AG München, Urteil vom 29.03.2018 – 432 C 1222/18
Keine Ansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs bei Erhalt einer Abstandssumme für Rückgabe der Mietwohnung
Das AG München hat entschieden, dass Mieter, die sich gegen Zahlung einer erheblichen Abfindung verpflichten, aus ihrer Wohnung auszuziehen, auf mögliche Ausgleichsansprüche bei einem eventuell nur vorgetäuschten Eigenbedarf verzichten.
Die Kläger mieteten ab Mitte 1987 eine 3,5 Zi Wohnung von 97 m² in München gegen Zahlung von zuletzt 913 Euro kalt. Laut Mietvertrag waren Mietsteigerungen nur bei Inflationszunahme zulässig. Mit dem durch Wohnungskauf im Januar 2016 in den Mietvertrag eingetretenen neuen Vermieter schlossen die Kläger im März 2016 eine „Vereinbarung über die Aufhebung und Beendigung des Mietverhältnisses“, in der ihnen eine Sofortzahlung von 15.000 Euro zugesprochen wurde, die sie verzinslich an den beklagten Vermieter zurückzahlen hätten müssen, wenn sie über den 31.12.2016 in der Wohnung geblieben wären. Für frühere Rückgabezeitpunkte war eine Erhöhung der Abstandszahlung auf max. 24.500 Euro vereinbart. Nach Übergabe der Wohnung am 29.11.2016 erhielten die Kläger weitere 6.000 Euro. Anfang 2017 verkaufte der Beklagte die nun unvermietete Wohnung wieder. Die nun in Augsburg bei einer Miete von 950 Euro wohnenden Kläger fochten ihre Zustimmung zur Vereinbarung nachfolgend an. Sie begründeten dies damit, dass der Beklagte in einem ersten Telefonat nach dem Wohnungskauf „Eigenbedarf angemeldet“ habe, da sein Vater zurück nach München ziehen wolle. Der Schadensersatz errechne sich aus dem Zehnjahreswert der Differenz der früheren Kaltmiete zu der Miete einer vergleichbaren Wohnung in München von 2.135 Euro, abzüglich der erhaltenen Abstandszahlung. Der Beklagte behauptet, die Kläger hätten das Mietverhältnis aus freien Stücken beendet. Es sei kein Eigenbedarf vorgetäuscht worden. Es sei zwar darüber geredet worden, dass der Vater des Beklagten ggf. nach München zurückziehen wolle. Der Beklagte habe aber keinesfalls eine Eigenbedarfskündigung für den Fall angekündigt, dass keine Vereinbarung zustande kommt.
Das AG München hat dem Beklagten Recht gegeben und die Klage des Ehepaares auf Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs in Höhe von 125.640 Euro abgewiesen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts kann mit der Vereinbarung einer erheblichen Abstandssumme für die Rückgabe einer Mietwohnung ein Verzicht auf Ausgleichsansprüche bei nur vorgetäuschtem Eigenbedarf erklärt worden sein. In die Vereinbarung sei der Wille der Parteien hineinzulesen, damit alle gegenseitigen Ansprüche zu regeln und zur Meidung künftigen Streits etwa auch auf Ansprüche aus eventuell vorgetäuschtem Eigenbedarf zu verzichten. Zwar sei angesichts des gegenwärtigen Mietmarktes und der mieterfreundlichen Vertragsbedingungen eine erhöhte Bereitschaft des Vermieters zu Abstandszahlungen anzunehmen, um die Wohnung unvermietet weiterverkaufen zu können. Andererseits sei eine Abstandszahlung in Höhe von über 17 Monatsmieten mit großteiliger Sofortzahlung durchaus namhaft. Darüber hinaus habe der beklagte Vermieter auf Schönheitsreparaturen verzichtet und sich zur Kautionsrückzahlung binnen nur vier Wochen verpflichtet. Die Mieter hätten bei widerstreitenden Angaben eine konkret vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung mangels neutraler Zeugen oder anderer Beweismittel nicht nachgewiesen.
Ein berücksichtigungsfähiger Schaden sei nicht vorgetragen worden. Allenfalls seien Umzugskosten, ein etwaiger Mietdifferenzschaden zwischen der bisherigen/früheren Miete und der nunmehrigen Miete (nach Umzug) sowie die Prozesskosten eines vorangegangenen Räumungsprozesses erstattungsfähig. Soweit die Klagepartei meint, dass der Umstand, in München wohnhaft zu sein, einem Vermögenswert nahe komme, kann dem – jedenfalls in schadensrechtlicher Hinsicht – nicht gefolgt werden. Es bestehe auch keine Grundlage dafür, die Annahme eines Schadens darauf zu stützen, dass die bisherige Miete eines gekündigten/beendeten Mietverhältnisses der behaupteten Neuvermietungsmiete für ein vergleichbares Objekt gegenübergestellt werde. Denn insoweit realisiere sich auf der Seite eines Mieters per se kein erkennbarer Schaden im Sinn eines Vermögensabflusses. Es bedarf daher keiner näheren Begründung, dass die ortsübliche Miete für ein vergleichbares Objekt – zumal unter Berücksichtigung des Münchener Mietspiegels 2017 – nicht bei 2.135 Euro (bei einer Wohnungsgröße von 97 m² entspräche dies einer Miete von 22 Euro/m²) liegen werde.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des AG München Nr. 27/2018 v. 13.04.2018