LG Köln, Urteil vom 14. März 2019 – 2 O 209/18
Zur Verkehrssicherungspflicht in einem Freizeitpark (hier: Wasserbahn)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Beklagte betreibt den Freizeitpark Y in C. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung der Klägerin, die sie während einer Fahrt mit der Wasserbahn „X“ erlitt.
2
Die Klägerin besuchte den Freizeitpark am 19.09.2017 im Rahmen eines Betriebsausfluges ihres Arbeitgebers. Die Wasserbahn „X“ verfügt über einzelne runde Boote, die mit einem luftgefüllten Gummiring umgeben sind. Anschnallmöglichkeiten enthalten die Boote aufgrund von Vorgaben des TÜV nicht. Vor jedem der im Kreis angebrachten neun Sitze befindet sich ein Haltegriff. Zwischen jeweils drei Sitzen gibt es Lederpolster als Seitenbegrenzung. Auf der Strecke fahren die Boote u.a. zwei Steilhänge hinunter. Im Eingangsbereich, vor Betreten der Bahn und gegenüber der Einstiegstelle befinden sich jeweils Hinweisschilder. Aus diesen ergibt sich u.a., dass die Fahrt für Personen unter 1,40 m Körpergröße und Kinder unter 10 Jahren verboten ist. Ferner sind die Hinweise „Gut festhalten“ und „Achtung! Schnelle Richtungswechsel“ enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ausdruck der Hinweise, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten v. 15.01.2019, Bl. 32 d.A., Bezug genommen.
3
Die Klägerin und ihre Kolleginnen saßen gemeinsam in einem der Boote der Wasserbahn. Im Rahmen der Fahrt kam es aus zwischen den Parteien streitigen Umständen zu einem Zwischenfall, der vor Ort vom Sanitätsdienst aufgenommen wurde (Einzelheiten des Sanitätsberichts Anl. zur Klageerwiderung, Bl. 17 d.A.).
4
Ein technischer Defekt während der Fahrt der Klägerin wurde nicht festgestellt, es gab auch weder vor noch nach dem Unfall Funktionsstörungen der Bahn. Die Bahn wird regelmäßig überprüft und ist auch am Unfalltag überprüft worden. Die letzte Überprüfung durch den TÜV vor dem Vorfall erfolgte im März 2017. Wartungen und Prüfungen erfolgen in den vorgeschriebenen Abständen.
5
Die Klägerin behauptet, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten während der Fahrt festgehalten habe. Beim Hinabstürzen der Gondel und dem folgenden Aufprall auf das Wasser sei die Gondel aber derart außer Kontrolle geraten, dass ein Festhalten weder für sie noch ihre Kolleginnen möglich gewesen sei. Sie seien durch die starken und unkontrollierten Krafteinwirkungen „durcheinander geschmissen“ worden. Bei der Wasserbahn gebe es offensichtlich sehr selten vorkommende Konstellationen, bei denen es zu sehr starken unkontrollierbaren Krafteinwirkungen komme. Dies sei bei der Fahrt der Klägerin der Fall gewesen. Für den Fall dieser Krafteinwirkungen gebe es in der Gondel keine ausreichenden Sicherheits- und Festhaltevorrichtungen.
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Sie sei weder durch Personal noch durch offensichtliche und eindeutige schriftliche Hinweise auf die besonderen Gefahren des Fahrgeschäftes hingewiesen worden.
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Sie behauptet weiter, dass sie sich schwere Rippenprellungen und Prellungen der Brust sowie eine Rippenserienfraktur der sechsten und siebten Rippe mit Beeinträchtigung der Lunge zugezogen habe. Sie sei bis zum 17.11.2017 krankgeschrieben gewesen und leide bis heute an den Verletzungsfolgen. Sie sei in der verletzten Region äußerst berührungs- und schmerzempfindlich und könne nicht für längere Zeit einen BH tragen. Es bestehe weiterhin eine Neuralgie mit deutlichen Schmerzen. Es sei nicht absehbar, ob und wenn ja wann die Beschwerden abklingen würden. Die Verletzung sei besonders schmerzhaft gewesen. Sie habe sich zunächst gar nicht und dann nur mit Schmerzen um den Haushalt sowie ihr Kind im Grundschulalter kümmern können. Ihre geplante Geburtstagsfeier am 22.09.2017 habe nicht stattfinden können und sie habe praktisch keine Hilfe bei dem Ende November 2017 erfolgten Umzug der Familie leisten können. Sie ist der Ansicht, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 9.000,00 EUR angemessen sei.
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Sie ist weiter der Ansicht, dass die Beklagte gegen Verkehrssicherungspflichten verstoßen habe, in dem sie ein gefährliches und verletzungsträchtiges Fahrgeschäft betreibe, ohne die Benutzer auf die Gefahren und Möglichkeiten zur Vermeidung der Gefahren hinzuweisen. Aus Eintragungen aus dem Portal „Y-freunde“ ergebe sich, dass sich auch weitere Personen auf der Wasserbahn verletzt haben (Einzelheiten Anlagen zum Schriftsatz v. 31.01.2019, Bl. 46 ff. d.A.).
