OLG Bamberg, Urteil vom 28. April 2021 – 3 U 272/20
1. Eine typische Tiergefahr äußert sich in einem der animalischen Natur entsprechenden unberechenbaren oder instinktgemäßen selbsttätigen Verhalten des Tieres (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2014 – VI ZR 372/13, NJW 2014, 2434, Rn. 5; BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – VI ZR 465/15, VersR 2016, 1068 Rn. 9 und BGH, Urteil vom 14. Februar 2017 – VI ZR 434/15, NJW-RR 2017, 725, Rn. 9).
2. An einem selbsttätigen Verhalten des Tieres (hier: eines Hundes) fehlt es nicht bereits deshalb, weil das Tier infolge einer schweren Magen-Darm-Erkrankung zu einem kontrollierten Kotabsatz nicht mehr in der Lage gewesen war. Denn auch eine in einem hohen Grad zwanghafte Reaktion auf eine schwere organische Störung kann ein (instinktmäßiges) selbsttätiges Verhalten des erkrankten Tieres darstellen.
3. Der Umstand, dass die auf ein Mitverschulden der Klägerseite hinweisenden Vorgänge zugleich Elemente des haftungsbegründenden Sachverhalts sind, steht einem Grundurteil – ausnahmsweise – dann nicht entgegen, wenn der im Raum stehende Sorgfaltsverstoß nach Lage der Dinge nach „lediglich“ dazu geführt haben kann, dass sich der Schadenseintritt in einen anderen – noch schadensanfälligeren – Bereich verlagert hat, ohne dass sich daran der weitergehende Vorwurf knüpfen lässt, dass andernfalls ein substantieller Schaden von vornherein ausgeblieben wäre (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. April 2013 – V ZR 113/12, NJW 2013, 1948, Rn. 11).
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 24.07.2020 aufgehoben.
II. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt mit der Maßgabe, dass die Frage des Mitverschuldens dem Betragsverfahren vorbehalten bleibt.
III. Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und die Kosten des Berufungsverfahrens wird der Rechtsstreit an das Landgericht Hof zurückverwiesen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Kläger nehmen den Beklagten als Halter eines Hundes auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin zu 1) ist die Tochter des Beklagten, der wiederum Halter der Hündin E. ist. Wie schon in früheren Fällen hatte der Beklagte vor einer Urlaubsreise seine Hündin bei den Klägern in Obhut gegeben. Nach ihrem Vorbringen hatten die Kläger am 08.06.2018 gegen 00:30 Uhr die gemeinsame Wohnung verlassen und wegen einer akuten Erkrankung des Klägers zu 2) das Klinikum F. aufgesucht. Die Hündin war unbeaufsichtigt in der Wohnung zurückgeblieben. Während der Abwesenheit der nach ihrer Darstellung erst gegen 04:30 Uhr zurückgekehrten Kläger hatte die an einer – bis dahin nicht erkennbaren – schweren Magen-Darmstörung in der Form einer „basophilen Gastroenteritis allergischer Genese“ erkrankte Hündin die klägerische Wohnung großflächig mit blutigem Kot verunreinigt; betroffen waren insbesondere die Wände, der Parkettboden und verschiedene Möbelstücke des Wohnzimmers. Einem tierärztlichen Attest vom 27.09.2018 (Anlage K 5) zufolge war die Hündin krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, den schadensauslösenden Kotabsatz zu kontrollieren. Mit Anwaltsschriftsatz vom 28.11.2018 (Anlage K 14) ließen die Kläger die Haftpflichtversicherung des Beklagten auffordern, die ihnen entstandenen Schäden bis spätestens 12.12.2018 zu regulieren.
