Zur Verpflichtung eines Rechtsanwaltes, im Krankheitsfall für einen Vertreter zu sorgen

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.02.2018 – 8 W 8/18

Wenn ein Rechtsanwalt trotz bereits seit geraumer Zeit bestehender Erkrankungen keine Vorsorge für die Wahrnehmung von Gerichtsterminen trifft, stellt dies eine schuldhafte Verletzung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten dar.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2017 in Verbindung mit dem Beschluss vom 13. Februar 2018 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 24.747,60 festgesetzt.

Gründe
I.

Der Kläger ist Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. In dem vorliegenden Rechtsstreit vertritt er sich in eigener Sache.

In der öffentlichen Sitzung des Landgerichts vom 23. Juni 2016 erging ein Versäumnisurteil zu Gunsten des Klägers. Auf den Einspruch des Beklagten vom 19. Juli 2016 und einen entsprechenden Antrag des Beklagten hin wurde die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung mit Beschluss vom 16. September 2016 einstweilen eingestellt.

Mit Verfügung vom 20. Juli 2016 bestimmte der damals zuständige Einzelrichter Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil auf den 1. Dezember 2016.

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2016 (BI. 43 d. A.) beantragte der Kläger, der bereits in seiner Klageschrift vom 30. Dezember 2015 „aus gesundheitlichen Gründen“ darum gebeten hatte, „die Sache zum Ende des Sitzungstages zu terminieren“, den Verhandlungstermin am 1. Dezember 2016 aufzuheben. Zur Begründung führte der Kläger aus, er befinde sich im 74. Lebensjahr und sei derzeit gesundheitlich nicht in der Lage, die notwendige Stellungnahme zu fertigen. Er leide seit Anfang September an erheblichen Blutdruckschwankungen, die teilweise zu Blutdruckentgleisungen (Hypertonie) wie etwa am 13. September 2016 und am 6. Oktober 2016 und zu ärztlich bescheinigter Verhandlung- und Reiseunfähigkeit „in Verhandlungssachen vor den Landgerichten Frankfurt und Limburg sowie vor dem Frankfurter Anwaltsgericht“ geführt hätten. Entsprechende ärztliche Bescheinigungen vom 13. September 2016 und am 6. Oktober 2016 könnten „auf gerichtlichen Wunsch“ vorgelegt werden.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 (BI. 45 d. A.) teilte der damals zuständige Einzelrichter dem Kläger mit, dass der Vorlage eines aussagefähigen Attestes entgegengesehen werde, aus dem sich eine Verhandlungsunfähigkeit für den 1. Dezember 2016 ergebe.

Entsprechende Atteste gelangten in der Folgezeit nicht zur Akte, so dass eine Entscheidung über die Aufhebung des Termins zunächst nicht getroffen wurde. Am 17. November 2016 wurde sodann der Termin mit der Begründung aufgehoben, dass das Dezernat bis voraussichtlich Anfang 2017 vakant sei (Bl. 47 d. A.).

Mit Verfügung vom 14. Februar 2017 bestimmte die Vorsitzende Richterin am Landgericht X Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil auf den 27. April 2017. Zugleich setzte sie dem Kläger eine „Frist zur Stellungnahme zum Einspruch bis zum 31. März 2017“ (Bl. 54 d. A.).

Mit Schreiben vom 1. März 2017 wurde der Kläger an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses des Beschlusses vom 14. Februar 2017 erinnert (Bl. 59 d. A.). Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht. Am 15. März 2017 verfügte die Vorsitzende Richterin am Landgericht X die Zustellung des Beschlusses mit Zustellungsurkunde an den Kläger persönlich.

Am 25. April 2017 musste der Termin vom 27. April 2017 wegen Erkrankung der Richterin kurzfristig auf den 18. Mai 2017 verlegt werden (Bl. 62 d. A.). Wegen einer Verhinderung des Beklagten, der an dem Termin zur mündlichen Verhandlung teilnehmen wollte, wurde der Termin sodann mit Verfügung vom 10. Mai 2017 auf den 14. September 2017, 10:45 Uhr, verlegt (Bl. 73 d. A.).

