OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.09.2017 – 6 U 10/16 – Unterkapitalisierter Abmahner
Zu der gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 UWG vorzunehmende Gesamtwürdigung hat der Anspruchsteller durch eigenen Vortrag zur Klärung solcher Tatsachen beizutragen, die in seiner Sphäre liegen und dem Anspruchsgegner nicht bekannt sind.(Rn.25)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 9. Dezember 2015, 12 O 23/15 KfH, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts Heidelberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten wettbewerbsrechtlichen Verstoßes auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
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Die Klägerin ist eine am 23. Mai 2014 gegründete und in […] ansässige UG (haftungsbeschränkt) mit einem Stammkapital von EUR 1.050,–. Die Beklagte ist eine in […] ansässige GmbH.
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Der Geschäftsführer der Klägerin versicherte am 4. September 2014 an Eides statt, vermögenslos zu sein. Die Wirtschaftsauskunft der Creditreform bewertete die Bonität der Klägerin am 9. Oktober 2015 als sehr schwach und gab ein Ausfallrisiko von 9,5% bei einem bundesweiten Durchschnitt von 1,63 % (Stand Juni 2015) an und wies sowohl für die Gesellschafter, die Geschäftsführung sowie für weitere Beteiligungen des Geschäftsführers der Klägerin schuldnerregisterliche Eintragungen auf. Die Beklagte betrieb gegen die Klägerin in einem anderen Verfahren aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss die Zwangsvollstreckung. Nach der Drittschuldnerauskunft der Bank der Klägerin wies das Konto der Klägerin keine Deckung auf. Später zahlte die […] GmbH, deren Mitgesellschafter der Geschäftsführer der Klägerin ist, einen Teil der Forderung. Die Klägerin sprach seit ihrer Gründung in fünf bis zehn Fällen Abmahnungen aus, wobei sie unter anderem einen einzigen Internetauftritt zum Anlass für drei verschiedene Abmahnungen genommen hat, die Gegenstand dreier Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Heidelberg waren (LG Heidelberg 11 O 37/14 KfH, 12 O 13/15 KfH und 12 O 14/15 KfH).
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Auf der Internetplattform „immonet.de“ wurde die Beklagte am 17. Februar 2015 in einem Angebot unter „Anbieter“ als „[Vorname Name] Immobilien und Beratung GmbH“ bezeichnet. Im „Impressum“ des Angebots fanden sich folgende Angaben:
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„Geschäftsführer
[Name] Immobilien & Beratung Dipl.-Kfm. [Vorname Name] […]straße 49 [PLZ] [Ort]
Amtsgericht […]
HRB […]“
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Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen dieser Angaben mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Februar 2015 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Am 3. März 2015 gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
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Die Klägerin hat vorgetragen, die Parteien seien Mitbewerber. Sie behauptet, sie sei eine in […] ansässige Grundstückshändlerin, die auch über ein Büro in […] verfüge. Sie übe ihre Tätigkeit regional und überregional aus und vermarkte insbesondere ein Grundstück in […]. Sie habe im Jahr 2014 Umsätze in Höhe von ca. 700.000,– € erzielt. Insbesondere habe sie das Grundstück in […] für 140.000 € ge- und für 360.000,– € verkauft, eine Wohnung in […] für 90.000,– € gekauft, wenngleich das Geschäft rückabgewickelt worden sei und eine weitere Wohnung in Mannheim für 180.000,– € ge- und für 220.000,– € verkauft. Im Jahr 2015 habe die Klägerin bis auf den rückabgewickelten Verkauf kein Geschäft getätigt, der bereinigte Gewinn 2014 habe 17.000,– € betragen. Die für diese Geschäftstätigkeit erforderliche Liquidität sei aufgrund von Fremdkapital gesichert, wobei Privatdarlehen zum Erwerb neuer Grundstücke zur Verfügung stünden. Die geltend gemachten anwaltlichen Gebühren ergäben sich aus einem zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Anwaltsvertrag.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 808,13 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit 04.03.2015 sowie EUR 1‚55 vorgerichtliche Auslagen zu bezahlen; hilfsweise: die Klägerin von Ansprüchen ihrer Bevollmächtigten in dieser Höhe freizustellen.