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Mit ihrer Klage hatten die Kläger ursprünglich auf Grundlage eines Kostenvoranschlags (Anlage K 6) Schadensersatz in Höhe von 6.628,04 € netto (579,40 € für Malerarbeiten und 6.048,64 € für die teilweise Neuverlegung des Parketts) sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 794,92 € samt Verzugszinsen verlangt. Hierzu haben sie vorgetragen: Sie hätten die Hündin in den letzten sieben Jahren bereits vielfach ohne Probleme vorübergehend bei sich in der Wohnung aufgenommen und das Tier dabei auch schon wiederholt für mehrere Stunden alleine in der Wohnung gelassen. In der Nacht des Vorfalls sei die Hündin schlafend im Flur zurückgelassen worden, nachdem die Kläger zuvor alle vom Flur abgehenden Türen geschlossen hätten. Die Hündin müsse diese „selbständig“ geöffnet haben, was zuvor noch nie vorgekommen sei. Ihnen sei bekannt, dass das Tier von dem Beklagten nach einem festen Speiseplan ausschließlich mit hochwertigem Futter ernährt werde; auch sie hätten die Hündin nach diesen Vorgaben ernährt. Die Erkrankung der Hündin sei für sie nicht erkennbar gewesen, zumal das Tier beim Verlassen der Wohnung geschlafen habe.
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Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, der Zeitwert des beschädigten Bodens betrage allenfalls 4.018,11 €, der Wiederbeschaffungsaufwand bei einer kalkulatorischen Nutzungsdauer von 300 Monaten und bisheriger Nutzung von 20 Monaten höchstens 5.786,00 €. Er meint, es liege kein typisches Tierverhalten vor, sodass sich keine Tiergefahr realisiert habe. Vielmehr habe die Hündin sich schlicht „entleert“, wobei sie den Kotabsatz krankheitsbedingt nicht habe kontrollieren können. Eine Krankheit stelle kein Verhalten eines Tieres oder eine tierische Handlung dar, die kontrollierbar sei. Jedenfalls aber sei den Klägern ein Verschulden an dem Schadenseintritt vorzuwerfen, sodass die Haftung des Beklagten gemäß § 840 Abs. 3 BGB vollständig zurücktrete, „wenn“ die Hündin nicht ordnungsgemäß gefüttert oder vor dem Verlassen der Wohnung eingesperrt worden sei. Zudem sei die Haftung des Beklagten um die eigene Haftung der Kläger aus § 834 BGB als Tieraufseher zu mindern. Schließlich müssten sich die Kläger ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB entgegenhalten lassen. Rechtsanwaltsgebühren könnten die Kläger schon deshalb nicht ersetzt verlangen, weil dieser Anspruch gemäß § 86 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen sei.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – ausgeführt: Es bestehe kein Anspruch der Kläger gemäß § 833 Satz 1 BGB, weil sich keine typische Tiergefahr realisiert habe. Es fehle ein tierisches, also willens- oder zumindest instinktgesteuertes Verhalten, da die Hündin den Kotabsatz nicht habe kontrollieren können.
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Hiergegen wendet sich die Berufung der Kläger, die ihre Sachanträge – gestützt ausschließlich auf einen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB – unverändert weiterverfolgen. Sie tragen unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens vor, zwischenzeitlich seien der Fliesenboden sowie die Möbel von den Klägern selbst gereinigt und die im Kostenvoranschlag genannten Malerarbeiten in „Eigenregie“ durchgeführt worden. Das Material für den Parkettboden sei erst im Oktober 2016 angeschafft worden, dieser somit zum Zeitpunkt des Schadensfalls nur etwa 1,5 Jahre alt gewesen. Die Auslegung des § 833 BGB durch das Landgericht finde im Gesetz keine Grundlage und stelle eine geradezu willkürliche Einschränkung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Gefährdungshaftung dar. Sie sei nicht geeignet, eine auch nur im Ansatz sachgerechte und vorhersehbare Anwendung des § 833 BGB zu ermöglichen. Auf die Argumente der Klägerseite sei das Landgericht an keiner Stelle eingegangen. In der Rechtsprechung sei eine Haftung auch für den Fall anerkannt, dass ein Hund auf einen Teppich uriniert habe (OLG Karlsruhe, MDR 1994, 453). Die eingetretenen Schäden seien Folge des krankheitsbedingten Kotabsatzes, der wiederum direkt auf den Hund und seine Eigenschaft als Lebewesen zurückzuführen sei.