Mit Telefax vom 14. September 2017 (Uhrzeit laut Sendezeile: 6:35 Uhr) beantragte der Kläger, den Verhandlungstermin vom selben Tag aufzuheben. Zur Begründung führte er an, dass er derzeit nicht reisefähig sei. Er leide „akut an einer sehr schmerzhaften Rückenmuskelzerrung (Hexenschuss?), die ihn gehunfähig“ mache. Der Termin wurde daraufhin auf den 4. Oktober 2017, 10:00 Uhr, verlegt (Bl. 85 d. A.).

Mit Telefax vom 4. Oktober 2017 (Uhrzeit laut Sendezeile: 7:57 Uhr) beantragte der Kläger, den Verhandlungstermin vom selben Tag aufzuheben. Zur Begründung führte er an, dass er derzeit „nicht reise- und verhandlungsfähig“ sei. Er leide seit dem frühen Morgen an Magenkrämpfen, Durchfall und erheblichen Kopfschmerzen (Bl. 91 d. A.).

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2017 (Bl. 94 f. d. A.) hob die Vorsitzende Richterin am Landgericht X den Verhandlungstermin auf. Zugleich fragte sie an, ob Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe. Der Beklagtenvertreter habe am gleichen Tage in einem Telefonat bereits seine Zustimmung erklärt. Der Kläger wurde um Stellungnahme binnen einer Woche gebeten. Für den Fall, dass dem schriftlichen Verfahren nicht zugestimmt werde, gab sie dem Kläger auf, für den neu anzuberaumenden Termin einen Prozessvertreter zu bestellen für den Fall, dass er selbst diesen Termin nicht wahrnehmen könne. Sie führte aus, das Gericht lasse nicht unberücksichtigt, dass der Kläger als Rechtsanwalt natürlich aus Kostengründen ein erhebliches Interesse daran haben dürfte, sich selbst zu vertreten. Die Historie zeige jedoch, dass die vom Kläger vorgetragenen gesundheitlichen Gründe immer wieder dazu führten, dass Termine nicht gehalten werden könnten, wobei nicht verkannt werde, dass in dieser Sache auch aus anderen Gründen bereits Terminsverlegungen erfolgt seien. Es sei jedoch auch das Interesse des Beklagten zu berücksichtigen, alsbald eine Entscheidung zu erhalten. Dies gelte umso mehr, als der Kläger sich in der Sache nicht zum Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 23. Juni 2016 geäußert habe.

Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 beantragte der Kläger die Frist zur Stellungnahme „wegen Arbeitsüberlastung“, die anwaltlich versichert wurde, bis zum 31. Oktober 2017 zu verlängern (Bl. 99 d. A.). Die Frist wurde antragsgemäß verlängert.

Mit Schreiben vom „16. Oktober 2017“, das per Telefax am 1. November 2017 um 23:43 Uhr übersandt wurde und den Eingangsstempel des Landgerichts vom 1. November 2017 trägt, beantragte der Kläger „letztmalig“, die Frist zur Stellungnahme bis zum 15. November 2017 zu verlängern. Als Grund gab er eine anwaltlich versicherte „Arbeitsüberlastung“ aufgrund einer Dienstreise nach Stadt1 in der Zeit vom 2. November bis zum 9. November 2017 an.

Mit Beschluss vom 2. November 2017 (Bl. 105 d. A.) bestimmte die Vorsitzende Richterin am Landgericht X Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil auf den 30. November 2017. Sie begründete dies damit, dass sich der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Frage des schriftlichen Verfahrens erklärt, sondern eine wiederholte Fristverlängerung zur Äußerung hierzu beantragt habe. Zugleich gab sie dem Kläger auf, dafür Sorge zu tragen, dass für den Fall seiner erneuten Verhinderung im Termin – sei es aus terminlichen oder gesundheitlichen Gründen – ein Vertreter gemäß § 53 BRAO auch kurzfristig die Prozessvernehmung übernehmen könne. Dieser Beschluss wurde dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 108 d. A.) am 8. November 2017 zugestellt.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 27. November 2017 – beim Landgericht per Fax am 28. November 2017 eingegangen – lehnte der Kläger die Vorsitzende Richterin am Landgericht X „wegen Besorgnis der Befangenheit“ ab.

