Zum Umfang der Aufklärungspflichten eines Hausmaklers hinsichtlich der Schadstoffbelastung eines Fertighauses

OLG Hamm, Urteil vom 18. Februar 2019 – I-18 U 99/17

1. Schadstoffbelastungen „eingekapselter“ Baustoffe, die sich nicht auf die Raumluft auswirken, sind grundsätzlich erst dann zu offenbaren, wenn der Maklerkunde Umbaumaßnahmen konkret thematisiert.(Rn.39)

2. Der Makler muss nicht allgemein über mögliche Schadstoffbelastungen eines Fertighauses aus der betreffenden Bauzeit aufklären.(Rn.45)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 1.6.2017 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für die Berufung: 11.000,00 EUR

Gründe
A.

1
Die Klägerin trat mit der L-Immobilien GmbH (im Folgenden: L GmbH) wegen des Erwerbs eines Wohnhauses in F, des von ihr später erworbenen und seither bewohnten Objekts, in Kontakt. Dabei handelt es sich um ein unterkellertes Fertighaus des Herstellers P aus dem Jahr 1971 oder 1972. Die L GmbH übersandte der Klägerin am 9.2.2009 Objektunterlagen. Am 16.2.2009 unterzeichnete die Klägerin ein ihr von der L GmbH vorgelegtes Formular „Objektnachweis mit Courtagevereinbarung und Auftrag für Notartermin“, in dem u.a. die Mitteilung enthalten war, dass „die Sparkasse .. das Maklergeschäft in Vertretung der M Immobilien GmbH in N“ (nunmehrige Beklagte) betreibe und in dem die Klägerin für den Fall eines Vertragsabschlusses die Bezahlung einer Courtage in Höhe von 3 % zzgl. Umsatzsteuer versprach. Es fand zumindest eine Besichtigung des Hauses statt, bei der die Klägerin mitteilte, Küche und Bad umbauen und Fenster sowie Haustüre erneuern zu wollen. Die Klägerin sprach ferner einen von ihr wahrgenommenen „muffigen“ Geruch an, worauf die Mitarbeiterin der L GmbH wahrheitsgemäß erklärte, das Gebäude sei zuvor von zwei älteren Leuten bewohnt worden. Die Klägerin erwarb das Hausgrundstück im Mai 2009 zum Preis von 110.000,00 EUR. Nach Abschluss des Kaufvertrags erhielt sie den Energieausweis. Im Jahr 2013 beabsichtigte die Klägerin eine Aufstockung des Hauses. Hinzugezogene Handwerker gaben ihr den Hinweis auf eine mögliche Asbestbelastung. Sie kontaktierte die Fa. V, die bei dem Ortstermin am 12.7.2013 einen „stark auffälligen Geruch“ wahrnahm, aber selbst keine Messungen oder Probeentnahmen veranlasste, sondern weitergehende Untersuchungen vorschlug. Unter dem 21.7.2013 verfasste die Klägerin ein Schreiben an die L-GmbH, in dem sie mitteilte, nunmehr festgestellt zu haben, dass ihr Haus „voller Giftstoffe stecke“. Sie beauftragte die Fa. D GmbH mit der Untersuchung des Hauses auf Schadstoffe; der schriftliche Untersuchungsbericht datiert vom 12.3.2014. Danach sind der Fensterkitt sowie die Fassadenbauteile asbesthaltig, Kaminrevisionsklappen und die Kellergeschossrippenheizung wurden als potentiell asbesthaltig bezeichnet. Demontage- und Sanierungsarbeiten seien gem. den einschlägigen Bestimmungen durchzuführen.