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Die Kläger beantragen:
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1. Das Urteil des Landgerichts Hof vom 14.07.2020, Aktenzeichen 11 O 331/19, wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 6.628,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr seit 13.12.2018 sowie weitere 794,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr seit 13.12.2018 zu bezahlen.
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Hilfsweise:
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Das Verfahren wird unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur weiteren Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Hof zurückverwiesen.
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Der Beklagte beantragt:
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Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und ist weiterhin der Auffassung, im vorliegenden Geschehen habe sich keine Tiergefahr im Sinne des § 833 BGB realisiert. Vom Tier müsse eine Kraft ausgehen, um diesen Haftungstatbestand auszulösen. Eine Krankheit sei keine solche und auch keine einem Tier innewohnende Gefahr. Die Darmentleerung der Hündin sei nicht mit einer Handlung gleichzusetzen, sondern eher mit einer Reaktion.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das Senatsprotokoll vom 10.03.2021 (Bl. 132 ff. d.A.) sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen.
II.
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Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg und führt unter Aufhebung des Ersturteils zu einem Grundurteil (§ 304 ZPO) mit der Folge, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Betragsverfahrens, dem auch die Prüfung des Mitverschuldeneinwands vorbehalten bleibt, an das Erstgericht zurückverwiesen wird. Denn das Landgericht hat die Klage, die auf einen nach Grund und Betrag streitigen Anspruch gestützt ist, zu Unrecht dem Grunde nach abgewiesen, wobei die Höhe des Anspruchs noch nicht zur Entscheidung reif ist (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
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1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts haben die Kläger einen Sachverhalt dargetan, der die Tatbestandsvoraussetzungen einer Tierhalterhaftung nach § 833 Satz 1 BGB ausfüllt.
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a) Allerdings werden abweichend vom Wortlaut des § 833 Satz 1 BGB („durch ein Tier“) vom Anwendungsbereich der Vorschrift nicht sämtliche durch die Beteiligung eines Tieres verursachten Schäden erfasst. Eine reine Verursachungshaftung entspricht also nicht dem Sinn und Zweck der Norm. Grund für die strenge Haftung sind vielmehr die mit der Tierhaltung verbundenen außergewöhnlichen Gefahren. Es geht also um eine Gefährdungshaftung, an der sich auch das Verständnis des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der „Tiergefahr“ zu orientieren hat (vgl. ausführlich Eberl-Borges, in: Staudinger, §§ 830 ff. BGB, Neubearbeitung 2018, § 833 Rn. 31; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 6, 8. Aufl. 2020, vor §§ 823 Rn. 19 f.): Denn die verschuldensunabhängige Tierhalterhaftung ist gleichsam der Preis dafür, dass andere erlaubtermaßen der nur unzulänglich beherrschbaren Tiergefahr ausgesetzt werden (BGH, NJW-RR 1988, 655, 656).
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Eine typische Tiergefahr äußert sich demnach in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen Verhalten des Tieres (vgl. etwa BGH, NJW 2014, 2434, Rn. 5; VersR 2016, 1068 Rn. 9; NJW-RR 2017, 725, Rn. 9). An der Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr fehlt es daher von vornherein nur dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist (BGH, NJW 2014, 2434, Rn. 5) oder wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (BGH, VersR 2006, 416, Rn. 7). Ein selbstgesteuertes Verhalten des Tieres scheidet beispielsweise aus, wenn das Tier – wie etwa bei seinem Einsatz als „Wurfgeschoss“ (vgl. BGH, VersR 1978, 515) – einer solchen massiven Einwirkung durch äußere Kräfte ausgesetzt ist, dass ihm keine andere Möglichkeit als die einer schädigenden Handlung bleibt (BGH, NJW-RR 1990, 789, 791; Haag, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kap. 18 Rn. 13).
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b) Hiernach hat sich im Streitfall auch nach der Vorgabe eines selbstgesteuerten Verhaltens des Tieres in der schadensträchtigen Vorgehensweise der Hündin E. eine typische Tiergefahr im Sinne des § 833 Satz 1 BGB verwirklicht.
