BGH, Urteil vom 18.04.1985 – VII ZR 309/84
Überweist der Schuldner den geschuldeten Betrag nach einer auf ein im Soll stehendes Konto des Gläubigers fehlgeleiteten Überweisung erneut auf das ihm vom Gläubiger angegebene Konto, hat er regelmäßig auch dann einen Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger, wenn mit der fehlgeleiteten Überweisung lediglich Schulden des Gläubigers getilgt wurden.
(Leitsatz des Gerichts)
Tatbestand
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Der Kläger – früher Inhaber eines Bauunternehmens – bat mit Schreiben vom 9. Januar 1981 die Beklagte – seine Haftpflicht- und Bauwesenversicherung -, ihm zustehende Versicherungsleistungen ab sofort nur noch auf ein bei einer bestimmten Bank eingerichtetes „Treuhandkonto“ zu überweisen. Die Beklagte kam dieser Bitte nach und beauftragte ihre Bank, auf dem vom Kläger mitgeteilten Konto 7.000,– DM gutzuschreiben. Da in dem von der Beklagten ausgefüllten Überweisungsvordruck in der Spalte „Konto- Nummer des Empfängers“ der Zusatz „oder ein anderes Konto des Empfängers“ nicht gestrichen war, änderte die Bank der Beklagten den Auftrag ab und überwies den Betrag auf ein ihr bekanntes Konto des Klägers bei einer Sparkasse. Dieses Konto war das Firmenkonto des Bauunternehmens des Klägers; es hatte zur Zeit der Gutschrift einen Sollstand von 193.806,02 DM. Nach einem Schreiben der Rechtsanwälte des Klägers überwies die Beklagte den Betrag von 7.000,– DM erneut auf das „Treuhandkonto“. Sie rechnete jedoch bei Abwicklung eines anderen Versicherungsfalls mit einer „Regreßforderung“ in dieser Höhe gegen einen Entschädigungsanspruch des Klägers von 7.816,67 DM auf und zahlte an den Kläger nur 816,67 DM.
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Der Kläger, nach dessen Auffassung die Beklagte keinen Rückforderungsanspruch hat, verlangt mit der Klage Zahlung der Versicherungsentschädigung in Höhe von 7.000,– DM nebst Zinsen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision, die die Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
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Das Berufungsgericht nimmt an, dem Kläger stünden Versicherungsleistungen in Höhe von 7.000,– DM nicht mehr zu, weil die Beklagte in Höhe dieses Betrages mit einer Gegenforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung wirksam aufgerechnet habe. Zwar sei die erste Zahlung der Beklagten auf das Firmenkonto des Klägers bei der Sparkasse keine Erfüllung gewesen; dieser Überweisung habe der erklärte Wille des Klägers entgegengestanden. Der Kläger sei aber durch diese „falsche“ Überweisung ungerechtfertigt bereichert. Als Kontoinhaber sei er Empfänger der für ihn bestimmten Leistung gewesen; seine Schulden bei der Sparkasse hätten sich dadurch verringert. Ob die Beklagte durch die „unrichtige Zahlung“ eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung begangen habe, könne dahingestellt bleiben. Den etwa angerichteten Schaden habe die Beklagte jedenfalls durch die erneute Überweisung auf das angegebene Treuhandkonto wieder gutgemacht.
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Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Der gegen die Beklagte gerichtete Anspruch des Klägers auf Zahlung von Versicherungsleistungen in Höhe von 7.000,– DM ist erloschen; denn die Beklagte hat mit einem ihr nach § 812 BGB zustehenden Gegenanspruch in dieser Höhe aufgerechnet.
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1. Die Beklagte erbrachte mit der von ihrer Bank ausgeführten Überweisung auf das Konto des Klägers bei der Sparkasse eine Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB an den Kläger. Zwar kam aufgrund des Sollstandes dieses Kontos die Gutschrift von 7.000,– DM wirtschaftlich der Sparkasse zugute. Dennoch leistete die Beklagte an den Kläger und nicht an die kontoführende Sparkasse; denn die Sparkasse wurde hierbei nur als Zahlstelle des Klägers tätig (vgl. Senatsurteile BGHZ 53, 139, 142; 72, 316, 318/319; 87, 393, 395 m.Nachw.; vgl. auch BGHZ 69, 186, 189; Heinrichs in MünchKomm, BGB, 2. Aufl., § 362 Rdn. 17).