2
Die Klägerin leitete vor dem Landgericht Bonn gegen die L GmbH am 17.11.2014 zunächst ein selbstständiges Beweisverfahren ein, dessen Gegenstand u.a. auch die Frage nach der Höhe einer etwaigen Wertminderung unter Berücksichtigung vorgefundener Schadstoffbelastungen war. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. P, der seinerseits ein Ingenieurbüro O mit der Beantwortung einzelner Fragen aus dem Beweisbeschluss beauftragt hatte, erstellte sein Gutachten unter dem 1.6.2015; er gelangte zu einer Wertminderung in Höhe von 11.000,00 EUR. Mit ihrer am 25.8.2016 eingereichten Klage vor dem Landgericht Bonn (Az. 9 O 392/16) nahm die Klägerin die L GmbH auf Zahlung von 11.000,00 EUR in Anspruch. Sie verkündete der hiesigen Beklagten im Schriftsatz vom 30.11.2016, eingegangen beim Landgericht am 1.12.2016 und der Beklagten am 9.12.2016 zugestellt, den Streit. Die Klägerin nahm die Klage gegen die L GmbH mit Schriftsatz vom 19.1.2017 zurück, nachdem das Landgericht den Hinweis erteilt hatte, dass ein Maklervertrag nicht mit der L GmbH zustande gekommen sei und die Voraussetzungen des § 311 Abs. 3 BGB nicht vorlägen.

3
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagten sei die Schadstoffbelastung, wie sie sich aus der Untersuchung der Fa. D GmbH ergeben habe, bekannt gewesen. Auch sei es „in Fachkreisen“ hinlänglich bekannt, dass P-Häuser in den Jahren 1965 – 1980 „in der Regel mit gesundheitsschädlichen Baustoffen“ errichtet worden seien. Bereits aus der „Baubeschreibung“ des hier errichteten „Typs 79“ sei ersichtlich gewesen, dass Asbest verbaut worden sei. Das Haus sei damit für die vorgesehene Verwendung angesichts der zur Sprache gekommenen Umbauvorhaben und der von der L GmbH selbst geäußerten „Modernisierungsempfehlung“ zum Energieausweis nicht uneingeschränkt geeignet. Die Klägerin hat gemeint, es habe sich um einen aufklärungspflichtigen Mangel gehandelt. Außerdem habe es eine arglistige Täuschung dargestellt, dass die Mitarbeiterin der L GmbH bezüglich der Frage nach dem „muffigen“ Geruch eine zur Begründung dieser Wahrnehmung ungeeignete Erklärung (vorherige Nutzung durch ältere Leute) gleichsam ins Blaue hinein abgegeben habe.

4
Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

5
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, keine Aufklärungspflichten verletzt zu haben. Sie hat bestritten, dass sie selbst oder die L GmbH zum Zeitpunkt der Vermarktung des Objekts Kenntnis von der Schadstoffbelastung oder vom Einsatz asbesthaltiger Baustoffe bei der Errichtung des erworbenen Objekts gehabt habe; unzutreffend sei auch, dass es in Fachkreisen im Hinblick auf P-Häuser der in Rede stehenden Baujahre bzw. des entsprechenden Typs solche Kenntnis gebe. Die Beklagte hat ferner eine Asbestbelastung des Hauses überhaupt sowie die behauptete Schadenshöhe in Abrede gestellt; auch habe es keine Anhaltspunkte für eine solche Belastung gegeben. Sie hat gemeint, weder sie noch die L GmbH hätten wissen müssen, dass möglicherweise eine Asbestbelastung bestehe, wenn selbst Bausachverständige dies nicht ohne nähere Untersuchung feststellen könnten.

6
Die Beklagte hat sich ferner auf Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche berufen und gemeint, die Klägerin habe bereits in 2013 die zur gerichtlichen Verfolgung etwaiger Ansprüche erforderliche Kenntnis gehabt.

7
Die Klägerin hat gemeint, ihr Anspruch sei nicht verjährt; Kenntnis von der Schadstoffbelastung habe sie erst aufgrund des Berichts der Fa. D GmbH vom 12.3.2014 erhalten.

8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil etwaige Schadensersatzansprüche verjährt seien. Es führt aus, bereits mit dem Privat-Gutachten der Fa. V habe sie Kenntnis von der Verwendung von Asbest in der Fassade und von einem Zusammenhang zwischen ihren gesundheitlichen Problemen und den Schadstoffbelastungen erhalten. Die Streitverkündung habe keine Hemmung der Verjährung bewirkt, weil sie unzulässig gewesen sei.