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aa) An einem selbsttätigen Verhalten der Hündin fehlt es keineswegs schon deshalb, weil das Tier infolge seiner schweren Magen-Darm-Erkrankung zum einem kontrollierten Kotabsatz nicht mehr in der Lage gewesen war. Ein solcher krankheitsbedingter Kontrollverlust lässt sich bereits nicht, wie die Beklagtenseite meint, auf eine Stufe mit einer rein äußerlichen und gewalttätigen Einwirkung auf das Tier wie in dem erwähnten „Wurfgeschoss“- Fall (BGH, VersR 1978, 515) auf eine Stufe stellen. Denn anders als im dortigen Bezugsfall stellt auch eine in einem hohen Grade zwanghafte Reaktion auf eine schwere organische Störung immer noch ein – wenn auch u.U. instinktiv – „selbsttätiges“ (zu dieser zutreffenden Begriffswahl anstelle des Terminus „selbstbestimmt“ vgl. etwa BGH, NJW 2014, 2434, Rn. 5) Verhalten des erkrankten Tieres dar. Der im Attest des Tierarztes bescheinigte Kontrollverlust ist in dieser allgemein gehaltenen Aussage im übrigen noch kein ausreichender Beleg dafür, dass die innerorganische Zwangswirkung hier zugleich ein Ausmaß erreicht hatte, bei dem – dann ohnehin nur mit sachverständiger Beratung – der aus dem Humanbereich bekannten Unterscheidung zwischen „vis absoluta“ und „vis compulsiva“ nachzugehen wäre. Erst recht nicht gibt die knappe Diagnose des Tierarztes etwas dafür her, dass die attestierte Einbuße des der Hündin sonst möglichen Kontrollvermögens auch keinen Raum mehr für instinktgesteuerte (Flucht-)Impulse gelassen hätte.
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bb) Ebensowenig lässt sich das Vorliegen einer typischen Tiergefahr mit der Erwägung der Beklagtenseite ausräumen, dass Magen-Darm-Erkrankungen auch beim Menschen auftreten können und sich schon deshalb keine tierspezifische Gefahrenquelle verwirklicht habe.
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Das tierspezifische Element der von einem Tier ausgehenden Gefahrenlage knüpft nun einmal nicht an bestimmte situative oder sonstige äußerliche Umstände einer Gefahrenerhöhung an, sondern allein an das in der animalischen Natur begründete Fehlen bestimmter kognitiver, aber auch willensgetragener Fähigkeiten der Schadensvermeidung bzw. -begrenzung, wie sie bei einem vernunftbegabten Wesen wie dem Menschen ohne weiteres vorausgesetzt werden dürfen und müssen. Zu diesen dem Menschen vorbehaltenen Steuerungs- und Kontrollfähigkeiten der Schadensprävention gehören neben einer vorausschauender Planung nämlich auch die Gaben einer reflektierten Selbstbeherrschung zur gezielten Vermeidung jeder ernsthaften Fremd- oder Eigengefährdung sowie eines dahingehenden Risikokalküls. Aufgrund dieser ihn auszeichnenden Befähigungen ist deshalb ein seelisch gesunder Erwachsener auch ohne weiteres in der Lage, selbst auf schwere organische Störungen wie etwa eine überfallartig einsetzende massive Magen-Darm-Erkrankung noch besonnen und planvoll schadensvermeidend zu reagieren. Das ist der für die Einordnung ausschlaggebende Bezugspunkt.
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cc) Hiernach lässt auch der vorliegende Schadenshergang und unabhängig von seinen streitig gebliebenen Begleitumständen ein für die Verwirklichung einer typischen Tiergefahr exemplarisches Verhaltensmuster der Hündin erkennen. Von einem vom gleichen Krankheitsbild betroffenen Mensch darf nämlich erwartetet werden, dass er auf die plötzlich auftretende Zwangswirkung seiner Beschwerden mit Besonnenheit reagiert und daher auch dem als impulsiv empfundenen Drängen seines Körpers bis zu einem gewissen Grad widersteht: nämlich jedenfalls solange, bis er die in der konkreten Situation auf der Hand liegenden Ausweichmöglichkeiten für eine effektive Schadensvermeidung bzw. -minderung geprüft und sich nach besten Kräften zunutze gemacht hat. Die unter den gegebenen Umständen angemessene Reaktion eines menschlichen Mitbewohners aber wäre der sofortige Rückzug in das Badezimmer des Objekts mit der Folge gewesen, dass nach Lage der Dinge überhaupt kein oder jedenfalls kein nennenswerter Schaden entstanden wäre. Im exemplarischen Kontrast dazu ist der vorliegende Schadenshergang entscheidend dadurch geprägt, dass die Hündin – was auf eine manifeste Schadensbegrenzung hinausgelaufen wäre – nicht an ihrem gewohnten Ruheplatz im Flur verblieben war, sondern sich (instinktgeleitet?) fluchtartig in das Wohnzimmer „zurückgezogen“ hatte mit der Folge, dass erst hierdurch der nun eingetretene – maximale – Schaden angerichtet wurde.
