Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 14.03.2005 – 8 U 3212/04
1. Ein 10 3/4 Jahre alter, normal und altersgerecht entwickelter Bub besitzt die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit gemäß § 828 Abs. 2 BGB a.F. erforderliche Einsicht in die Gefährlichkeit eines Hantierens mit Feuerwerkskörpern.
2. Von einem fast 11-jährigen, der die grundsätzliche Gefährlichkeit von Feuerwerkskörpern kennt, muss erwartet werden, dass er einen solchen nur zündet, wenn andere Beteiligte in einer für sie ungefährlichen und damit ausreichenden Entfernung stehen.
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09. August 2004 abgeändert.
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin ein Schmerzensgeld von 5.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit zu bezahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und weitere immateriellen Schäden, die aus dem Vorfall vom 30.12. gegen Uhr in … in Höhe des Anwesens entstehen, zu bezahlen, soweit solche Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Berufung des Beklagten zu 1) werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 18 % und der Beklagte zu 1) 82 % zu tragen. Von den Gerichtskosten erster Instanz hat die Klägerin 59 % und der Beklagte zu 1) 41 % zu tragen. Der Beklagte zu 1) trägt 41 % der notwendigen Auslagen der Klägerin in erster Instanz. Die Klägerin trägt 59 % der notwendigen Auslagen des Beklagten zu 1) in erster Instanz und voll die notwendigen Auslagen der Beklagten zu 2) in erster Instanz.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.500,00 EUR (Berufung Kläger: 5.000,00 EUR; Berufung Beklagter zu 1): 3.500,00 EUR) festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin fordert vom Beklagten zu 1) und dessen Mutter, der Beklagten zu 2), Schmerzensgeld und die Feststellung der Eintrittspflicht für zukünftige Schäden aus unerlaubter Handlung bzw. wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.
Die Klägerin, der Beklagte zu 1) und die Zeugin A zündeten am 30.12. gegen Uhr auf der Straße in Höhe des Anwesens in Feuerwerkskörper. Der Beklagte zu 1) warf einen von der Zeugin erhaltenen Feuerwerkskörper, eine sog. „Biene“, nach dem Anzünden weg. Diese fiel in die Kapuze des Mantels der Klägerin, wodurch diese Verbrennungen am Hals und der linken Schulter sowie am linken Oberarm erlitt. Hierdurch entstanden bei der Klägerin irreversible Narben am Oberarm/Schulter. Die Behandlung der Verletzungsfolgen bei der Klägerin dauert an und muss auch noch längere Zeit fortgeführt werden.
Der Beklagte zu 1) war am Vorfallstag 10 3/4 Jahre alt.
Nach den Angaben der Klägerin warf der Beklagte zu 1) die „Biene“ auf diese. Die Klägerin und die Zeugin hätten zuvor den Beklagten zu 1) aufgefordert, die „Biene“ nicht an ihren Sternspeiern anzuzünden und wegzugehen. Der Beklagte zu 1) habe die intellektuellen Fähigkeiten die Gefahren zu erkennen besessen. Die Klägerin erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 EUR für angemessen.
Der Beklagte zu 1) trägt vor, dass er die „Biene“ mit einem Feuerzeug angezündet habe. Er sei erschrocken als Funken sprühten und warf, aufgrund eines reinen Reflexes, die „Biene“ in die Luft. Der Beklagte zu 1) habe den Feuerwerkskörper nicht in Richtung der Klägerin geworfen, sondern die „Biene“ begann, ob der konstruktionsbedingten Rotation sich in Richtung der Klägerin zu bewegen. Der Beklagte zu 1) hatte die Mädchen, als der Feuerwerkskörper begann Funken zu sprühen, sogar noch aufgefordert wegzugehen. Die Klägerin und die Zeugin seien aber nur jeweils 1 bis 1,5 Meter zurückgetreten. Nachdem die „Biene“ in den Mantel der Klägerin gefallen war, habe der Beklagte die Klägerin aufgefordert diesen auszuziehen, was diese jedoch abgelehnt habe.
§ 823 BGB liege nicht vor, da es bereits an einem tatbestandsmäßigen Handeln fehle. Bei 10-jährigen Kindern sei eine solche Reaktion schlicht als Reflex, als Ablauf eines autonomen Handlungsprogramms zu verstehen, das nicht mehr einem bewussten Willensbildungsprozess unterliege.
