dem 01.06.2000 mit der Umstellung ihres vorhandenen Zinkbades auf die angestrebte Zusammensetzung für die Galveco-Legierung. Weitere Mitglieder, so auch die Klägerin, folgten im Jahr 2002. Die Galveco Legierung wurde von ihnen über die Firma U Marketing Deutschland GmbH bezogen und von dieser auch in Rechnung gestellt. Sie wurde in festen Blöcken mit einem Stückgewicht von bis zu 1.000 kg an die Verzinkereien ausgeliefert.

Die Legierung war nur ein Bestandteil des Zinkbades und machte lediglich 25% der Gesamtfüllmenge aus. 75% des Zinkbades bestanden aus anderen Qualitäten, die nur zum Teil von der U Marketing Deutschland GmbH bezogen wurden. Nach der damals gültigen DIN EN ISO1461 aus dem Jahre 1998 durfte der Gesamtanteil anderer Metalle als Zink – ohne nähere Definition – im Zinkbad bis zu 2% betragen. Erst im April/Mai 2006 gab das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBT) eine Empfehlung heraus, nach der zukünftig geschweißte Stahlkonstruktionen bzw. kaltumformte Stahlteile nur noch in Zinkbadschmelzen mit höchsten 0,3% Zinnanteil verzinkt werden sollen. Inzwischen hat das DIBT seine Empfehlung für Zinn auf nicht mehr als 0,1% herabgesetzt. Dieser Wert entspricht auch einem inzwischen erarbeiteten Entwurf der DASt-Richtlinie 022 zur Vermeidung von Rissbildungen beim Feuerverzinken und einer österreichischen Richtlinie zum Stückverzinken von Stahlbauteilen aus dem Jahr 2007. Die Beklagte nahm die Galveco-Legierung im April 2006 wieder vom Markt.

Die S Verzinkerei Gruppe wurde seit Ende 2005 mit sechs Schadensfällen konfrontiert, die nach Ansicht der Klägerin auf die Verwendung der Galveco-Legierung zurückzuführen sein sollen. Die Verzinkungen wurden allesamt in den Jahren 2003 bis 2005 vorgenommen. Im Einzelnen:

Dachtribüne Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern

Stadion Mainz

Ballhaus-Forum Unterschleißheim

Neubau Flugfrachtgebäude Airbase Ramstein

Adam-Müller-Schule Bruchmühlbach-Miesau

Parkgarage Airbase Ramstein

In drei Fällen sind selbstständige Beweisverfahren eingeleitet worden. Die Klägerin ist nur an einem dieser Verfahren beteiligt, weil ihr von einem Subunternehmer der Fa. B-B der Streit verkündet wurde (Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern).

Die Klägerin befürchtet, dass sie in Zukunft von entsprechenden Schadensfällen betroffen sein wird und begehrt deshalb die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Die Klägerin meint, zwischen ihr und der Beklagten sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Sie behauptet, der durch Dr. P empfohlene Zinnanteil von 1,0-1,2% in ihren Zinkbädern sei zu hoch gewesen. Der zu hohe Zinnanteil sei für die Risse in den Stahlkonstruktionen verantwortlich gewesen. Nicht entscheidend sei hierbei die Einhaltung der DIN EN ISO 1461. Dr. P habe in der Einführungsphase eine Wirtschaflichkeitsberechnung erstellt, wöchentlich die Zinkbadzusammensetzung durch Laboratorien der Beklagten ermitteln lassen, Analyseergebnisse archiwiert und bewertet, den klägerischen Betrieb regelmäßig besucht und an Besprechungen teilgenommen. Anlässlich einer Besprechung zum Ende der Einführungsphase habe er darauf hingewiesen, dass der ideale Zinngehalt für einen effektiven Einsatz der Galveco-Legierung durch die Klägerin bei 1,0-1,2% liege. Auch in der anschließenden Anwendungsphase habe er wöchentliche Analysen in den Laboratorien der Beklagten durchführen lassen, diese bewertet und – wenn nötig – auf eine Korrektur und Ergänzung der Zusammensetzung hingewirkt und Vorschläge zum Ausgleich gemacht.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche bereits eingetretenen und zukünftig eintretenden Schäden zu ersetzen, die darauf zurückzuführen sind, dass während des Verzinkungsvorgangs einschließlich der gesamten Vorbehandlung, insbesondere durch die in den Verzinkungsbädern der Klägerin auf dem Werksgelände im Zeitraum vom 01.08.2002 bis 31.05.2006 verwendete Zinkschmelze Schäden, insbesondere in Form von Rissbildungen, an den verzinkten Stahlbauteilen eingetreten sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, die Galveco-Legierung sei umfassend erprobt worden und habe in jeder Hinsicht den technischen Anforderungen und Sicherheitsstandards entsprochen. Rissbildungen und Versprödungen seien der Verzinkung von Stahlteilen immanent, seien nie vollständig ausgeschlossen und vermeidbar. Dr. P habe die Klägerin lediglich über den Einsatzbereich und die Werkstoffzusammensetzung informiert, um ihr das Produkt vorzustellen. Sie habe nur die Umstellung des Zinkbades unterstützend begleitet und Vorgaben zur Dosierung der Galveco-Legierung gemacht. Dabei sei der jeweilige Inhalt des Zinkbades überprüft worden. Die Beratung habe sich ausschließlich auf eine ordnungsgemäße Anwendung der Legierung und eine normgerechte Zusammensetzung des Zinkbades entsprechend der Norm DIN EN ISO 1461 (2% Fremdanteil) bezogen. Nach der Umstellungsphase habe sie lediglich als Serviceleistung noch Analysen der Firma U France S.A. veranlasst, da die Klägerin nicht über ein eigenes Labor verfüge, nicht aber Kommentierungen oder Ratschläge bezüglich der Analyseergebnisse vorgenommen.

