OLG Frankfurt, Urteil vom 08.09.2011 – 16 U 43/11
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftverkehrsunternehmens, die vorsieht, dass die Reise bei Nichtvorlage der Kredit- oder Debitkarte, mit der das Ticket bezahlt wurde, nicht angetreten werden kann, der Reisende vielmehr nur dann befördert wird, wenn er ein neues Ticket vor Ort erwirbt, ist wegen Verstoßes gegen § 308 Ziffer 3 BGB unwirksam.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2011, Az. 2 – 24 O 142/10, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 5.309,30 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung einer AGB – Klausel, wonach die Flugreise bei Nichtvorlage der Kredit- bzw. Debitkarte, mit der das Ticket bezahlt wurde, mit diesem Flugschein nicht angetreten werden kann und wonach in diesem Fall ausschließlich der Kauf eines neuen Tickets gegen Bargeld oder Vorlage einer anderen Karte vor Ort möglich ist. Zudem begehrt der Kläger die Erstattung von Abmahnkosten und macht aus abgetretenem Recht einer Kundin der Beklagten, Frau A, Schadensersatzansprüche aufgrund der Verweigerung der Beförderung wegen fehlender Vorlage der Karte geltend.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 163 bis 166 d.A.) Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klausel sei gemäß §§ 307, 308 Nr. 3 BGB unwirksam, da sie von dem gesetzlichen Leitbild der §§ 323 f., 326 Abs. 4, 346 BGB und der EU-FlugVO abweiche; die Beklagte behielte sich bei verbraucherfeindlicher Auslegung ein Rücktrittsrecht gegenüber einem redlichen Verbraucher auch bei unverschuldeter Verletzung einer Nebenpflicht ohne vorherige Abmahnung vor. Es handele sich um eine unangemessene Benachteiligung.
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Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 166 bis 168 d.A.) wird verwiesen.
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Gegen dieses ihr am 10. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 10. März 2011 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Mai 2011 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
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Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung die Annahme des Landgerichts, dass es sich bei der Klausel um ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht handele. Vielmehr gehe es darum, dass die Beklagte den Vertrag nur mit Personen schließen wolle, welche bei Aufforderung in der Lage seien, die Karte vorzulegen. Es handele sich um die die Wirksamkeit des Vertrags auflösende Bedingung, dass der Kunde die Möglichkeit und Bereitschaft zur Kartenvorlage erklärt. Die Beklagte verpflichte sich zur Dienstleistung (Ausführung der Beförderung) nur unter der Bedingung, dass der Kunde bereit sei, die Kreditkarte vorzuzeigen, wenn er danach gefragt werde. Gemeint sei keine Rechtsbedingung, sondern eine Wollensbedingung.
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Es bestünde auch ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Regelung. Die Beklagte habe in erheblichem Maße mit der Missbrauchsgefahr durch Kreditkartenbetrug zu kämpfen. Sie behielte sich die Prüfung der Kreditkarte vor, um sich selbst und die Kunden zu schützen. Zudem übertrage der Kartenemittent regelmäßig seine Sorgfaltspflichten auf die Vertragsunternehmen, die mit dem Kunden und der Zahlung direkt in Berührung kämen. In Ausübung der Authentifizierungsverpflichtung handelten die Vertragsunternehmen insofern als Erfüllungsgehilfen des Kartenemittenten, der das Vertragsunternehmen in Regress nehmen könne. Das OLG Frankfurt habe sogar entschieden, dass das Missbrauchsrisiko dem Vertragsunternehmen aufgebürdet werden könne. Die Beklagte komme ihren Sorgfaltspflichten dadurch nach, dass sie es für die Wirksamkeit des Beförderungsvertrags als entscheidend ansehe, dass der Passagier auch in der Lage sein müsse, die Ordnungsgemäßheit seiner Buchung und Zahlung mit der Kreditkarte zu verifizieren.
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Die Kundin A hätte die alte entwertete Karte mit vorzeigen können, um die Ordnungsgemäßheit der Transaktion zu belegen.
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Da ein Unterlassungsanspruch nicht bestünde, sie auch die Zahlungsklage nicht begründet.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angegriffenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Gegen die Argumentation der Beklagten spreche, dass der Vertrag zwischen der Beklagten und dem Verbraucher durch entsprechende Willenserklärungen – Buchung und Buchungsbestätigung – zustande komme. Die Beklagte habe keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass im Rahmen der zu berücksichtigenden Erklärungen irgendeine Bedingung eine Rolle spiele. Die vorliegende Klausel beziehe sich allein auf das Austauschverhältnis, nämlich die Frage, ob der Verbraucher die vereinbarte Leistung in Anspruch nehmen könne. Die Regelung enthalte auch keine Aussagen über eine Erstattung des Flugpreises, wenn mangels Kreditkartenvorlage der Vertrag entfiele. Die Regelung sei als Leistungsverweigerungsrecht zu werten, das zur Unmöglichkeit führe, so dass faktisch von einem Rücktrittsrecht gesprochen werden müsse.
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Die Beklagte sei keineswegs als Geschädigte im Missbrauchsfall zu betrachten; vielmehr ginge ein Schaden zu Lasten des Kartenunternehmens. Die Beklagte sei die einzige international tätige …gesellschaft, die eine entsprechende Anforderung an die Verbraucher stelle. Sie habe auch keine Vereinbarung zwischen ihr und einem Kartenunternehmen vorgelegt, nach der sie zur Vorlage einer Kreditkarte vor Abflug verpflichtet sei.
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Im Fall der Kundin A habe diese eine Abrechnung des Kreditkartenkontos mitgeführt, so dass eindeutig gewesen sei, dass kein Kartenmissbrauch vorgelegen haben könne.
