BGH, Urteil vom 12.12.1995 – VI ZR 223/94
Eine wiederholte und hartnäckige Verletzung des Rechts am eigenen Bild, die um des wirtschaftlichen Vorteils willen erfolgt, kann sich als schwere, einen Anspruch auf Geldentschädigung rechtfertigende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellen, auch wenn die einzelne Bildveröffentlichung – jeweils für sich betrachtet – nicht als schwerwiegend einzustufen ist.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 26. Mai 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dem Kläger der mit dem Klageantrag zu 3) verfolgte Anspruch auf eine Geldentschädigung aberkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Beklagte ist die Verlegerin der Zeitschriften “N. W.”, “E. F.” und “F. A.”. Der Kläger ist der älteste Sohn der Prinzessin Caroline von Monaco.
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Die Beklagte veröffentlichte in der Zeitschrift “N. W.” Nr. 2 vom 6. Januar 1993 ein Foto, das den damals achtjährigen Kläger vor einem PKW zeigt. Der Kläger trat dieser Veröffentlichung entgegen; er erwirkte am 4. Februar 1993 eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten die erneute Veröffentlichung dieses Fotos verboten wurde. In “E. F.” Nr. 3 vom 13. Januar 1993 erschien abermals ein Foto des Klägers, das ihn auf dem Weg zur Schule zeigt. Auf eine Abmahnung des Klägers verpflichtete sich die Beklagte ihm gegenüber in einer Unterwerfungserklärung vom 12. März 1993, dieses Bild nicht wieder zu veröffentlichen. In “F. A.” Nr. 5 vom 27. Januar 1993 veröffentlichte die Beklagte erneut vier Fotos, die den Kläger u.a. auf dem Weg zur Schule und beim Fußballspielen zeigen. Wegen dreier dieser Fotos setzte sich der Kläger mit einer einstweiligen Verfügung zur Wehr, die das Landgericht unter dem 12. Februar 1993 gegen die Beklagte erließ. Schließlich erschienen in Nr. 18 der Zeitschrift “N. W.” vom 28. April 1993 noch einmal Fotos des Klägers, die ihn am Strand zeigen.
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Der Kläger macht geltend, die Veröffentlichung dieser Fotos verletze ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere in seinem Recht am eigenen Bild. Er hat die Beklagte verklagt auf Auskunft über den für die Nutzungsrechte zur Veröffentlichung der Fotos gezahlten Geldbetrag (Klageantrag 1), auf Zahlung eines nach dieser Auskunft zu beziffernden Geldbetrages (Klageantrag 2), auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000 DM (Klageantrag 3) und auf Auskunft darüber, von welchen Photographen oder Agenturen die Beklagte diese Fotos bezogen hat (Klageantrag 4). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.
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Mit seiner Revision hat der Kläger seine Klageanträge weiterverfolgt. Der Senat hat die Revision nicht angenommen, soweit die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klageanträge 1, 2 und 4 zurückgewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht hat den Klageantrag 3 mit der Begründung abgewiesen, daß die Veröffentlichung der beanstandeten Fotos nach den obwaltenden Umständen nicht als eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung angesehen werden könne. Die Fotos zeigten den Kläger bei normalen und alltäglichen Betätigungen; sie seien durchweg harmlos und könnten nicht einmal als unvorteilhaft bezeichnet werden. Zwar sei die Beklagte mit einer gewissen Hartnäckigkeit vorgegangen, doch komme es für die Beurteilung, ob es sich um eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung handele, immer auf die erlittene Beeinträchtigung selbst an. Danach weise die Rechtsbeeinträchtigung des Klägers nicht das für eine Geldentschädigung erforderliche Gewicht auf. Zwar sei dem Kläger zuzugeben, daß sich die Beklagte um seinen Willen nicht weiter gekümmert habe; die Veröffentlichung der Fotos habe aber nur einem von der Beklagten angenommenen Informationsinteresse ihrer Leserschaft dienen sollen, das sich an der besonderen Stellung des Klägers entzündet habe. Zwar könne die Zuerkennung eines – möglichst hohen – Schmerzensgeldes dazu beitragen, die Beklagte von erneuten Rechtsverletzungen abzuhalten. Das sei aber nicht der Sinn des Schmerzensgeldes, das nur einen billigen Ausgleich für erlittene Unbill schaffen solle.
II.
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Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1a) Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß die Beklagte durch die Veröffentlichung der Fotos des Klägers dessen Recht am eigenen Bild und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt hat. Das Recht am eigenen Bild ist eine unter Sonderschutz (§ 22 KunstUrhG) gestellte besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Aus dem Wesen dieses Rechts folgt, daß die Verfügung über das eigene Bild nur dem Abgebildeten als Rechtsträger selbst zusteht; nur er selbst soll darüber befinden dürfen, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will (st.Rspr., vgl. etwa Senatsurteile vom 14. Oktober 1986 – VI ZR 10/86 – NJW-RR 1987, 231 und vom 14. April 1992 – VI ZR 285/91 – VersR 1993, 66, 67, jeweils m.w.N.). Der Bejahung einer Rechtsverletzung steht daher nicht entgegen, daß die Fotos den Kläger bei alltäglichen Betätigungen zeigen und durchweg “harmlos” sind.
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b) Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist dieser Eingriff der Beklagten in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger eine Person der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG ist.