Durch Urteil der Kammer vom 16.07.2010 ist die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen worden. Das OLG Hamm hat auf die Berufung hin die Zuständigkeit des Landgerichts Siegen festgestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe
I.

Die Klage ist aufgrund der insoweit bestehenden Bindungswirkung des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.02.2011 (I-12 U 133/10) als zulässig zu behandeln.

II.

Die Klage ist unbegründet. Das Rechtsverhältnis, auf dessen Feststellung die Klägerin Klage erhoben hat (§ 256 Abs. 1 BGB), besteht nicht. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch.

1)

Es ist bereits fraglich, ob zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Für die Annahme eines selbstständigen, neben dem Kaufvertrag stehenden Beratungsvertrages bedarf es besonderer und außergewöhnlicher Umstände; denn nur wenn die Beratung eindeutig über das hinausgeht, was im allgemeinen seitens des Verkäufers für die sachgemäße Anwendung oder den Einsatz des Kaufgegenstandes in beratender oder empfehlender Weise, auch in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, geleistet wird, kann es gerechtfertigt sein, zwischen Verkäufer und Käufer eine besondere, selbstständig neben dem Kaufvertrag stehende Rechtsbeziehung anzunehmen. In den Fällen, in denen sich die Beratung auf Eigenschaften des Kaufgegenstandes bezieht, wird die Annahme eines selbstständigen Beratungsvertrages daher in aller Regel nicht in Betracht kommen. Dort ist an eine Haftung aus Beratungsvertrag nur zu denken, wenn sich die beratende Tätigkeit nach Inhalt, Umfang, Intensität und Bedeutung für den Käufer so sehr verselbstständigt hat, dass sie gewissermaßen als eine andersartige, auf eigener tatsächlicher und rechtlicher Grundlage beruhende Aufgabe des Verkäufers erscheint und als vertragliche Verpflichtung eigener Art neben dem Kaufvertrag steht (BGH MDR 2004, 1174).

2)

Selbst wenn aber von einem Beratungsvertrag ausgegangen wird, fehlt es an einer schuldhaften Pflichtverletzung der beratenden Person und damit an einer feststellbaren Schadensersatzpflicht. Die Klägerin hat eine solche Pflichtverletzung nicht substantiiert vorgetragen. Die Kammer folgt den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 05.07.2010 (4 U 203/09). Zwar ist mit dieser Entscheidung die Klage als unzulässig abgewiesen worden. Der Sache nach stellen die Entscheidungsgründe des Urteils jedoch maßgeblich darauf ab, dass eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht besteht. Besteht aber das festzustellende Rechtsverhältnis nicht, so ist die hierauf gerichtete Feststellungsklage unbegründet.

Das Oberlandesgericht Bamberg hat (teilweise sinngemäß) ausgeführt:

Aus dem konkludenten Abschluss eines Beratungsvertrages allein folgt noch nicht, dass die Beklagte für alle Mängel des klägerischen Zinkbades nach Einführung der Galveco-Legierung einzustehen hätte. Der Vortrag der Klägerin zum Umfang der sich aus der Vereinbarung ergebenden Beratungspflichten lässt jedenfalls diesen Schluss nicht zu. Die Beklagte war jedenfalls auf Grundlage des von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts nicht verpflichtet, für ein unter jedem Gesichtspunkt optimales Zinkbad zu sorgen, das jedwede Schäden an Stahlbauteilen ausschließt. Bei der Bestimmung des Leistungsinhalts nach §§ 133, 157 BGB ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit Dr. P während der gesamten Zeit unentgeltlich tätig gewesen war und selbst die veranlassten Analysen nicht in Rechnung gestellt hatte. Eine Beratung war aus ihrer Sicht – für die Klägerin durchaus erkennbar – nur darauf gerichtet, die Verzinkerei beim effektiven Einsatz der Legierung zu unterweisen und zu unterstützen, um den Absatz der Galveco-Legierung zu fördern. Ziel der Klägerin war es, die Vorteile der neuen Legierung zu nutzen, also Kosten zu sparen und ein optisch besseres Ergebnis als mit einer herkömmlichen Verzinkung zu erzielen. Dr. P sollte nach den Parteiinteressen also nicht – gleich einem technischen Leiter der Klägerin – eine fehlerfreie Verzinkung schlechthin gewährleisten, sondern er sollte und wollte die Klägerin nur dahin unentgeltlich beraten, dass die Galveco-Legierung effektiv eingesetzt wird und die mit ihr angestrebten Ersparnisse und optischen Verbesserungen auch erreicht werden. Es war aber nicht Aufgabe des Dr. P, das Zinkbad eigenverantwortlich für die Klägerin zusammenzustellen und den konkreten Produktionsvorgang, z.B. auch nach Temperatur und Dauer des Verbleibs von Stahlteilen im Zinkbad zu beurteilen. Dass seine Wirtschaftlichkeitsberechnung fehlerhaft gewesen wäre, oder dass der Einsatz der Galveco-Legierung nicht effektiv gewesen wäre und die angestrebten Ziele nicht erreicht wurden, behauptet die Klägerin nicht.

Sie macht Dr. P vielmehr zum Vorwurf, dass der Zinnanteil im Zinkbad zu hoch gewesen sei. Dieser Zinnanteil war allerdings gerade charakteristisch für die Legierung. Der effektive Einsatz der Legierung war bei der Klägerin unstreitig mit einem Zinnanteil von 1,0 bis 1,2% anzunehmen und lag damit deutlich über dem Wert, der den späteren Empfehlungen des DIBT entsprochen hätte. Den von der Klägerin beschriebenen tatsächlichen Beratungsleistungen des Dr. P lässt sich nicht entnehmen, dass die Parteien auch eine eigenständige vertragliche Produkthaftung begründen wollten, die eine Inanspruchnahme der Beklagten neben der Verkäuferin für Mängel der Legierung und über das gesetzliche Produkthaftungsrecht hinaus ermöglichen würde.

Zwar oblag der Beklagten im Rahmen eines Beratungsvertrages als Nebenpflicht durchaus auch der Schutz von Rechtsgütern der Klägerin. Hätten die Analyseergebnisse daher ergeben, dass die Grenzwerte der DIN EN ISO 1461 überschritten wurden, wäre ein Hinweis von ihr zu erwarten gewesen. Die normierten Vorgaben wurden aber unstreitig im Betrieb der Klägerin eingehalten.

Eine Hinweispflicht der Beklagten hätte auch bestanden, wenn ihr aufgrund eines überragenden Fachwissens bekannt gewesen wäre oder zumindest hätte bekannt sein müssen, dass der empfohlene Zinnanteil von 1,0 – 1,2% die erhöhte Gefahr von Rissbildungen für bestimmte Stahlteile birgt. Dass der Beklagten ein solches Risiko bekannt war, wird aber von der Klägerin nicht vorgetragen. Sie trägt auch keine Umstände vor, die den Vorwurf begründen, dass sie ein entsprechendes Risiko hätte kennen müssen. Ihr können für den maßgeblichen Beratungszeitraum von 2002 bis 2005 nicht die später in den selbstständigen Beweisverfahren gewonnenen Erkenntnisse vorgehalten werden. Auch die DIBT-Empfehlung von 2006 lässt keine Rückschlüsse auf den Stand der Technik zur Zeit der Beratung zu. Selbst heute gibt es offenbar keine gesicherten Erkenntnisse, ab welchem Zinnanteil eine erhöhte Rissgefahr besteht.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Produkthaftung scheidet aus, weil die Klägerin keine Verletzung eines absolut geschützten Rechts geltend macht. Ihr droht vielmehr nur ein Vermögensschaden. Das deutsche Deliktsrecht findet Anwendung, weil die schädigende Handlung in Deutschland stattgefunden hätte und hier auch ein Schaden eintreten würde (Art. 40 I EGBGB a.F.). Das Produkthaftungsgesetz ist nicht einschlägig, weil die Klägerin nicht Geschädigte im Sinne von § 1 dieses Gesetzes ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

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