Ein Verschulden war beim Beklagten zu 1) nicht einmal im Ansatz erkennbar. Er habe sich vielmehr besonders umsichtig verhalten, als er beim in die Luft werfen des ihm bereits an den Fingern verbrannt habenden Feuerwerkspielzeugs noch den anderen Kindern zugerufen habe, sie sollen wegrennen.
Eine Ersatzpflicht nach § 829 BGB scheide aus, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Die Beklagte zu 2) hafte nicht, da eine Aufsichtspflichtverletzung nicht ersichtlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09.08.2004 verwiesen.
Das Erstgericht hat den Beklagten zu 1) zu einem Schmerzensgeld von 1.500,00 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Feststellung getroffen, dass der Beklagte zu 1) für zukünftige Schäden aus diesem Vorfall vom 30.12.2001 hafte. Die weitergehende Klage gegen den Beklagten zu 1), sowie die Klage gegen die Beklagte zu 2) wies das Landgericht ab.
Das Erstgericht ging davon aus, dass ein zielgerichteter Wurf dem Beklagten zu 1) nicht nachgewiesen werden könne, objektiv jedoch das Verhalten des Beklagten zu 1) fahrlässig gewesen sei. Dem Beklagten zu 1) habe nach Ansicht des Erstgerichts jedoch die erforderliche Einsicht gemäß § 828 Abs. 3 BGB gefehlt, weswegen keine Haftung nach § 823 BGB bestehe. Das Erstgericht hat letztlich gemäß § 829 BGB aus Billigkeitsgründen der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 EUR zugebilligt.
II.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung insoweit erhoben, als der Beklagte zu 1) lediglich zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 EUR verurteilt wurde. Mit der Berufung möchte die Klägerin gegen den Beklagten zu 1) ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR durchsetzen.
Der Beklagte zu 1) begehrt mit seiner Berufung die Aufhebung des Ersturteils und die vollständige Abweisung der Klage.
1. Der Vorfall ereignete sich am 30.12.2001, somit vor der Änderung des § 828 BGB durch das zweite Schadensänderungsgesetz. Gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB kommt vorliegend § 828 Abs. 2 BGB a. F. zur Anwendung.
2. Die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zum Schadensersatz ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1, 249, 253 BGB. Der Beklagte zu 1) kann sich nicht darauf berufen, für den der Klägerin zugefügten Schaden nicht verantwortlich zu sein (§ 828 Abs. 2 BGB a.F.).
Im Einzelnen:
Der 1991 geborene Beklagte zu 1) war am Vorfallstag, dem 30.12.2001, 10 3/4 Jahre alt.
Die Klägerin hatte in erster Instanz vorgetragen, dass der Beklagte zu 1) zum damaligen Zeitpunkt 11 Jahre alt und normal entwickelt war. Er habe aufgrund seiner normalen Entwicklung die intellektuelle Fähigkeit gehabt zu begreifen, dass das Hantieren mit Feuerwerkskörpern geeignet ist, Gefahren und Verletzungen bei Personen herbeizuführen. Beklagtenseits wurde dieses Vorbringen nicht bestritten. In erster Instanz trägt der Beklagte zu 1) insoweit vor, dass er bereits früher mit Feuerwerkskörpern selbst Umgang hatte und sich dabei stets korrekt verhielt. Er war darüber belehrt worden, dass man Feuerwerkskörper nie auf andere Personen etc. werfen darf und hat sich in dieser Hinsicht an die Anweisungen stets gehalten. Der Beklagte zu 1) war beim Umgang mit diesen Kinderfeuerwerkskörpern sehr umsichtig. Immer wieder war er, insbesondere auch von seiner Mutter, darauf hingewiesen worden, dass beim Zünden von Feuerwerkskörpern äußerste Sorgfalt und Vorsicht zu walten habe. Der Beklagte zu 1) ist ein normal altersgerecht entwickelter Bub, der auch als freundlicher Schüler bekannt ist, der insbesondere nie durch aggressives Verhalten etc. aufgefallen ist.