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Diese Vorschrift ist eine Ausnahmebestimmung. Sie enthält mit Rücksicht auf das berechtigte Interesse der Allgemeinheit an einer bildmäßigen Darstellung von Personen, die dem öffentlichen Leben angehören, eine Einschränkung des Rechts am eigenen Bild für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (BGHZ 20, 345, 349). Die Vorschrift erfaßt Personen, die derart in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind, daß der Allgemeinheit ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilligen ist (vgl. BGHZ 24, 200, 208). Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger nicht. Er gehört weder zum öffentlichen Leben noch ist er derart in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten, daß ein durch ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an der Veröffentlichung seines Bildes zu bejahen wäre. Zwar mag in der Leserschaft der von der Beklagten verlegten Zeitschriften ein gewisses Interesse an dem Bild des Klägers bestehen. Dieses Interesse rechtfertigt jedoch nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG aus den oben dargelegten Gründen auch unter Berücksichtigung der Rechtsposition der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers.
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An der Verneinung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG ändert auch nichts, daß der Kläger der Sohn der Prinzessin Caroline von Monaco ist, die selbst zweifelsfrei eine absolute Person der Zeitgeschichte darstellt. Es kann auf sich beruhen, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen Personen, die zum Umfeld einer absoluten Person der Zeitgeschichte gehören, durch die Nähe zu dieser Person selbst zu einer Person der Zeitgeschichte werden können. Der Rechtsverlust, der für die Betroffenen mit der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG verbunden ist, gebietet es, die Kinder von Personen der Zeitgeschichte nur dann in diesen Personenkreis einzubeziehen, wenn sie gleichfalls als Angehörige in der Öffentlichkeit auftreten oder im Pflichtenkreis ihrer Eltern öffentliche Funktionen wahrnehmen (vgl. Damm/Kuner, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 1991, S. 44). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger tritt nicht nur nicht in der Öffentlichkeit auf, vielmehr wehrt er sich gerade dagegen, daß ihm in der Öffentlichkeit eine besondere Beachtung entgegengebracht wird.
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c) Weiter ist das Berufungsgericht mit Recht der Auffassung, daß nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – und damit auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild – einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung gegen den Verletzer auslöst. Ein solcher Anspruch kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (gleichfalls st.Rspr., vgl. etwa Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 – VI ZR 35/87 – VersR 1988, 405 und vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94 – VersR 1995, 305, 308, zum Abdruck in BGHZ 128, 1 ff. vorgesehen).
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2. Bei der wertenden Beurteilung, ob hier eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung im Sinne dieser Rechtsprechung vorliegt, hat das Berufungsgericht indes nicht alle Umstände, die dem Fall das Gepräge geben, mit der ihnen zukommenden Bedeutung in seine Erwägungen miteinbezogen.
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Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, daß die bloße Veröffentlichung der vorliegenden Fotos – jeweils für sich betrachtet – für den Kläger nicht zu einer Rechtsverletzung geführt hat, deren Schweregrad die Zuerkennung eines Anspruchs auf eine Geldentschädigung gebietet. Die Rechtsverletzung, die die Beklagte dem Kläger zugefügt hat, erschöpft sich jedoch nicht in der bloßen Veröffentlichung der Fotos. Sie erhält vielmehr ihr besonderes Gewicht dadurch, daß die Beklagte durch die wiederholte einwilligungslose Veröffentlichung der Fotos des Klägers dessen Recht am eigenen Bild mit besonderer Hartnäckigkeit verletzt und sich zumindest bei der letzten Veröffentlichung über den ihr ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willen des Klägers hinweggesetzt hat. Zu dem wiederholten Rechtsbruch der Beklagten, der in der einwilligungslosen Veröffentlichung der Fotos bestand, trat damit die bewußte und offenkundige Mißachtung des erklärten Willens des Klägers hinzu. Dabei handelte die Beklagte um des eigenen wirtschaftlichen Vorteils willen. Dies bedeutet, daß die Rechtsverletzung, die die Beklagte dem Kläger zugefügt hat, nach ihrer Intensität, dem Beweggrund der Beklagten und dem Grad ihres Verschuldens als so gewichtig zu werten ist, daß sie die Zubilligung eines Anspruchs auf eine Geldentschädigung gebietet. Die Besonderheit einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild besteht darin, daß dem Verletzten – anders als in den anderen Fällen, in denen er etwa den Widerruf oder die Richtigstellung einer sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerung verlangen kann – gegen eine solche Rechtsverletzung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zu Gebote stehen. Daraus folgt, daß in einem solchen Fall an die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs geringere Anforderungen als in anderen Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu stellen sind.
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Die Zubilligung eines solchen Anspruchs scheitert entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an der Zweckbestimmung dieses Anspruchs. Das Berufungsgericht sieht die Funktion dieses Anspruchs zu eng, wenn es ausführt, daß er nicht auf Prävention, sondern auf billigen Ausgleich für erlittene Unbill ausgerichtet sei. Zu dieser Erwägung wird das Berufungsgericht offensichtlich durch seine auf das Schmerzensgeld abstellende Betrachtung und damit durch ein Verständnis geleitet, das dem Wesen und der Zweckbestimmung des hier erörterten Anspruchs auf eine Geldentschädigung nicht gerecht wird. Bei diesem Anspruch handelt es sich im eigentlichen Sinn nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB, sondern um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, die in Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB findet, beruht auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll er der Prävention dienen (Senatsurteile vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94 – aaO. S. 309 und vom 5. Dezember 1995 – VI ZR 332/94, jeweils m.w.N.). Beide Gesichtspunkte kommen im Streitfall zum Tragen.
III.
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Die Entscheidung über die Höhe der danach an den Kläger zu zahlenden Geldentschädigung ist in erster Linie Sache des Tatrichters (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94 – aaO S. 309 m.w.N.). Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil in diesem Punkt aufgehoben und die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.