Zur Rechtfertigung Wohnungskündigung wegen fortwährender Ruhestörung durch alkoholkranken Mieter

LG Berlin, Beschluss vom 28.05.2010 – 65 S 521/09

Zur Rechtfertigung der Kündigung einer Wohnung wegen fortwährender Ruhestörungen durch den alkoholkranken Mieter

Gründe

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In dem Rechtsstreit …

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beabsichtigt die Kammer, die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 22. Oktober 2009 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach einer mündlichen Verhandlung nicht erfordern.

I.

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Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

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Frei von Rechtsfehlern und unter zutreffender sowie insbesondere umfassender Würdigung der berechtigten Interessen der Beklagten und der Klägerin, aber auch der anderen Mieter hat das Amtsgericht die Beendigung des Mietverhältnisses durch die Kündigung vom 14. Mai 2009 und den daraus folgenden Anspruch der Klägerin auf Räumung bejaht, §§ 573 Abs. 1 Nr. 1, 546 Abs. 1 BGB.

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Die Einwände der Beklagten in der Berufung tragen keine andere Entscheidung; sie werden bereits durch die von ihr eingereichten ärztlichen Stellungnahmen widerlegt.

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Es kann dahin stehen, inwieweit Alkoholabhängigkeit generell der Behandlung zugänglich ist, denn im hier gegebenen Fall ist sie nach der ärztlichen Stellungnahme der Dipl.-Med. xxx vom 29. November 2008 bislang ohne jeden Erfolg geblieben. Dies ist ganz maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Beklagte ärztliche Behandlungstermine nur unregelmäßig wahrnimmt und „wenig Verständnis“ hinsichtlich der „Notwendigkeit einer kontinuierlichen Medikation“ zeigt. Folgerichtig war sie nach den Entlassungen aus stationären Behandlungen weder 2007 noch 2008 alkoholabstinent. Ihre Einlassungen in der Berufungsbegründung, ihr sei aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung die Gefahr der Nichteinnahme der Medikamente bewusst, mag zutreffen, allerdings lässt sie sich in ihrem Handeln von dieser Einsicht ersichtlich nicht leiten. Vielmehr wird auch in der ärztlichen Stellungnahme vom 15. Juli 2009 ausdrücklich die mangelnde Krankheitseinsicht der Beklagten festgestellt, die die Unterbringung erforderlich werden ließ.

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Zuzugeben ist der Beklagten, dass ihr Zustand nach der letzten, akut erforderlichen stationären Behandlung wegen fremd- und sachaggressiven Verhaltens vollständig stabilisiert wurde. Dies war notwendige Voraussetzung für ihre Entlassung aus der stationären Behandlung, ist unter Berücksichtigung der ärztlichen Stellungnahme vom 29. November 2009 allerdings kein Indiz dafür, dass mit einem Rückfall künftig nicht zu rechnen ist.

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Die Argumentation, die Beklagte benötige die Stabilität der ihr vertrauten Mietergemeinschaft, entbehrt der sachlichen Grundlage. Die anderen Mieter waren nach den detaillierten Ausführungen der Klägerin in erheblichem Umfang den Störungen der Beklagten ausgesetzt, die sich nicht in vereinzelten Ruhestörungen erschöpften, sondern deutlich über das hinausgehen, was in einem Mehrfamilienhaus hinzunehmen ist. Inwieweit die anderen Mieter der Beklagten vor diesem Hintergrund das Gefühl von Vertrautheit vermitteln, lässt sie offen und dafür ist unter Berücksichtigung der von Klägerseite zu den Akten gereichten Schreiben der Mieter kein Anhaltspunkt ersichtlich.

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Die Beklagte hat die unstreitigen Vertragsverletzungen auch nicht etwa ohne Verschulden begangen. Als Maßstab ist insoweit § 827 Satz 2 BGB heranzuziehen. Danach fällt dem Mieter in jedem Fall Fahrlässigkeit zur Last, was im Rahmen des § 573 BGB ausreicht. Die Beklagte ist auch nicht etwa ohne ihr Verschulden in diesen Zustand geraten, denn sie hat sich zuvor der medizinischen Behandlung entzogen, obwohl sie aufgrund ihrer Ausbildung um deren Erforderlichkeit wusste und auch die Gefahren kannte, die mit einem Abbruch der Behandlung verbunden waren.

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Der schlichte Einwand, die Beklagte habe gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten geäußert, sie werde ihrem Leben lieber ein Ende setzen, wenn sie aus der Wohnung ausziehen müsse, rechtfertigt nicht die Annahme der Unwirksamkeit der Kündigung oder einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Er ist durch keinerlei Tatsachenvortrag unterlegt. Es ist nicht einmal im Ansatz ersichtlich, weshalb der Verlust dieser Wohnung bei der Beklagten eine ernsthafte Suizidgefahr begründen soll. Worauf der Prozessbevollmächtigte seine Einschätzung stützt, dass die Äußerung durchaus ernst zu nehmen sei, bleibt ebenfalls offen. Der Beklagten ist vielmehr zuzumuten, insoweit – mit Unterstützung ihres Betreuers – gegebenenfalls ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. auch BGH Beschluss v. 01.10.2009 – VII ZB 41/08, zit. nach juris).

II.

11

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO und gegebenenfalls Rücknahme der Berufung binnen 2 Wochen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren bei Zurücknahme der Berufung ermäßigen.

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