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld für den erlittenen Verlust an Lebensqualität zu zahlen;
11
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von der außergerichtlichen Geschäftsgebühr i.H.v. 808,03 EUR gem. Gebührennote gegenüber Herrn Rechtsanwalt O freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreitet die von der Klägerin behaupteten Verletzungen und die daraus resultierenden Folgen mit Nichtwissen.
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Sie behauptet, dass Passagieren, die sich mit beiden Händen an den Sicherheitsbügeln festhalten, nichts passieren könne. Sowohl das Abbremsen nach dem Herunterfahren der beiden Steilhänge als auch das Anstoßen an den Rand in einer Rechtskurve seien vorhersehbar.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
17
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch nicht zu.
18
Der Anspruch folgt zunächst nicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag über die Nutzung des von der Beklagten betriebenen Freizeitparks und der dort befindlichen Fahrgeschäfte.
19
Die allein als Vertragsverletzung in Betracht kommende Verletzung einer der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt.
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Grundsätzlich besteht für die Beklagte als diejenige, die durch die Bereitstellung der Fahrgeschäfte eine Gefahrenlage geschaffen hat, die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber nicht gehalten, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Zu ergreifen sind die Maßnahmen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (s. OLG Koblenz, Beschluss vom 11. September 2013 – 3 U 675/13 -, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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Die Beklagte hat die ihr notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren getroffen. Unstreitig ist die Wasserbahn vom TÜV abgenommen und wird in den vorgeschriebenen Intervallen überprüft. Sie ist auch am Unfalltag kontrolliert worden. Zudem ist das Sicherheitskonzept in Zusammenarbeit mit dem TÜV entwickelt worden. Das Fehlen von Anschnallgurten oder ähnlichen Sicherungssystemen beruht auf der Vorgabe des TÜV, dass solche in auf dem Wasser betriebenen Fahrgeschäften wegen der sonst bestehenden Gefahr des Ertrinkens nicht gestattet sind. Die Boote verfügen über Vorrichtungen zum Festhalten vor jedem Sitz und über Polster an den Rändern der jeweiligen Außensitze der Dreiergruppen. Sie sind zur Abmilderung von Kollisionen mit dem Rand oder nach Steilfahrten mit einem Luftkissen umgeben.
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Bei der Beurteilung der Anforderungen, die an die Beklagte zu stellen sind, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die schnellen Richtungswechsel und die rasante Fahrweise der Boote gerade den Reiz dieses Fahrgeschäftes ausmachen. Die Beklagte ist insoweit auch ihren bestehenden Warnpflichten zu der Art der Attraktion in ausreichendem Maße nachgekommen. So ergibt sich aus dem zur Akte gereichten Hinweisschild, dass das Fahrgeschäft für Personen unter 1,40 m Körpergröße und unter 10 Jahren verboten ist. Bereits aus dieser Einschränkung des Benutzerkreises ist für die Besucher ersichtlich, dass die Benutzung der Wasserbahn besondere Anforderungen an sie stellt. Ferner sind Hinweise auf schnelle Richtungswechsel und die Erforderlichkeit des Festhaltens enthalten, die ebenfalls die Art der Attraktion und die Anforderungen an die Benutzer verdeutlichen. Die Hinweisschilder sind nach den unbestrittenen Ausführungen der Beklagten auch sowohl am Eingang als auch vor dem Einsteigen postiert.
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An diesen Ausführungen ändert sich auch dann nichts, wenn die Klägerin sich, wie von ihr behauptet und von der Beklagten bestritten, bei ihrer Fahrt ordnungsgemäß festgehalten hat und es trotzdem zu dem Sturz und der Verletzung gekommen ist. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass sie davon ausgehe, dass es in Einzelfällen zu nicht kontrollierbaren Krafteinwirkungen komme. Anhaltspunkte dafür, dass es vor dem Unfall der Klägerin noch weitere derartige „Einzelfälle“ gegeben hat und dass diese darüber hinaus der Beklagten bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, ergeben sich aus ihrem Vortrag nicht. Sie folgen auch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Eintragungen anderer Nutzer aus Portalen von Besuchern des Ys im Internet. Weder ergeben sich aus diesen, ob die Verletzungen, die sich bis auf eine Ausnahme auf bloße Blessuren wie blaue Flecken beschränken, bei ordnungsgemäßem Verhalten der Besucher passiert sind noch, ob der Beklagten diese Vorfälle vor dem Unfall der Klägerin bekannt waren und ihr hätten Anlass geben müssen, die Wasserbahn zu überprüfen bzw. einzelne Teilstrecken zu „entschärfen“ (s. zu einer ähnlichen Konstellation auch OLG Celle, Urt. v. 28.05.2003, Az. 9 U 7/03 – juris).
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Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Wie bereits dargelegt, hat die Klägerin die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht schlüssig dargelegt.
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Sonstige Anspruchsgrundlagen, die das Begehren der Klägerin tragen würden, sind nicht ersichtlich.
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Aus denselben Gründen besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 21.02.2019 bot keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.
29
Streitwert : 9.000,00 EUR