Nachdem die von der Klägerin behauptete Zurechnungsfähigkeit des Beklagten zu 1) nicht bestritten wurde, im Gegenteil, der Beklagte zu 1) zustimmend sogar als normal und als altersgerecht entwickelter Bub dargestellt wurde, ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) gemäß § 828 Abs. 2 BGB a. F. die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht, entgegen der Annahme des Landgerichts, hatte.
Vorliegend ist die Haftung des Beklagten zu 1) somit allein nach § 823 BGB zu beurteilen. Für eine Anwendung des § 829 BGB ist damit kein Raum.
3. Der Auffassung des Beklagten zu 1), dass bereits keine Handlung vorliege und damit eine Haftung aus § 823 BGB, die eine tatbestandsmäßige Handlung voraussetzt, ausscheide, kann nicht zugestimmt werden. In erster Instanz ließ der Beklagte zu 1) insoweit vortragen, dass bei 10-jährigen Kindern eine solche Reaktion schlicht als Reflex, als Ablauf eines autonomen Handlungsprozesses zu verstehen ist, der nicht mehr einem bewussten Willensbildungsprozess unterliegt. Unter Handlung in diesem Sinne sei nach der Rechtsprechung des BGH (BGH Z 39, 103 (106)) ein menschliches Tun zu verstehen, das der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegt und somit beherrschbar ist.
Die Klägerin trägt, so auch die ständige Rechtsprechung des BGH, u.a. in der vom Beklagten zitierten Entscheidung, BGH Z 39, 103, die Beweislast für das Vorliegen einer entsprechenden Handlung. Die Klägerin hat einen Geschehensablauf vorgetragen, der ein Handeln des Beklagten zu 1) grundsätzlich nahe legt. Der BGH führt in dieser Entscheidung aber auch aus (a.a.O., Seite 106): „Ob in einem gegebenen Falle ein willensabhängiges selbsttätiges Handeln vorliegt oder nicht, ist eine Frage tatrichterlicher Beweiswürdigung. Bei ihr sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für und gegen die Annahme des einen oder anderen sprechen und von den Parteien entsprechend ihrer von der Beweislast unterschiedenen Beibringungs- und Beweisführungslast angeführt und dargetan worden sind“.
Bereits auf Grund des vom Beklagten zu 1) selbst dargetanen Sachverhalts ist vorliegend unzweifelhaft von einer Handlung des Beklagten zu 1) – nicht von einem Wegwerfreflex – auszugehen, weswegen es auch diesbezüglich der Erholung des beantragten Sachverständigengutachtens nicht bedurfte. Es kann, unabhängig von der Tatsache, dass nicht nur Kinder sondern auch Erwachsene schreckhaft sein können, dahinstehen, ob bei 10-jährigen Kindern eine solche Reaktion schlicht als Reflex, als Ablauf eines autonomen Handlungsprogramms zu verstehen ist, das nicht mehr einem bewussten Willensbildungsprozess unterliegt; jedenfalls hat der Beklagte zu 1) objektiv eben so nicht gehandelt oder reagiert. Nach dem Vortrag des Beklagten zu 1) (Schriftsatz vom 19.04.2004, Bl. 15 d. A.) erschrak der Beklagte, als die „Biene“ nach dem Anzünden begann Funken zu sprühen, die den Beklagten zu 1) am Finger leicht verletzten, rief der Klägerin und der Zeugin A noch zu „geht weg“ und warf den Feuerwerkskörper aus Furcht einfach in die Luft. Gerade dieses Verhalten belegt aber eine willentlich gesteuerte Handlung und keinen „Reflex“. Der Beklagte zu 1) erkannte, als die „Biene“ Funken sprühte, eine Gefahr, sonst hätte er der Klägerin und der Zeugin nicht noch zugerufen „geht weg“. Bei ihm fand damit eine Risikoabwägung statt, er erkannte, dass es gefährlich werden könnte, da ansonsten der Zuruf „geht weg“ nicht zu erklären wäre. Der Beklagte zu 1) handelte damit nicht kopflos, das heißt ohne kontrolliertes Bewusstsein und Willenslenkung. Der Beklagte zu 1) handelte objektiv, was durch den zitierten Zuruf offenbar wurde, aufgrund einer durchaus kritischen Realitätsprüfung. Sollten die Funken, die ihn am Finger verletzten, daneben auch zu einem Schrecken beim Beklagten zu 1) geführt haben, so war dieser nicht bestimmend für das Handeln des Beklagten zu 1). Anderenfalls wäre er zu einem Warnhinweis nicht in der Lage gewesen. Der neben dem Erkennen einer Gefahr hinzutretende Schrecken hat möglicherweise ein gezielteres, die Klägerin nicht verletzendes Wegwerfen beeinflusst, führte aber nicht zu einer der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung nicht unterliegenden reinen Schreckreaktion.
