BGH, Beschluss vom 10.05.2017 – XII ZB 62/17
Sofern der Verstoß gegen ein befristetes Unterlassungsgebot nach § 1 GewSchG innerhalb der Verbotsfrist erfolgte, kann er auch nach Fristende noch durch Verhängung eines Ordnungsgelds geahndet werden.(Rn.13)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat vom 9. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: bis 500 €
Gründe
I.
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Die Antragstellerin beantragt die Festsetzung eines angemessenen Ordnungsgelds gegen den Antragsgegner wegen eines Verstoßes gegen ein Unterlassungsgebot nach § 1 GewSchG.
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Mit Beschluss vom 18. März 2016 untersagte das Amtsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung, mit der Antragstellerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Die Anordnung wurde bis zum 18. September 2016 befristet. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € und ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Gleichwohl übersandte der Antragsgegner der Antragstellerin Mitte Juli 2016 eine Postkarte beleidigenden Inhalts.
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Daraufhin hat die Antragstellerin am 17. Oktober 2016 die Festsetzung eines Ordnungsgelds beantragt. Das Amtsgericht hat gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld von 50 € festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ein höheres Ordnungsgeld anstrebte, hat das Oberlandesgericht wegen Ablaufs der Befristung des Unterlassungsgebots zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Festsetzung eines angemessenen Ordnungsgelds weiter.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG, 890, 891, 793, 567 ff., 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dass die angefochtene Entscheidung der Vollstreckung eines Beschlusses dient, der im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen ist, steht ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. September 2015 – XII ZB 635/14 – FamRZ 2015, 2147 Rn. 6 mwN).
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In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg.
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1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Amtsgericht hätte ein Ordnungsgeld nicht festsetzen dürfen. Voraussetzung jeder Zwangsvollstreckung – auch nach § 890 ZPO – sei das Vorliegen eines wirksamen Vollstreckungstitels, der den vollstreckbaren Anspruch des Gläubigers urkundlich ausweise. Vorliegend habe bei Einleitung der Zwangsvollstreckung aber kein vollstreckbarer Anspruch mehr bestanden, weil die Befristung der Unterlassungsanordnung zum Zeitpunkt des Vollstreckungsantrags bereits abgelaufen war. Dass der Verstoß innerhalb der Verbotsfrist erfolgt sei, sei nicht ausreichend. Zwar treffe es zu, dass dem Ordnungsmittel nach § 890 ZPO nicht nur Beugecharakter, sondern auch eine repressive strafähnliche Funktion zukomme. Dies könne indessen nicht rechtfertigen, gegen alle Grundsätze des Vollstreckungsrechts auf einen Vollstreckungstitel zu verzichten. Zudem werde in Fällen des Gewaltschutzes dem Bedürfnis nach strafrechtlicher Sanktion ohnehin gemäß § 4 GewSchG Rechnung getragen.
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2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG, 890 Abs. 1 ZPO ist wegen jeder Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot auf Antrag des Gläubigers Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anzuordnen.
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a) Ob zur Ahndung eines Verstoßes gegen ein befristetes Unterlassungsgebot nach dem Gewaltschutzgesetz ausreicht, dass der Verstoß innerhalb der Verbotsfrist erfolgt ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
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Teilweise wird vertreten, dass keine wirksame Grundlage mehr für eine Verhängung von Ordnungsmitteln bestehe, wenn der zugrunde liegende Unterlassungstitel befristet gewesen und die Zuwiderhandlung zwar noch vor Ablauf der Befristung begangen worden, die Befristung aber im Zeitpunkt der Vollstreckung bereits abgelaufen gewesen sei (OLG Celle FamRZ 2013, 1758 f.).
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Überwiegend wird aber allein der Zeitpunkt der Zuwiderhandlung als entscheidend für die Vollstreckung nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG, 890 Abs. 1 ZPO angesehen (OLG Karlsruhe NZFam 2015, 771; vgl. auch OLG Schleswig FamRZ 2007, 300; Palandt/Brudermüller BGB 76. Aufl. GewSchG Einleitung Rn. 9; Keidel/Giers FamFG 19. Aufl. § 95 Rn. 16a; so allgemein für die Vollstreckung nach § 890 ZPO auch OLG Düsseldorf InVo 2002, 69; OLG Stuttgart InVo 2001, 382; zum rückwirkenden Wegfall des Vollstreckungstitels vgl. OLG Nürnberg GRUR 1996, 79).
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b) Die zuletzt genannte Ansicht ist zutreffend.
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Ordnungsmittel nach § 890 ZPO haben neben ihrer Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahmen zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter (BVerfG NJW-RR 2007, 860; BVerfGE 84, 82 = NJW 1991, 3139; BVerfGE 20, 323 = NJW 1967, 195; BGH Beschluss vom 23. Oktober 2003 – I ZR 45/02 – NJW 2004, 506, 509; BGH Urteil vom 30. September 1993 – I ZR 54/91 – NJW 1994, 45, 46). Deshalb können sie auch dann noch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die zu vollstreckende Unterlassung wegen Fristablaufs nicht mehr geschuldet ist. Im Hinblick auf einen Sanktionscharakter hat der Senat entsprechend für die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 89 FamFG zur Vollstreckung einer Umgangsregelung bereits wiederholt entschieden, dass es rechtlich unbedenklich ist, wenn sowohl der Vollstreckungsantrag als auch die Festsetzungsentscheidung zu einem Zeitpunkt erfolgt sind, als die zu vollstreckende Unterlassung wegen Zeitablaufs nicht mehr geschuldet war (Senatsbeschlüsse vom 30. September 2015 – XII ZB 635/14 – FamRZ 2015, 2147 Rn. 32; vom 19. Februar 2014 – XII ZB 165/13 – FamRZ 2014, 732 Rn. 11 und vom 17. August 2011 – XII ZB 621/10 – FamRZ 2011, 1729 Rn. 14).
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Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts folgt aus § 4 GewSchG nichts Anderes. Ordnungsmittel nach § 890 ZPO sind keine Strafen, sondern Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zivil- oder familiengerichtlicher Entscheidungen. Dass Verstöße gegen Unterlassungsgebote nach § 4 GewSchG über die Möglichkeiten der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung hinaus mit Strafe bedroht sind, vermag daran nichts zu ändern (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2007, 300 zur Festsetzung von Ordnungsgeld nach Verhängung einer Kriminalstrafe).
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3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, nachdem bislang weder das Oberlandesgericht noch das Amtsgericht die erforderlichen Feststellungen zur Höhe des Ordnungsgelds getroffen haben. Für das weitere Verfahren weist der Senat indessen darauf hin, dass ein Ordnungsgeld von 50 € bei einem unstreitigen Bruttoverdienst von über 5.000 € monatlich ohne nähere Begründung ermessensfehlerhaft sein dürfte.