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weiter die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen aus dem verauslagten Gerichtskostenvorschuss ab Eingang bei Gericht in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen, die Parteien seien schon keine Mitbewerber. Die Klägerin sei aufgrund ihrer schwachen Kapitalisierung und der Vermögenslosigkeit ihres Geschäftsführers nicht in der Lage, in irgendeinem, jedenfalls in keinem nennenswertem Umfang Grundstücksgeschäfte zu tätigen und abzuwickeln. Die Klägerin handele rechtsmissbräuchlich, denn die Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen diene ihr ausschließlich, jedenfalls aber vorwiegend dazu, sich Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen und Kosten der Rechtsverfolgung zu verschaffen. Die Klägerin verfolge in einer Vielzahl von Fällen auch kleine und unbedeutende Wettbewerbsverstöße, was in besonders krassem Missverhältnis zu ihrer wirtschaftlichen Lage stehe. Die Klägerin befinde sich in einer äußerst schwierigen finanziellen Lage. Zudem werde die Klägerin von ihrem Prozessbevollmächtigten von der Zahlung der Kosten der Rechtsverfolgung freigestellt. Der Prozessbevollmächtigte sei bei der Abmahnung weitestgehend selbständig und entwickle eine Abmahntätigkeit „in eigener Regie“. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, mit einem Grundstücksgeschäft in […] einen Verkaufspreis von 360.000,– € erzielt zu haben bei einem Ankaufspreis von 140.000,– € erweise sich dieser Vortrag als vorsätzlich falsch, da der Verkaufspreis tatsächlich nur 170.000,– € betragen habe, was aus der als Anlage B2 vorgelegten Urkunde erkennbar sei. Dort sei zwar der Kaufpreis geschwärzt, aber dennoch erkennbar.
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In dem angefochtenen Urteil, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der Einzelheiten und der getroffenen Feststellungen verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es könne dabei offen bleiben, ob die Parteien sich angesichts der Vermögensverhältnisse der Klägerin überhaupt als Mitbewerber am Markt gegenüberstünden. Denn jedenfalls stehe dem geltend gemachten Anspruch der Rechtsmissbrauchseinwand des § 8 Abs. 4 UWG entgegen. Die Beklagte habe ausreichend Indizien vorgetragen, die für einen Rechtsmissbrauch sprächen. Die Klägerin verfüge über keine hinreichende finanzielle Ausstattung, der Geschäftsführer sei vermögenslos. Der Gewinn im Jahr 2014 habe nur 17.000,– € betragen und in 2015 sei nur eine Transaktion getätigt worden, die zudem rückabgewickelt worden sei. Zu der Finanzierung mit Fremdmitteln habe die Klägerin nicht ausreichend vorgetragen. Im Oktober 2015 habe das Konto der Klägerin keine ausreichende Deckung aufgewiesen. Damit habe sie kein ihr Vorgehen rechtfertigendes wirtschaftliches Interesse an ihrer Abmahntätigkeit, die sich mit 5 bis 10 Abmahnungen als umfänglich darstelle und im Verhältnis zu ihrer Geschäftstätigkeit nicht unerheblich sei. Zudem spreche auch der Umstand, dass die Klägerin gerichtsbekannt nur einfach im Internet zu recherchierende Impressumsverstöße aufgreife, für die Rechtsmissbräuchlichkeit der vorliegenden Abmahnung. Zudem sei auch davon auszugehen, dass sich die Abmahntätigkeit von der Verfolgung konkreter wettbewerblicher Gefahren für die eigene Geschäftstätigkeit entfernt habe, da der Geschäftsführer der Klägerin zu deren Umfang keine genauen Angaben habe machen können. Ferner sei davon auszugehen, dass die Klägerin durch den von ihr beauftragten Rechtsanwalt ganz oder teilweise vom Kostenrisiko freigestellt worden sei. Durch die Vorlage einer Anwaltsvollmacht sei sie gegenüber dem Vortrag der Beklagten ihrer sekundären Beweislast nicht nachgekommen. Da die Klägerin vielmehr selbst wiederholt vorgetragen habe, die Honorarforderung ihres Prozessbevollmächtigten noch nicht erfüllt zu haben, gehe die Kammer davon aus, dass eine entsprechende Verpflichtung der Klägerin auch nicht bestehe.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiterverfolgt.