Vorliegend geht somit der Senat ob des vom Beklagten zu 1) selbst vorgetragenen, äußeren Geschehensablaufs nicht von einem autonomen Handlungsablauf, sondern einem willentlich gesteuerten, wenn auch „fehlgesteuerten“ Handeln des Beklagten zu 1) aus, indem er die „Biene“ einfach nicht zielgerichtet, somit „schlecht“ wegwarf.
4. Wie das Erstgericht sieht der Senat den Nachweis für das von der Klägerin behauptete vorsätzliche Handeln des Beklagten zu 1) nicht für erbracht an. Die diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichts zur Wertung der Aussage der Zeugin A sind nicht zu beanstanden.
Wohl aber handelte der Beklagte zu 1) fahrlässig. Nach dem bereits zitierten Urteils des BGH vom 10.03.1970 (NJW 70, 1038, 1039) ist die Fahrlässigkeit nach objektiven und nicht nach personalen Merkmalen zu bestimmen.
Voraussetzung für ein fahrlässiges Handeln ist zuerst die Vorhersehbarkeit der Gefahr. Diese ist beim Umgang mit Feuerwerkskörpern allgemein gegeben. Hierbei muss jederzeit mit Unfällen im Zusammenhang mit dem Zünden von Feuerwerkskörpern gerechnet werden. Vorliegend ist sogar von einer Kenntnis der allgemeinen Gefährlichkeit auch des Beklagten zu 1) beim Umgang mit Feuerwerkskörpern auszugehen. Der Beklagte zu 1) lässt in erster Instanz selbst vortragen, dass er von seiner Mutter anlässlich der 1 und 2 Jahre zurückliegenden Silvesterfeiern bereits in den sachgerechten Umgang mit Feuerwerkskörpern eingewiesen worden war, er sich an die erteilten Weisungen hielt und im Übrigen normal entwickelt war. Der Beklagte zu 1) hat nach eigenem Vortrag in den beiden Jahren vor dem Vorfall nach Anweisung Feuerwerkskörper selbst entzünden dürfen und sich hierbei stets korrekt verhalten. Er war darüber belehrt worden, dass man Feuerwerkskörper nicht auf andere Personen etc. werfen darf und hat sich in dieser Hinsicht an die Anweisungen stets gehalten und war beim Umgang mit diesen Kinderfeuerwerkskörpern sehr umsichtig. Immer wieder war er insbesondere von seiner Mutter darauf hingewiesen worden, dass beim Zünden von Feuerwerkskörpern äußerste Sorgfalt und Vorsicht zu walten habe.
Dieses Vorbringen und das bereits dargelegte tatsächliche Verhalten des Beklagten zu 1), nämlich den Hinweis an die Klägerin und die Zeugin „wegzugehen“ zeigen, dass der Beklagte Kenntnis von der grundsätzlichen allgemeinen Gefährlichkeit von Feuerwerkskörpern hatte.
Der Eintritt des schädigenden Erfolges war für den Beklagten zu 1) auch vermeidbar. Hierbei wird nur ein sachgerechter Umgang mit der Gefahr verlangt. Von einem fast 11-jährigen, der die grundsätzliche Gefährlichkeit von Feuerwerkskörpern kannte, muss erwartet werden, dass er einen solchen nur zündet, wenn andere Beteiligte in einer für sie ungefährlichen und damit ausreichenden Entfernung stehen. Diese mindestens erforderlichen Sicherungsvorkehrungen waren somit auch vom Beklagten zu 1) zu erwarten. Bei Beachtung dieser Sorgfalt wäre eine Schädigung nicht nur allgemein objektiv sondern auch für den Beklagten zu 1) zu vermeiden gewesen.