9
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

10
Sie meint, die Streitverkündung sei durchaus zulässig gewesen, weil die Haftung der Beklagten für den Fall in Betracht gekommen sei, dass die L GmbH mit ihrem Bestreiten eigener Passivlegitimation obsiegt hätte. Hemmung sei daher vom 30.11.2016 bis zum 19.1.2017 eingetreten. Fehlerhaft sei auch die Auffassung des Landgerichts, sie habe bereits im Jahr 2013 Kenntnis von der Schadstoffbelastung erhalten. Die UMWELTAMUBLANZ habe keine Messungen durchgeführt. Erst im Bericht der Fa. D Bauteile seien asbesthaltige Bauteile (der „Dringlichkeitsklasse III“) identifiziert worden. Ohne diese Kenntnis hätte eine Klageerhebung nicht mit hinreichender Aussicht auf Erfolg erhoben werden können.

11
Die Klägerin beantragt,

12
abändernd die Beklagten zu verurteilen, an sie

13
1. 11.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.2.2017,

14
2. 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit

15
zu zahlen.

16
Die Beklagte beantragt,

17
die Berufung zurückzuweisen.

18
Sie bekräftigt ihre Auffassung, wonach die Klägerin bereits im Jahr 2013 die erforderliche Kenntnis von einer etwaigen Schadstoffbelastung gehabt habe, um eine Klage zu erheben. Es sei im Frühjahr 2009 auch mitnichten „in Fachkreisen“ bekannt gewesen sei, dass das Objekt in einem solchen Maß schadstoffbelastet gewesen sei, das den offenbarten Umbaumaßnahmen entgegengestanden oder sie erheblich verteuert oder das den Wert des Objekts gegenüber dem seinerzeit gezahlten Preis erheblich herabgesetzt hätte. Selbst in dem Fall, dass der Wert 11.000,00 EUR geringer gewesen wäre, sei dies kein offenbarungspflichtiger Umstand gewesen.

19
Die Beklagte meint ferner, es sei zu bedenken, dass diejenige Mitarbeiterin der L GmbH, die als Architektin den Energieausweis und die nach § 20 EnEV vorgesehenen „Modernisierungsempfehlungen zum Energieausweis“ erstellt habe, an der Maklertätigkeit gegenüber der Klägerin nicht beteiligt gewesen sei; der Energieausweis sei im Übrigen der Klägerin, wie unstreitig blieb, auch erst nach Abschluss des Kaufvertrags zugeleitet worden.

20
Ferner lasse sich ein etwaiger Vertrauensschaden nicht dem Betrag gleichstellen, den der Sachverständige Dipl.-Ing. P im selbstständigen Beweisverfahren ermittelt habe, denn er habe dabei nicht auf den – maßgeblichen – Zeitpunkt des Erwerbs abgestellt.

21
Der Senat hat ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Messung und Bewertung von Schadstoffen in Innenräumen Prof. Dr. X zu den Fragen eingeholt, welche Kenntnisse zu Beginn des Jahres 2009 bei Architekten, Bauingenieuren und vergleichbaren Berufsgruppen über Schadstoffbelastungen bzw. den Verdacht solcher beim Fertighaustyp 79 (Baujahr 1971 oder 1972) des Herstellers P bestanden und ob sich diese Kenntnisse darin erschöpften, was allgemein für Fertighäuser dieser Baujahre gilt.

22
Die Parteien haben zu dem unter dem 30.10.2018 erstellten schriftlichen Gutachten Stellung genommen. Die Klägerin sieht sich in ihrer Auffassung, die Beklagte habe den Aufklärungspflichten als Maklerin ihr gegenüber nicht genügt, bestätigt.

23
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

B.

24
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

25
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Klägerin kann nur eine Pflichtverletzung der Beklagten aus dem Maklervertrag sein (§§ 280 Abs. 1, 652 Abs. 1 BGB).

26
Derartige Ansprüche wären, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, nicht verjährt. Vielmehr hat die Streitverkündung (gegenüber der jetzigen Klägerin) im Verfahren vor dem Landgericht Bonn zu einer am 1.12.2016 beginnenden und erst 6 Monate nach (dortiger) Klagerücknahme (§ 204 Abs. 2 BGB) endenden Hemmung geführt. Die Klagerücknahme wurde bereits am 19.1.2017 erklärt; die Einreichung der Klage im vorliegenden Verfahren erfolgte am 8.2.2017. Die Streitverkündung war auch zulässig, weil die gegenüber der jetzigen Beklagten verfolgten Ansprüche im Verhältnis zu den im Verfahren vor dem Landgericht Bonn verfolgten vertraglichen Schadensersatzansprüchen gegenüber der L GmbH im Verhältnis der Alternativität standen, denn sie konnten nur entweder gegenüber der L GmbH oder der Beklagten existieren.