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2. Diese Leistung der Beklagten in Höhe von 7.000,– DM erlangte der Kläger ohne rechtlichen Grund. Mit dem in dem Überweisungsvordruck als Empfängerkonto angeführten Treuhandkonto des Klägers brachte die Beklagte zum Ausdruck, daß sie der Bitte des Klägers nachkommen wollte, Versicherungsleistungen nur noch auf dieses Konto zu überweisen. Sie war – entsprechend dem Willen des Klägers – damit einverstanden, daß ihre Schuld aus dem Versicherungsverhältnis nur durch eine Überweisung auf das Treuhandkonto getilgt werden sollte. Die Parteien einigten sich somit über den Zweck der Überweisung und legten mit dieser Einigung zugleich den rechtlichen Grund der Überweisung fest. Infolge der Änderung des Überweisungsvordrucks durch die Bank der Beklagten wurde dieser Zweck nicht erreicht. Denn die Überweisung des Betrags auf das Firmenkonto des Klägers bei der Sparkasse, die dem Willen des Klägers nicht entsprach, tilgte nicht die Schuld der Beklagten. Hierfür war – nach der Vereinbarung der Parteien – vielmehr eine Gutschrift auf dem Treuhandkonto notwendig (vgl. Heinrichs aaO Rdn. 16, 18). Die Überweisung der Beklagten auf das Sparkassenkonto ist deshalb eine Leistung der Beklagten an den Kläger ohne rechtlichen Grund (vgl. Senatsurteil BGHZ 50, 227, 231; vgl. auch Erman/H.P. Westermann, BGB, 7. Aufl., § 812 Rdn. 44; Heimann-Trosien in BGB- RGRK, 12. Aufl., § 812 Rdn. 74; Lieb in MünchKomm, BGB, § 812 Rdn. 137, 141).
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3. Durch diese Leistung der Beklagten ist der Kläger auch noch bereichert. Zwar erlangte er mit der Gutschrift des überwiesenen Betrags auf das Firmenkonto bei der Sparkasse keine wirtschaftlichen Vorteile. Damit wurde lediglich der Sollstand des Kontos verringert, ohne daß sich ein Guthaben ergab. Der Kläger konnte aufgrund der Überweisung jedoch einen Teil seiner Schulden gegenüber der Sparkasse tilgen. Diese teilweise Befreiung von einer Verbindlichkeit stellt eine fortbestehende Bereicherung dar; auf einen Wegfall der Bereicherung kann sich der Kläger nicht berufen (vgl. BGH NJW 1979, 1597, 1598; Urt. vom 21. Mai 1971 – V ZR 17/69 = LM BGB § 313 Nr. 48 Bl. 3 = WM 1971, 1202, 1204; Heimann-Trosien aaO § 818 Rdn. 33; Lieb aaO § 818 Rdn. 82; Staudinger/Lorenz, BGB, 12. Aufl., § 818 Rdn. 35). Zu einer abweichenden Beurteilung, etwa unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht hier kein Anlaß.
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4. Ob in der Änderung des Überweisungsvordrucks durch die Bank der Beklagten eine der Beklagten zuzurechnende Vertragsverletzung liegt, kann offen bleiben. Mit der Überweisung auf das Firmenkonto des Klägers leistete die Beklagte – wie dargelegt – an den Kläger, nicht an die Sparkasse. Ihre trotz dieser Leistung noch nicht beglichene Schuld gegenüber dem Kläger aus dem Versicherungsverhältnis tilgte sie – entsprechend der getroffenen Vereinbarung – durch die erneute Überweisung auf das Treuhandkonto. Es ist somit nicht zu erkennen, inwiefern der Kläger, dem die Leistung aus der fehlgeleiteten Überweisung zugute kam, geschädigt sein sollte. Schon aus diesem Grund kann er keinen Schadensersatz verlangen.
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5. Nach alledem ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.