Ein solches Verhalten war dem Beklagten zu 1) auch zumutbar.
Der Beklagte zu 1) hat damit die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, als er die Biene anzündete und wegwarf, obwohl er erkennen musste, dass die Klägerin und die Zeugin sich noch nicht genügend weit in Sicherheit gebracht hatten.
Der Beklagtenvertreter wiederholt in seiner Berufungsbegründungsschrift vom 13.10.2004 sein Vorbringen und sein Beweisangebot, dass der objektive Tatbestand der unerlaubten Handlung nicht gegeben sei, da bei einem 10-jährigen Kind eine solche Reaktion schlicht als Reflex, als Ablauf eines autonomen Handlungsprogramms zu verstehen, das nicht bei einem bewussten Willensbildungsprozess unterliegt, angesehen werden muss. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.02.2005 stellte der Beklagtenvertreter das Verschulden des Beklagten zu 1) nunmehr deswegen in Frage, weil letztlich mit dem Erkennen der Gefahr ein „autonomes Programm“ beim Beklagten zu 1) abgelaufen sei und bietet hierfür Sachverständigengutachten an.
Der Klägervertreter hat dieses Vorbringen in der Sitzung vom 21.02.2005 bestritten und als verspätet gerügt.
Es kann dahinstehen, ob dieses Vorbringen zum Verschulden mit entsprechendem Beweisangebot als neu und damit evtl. als verspätet anzusehen ist.
Nach den obigen Ausführungen zum Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Handlung ist eben von einem gesteuerten, das heißt bewussten Handeln auszugehen. Nachdem damit überhaupt keine unbewusste Handlung vorliegt, bedarf es einer Beweisaufnahme zu der Frage, ob bei einem 10-jährigen in einer solchen Situation ein nicht bewusster Willensbildungsprozess abläuft, nicht.
Es bleibt daher bei den obigen allgemeinen und tatsächlichen Feststellungen zur Fahrlässigkeit.
Ein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung im Sinne des § 827 BGB ist Beklagtenseits weder vorgetragen noch aus tatsächlichen Gründen vorliegend ersichtlich.
Der Beklagte haftet somit für die bei der Klägerin unstreitig aufgrund des Vorfalls am 30.12.2001 eingetretenen und nicht bestrittenen Schäden.
5. Im Hinblick auf die Tatsache, dass sich die Klägerin zu 1) seit dem 30.12.2001 bis heute in ärztlicher Behandlung wegen der verbliebenen Narben befindet, diese Behandlung auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird und künftig eine plastische Operation nicht ausgeschlossen werden kann, sowie aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Klägerin zu 1) um eine zwischenzeitliche 17-jährige junge Frau handelt, die psychisch durch die von ihr als „Entstellung“ empfundenen Narben belastet wird, hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 5.000,00 EUR für angemessen aber auch ausreichend.
Die Klägerin hat ihre Schmerzensgeldforderungen in zweiter Instanz von ursprünglich 15.000,00 EUR auf weitere 5.000,00 EUR, das heißt insgesamt 6.500,00 EUR reduziert. Ein über den nunmehr ausgeurteilten Anspruch von insgesamt 5.000,00 EUR hinausgehendes Schmerzensgeld erachtet der Senat indes für zu hoch. Die weitergehende Berufung der Klägerin zu 1) war insoweit zurückzuweisen.
6. Die geltend gemachten und weder in 1. noch in 2. Instanz dem Grunde und der Höhe nach bestrittenen Zinsen, waren gemäß §§ 286, 288 BGB zuzusprechen.
7. Mit der festgestellten Haftung des Beklagten zu 1) war auch dem Feststellungsbegehren der Klägerin stattzugehen. Insoweit darf auf die zutreffenden Gründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen werden.
8. Nachdem der Senat eine Haftung des Beklagten zu 1) gemäß § 823 BGB mit § 828 Abs. 2 BGB a. F. festgestellt hat, war die Berufung des Beklagten zu 1) insgesamt zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, die Entscheidung des Rechtsstreits beruht im Wesentlichen auf der Beurteilung des festgestellten tatsächlichen Geschehens, so wie dieses von den Parteien im Rechtsstreit vorgetragen wurde. Die Rechtssache hat somit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).