OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.03.2016 – 6 W 19/16
Zwangsmittel in unzureichender Auskunftserteilung
1. Ein titulierter Auskunftsanspruch kann nach einer offensichtlich falschen oder unvollständigen Auskunft im Zwangsmittelverfahren gemäß § 888 ZPO durchgesetzt werden.
2. Eine erteilte Auskunft ist auch dann unvollständig, wenn der Schuldner zuvor nicht alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft (hier Nachforschungen bei anderen Unternehmen) oder zumindest die ihm aus dem Gedächtnis möglichen Angaben gemacht hat.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des gegen sie verhängten Zwangsmittels abwenden, indem sie den Verpflichtungen aus dem Urteilstenor vom 28.3.2012 nach Maßgabe der mit Urteil des Senats vom 28.11.2013 vorgenommenen Modifizierung binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung dieses Beschlusses nachkommt.
Beschwerdewert: 4.000,- €
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Vollstreckung einer Auskunftsverpflichtung wegen der Verletzung einer Marke.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Teilurteil vom 28.3.2012 verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Wort-/Bildmarke „A“ für die Dienstleistungen Schädlingsbekämpfung, Desinfektion und/oder Sonderreinigung auf ihren Geschäftspapieren, insbesondere auf Schreiben, Verträgen und Rechnungen, verwendet und welcher Umsatz damit erreicht wurde.
Der Senat hat mit Berufungsurteil vom 28.11.2013 die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in den Tenor des angefochtenen Urteils an Stelle des Wortes „damit“ die Worte „unter Verwendung der vorgenannten Marke für die vorgenannten Dienstleistungen“ eingefügt werden.
Der Kläger forderte die Beklagte zur Auskunftserteilung auf. Die Beklagte erteilte die aus den Schreiben vom 28.2.2014, 2.6.2015 und 8.9.2015 ersichtlichen Auskünfte (Bl. 172, 175, 183 d. A.). Das Landgericht hat auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 15.12.2015 gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000,00 € verhängt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 5.1.2016, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
Die Beklagte beantragt,
das mit dem Beschluss des Landgerichts vom 15.12.2015 festgesetzte Zwangsgeld aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagten keine vollständige Auskunft erteilt hat. Im Falle einer offensichtlich falschen oder unvollständigen Auskunft kann der titulierte Auskunftsanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 888 ZPO weiterverfolgt werden (vgl. Senat, Beschl. v. 25.7.2005 – 6 W 6/05; Beschl. v. 13.08.2009 – 6 W 176/08).
a) Die Auskunftspflicht bezog sich auf die Zeit bis zum 28.4.2015 (vgl. Senatsurteil S. 6). Die Beklagte hat mit den Schreiben vom 28.2.2014, 2.6.2015 und 8.9.2015 dargelegt, die Marke sei bis zum 18.3.2004 auf Geschäftspapieren verwendet worden. Die Marke habe sich auf Rechnungen und Arbeitsnachweisen befunden. Für die Zeit vor dem 11.2.2004 könne die Beklagte nicht auf Unterlagen zugreifen, weil ihr ab diesem Tag vom Kläger der Zugang zu den gemeinsamen Büroräumen verwehrt wurde. Umsätze mit den Firmen B, C und D seien teilweise direkt an den Kläger geflossen. Die Fa. F habe Rechnungsbeträge von insgesamt € 10.819,08 bezahlt, die nicht direkt an die Beklagte geflossen seien. Es seien Umsätze bis maximal € 70.000,00 aufgelaufen.
b) Diese Angaben sind nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist zwar, dass die Vorgänge, über die Auskunft zu erteilen ist, länger als zehn Jahre zurückliegen. Es ist nachvollziehbar, dass sich die Vorgänge nach so langer Zeit nicht mehr lückenlos aufklären lassen. Die Beklagte hat jedoch ihre Erkenntnismöglichkeiten ersichtlich nicht ausgeschöpft. Für die Zeit zwischen dem 11.2.2004 und dem 18.3.2004 hat die Beklagte bislang nicht eindeutig erklärt ob und gegebenenfalls welche Unterlagen noch vorhanden sind. Für die Zeit vor dem 11.2.2004 hat sie keine ausreichenden Nachforschungen angestellt. Die maßgeblichen Rechnungen wurden von Frau E erstellt. Der Senat hat bereits in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass die Beklagte Auskunft zumindest insoweit erteilen muss, als dies aus dem Gedächtnis ihrer Verantwortlichen noch möglich ist. Die Beklagte hat keinerlei Angaben zur ungefähren Anzahl der Rechnungen, der Rechnungsadressaten und zu den üblichen Rechnungsbeträgen gemacht. Sie hat lediglich dargelegt, Kunden mit Dauerverträgen seien seinerzeit C, G und F „sowie weitere unbedeutende Kunden mit einzelnen Maßnahmen“ gewesen. Sie hat nicht dargelegt, um welche konkreten weiteren Kunden es ging. Sie hat auch nicht dargelegt, dass deren Namen durchweg nicht mehr erinnerlich sind. Sofern die Beklagte keine Kenntnis mehr über die Anzahl der an Kunden geschickten Rechnungen und Arbeitsnachweise und über die Rechnungsbeträge bzw. deren Bezahlung hat, muss sie die aus dem Gedächtnis rekonstruierbaren Kunden anschreiben und um Mithilfe bitten. Dem Schuldner ist es zumutbar, die notwendigen Daten notfalls durch Nachfrage bei Lieferanten und Abnehmern zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2006, 504, 506 [BGH 23.02.2006 – I ZR 27/03] – Parfumtestverkäufe). Soweit die Beklagte in der Beschwerdeschrift andeutet, sie habe Dritte kontaktiert, muss sie diese benennen und den Schriftverkehr vorlegen.
2. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagten die angebliche Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftstitels nicht ausreichend dargelegt haben. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 1. b) Bezug genommen werden. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ein Schaden ließe sich ohnehin nicht errechnen bzw. dem Schadensersatzanspruch aus bestimmten Geschäftsvorfällen stünden Einwände entgegen. Dies kann erst nach der Auskunftserteilung beurteilt werden. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Unternehmen der Beklagten in dem maßgeblichen Zeitraum Verluste erwirtschaftet hat.
3. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich auf den Rechtsmissbrauchseinwand. Insoweit macht sie geltend, der Kläger habe über die damaligen Vorgänge selbst bessere Erkenntnismöglichkeiten, da er noch über Unterlagen verfüge. Außerdem sei der Kläger dafür verantwortlich, dass die Beklagte über die notwendigen Unterlagen nicht mehr verfüge. Diese streitigen Behauptungen waren bereits Gegenstand des Erkenntnisverfahrens. Der Auskunftsschuldner kann sich im Vollstreckungsverfahren nicht erneut auf Einwendungen berufen, mit denen er im Erkenntnisverfahren nicht durchgedrungen ist (Senat, Beschl. v. 13.08.2009 – 6 W 176/08).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 S. 2, 97 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.