27
Es bestehen aber keine Schadensersatzansprüche, weil es an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehlt.

I.

28
Dass ein Maklervertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommen ist, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt und ergibt sich aus dem „Objektnachweis“.

II.

29
Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist nicht feststellbar.

1.

30
Eine Pflichtverletzung in Gestalt einer Täuschung durch eine Mitarbeiterin der Maklerin liegt nicht vor.

31
Zwar stellt es auch im Rahmen eines Maklervertrags eine Pflichtverletzung dar, wenn der Makler den Kunden durch die Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen täuscht. Eine solche Täuschung wirft die Klägerin der Beklagten vor, die darin bestanden habe, dass die Mitarbeiterin der L GmbH bzw. der Beklagten bei der Besichtigung des Hauses auf ihre, der Klägerin, Frage nach dem „muffigen“ Geruch erklärt habe, das Haus habe längere Zeit leer gestanden und sei von zwei älteren Leuten bewohnt worden. Damit habe die Beklagte ins Blaue hinein eine unrichtige Erklärung der Geruchsbelastung gegeben.

32
Dieses Verhalten begründet indes weder eine arglistige noch auch nur eine fahrlässige Täuschung (zur fahrlässigen Täuschung Münchener Kommentar BGB/Emmerich, 8. Aufl., § 311 Rn. 77) seitens der Beklagten.

33
Denn es steht bereits nicht fest, dass die Aussage der Mitarbeiterin der Beklagten objektiv unrichtig war. Die Ursache des „muffigen“ Geruchs Anfang 2009 ist nicht mehr feststellbar. Selbst das allerdings erst geraume Zeit später erstellte Gutachten der D GmbH gelangte zu dem Ergebnis, dass jedenfalls bezüglich der untersuchten Aldehyde/Ketone und Holzschutzmittel keine relevanten Ausdünstungen in die Raumluft feststellbar waren. Nicht auszuschließen ist deshalb, dass der „muffige Geruch“ tatsächlich nicht durch (potentiell) schädliche chemische Ausdünstungen zustande gekommen, sondern allein durch unzureichendes Lüften während des Leerstands des Objekts, ggf. im Zusammenhang mit bestimmten Lebensgewohnheiten der Vorbewohner, zu erklären war.

34
Des Weiteren durfte die Klägerin in der konkreten Besichtigungssituation auch nicht davon ausgehen, dass die Mitarbeiterin der Beklagten eine „belastbare“ Begründung für den wahrgenommenen Geruch im Sinne einer überprüfbaren Tatsache geben wollte. Vielmehr handelte es sich bei dieser offensichtlich aus dem Stehgreif erfolgten Antwort nur um eine subjektive Einschätzung im Sinne eines Erklärungsversuchs.

2.

35
Der Beklagten fällt auch keine Pflichtwidrigkeit durch das Unterlassen einer Aufklärung der Klägerin über etwaige Schadstoffbelastungen des Kaufobjekts zur Last.

a)

36
Den Nachweis- und Vermittlungsmakler können Aufklärungspflichten hinsichtlich des vermittelten Objekts treffen. Der Bundesgerichtshof hat die insoweit geltenden Grundsätze wie folgt umrissen:

37
Der Makler steht zu seinem Auftraggeber als dessen Interessenvertreter in einem besonderen Treueverhältnis, aus dem sich für ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben bestimmte Nebenpflichten ergeben. Eine sachgemäße Interessenwahrnehmung gebietet regelmäßig, den Auftraggeber nicht nur über das aufzuklären, was unerlässlich ist, damit dieser vor Schaden bewahrt wird, sondern auch über alle dem Makler bekannten Umstände, die für die Entschließung des Auftraggebers von Bedeutung sein können. Wie weit die Unterrichtungspflicht im Einzelnen zu ziehen ist, hängt von den Umständen des konkreten Falls ab und ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu bestimmen. Den Makler trifft hingegen keine Erkundigungs- oder Nachprüfungspflicht (BGH, Urt. vom 28.9.2000, Az. III ZR 43/99, NJW 2000, S. 3362; Urt. vom 12.07.2018, Az. I ZR 152/17; s.a. Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, 7. Aufl., Rn. 346). Eine Hinweispflicht setzt im Übrigen stets voraus, dass die Bedeutung, die der fragliche Umstand für den Entschluss des Auftraggebers hat, dem Makler erkennbar ist, und dass der Auftraggeber gerade hinsichtlich dieses Umstandes offenbar belehrungsbedürftig ist (BGH, Urt. vom 8.7.1981, Az. IVa ZR 244/80, NJW 1981, 2685; OLG Frankfurt, Beschl. vom 1.8.2005, Az. 19 W 26/05).

38
Nach diesen Grundsätzen stellen etwaige tatsächliche, durch Ausdünstungen von Bauteilen (immer wieder neu) entstehende Schadstoffbelastungen des Raumklimas eines Wohnzwecken dienenden Kaufobjekts, die gesundheitsgefährdend sind, einen mitzuteilenden Umstand dar. Entsprechendes gilt auch dann, wenn lediglich der begründete Verdacht solcher Belastungen besteht (für den Verdacht der „Trocken- und Nassfäule“ Hamm/Schwerdtner, a.a.O., Rn. 341, Münchener Komm. BGB/Roth § 652 Rn. 262, OLG Celle MDR 1971, 392). Denn die Belastung des Raumklimas eines Wohnhauses mit solchen Schadstoffen ist ein für den Käufer bedeutsamer Umstand, weil er die Nutzung ggf. stark einschränkt bzw. sogar unmöglich macht und dessen Beseitigung mit erheblichen Kosten verbunden sein kann. Das gilt auch bereits für den begründeten Verdacht solcher Belastungen.

39
Die bloße Schadstoffbelastung von Baumaterialien selbst (namentlich durch die Verwendung von Asbest), die sich wegen ihrer „Einkapselung“ nicht auf die Raumluft auswirken und erst bei Umbaumaßnahmen relevant werden, sind hingegen erst dann grundsätzlich zu offenbaren, wenn solche Umbaumaßnahmen vom Maklerkunden konkret thematisiert werden.

b)

40
Gleichwohl stellt es im vorliegenden Fall keine Pflichtverletzung dar, wenn die Beklagte die Klägerin über die Schadstoffbelastung (der Raumluft) des erworbenen Objekts oder über den Verdacht einer solchen Belastung nicht informierte. Es fehlt an der für eine Pflichtverletzung erforderlichen Kenntnis und auch an einer zumindest fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten über offenbarungspflichtige Umstände und ferner an einem der Beklagten erkennbaren Informationsbedürfnis der Klägerin. Im Einzelnen:

aa)

41
Eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten wäre zum einen dann anzunehmen, wenn sie in Bezug auf das konkrete Objekt offenbarungspflichtige Umstände im vorgenannten Sinn kannte oder jedenfalls hätte kennen müssen.

42
Das wäre namentlich dann der Fall, wenn das von der Klägerin erworbene Fertighaus des Typs P 79 besonders hohe oder intensive Raumluftbelastungen aufwies und dies der Beklagten bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.

43
Kenntnis einer besonderen Belastung von P-Häusern der betreffenden Baujahre hat die Beklagte in Abrede gestellt; die für den Tatbestand einer Pflichtverletzung beweispflichtige Klägerin hat keinen Beweis angeboten.

44
Nicht feststellbar ist ferner, dass die Beklagte solche Kenntnis hätte haben müssen. Denn aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X ergibt sich, dass dieser Haustyp lediglich als „typischer Vertreter“ von Fertighäusern der betreffenden Altersklasse anzusehen ist. Soweit der Sachverständige die für den Hersteller spezifische Verwendung von Röhrenspanplatten mit einer höheren Ausdünstung von Formaldehyd erwähnt, führt dies nicht dazu, solche Häuser als „stärker belastet“ ansehen zu müssen. Dem steht entgegen, dass das konkrete Ausmaß der Verwendung solcher Röhrenspanplatten in den einzelnen Häusern unbekannt war. Abgesehen davon handelt es sich, was die (damalige) Verwendung solcher Platten angeht, erkennbar um Spezialwissen.

bb)

45
Zum anderen fällt der Beklagten auch keine Pflichtverletzung im Hinblick darauf zur Last, dass sie die Klägerin nicht allgemein über die möglichen Schadstoffbelastungen eines Fertighauses aus der betreffenden Bauzeit aufklärte.

