LG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.1989 – 11 O 590/88
Zur Verkehrssicherungspflicht bei Betrieb eines sog. Teppichpaternosters
Tenor
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 1.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9.6.1989 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden, die aus dem Vorfall vom 19.12.1985 in der Verkaufsstätte Düsseldorf der Beklagten zu 1), X, künftig entstehen, zu ersetzen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 1) vorab 150,– DM. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner auferlegt.
4. Das Urteil ist gegen die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung von 2.000,– DM, gegen die Beklagte zu 2) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 2) darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 950,– DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Am 19.12.1985 befand sich der Kläger mit seiner Mutter und der Beklagten zu 2) in der Teppichabteilung der Beklagten zu 1) in der X in Düsseldorf. Dort ist ein sogenannter „Teppich-Paternoster“ installiert, mit dem die Teppiche umgelagert werden, und der sich auf Knopfdruck nach oben oder unten bewegt. Der Kläger stand mit der Beklagten zu 2) bei dem Teppich-Aufzug, während die Mutter Kaufgespräche führte. In dem Moment, als der Kläger unbemerkt seine linke Hand in den Mechanismus des Paternoster steckte, betätigte die Beklagte zu 2) einen Knopf des Aufzuges, worauf sich der Aufzug nach unten in Bewegung setzte. Als der Kläger anfing zu schreien, betätigte die Beklagte zu 2) den Knopf des Aufzuges noch mal. Dabei wurde die linke Hand des Klägers gequetscht. Das Endglied des vierten Fingers der linken Hand musste amputiert werden, das Endglied des fünften Fingers konnte durch eine Operation gerettet werden. Die abgetrennte Kuppe ist jedoch nicht genau angewachsen. Der Kläger befand sich vom 19.12.1985 bis 10.01.1986 in stationärer Behandlung.
2
Durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 26.03.1987 wurde die Beklagte zu 2) verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 2.500,– DM zu zahlen. Dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
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Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1) als Gesamtschuldnerin weitere 1.000,– DM Schmerzensgeld und begehrt die Feststellung der Haftung beider Beklagten für zukünftige materielle Schäden des Klägers.
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Der Kläger behauptet:
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Im Zeitpunkt des Unfalls sei im Geschäft der Beklagten zu 1) noch kein Schild angebracht gewesen, das Kunden vor der Bedienung des Teppich-Paternosters warnte.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 1.000,— DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm sämtliche materielle Schäden, die aus dem Vorfall vom 19.12.1985 in der Verkaufsstätte Düsseldorf der Beklagten zu 1) X künftig entstehen, zu ersetzen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte zu 1) behauptet, in der Teppichabteilung hätten sich genügend Hinweisschilder befunden mit der Aufschrift, dass der Teppich-Aufzug nur durch Bedienung des Fachpersonals zu bedienen sei.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Die Akten 8 O 375/86 LG Düsseldorf sind zu Informationszwecken beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist in vollem Umfang begründet
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 2) nach Erhalt von 2.500,– DM ein weiterer Schmerzensgeldanspruch von 1.000,– DM gem. § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 847 BGB zu.
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1. Die Beklagte zu 1) haftet dem Grunde nach, da sie ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt hat.
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Ihr ist zunächst vorzuwerfen, dass sie die Kette des Laufwerkes des Teppich-Aufzuges nicht mit einem Schutz gegen unbefugtes Hineingreifen versehen hatte. Zum anderen hatte sie ihre Kunden nicht hinreichend vor der Selbstbedienung des Teppichaufzuges gewarnt. Das erforderliche Warnschild hätte in unmittelbarer Nähe der Bedienungsknöpfe des Teppich-Aufzuges angebracht werden müssen. Dass die Beklagte zu 1) ein solches Warnschild im Zeitpunkt des Schadenfalles nicht angebracht hatte, ist der Aussage der Zeugin X, einer Verkäuferin der Beklagten zu 1), im Prozess 8 O 375/86 LG Düsseldorf zu entnehmen. Die nunmehr aufgestellte Behauptung der Beklagten zu 1) „in der Teppichabteilung hätten sich genügend Hinweisschilder befunden mit der Aufschrift, dass der Teppich-Aufzug nur durch Fachpersonal bedient werden dürfe“, ist demgegenüber unsubstantiiert, da der genaue Standort der Schilder nicht bestimmt wird.
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Der Höhe nach hält die Kammer ein Schmerzensgeld von insgesamt 3.500,– DM für angemessen. Hierbei ist berücksichtigt, dass der Kläger allein schon durch den dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt und die Operationen an zwei Fingern im Alter von drei Jahren nicht unerhebliche Entwicklungsstörungen erlitten hat. Das Kind klagte außerdem noch im Mai 1986 über Schmerzen am vierten Finger (vgl. Bescheinigung des Kinderarztes X vom 28.1.1987).
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Schließlich ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes einbezogen worden, dass der Kläger auf Grund der Amputation des Endglieds des vierten Fingers bei der Berufswahl eingeschränkt sein wird und seelisch zumindest mehrere Jahre unter der Verunstaltung von zwei Fingern leiden wird.
II.
20
Der Feststellungsantrag greift gegen beide Beklagte durch, da künftige materielle Schäden in Folge der Verunstaltung der Finger des Klägers nicht ausgeschlossen werden können.
III.
21
Der Zinsanspruch ist gem. § 284 Abs. 1, § 288 BGB gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist gem. den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO gerechtfertigt.
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Streitwert:
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Für den Antrag zu 1): 1.000,– DM für den Antrag zu 2): 5.000,– DM.