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Die Klägerin trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ihre Abmahnung rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das Landgericht habe übersehen, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Rechtsmissbrauchseinwand bei der Beklagten liege. Die Klägerin habe im Jahr 2014 Umsätze in Höhe von 700.000,– € erzielt. Auf den Gewinn komme es vorliegend nicht an. Sie verfüge über eine ausreichende finanzielle Grundlage und es habe auch keine erfolglosen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Klägerin gegeben. Diese zunächst aufgestellte Behauptung habe die Beklagte selbst richtig gestellt. Sie habe noch nach der Abmahnung eine Wohnung in […] verkauft und das Geschäft später rückabgewickelt, was belege, dass sie sehr wohl aktiv werbend am Markt tätig sei. Das Landgericht verkenne zudem, dass den von ihm zitierten Entscheidungen Fälle zugrunde gelegen hätten, in denen mehrere Dutzend bis zu über 100 Abmahnungen ausgesprochen worden wären. Es liege daher fern, bei fünf bis zehn Abmahnungen von einer relativ großen Anzahl von Abmahnungen zu sprechen. Das Landgericht habe die von der Beklagten ins Blaue hinein aufgestellte und bestrittene Behauptung, die Klägerin sei von Anwaltskosten freigestellt, ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen, weil diese Behauptung nicht bewiesen worden sei. Vor dem Hintergrund, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Verstöße selbst recherchiert habe, könne auch von keiner Verselbständigung der Abmahntätigkeit ausgegangen werden. Soweit das Landgericht auf weitere gerichtsbekannte Abmahnfälle abhebe, verkenne es, dass die Abmahnungen aus unterschiedlichen Gründen und nicht ausschließlich wegen Impressumsverstößen erfolgt seien. Auch das Verhalten der Klägerin nach der Abmahnung zeige, dass sie nicht rechtsmissbräuchlich handele. Denn sie habe weder eine einstweilige Verfügung beantragt noch Hauptsacheklage erhoben, nachdem die Beklagte zunächst eine unzureichende Unterlassungserklärung abgegeben habe. Zudem sei der angesetzte Geschäftswert sehr moderat und spreche damit gegen eine Gewinnerzielungsabsicht durch Abmahngeschäft.
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Die Klägerin beantragt:
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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 09.12.2015 (AZ: 12 O 23/15 KfH) aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 808,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit 04.03.2015 sowie 1,55 € vorgerichtliche Auslagen zu bezahlen; hilfsweise: die Klägerin von Ansprüchen ihrer Bevollmächtigten in dieser Höhe freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Insbesondere sei die Klägerin konkrete Nachweise über die Abwicklung von Grundstücksgeschäften schuldig geblieben. Der Vortrag, die Klägerin habe die hiesigen Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der durch Abmahnungen verfolgten Verstöße unterrichtet und beauftragt und diese Verstöße zuvor selbst recherchiert, sei verspätet und unzutreffend. Ebenso sei der Vortrag zu einem Kaufvertrag vom 6. März 2015 sowie zu einer Abmahnung der Klägerin durch einen Mitbewerber verspätet. Die Klägerin sei einen Nachweis für Umsätze in Höhe von 700.000,– € schuldig geblieben.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
II.
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Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG wegen Rechtsmissbrauchs i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG abgelehnt.
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1. Nach § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer nach § 3 UWG oder § 7 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Ist eine vorgerichtliche Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG erfolgt, so sind nachfolgende gerichtliche Anträge unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 – I ZR 174/10 – GRUR 2012, 730 Rn. 47 – Bauheizgerät, m.w.N.). Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357 = BGHZ 144, 165, 170 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH, Urteil vom 17. November 2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243 Rn. 16 – MEGA SALE). Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände (vgl. BGH – Bauheizgerät aaO Rn. 15). Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357 = BGHZ 144, 165, 170 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 42/10 – GRUR 2012, 286 Rn. 13 – Falsche Suchrubrik, jeweils m.w.N.; BGH, Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 110/15 – GRUR 2016, 961 Rn. 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht im Ergebnis mit Recht angenommen, dass das Zahlungsbegehren der Klägerin wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist. Unter den vorliegenden Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit gestanden und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung der Wettbewerbsverstöße ein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem der Gebührenerzielung bestanden hat. Dabei wirft die Berufung dem Landgericht zu Unrecht vor, es habe die Beweislast im vorliegenden Fall verkannt, wenn es den Rechtsmissbrauch allein aus von der Beklagten vorgetragenen Indizien ableite. Denn zwar trägt in dem vorliegend zur Entscheidung stehenden Fall, in dem nicht der Unterlassungsanspruch geltend gemacht wird, sondern die Kosten einer vorgerichtlichen Abmahnung begehrt werden, die volle Beweislast für den Rechtsmissbrauch die Beklagte. Jedoch muss der Anspruchsteller auch in diesem Fall zur Klärung solcher Tatsachen beitragen, die in seiner Sphäre liegen und dem Anspruchsgegner nicht bekannt sind (Köhler/Bornkamm-Feddersen, 35. Auflage 2017, § 8 UWG Rn. 4.25 a.E.). Vor diesem Hintergrund sind die Ausführung des Landgerichts im Zusammenhang mit der von ihm vorgenommenen Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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a) Zwar spricht für den Rechtsmissbrauch der Klägerin nicht die bloße Anzahl der vorgenommenen Abmahnungen, die für sich genommen vorliegend nicht den Rückschluss auf eine rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin zulässt. Indes ist für den vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin zum Zeitpunkt der Abmahnung in ganz besonderem Maße prekär waren. Sie verfügte unstreitig über keine hinreichende eigene Finanzausstattung. Ihr im Zeitpunkt der Abmahnung bestellter Geschäftsführer war vermögenslos. Zudem war sie nicht in der Lage, auf rechtskräftig titulierte Kostenforderungen aus Gerichtsverfahren zu leisten, sondern musste sich insoweit der Hilfe Dritter bedienen. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund würde ein objektiv agierender und vernünftig denkender Geschäftsmann allenfalls in solchen Fällen abmahnend gegenüber einem Wettbewerber tätig werden und sich dem damit verbundenen Kostenrisiko aussetzen, wenn er an der Abmahnung ein Interesse hat. Dies kann bei dem vorliegend abgemahnten Impressumsverstoß nicht angenommen werden.