46
Die Beklagte müsste dann im Frühjahr 2009 Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis darüber gehabt haben, dass das betreffende Objekt – aufgrund seiner Eigenschaft als Fertighaus aus den 70er Jahren – zumindest dem begründeten Verdacht der Ausdünstung von Schadstoffen in die Raumluft ausgesetzt war.

(1)

47
Diesbezügliche Kenntnis der Beklagten ist nicht feststellbar. Die insoweit beweisbelastete Klägerin hat auf einen Hinweis des Senats hin keinen Beweis für eine solche Kenntnis anzubieten vermocht.

(2)

48
Es ist aber auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte bestimmte Kenntnisse in Bezug auf die (Raumluft-)Belastung von Fertighäusern des betreffenden Alters haben musste.

49
Wie die Ausführungen des Sachverständigen zeigen, waren zwar Architekten, Bauingenieure und „vergleichbare Berufsgruppen“ zu Beginn des Jahres 2009 über die Verwendung bestimmter Stoffe bei Fertighäusern der betreffenden Altersklasse und deren möglicherweise schädliche Auswirkungen informiert bzw. hätten darüber informiert sein können. So bejaht der Sachverständige etwa die Kenntnismöglichkeit für Aldehyd und die daraus folgenden Probleme, doch erläutert er zugleich, dass es sich dabei nicht um ein Spezifikum der Fertighäuser handelt. Der Sachverständige attestiert den genannten Berufsgruppen ferner Kenntnismöglichkeit bezüglich der PCP- und Lindan-Verwendung bei tragenden Holzkonstruktionen der betreffenden Bauzeit und möglicher Ausdünstungen. Entsprechendes gilt nach seinen Ausführungen für Asbest und KMF (künstliche Mineralfasern), doch ergebe sich bei intaktem Zustand des Materials und ordnungsgemäßem Einbau kein generelles Sanierungsgebot (Asbest) bzw. auch nur eine Belastung der Raumluft (KMF).

50
Bei dieser differenziert zu betrachtenden etwaigen Schadstoffbelastung älterer Fertighäuser, die mithin maßgeblich vom konkreten Zustand der Bausubstanz und der Bauausführung im Einzelfall abhängt, fällt es bereits schwer, auch nur Architekten oder Bauingenieure als zum Erwerb eines bestimmten allgemeinen Kenntnisstandes bezüglich potentieller Schadstoffausdünstungen in Fertighäusern verpflichtet anzusehen.

51
Unabhängig davon ist die Beklagte als Maklerin jedenfalls den Angehörigen dieser Berufsgruppen nicht gleichzustellen. Mit dem gesetzlichen Leitbild des (Immobilien-)Maklers, der seinem Kunden noch nicht einmal zu einer bestimmten Tätigkeit verpflichtet ist, sondern sein Entgelt mit einer (bloßen) Nachweis- oder Vermittlungsleistung verdient, ist es unvereinbar, ihm Wahrnehmungs- bzw. Informationsobliegenheiten aufzuerlegen, wie sie solche Berufsgruppen treffen, die mit der Errichtung oder der Sanierung von Bauwerken befasst sind. Was den Verdacht von Schadstoffbelastungen bei Fertighäusern angeht, so handelt es sich überdies, wie bereits erwähnt, um eine Thematik, die nicht nur von der Errichtungszeit des Hauses, sondern maßgeblich von der objektspezifischen Verwendung bzw. Verarbeitung der Materialien abhängt.