Zur Begründung führte er aus, dass der Termin für den 30. November 2017 bestimmt worden sei, ohne über seinen letztmaligen Antrag auf Fristverlängerung vom 1. November 2017 zu entscheiden. Auf diesen Antrag sei mit keinem Wort eingegangen worden. Unter diesen Umständen sei objektiv willkürlich zu seinem Nachteil terminiert worden. Außerdem liege der Verweis auf die Vorschrift des § 53 BRAO sowie die Kommentierung von § 227 ZPO vollkommen neben der Sache. Die Richterin übersehe, dass der Kläger selbst ein Verfassungsrecht habe, persönlich an seinem ihn ganz persönlich betreffenden Rechtsstreit nicht nur teilzunehmen, sondern diesen auch selbst zu führen.

Die Vorsitzende Richterin am Landgericht X hat sich unter dem 28. November 2017 dienstlich zu dem Ablehnungsgesuch geäußert (Bl. 115 d. A.).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. Dezember 2017 hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch des Klägers für unbegründet erklärt (Bl. 139 ff.). Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 23. Dezember 2017 zugestellt (Bl. 147 d. A.).

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger mit einem auf den „5. Dezember 2018“ (sic!) datierten Anwaltsschriftsatz, der beim Landgericht per Fax am 5. Januar 2018 eingegangen ist, sofortige Beschwerde erhoben. Eine Begründung werde bis zum 31. Januar 2018 erfolgen.

In der Folgezeit begründete der Kläger seine sofortige Beschwerde jedoch nicht. Daraufhin half das Landgericht mit Beschluss vom 13. Februar 2018 (Bl. 152 f. d. A.) der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Das gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht X gerichtete Ablehnungsgesuch ist nicht begründet.

a. Nach § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Besorgnis der Befangenheit ist nach § 42 Abs. 2 ZPO dann gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zur rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 02.10.2003 – V ZB 22/03, NJW 2004, 164; Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 42 Rdnr. 9). Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kommt dabei nicht nur dann in Betracht, wenn der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Allein die subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht jedoch zur Ablehnung nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.12.2012 – 8 B 58/12, NVwZ-RR 2013, 341, 342 f.).

Ein von der Prozessordnung gedecktes Verhalten des Richters, das der sachgemäßen Behandlung des anhängigen Rechtsstreits dient, kann dabei ein Ablehnungsgesuch regelmäßig nicht begründen. Aber auch unrichtige Entscheidungen oder vermeintlich unrichtige Entscheidungen sind grundsätzlich ungeeignet, die Ablehnung wegen Befangenheit zu rechtfertigen, denn sie zwingen nicht zu dem Schluss, dass der Richter, der sich im Rahmen seiner Befugnisse hält und das Recht in vertretbarer Weise anwendet, gegenüber einer Partei unsachlich eingestellt ist. Das Ablehnungsverfahren darf nicht dazu dienen, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters, nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelverfahren vorbehalten ist. Erscheint die Rechtsanwendung des Richters vertretbar, so besteht keine Besorgnis der Befangenheit, falls nicht weitere Umstände auf eine parteiliche Einstellung schließen lassen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 07.03.2012 – AnwZ (B) 13/10, juris). Die Besorgnis der Befangenheit ist daher erst dann gerechtfertigt, wenn sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.02.2009 – 1 BvR 165/09, NVwZ 2009, 581, 583; BGH, Beschluss vom 07.03.2012 – AnwZ (B) 13/10, juris; BVerwG, Beschluss vom 11.12.2012 – 8 B 58/12, NVwZ-RR 2013, 341, 342 f.; Heinrich, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 14. Aufl. 2017, § 42 Rdnr. 11; Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 42 Rdnr. 24; Stackmann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 42, Rdnr. 47).

b. Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht zutreffend entschieden, dass das Ablehnungsgesuch unbegründet ist.

aa. Der Umstand, dass die abgelehnte Richterin über den Antrag auf nochmalige Fristverlängerung zur Stellungnahme zu dem Vorschlag, in das schriftliche Verfahren überzugehen, nicht ausdrücklich entschieden, sondern stattdessen einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und dies mit der wiederholten Fristverlängerung zur Äußerung hierzu begründet hat, begründet unter den hiesigen Umständen nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 06.04.2006 – V ZB 194/05, NJW 2006, 2492, 2494). Bei der Ablehnung eines Fristverlängerungsgesuchs wird man denselben Grundgedanken heranziehen können.

Aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei gibt die anstelle der gewünschten wiederholten Fristverlängerung vorgenommene Terminierung allerdings keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richterin zu zweifeln. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend betont, dass von dem Kläger gerade keine inhaltliche Stellungnahme zu einem Vorbringen des Beklagten erbeten worden ist. Der Kläger sollte sich einzig und allein zu einem möglichen Übergang in das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO erklären. Es ging also um eine Stellungnahme, die typischerweise nur aus einem einzigen Satz besteht. Es ist daher in Ermangelung einer näheren Darlegung nicht nachvollziehbar, wozu eine nochmalige Fristverlängerung erforderlich war, gerade weil der Kläger sich in eigener Sache vertritt und deshalb auch keine Rücksprache mit der Mandantschaft erforderlich war. Die Richterin hat den Antrag auf nochmalige Fristverlängerung auch nicht einfach übergangen. Aus der Begründung des Beschlusses vom 2. November 2017 wird deutlich, dass sie den Antrag in der Sache durchaus zur Kenntnis genommen hat.

bb. Auch der Umstand, dass die abgelehnte Richterin Verhandlungstermine entgegen der Bitte des Klägers nicht aus gesundheitlichen Gründen „zum Ende des Sitzungstages“ terminiert hat, sondern stets zwischen 10:00 Uhr und 10:30 Uhr, ist kein Grund, der die Ablehnung der Vorsitzenden Richterin am Landgericht X rechtfertigt. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass auch unter Berücksichtigung des Alters des sich selbst vertretenden Klägers sich der Akte nicht entnehmen lässt, dass dieser zu bestimmten Uhrzeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, Verhandlungstermine wahrzunehmen. Die nach Erlass des Versäumnisurteils eingegangenen Telefaxe des Klägers tragen in der Sendezeile die Uhrzeiten 22:44 Uhr (18. Juli 2016), 20:37 Uhr (15. Juli 2016), 21:52 Uhr (23.August 2016), 9:56 Uhr (22. November 2016), 6:35 Uhr (14. September 2017), 7:57 Uhr (4. Oktober 2017), 15:54 Uhr (16. Oktober 2017) und 23:43 Uhr (1. November 2017). Der Befangenheitsantrag selbst wurde früh morgens um 6:09 Uhr versandt. Für die Belastbarkeit des Klägers unabhängig von der Uhrzeit spricht im Übrigen auch, dass er selbst angegeben hat, an zwei Tagen in Stadt1 an einer insgesamt 20-stündigen Fortbildung teilnehmen zu müssen.

cc. Schließlich stellt auch der Umstand, dass die Richterin dem Kläger aufgegeben hat, dafür Sorge zu tragen, dass für den Fall seiner erneuten Verhinderung im Termin aus terminlichen oder gesundheitlichen Gründen ein Vertreter gemäß § 53 BRAO auch kurzfristig die Prozessvertretung übernehmen kann, keinen objektiven Grund dar, der nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit der Richterin zu zweifeln.

Diese Vorgehensweise begegnet entgegen der Ansicht des Klägers keinen rechtlichen Bedenken, so dass von einer unsachlichen oder gar von Willkür geprägten Verfahrensweise der Richterin keine Rede sein kann.

Wenn ein Rechtsanwalt trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung keine Vorsorge für die Wahrnehmung von Gerichtsterminen trifft, stellt dies eine schuldhafte Verletzung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten dar. Ebenso wie der Rechtsanwalt für den Fall der Erkrankung seines Büropersonals organisatorische Vorkehrungen, also Vertretungsregelungen, schaffen muss, trifft ihn eine vergleichbare Vorsorgepflicht auch dann, wenn sein eigener Gesundheitszustand hierzu Anlass gibt, also für ihn erkennbar eine geordnete Erfüllung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten wesentlich behindert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.05.2001 – 8 B 69/01, NJW 2001, 2735, 2736). Die Verpflichtung, im Krankheitsfall des Prozessbevollmächtigten für einen Vertreter zu sorgen, besteht insbesondere dann, wenn der Gesundheitszustand derart ist, dass mit wiederholt auftretenden Krankheitsfolgen zu rechnen ist, die den Anwalt außerstande setzen, seinen Berufspflichten in dem erforderlichen Umfang nachzukommen oder der Anwalt seine Kanzlei allein betreibt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17.03.2005 – IX ZB 74/04, juris, m. w. N.; s. auch BSG, Beschluss vom 04.06.2007 – B 9a VG 7/07 B, BeckRS 2007, 44953).