27
b) Ferner ist für die vorliegende Würdigung von zentraler Bedeutung, dass der ehemalige Geschäftsführer zum Umfang der Geschäftstätigkeit und deren Ertrag im Prozess falsche Angaben gemacht hat, um die wirtschaftliche Situation der Klägerin günstiger darzustellen. Während er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Heidelberg für, die Immobilie in […] einen Kaufpreis von 360.000,– € nennt, ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten notariellen Vertragsurkunde vom 22. August 2014 (Anlage B2), die ausweislich der nämlichen Urkundenrollennummer „3654“, mit der von der Klägerin vorgelegten Vertragsurkunde nach Anlagenseite 17, Anlagenband Klägerin identisch ist, trotz der Schwärzung des Kaufpreises, dass die Immobilie in Wahrheit nur für 170.000,– € weiterverkauft wurde. Dieses Verhalten im Prozess war in die Gesamtwürdigung einzustellen.
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c) Hinzu tritt, dass die Klägerin jedenfalls in den von der Beklagten angeführten drei, vor der 11. und 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heidelberg geführten Fälle wesensähnlich zum hiesigen Fall unwidersprochen wegen eines Internetauftritts drei verschiedene Abmahnungen verbunden mit Gebührenforderungen ausgesprochen hat. Der ehemalige Geschäftsführer hat in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 die Anzahl der von der Klägerin abgemahnten Verstöße auf ca. fünf bis zehn geschätzt, ohne hiervon genaue Kenntnis zu haben. Das Wesen und die Anzahl der abgemahnten Bagatellverstöße sprechen angesichts der äußerst angespannten Finanzlage der Klägern gleichfalls dafür, dass die Gebührenerzielung ein wesentliches Motiv für die ausgesprochene Abmahnung war und damit sachfremde Ziele überwiegen.
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d) In diesem Zusammenhang hat das Landgericht gleichfalls mit Recht in die Würdigung einbezogen, dass die Klägerin vorliegend belastbare Nachweise dafür schuldig geblieben ist, dass ihr die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten tatsächlich in Rechnung gestellt wird, obwohl die Beklagte dies in Abrede gestellt hat und dies der Klägerin angesichts des Umstandes, dass sie mehrere Abmahnungen ausgesprochen hat, hätte möglich sein müssen, sowie dass die Klägerin im vorliegenden Fall die Kosten unstreitig nicht an ihren Prozessvertreter bezahlt hat.
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e) Gleichfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht dem Umstand, dass der ehemalige Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu der Anzahl der Abmahnungen keine verlässlichen Angaben machen konnte, als weiteres Indiz dafür gewertet hat, dass sich insoweit die Abmahntätigkeit des Prozessbevollmächtigten verselbständigt hat und dahinter gerade nicht die Motivation stand, von Wettbewerbsverstößen durch Mitbewerber unbehelligt am Markt in Konkurrenz treten zu können. Denn angesichts der sehr überschaubaren Transaktionstätigkeit, die der Geschäftsführer geschildert hat, ist nicht nachvollziehbar, dass er von dem Gegenstand und Ausmaß der ausgesprochenen Abmahnungen nur ein diffuses Bild hat, wenn diese in ihrer Zahl das eigentliche Kerngeschäft übersteigen.
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f) Insoweit stellt auch das von der Berufungsbegründung herausgestellte Verhalten der Klägerin, nach der Abmahnung nicht sogleich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder der Einleitung eines Hauptsacheverfahrens reagiert zu haben, nachdem die zunächst abgegebenen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unzureichend gewesen sei, keinen Umstand dar, der die gebotene Gesamtwürdigung in einer Weise beeinflusst, dass sich die ersuchte gerichtliche Rechtsdurchsetzung als legitim erweist.
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Denn insoweit ist einzustellen, dass die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung strafbewehrt ist und damit das geschilderte Verhalten der Klägerin damit zu erklären ist, angesichts ihrer wirtschaftlichen Situation ohne ein Kostenrisiko eine Erklärung in den Händen zu halten, die ihr im Fall eines nochmaligen Verstoßes die Festsetzung einer Vertragsstrafe ermöglicht.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen § 708 Nr. 10 ZPO i.V.m. §§ 711, 713 ZPO zugrunde.
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4. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.