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Nach alledem hat sich im Streitfall die spezifische Tiergefahr bereits dadurch realisiert, dass die Hündin auf ihre plötzliche Erkrankung nicht annähernd so adäquat hatte reagieren können wie unter ähnlichen Umständen ein menschlicher Mitbewohner und daher nicht nur nicht zu einem schadensvermeidenden Verhalten außer Stande gewesen war, sondern im Gegenteil durch ihre (ohnehin nicht ausschließbar instinktgesteuerte) Fluchtreaktion den Schadenseintritt auch noch in den weitaus schadensanfälligeren Wohnbereich verlagert hatte.
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2. Der Einstandspflicht des Beklagten ist auch nicht durch einen stillschweigenden Haftungsausschluss aufgrund eines Gefälligkeitsverhältnisses der Boden entzogen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt eine Haftungsfreistellung des Tierhalters aus dem Gesichtspunkt der Gefälligkeit grundsätzlich nicht in Betracht. Gefälligkeiten, denen das Fehlen eines Rechtsbindungswillens eigen ist, haben zunächst zur Folge, dass vertragliche Ansprüche zwischen den Beteiligten ausgeschlossen sind. Deliktische Ansprüche, die im Zusammenhang mit Gefälligkeitserweisen entstehen, bleiben dagegen grundsätzlich unberührt. Es kann nämlich nicht ohne weiteres angenommen werden, dass jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, auf Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Verletzung seiner Rechtsgüter verzichtet. Diese Grundsätze gelten auch für die Gefährdungshaftung nach § 833 BGB und insbesondere dann, wenn, wie hier, hinter dem Tierhalter eine Versicherung steht, denn ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten und ihrem wohlverstandenen Interesse (BGH, NJW 1992, 2474 Rn. 12 ff.).
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3. Die Haftung des Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen von vornherein ausgeschlossen.
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a) Eine (eigene) Haftung der Kläger gemäß § 834 Satz 1 BGB als Tieraufseher kommt nicht in Betracht. Angesichts des engen Verwandtschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin zu 1) und dem Beklagten liegt nach der Auffassung des Senats ein Rechtsbindungswille für die Übernahme der Aufsichtsführung fern. Zudem hat die Hündin E. keinen Dritten, sondern die vermeintlichen „Tieraufseher“ selbst geschädigt.
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b) Die Haftung des Beklagten steht auch nicht die Vorschrift des § 840 Abs. 3 BGB entgegen: Es fehlt insoweit bereits an einem gegen die Kläger gerichteten deliktischen Schadensersatzanspruch, der neben den gegen den Beklagten gerichteten Anspruch tritt.
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4. Schließlich ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch nicht erkennbar, dass ein Anspruch der Kläger wegen eines ganz überwiegendem Mitverschulden vollständig entfallen könnte.