So liegt es hier. Der Kläger hat bereits in der Klageschrift seinen Gesundheitszustand zum Thema gemacht, indem er aus gesundheitlichen Gründen höflich darum gebeten hat, die Sache zum Ende des Sitzungstages zu terminieren. In dem Schriftsatz vom 6. Oktober 2016 hat der Kläger ausgeführt, dass er sich im 74. Lebensjahr befinde und derzeit gesundheitlich nicht in der Lage sei, die notwendige Stellungnahme zu fertigen. Er leide seit einem Monat an erheblichen Blutdruckschwankungen, die teilweise zu Blutdruckentgleisungen führten. Zudem hat er auf ärztliche Bescheinigungen verwiesen, die ihm am 13. September 2016 und am 6. Oktober 2016 Verhandlung- und Reiseunfähigkeit bescheinigt hätten. Der Verhandlungstermin vom 14. September 2017 musste wegen der von dem Kläger am Morgen des Verhandlungstages per Telefax angezeigten Erkrankung (schmerzhafte Rückenmuskelzerrung, Hexenschuss, dadurch Gehunfähigkeit) aufgehoben werden. Auch der Termin vom 4. Oktober 2017 musste wegen einer Erkrankung des Klägers (Magenkrämpfen, Durchfall und erhebliche Kopfschmerzen) kurzfristig aufgehoben werden.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der gesetzlichen Regelung in § 53 Abs. 2 BRAO ist gegen die Vorgehensweise der abgelehnten Richterin nichts zu erinnern, zumal da angesichts der Tatsache, dass der Verhandlungstermin schon mehrfach verlegt worden war, dem Beschleunigungsgebot hier ein erhöhtes Gewicht zukam (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2008 – VI ZR 317/07, NJW 2009, 687).

Überdies hat die abgelehnte Richterin in dem Beschluss vom 4. Oktober 2017 die rechtlich geschützten Interessen des Klägers hinlänglich berücksichtigt. Sie hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass „der Kläger als Rechtsanwalt natürlich aus Kostengründen ein erhebliches Interesse daran haben dürfte, sich selbst zu vertreten“. Auch hat sie erkannt, dass es zuvor bereits aus anderen – nicht in der Sphäre des Klägers liegenden – Gründen zu Terminsverlegungen gekommen war, so dass sie dem Kläger gerade nicht die alleinige Schuld an der wiederholten Verlegung des Termins zugewiesen hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass wegen der Vertretung in eigener Sache die Frage nach der Notwendigkeit einer Vertreterbestellung nicht nur die Stellung des Prozessbevollmächtigten, sondern zugleich auch die der Partei berührt. Eine Partei hat grundsätzlich ein Recht, an der Verhandlung ihrer eigenen Angelegenheit teilzunehmen. Im Falle einer längerfristigen Erkrankung einer Partei bedarf es jedoch einer Abwägung der wechselseitigen Interessen (vgl. etwa Jaspersen, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), BeckOK ZPO, 27. Edition, Stand: 01.12.2017, § 227, Rdnr. 12.6). Die Ausführungen der abgelehnten Richter in dem Beschluss vom 4. Oktober 2017 machen deutlich, dass hier eine solche Abwägung stattgefunden hat. Auch insoweit kann daher von einer unsachlichen oder gar von Willkür geprägten Verfahrensweise der Richterin keine Rede sein.

2. Die Entscheidung über die Kosten hat ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem der Hauptsache (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 06.04.2006 – V ZB 194/05, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2007 – 14 W 46/07, juris) und war daher auf € 24.747,60 festzusetzen.

4. Es besteht keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 ZPO offensichtlich nicht vorliegen.

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