18
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Eine Rüge gegen die Annahme der internationalen Zuständigkeit sowie die Anwendung deutschen Rechts auf den auf § 1 UKlaG gestützten Unterlassungsanspruch und die Frage der Wirksamkeit der angegriffenen Klausel hat die Beklagte nicht erhoben; die Ausführungen des Landgerichts sind insoweit nicht zu beanstanden.
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Das Landgericht hat auch im Ergebnis zu Recht angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG zusteht. Die Beklagte verwendet nämlich in ihren AGB eine Klausel, die nach 308 Nr. 3 BGB unwirksam ist.
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Dabei kann offen bleiben, ob – wie die Beklagte meint – die Klausel eine den Beförderungsvertrag auflösende Bedingung beschreibt oder ob sie ein Rücktrittsrecht bzw. einen Kündigungsvorbehalt beinhaltet. § 308 Ziff. 3 BGB findet auf die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders Anwendung, sich – ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund – von seiner Leistungspflicht zu lösen. Unter ein solches „Lösungsrecht“ fallen nicht nur Rücktritts-, Kündigungs-, Widerrufs- und Anfechtungsrechte; vielmehr ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn die Klausel als auflösende Bedingung ausgestaltet ist oder sonst ein Wegfall der Leistungspflicht des Verwenders vorgesehen ist (Palandt/Grüneberg, 70. A., § 308 BGB Rn. 16). Hier sieht die angegriffene Klausel einen Wegfall der Leistungspflicht des Verwenders vor, wenn die Kreditkarte, mit der das Flugticket bezahlt wurde, nicht vorgelegt wird.
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Dieses Lösungsrecht ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat keinen sachlichen Grund benannt, der es rechtfertigen würde, die Ausführung der Leistung durch Beförderung automatisch dann zu verweigern, wenn der Kunde die Kredit- oder Debitkarte nicht vorlegt, mit der er das Flugticket bezahlt hat.
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Die Beklagte führt als Grund die Missbrauchsgefahr durch Kreditkartenbetrug an. Ihr ist zuzugestehen, dass eine Vorlage der Karte beim Einchecken sinnvoll und geeignet ist, die Missbrauchsgefahr einzudämmen; insofern hat die Beklagte in erster Instanz zu Recht darauf hingewiesen, dass in anderen Bereichen ebenfalls die Vorlage der Karte – z.B. beim Abholen per Kreditkarte bezahlter Tickets – vorgesehen ist. Der Kläger wendet sich allerdings nicht gegen die grundsätzliche Vorlagepflicht, sondern gegen die in den AGB pauschal vorgesehene Konsequenz der Nichtbeförderung bei Nichtvorlage. Diese ist nicht sachlich gerechtfertigt. Dass die Beklagte selbst aufgrund Kreditkartenmissbrauchs finanzielle Nachteile erleiden würde, vermochte der Beklagtenvertreter auf entsprechende Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht zu bestätigen; er hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Gegenteiliges angedeutet, zu diesem – ohnehin verspäteten – Vortrag aber auch keine Einzelheiten benannt. Die Beklagte hat auch keinen Vertrag mit einem Kreditkartenunternehmen vorgelegt, nach dem sie verpflichtet wäre, sich die Kreditkarte vorlegen zu lassen und dem Kunden bei Nichtvorlage die Beförderung zu verweigern. Sofern sie ihren Sorgfaltsverpflichtungen gegenüber den Kreditkartenunternehmen nachkommen will, schließt dies nicht aus, sich den Nachweis der Berechtigung ggfls. auch auf andere Weise erbringen lassen; so hatte beispielsweise die Kundin A ihre Kreditkartenabrechnung mit dabei, die die Beklagte aber nicht akzeptierte. Die Beklagte kann insoweit nicht damit gehört werden, ein anderer Berechtigungsnachweis sei ihr im Massengeschäft nicht möglich. Da sie die Zahlung des Entgelts auf die Zahlungsmittel der Kreditkarte bzw. der Debitkarte beschränkt, muss sie auch dafür Sorge tragen, einen anderen Berechtigungsnachweis zu ermöglichen, wenn die Kreditkarte in unverschuldeter Weise nicht vorgelegt werden kann. Es ist jedoch unangemessen, das Risiko auf den Kunden abzuwälzen und diesem die Leistung zu verweigern, selbst wenn ihm die Vorlage der Kreditkarte ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist.
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Ergänzend ist mit dem Landgericht darauf hinzuweisen, dass die Leistungsverweigerung allein an die Verletzung einer Nebenpflicht anknüpft, die keinerlei Bezug zur Durchführung der Beförderungsleistung aufweist. Dies verstößt gegen den wesentlichen Grundgedanken des § 324 BGB. Hinzu kommt der gleichzeitige Verlust des bereits gezahlten Reisepreises, den der Kunde mit Kauf eines neuen Tickets erneut entrichten muss; dies läuft den gesetzlichen Regelungen des § 346 BGB bzw. des § 812 BGB zuwider.
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Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bedenken gegen den Tenor des landgerichtlichen Urteils mit seiner Bezugnahme auf Verbraucher, die „ihren Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben“, geäußert hat, weist der Senat darauf hin, dass diese Tenorierung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 29. April 2010, Xa ZR 5/09 = NJW 2010, 1958).
27
Da die beanstandete Klausel unwirksam ist, hat das Landgericht mit zutreffender Begründung auch der Zahlungsklage stattgegeben.
28
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
III.
29
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Ziff. 10, 713 ZPO, § 26 Ziff. 8 EGZPO.
30
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
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Der Streitwert berechnet sich wie in erster Instanz aus zwei Klauseln á 2.500,- € zuzüglich zweier Zahlungsanträge.