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Zwar ist § 254 BGB auch auf Ansprüche gemäß § 833 Satz 1 BGB anwendbar (Palandt/Sprau, 80. Aufl. 2021, § 833 Rn. 13; Wagner, a.a.O., § 833 Rn. 72; Eberl-Borges, a.a.O., § 833 Rn. 197 ff.) und kann unter Umständen zum vollständigen Wegfall der Ersatzpflicht führen (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 239 Rn. 15; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 254 Rn. 64; Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 8. Auflage 2019, § 254 Rn. 118). Auch wenn § 254 BGB keine Einrede begründet, sondern einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand, trägt gleichwohl der Ersatzpflichtige – hier also der Beklagte – die Darlegungs- und Beweislast für dessen Voraussetzungen (st. Rspr., siehe zuletzt BGH, NJW-RR 2018, 714 Rn. 29). Bislang hat der Beklagte ein Mitverschulden der Kläger lediglich äußerst knapp behauptet (vgl. Seite 5 der Klageerwiderung = Bl. 35 d.A.). Auf dieser Grundlage ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand ein vollständiger Wegfall der Ersatzpflicht nach Auffassung des Senats nicht in Erwägung zu ziehen.
III.
33
Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kommt nicht in Betracht, da das Landgericht aufgrund seiner unzutreffenden Rechtsauffassung noch keinerlei Feststellungen zur Anspruchshöhe getroffen hat und der Rechtsstreit daher hinsichtlich der Höhe des den Kläger zustehenden Anspruchs noch nicht zur Entscheidung reif ist.
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1. Die Kläger haben lediglich einen Kostenvoranschlag zur Substantiierung des ihnen entstanden Schadens vorgelegt und zwischenzeitlich einige Arbeiten selbst ausgeführt. Die Beklagte hat die Schadenshöhe auf Grundlage der Feststellungen eines Privatgutachters bestritten (vgl. Seite 5 der Klageerwiderung = Bl. 35 d.A.). Das Landgericht wird daher zunächst unter sachverständiger Beratung die Anspruchshöhe zu ermitteln und dabei auch einen etwaigen Abzug „Neu für Alt“ in den Blick zu nehmen haben.
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2. Zudem wird dem Beklagten die Möglichkeit zu geben sein, seinen Mitverschuldenseinwand zu konkretisieren. Hierauf werden die Kläger zu erwidern und ihrerseits die konkreten Umstände, unter denen sie die Wohnung verlassen haben, darzulegen haben.
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Hierbei steht dem Erlass eines Grundurteils (ausnahmsweise) auch nicht entgegen, dass die ein etwaiges Mitverschulden der Klägerseite begründenden Umstände zugleich Elemente des haftungsbegründenden Sachverhalts sind (vgl. dazu etwa BGH, NJW 2013, 1948, Rn. 11). Denn eine weitere Besonderheit des Streitfalls liegt darin, dass der im Raum stehende Sorgfaltsverstoß der Kläger, die Türe zum Wohnzimmer doch nicht verschlossen zu haben, nach Lage der Dinge „lediglich“ dazu geführt haben kann, dass sich der Schadenseintritt vom Flur- in den Wohnzimmerbereich verlagert hat, ohne dass sich daran der weitergehende Vorwurf knüpfen lässt, dass andernfalls ein substantieller Schaden – nämlich im Fall einer auf den Bereich des Flurs beschränkten Verunreinigung – von vornherein ausgeblieben wäre.
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Diese besondere Sachlage spricht dafür, die hier klärungsbedürftige Mitverschuldensfrage ebenfalls dem Betragsverfahren vorzubehalten.
IV.
38
Wird von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht, kann über die Kosten des Berufungsverfahrens nicht entschieden werden, weil der Ausgang des Rechtsstreits noch offen ist. Daher ist dem Landgericht eine Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorzubehalten (OLG Stuttgart, Urt. v. 17.10.2017, 10 U 55/17, juris Rn. 97; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 538 Rn. 58).
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist anzuordnen. Zwar tritt das angefochtene Urteil gemäß § 717 Abs. 1 ZPO bereits mit der Verkündung des aufhebenden Urteils außer Kraft. Eine eventuell aufgrund des angefochtenen Urteils bereits eingeleitete Zwangsvollstreckung darf jedoch gemäß §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO erst eingestellt werden und bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufgehoben werden, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung des aufhebenden Urteils vorgelegt wird (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 04.01.2018, 7 U 146/15, SchlHA 2018, 98 Rn. 61; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 98; OLG München, Urt. v. 18.09.2002, 27 U 1011/01, NZM 2002, 1032 Rn. 75).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.