52
Die Gleichstellung mit den genannten Fachkreisen ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil die Beklagte (zumindest) eine Architektin beschäftigte, die bezüglich des von der Klägerin erworbenen Objekts bereits im Jahr 2008 mit der Erstellung des Energieausweises befasst war. Denn dadurch wird der Umfang der Pflichten der Beklagten – hier in Bezug auf die Kenntnisnahme bestimmter Umstände bei Fertighäusern – nicht erweitert (die Frage der Zurechnung vorhandenen Wissens ihrer Architekten steht auf einem anderen Blatt – von einem solchen Wissen ist aber, wie dargelegt, im vorliegenden Fall nicht auszugehen).

(3)

53
Letztlich sind der Klägerin damit nur solche Kenntnisse über Schadstoffbelastungen von Fertighäusern (bzw. über den begründeten Verdacht solcher Belastungen) zuzurechnen, die im betreffenden Zeitraum allgemein bekannt bzw. zugänglich waren, also namentlich in (Tages-)Zeitungen, Rundfunk oder Fernsehen Erwähnung gefunden hatten. Insoweit besteht jedoch schon mangels eines sog. Aufklärungsdefizits des Maklerkunden keine Pflicht zur Unterrichtung, vielmehr darf der Makler grundsätzlich davon ausgehen, sein Kunde sei über mögliche Nachteile und etwaige Gefahren von Fertighäusern in allgemeiner Weise informiert. Denn eine Hinweispflicht setzt u.a. die Erkennbarkeit einer Belehrungsbedürftigkeit des Auftraggebers voraus (BGH, a.a.O., NJW 1981, S. 2685). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte etwaige Informationsdefizite über die allgemein bekannten (möglichen) „Nachteile“ von Fertighäusern bei der Klägerin erkennen konnte oder musste, sind nicht ersichtlich.

cc)

54
Schließlich lässt sich auch keine Pflichtverletzung der Beklagten daraus herleiten, dass sie die Klägerin nicht über mögliche Erschwernisse geplanter Umbauarbeiten infolge etwaiger Schadstoffbelastungen des Hauses informierte.

(1)

55
Die Beklagte hatte, wie dargelegt, keine Kenntnis in Bezug auf das konkrete Objekt.

56
Auch wenn sich aus einer – bezüglich ihres genauen Inhalts und ihres Autors unbekannten – „Baubeschreibung“ entnehmen ließ, dass die Fassadenbauteile asbesthaltig sind (so S. 3 des Untersuchungsberichts der V vom 15.7.2013; Anl. K4 in der Beiakte LG Bonn Az. 9 O 392/16), steht nicht fest, dass diese auch der Beklagten vorlag; die Klägerin selbst behauptet dies nicht (Berichterstatter-Vermerk vom 8.3.2018). Dass der Beklagten aus den sonstigen ihr vorliegenden Bauunterlagen eine solche Belastung auffallen musste, lässt sich ebenfalls nicht annehmen.

57
Im Übrigen gilt wiederum, dass die Beklagte bezüglich der konkreten Asbestverwendung nicht den genannten Fachkreisen gleichzustellen ist.

(2)

58
Soweit der Beklagten hingegen die allgemein zugänglichen Kenntnisse über Fertighäuser zuzurechnen sind, die ggf. auch die Kenntnis darüber beinhalten, dass schon geringfügige Eingriffe in die Bausubstanz besondere Vorkehrungen zum Schutz vor dem Austritt schädlicher Substanzen erforderlich machen, bestand mangels erkennbaren Informationsdefizits der Klägerin ihr gegenüber keine Aufklärungspflicht.

59
Im Übrigen waren auch die von der Klägerin anlässlich der Besichtigungen (angeblich) angesprochenen Umbau- bzw. Renovierungsvorhaben (Umbau von Küche und Bad, Austausch der Fenster und der Haustüre) nicht von einem solchen Umfang, dass sie eine Unkenntnis der Klägerin über damit verbundene (Mehr-)Belastungen bzw. gar eine Fehleinschätzung des gesamten Objekts – sozusagen als „problemlos renovierungs- und ausbaufähige Gebrauchtimmobilie“ – offenbart und deshalb eine Aufklärung über schadstoffbedingte Mehrkosten erfordert hätten.

C.

60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

61
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung verlangen eine Befassung des Bundesgerichtshofs nicht. Namentlich hat er die Fragen der Existenz und des Umfangs von Aufklärungspflichten eines Maklers bereits mehrfach ausgelotet.

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