AG Halle (Saale), Urteil vom 30.08.2011 – 95 C 378/11
Ist im Mietvertrag vereinbart, dass die Mietnebenkostenabrechnung durch den Vermieter erstellt und anschließend dem Mieter zugestellt wird, ist es Sache der Vermieterseite, die der Abrechnung zu Grunde liegenden Daten zu erfassen (Rn. 23). Erfolgt eine Erfassung durch den Mieter nicht, kann der Vermieter daher nicht die Betriebskostenabrechnung statt nach Verbrauch nach anteiliger Quadratmeterzahl der vom Mieter gemieteten Fläche an der Gesamtfläche erstellen.
Tenor
1.) Die Beklagte wird verurteilt, 72,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seid dem 03.05.2011 an die Klägerin zu zahlen, die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2.) Die Klägerin trägt 95% der Kosten des Rechtsstreits, die Beklagte 5%.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf 1.518,87 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin rückte durch Grundstückserwerb als Vermieterin in einen Gewerbemietvertrag mit der Beklagten vom 12/26.10.1998 ein (Mietvertrag Bl. 12 – 21 mit den Nachträgen Bl. 22 – 27 der Akte).
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In § 4 „Mietnebenkosten“ der Vereinbarung heißt es unter Ziff. 2:
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„der Mieter übernimmt, soweit ansonsten nichts anderes vereinbart ist, ausschließlich die folgenden Mietnebenkosten und rechnet diese – soweit möglich – direkt ab: Strom, Wasser- und Schmutzwasserverbrauch, Straßenreinigung und Müllabfuhr“.
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§ 4 Nr. 4 Abs. 2 lautet:
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„die Mietnebenkostenabrechnung erfolgt jeweils zum 30. Juni oder 31. Dezember eines Kalenderjahres. Sie ist den Mietern mit den entsprechenden Belegen (Fotokopien) spätestens 4 Monate nach Ablauf der Abrechnungsperiode zuzustellen“
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Die Klägerin erstellte für das Jahr 2000 eine Betriebskostenabrechnung, in der die Berechnung der Kosten für Wasser und Abwasser zunächst nach der Fläche der verschiedenen Mietobjekte erfolgte. Als die Beklagte diese bemängelte, ließ die Klägerin durch ihre Verwalterin unter dem 06.11.2004 erklären, dass die Abrechnung der Wasser- und Abwasserkosten „wunschgemäß nach Verbrauch“ erfolge (Bl. 59). So geschah es auch für die Jahre 2003 und 2004.
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Für das Jahr 2005 machte die Klägerin eine verbrauchsabhängige Abrechnung von der Mitteilung der Zählerstände durch die Beklagte abhängig; jene Nebenkostenabrechnung ist Gegenstand des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens 99 C 531/10.
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Die hier streitgegenständliche Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006 (Bl. 32 – 36) enthält eine Umlage der Kosten für Wasser und Abwasser nach Quadratmetern.
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Die Klägerseite meint, zu einer anderweitigen Abrechnung sei sie allenfalls dann verpflichtet, wenn die Beklagte ihr die korrekt abgelesenen Zählerwerte übermittelt hätte; so sei eine Abrechnung nach der Fläche vertraglich vereinbart.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.518,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie steht auf dem Standpunkt, es sei die Klägerin, die die Abrechnungsdaten ermitteln müsse.
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Hinsichtlich eines von der Beklagten bei ihrer eigenen Rechnungsweise gesehenen zu zahlenden Saldos in Höhe von 283,99 € (Bl. 45) sieht die Beklagte durch die – in soweit unstreitig, Bl. 77 – erfolgte Zahlung von 432,44 € am 01.05.2008 den Anspruch als erfüllt an (Bl. 97).
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Ergänzend werden für den Sachvortrag der Parteien die wechselseitig eingereichten Schriftsätze samt Anlagen in Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Klägerin steht aus dem Mietvertrag mit der Beklagten – nur – noch ein Anspruch in Höhe von 72,63 € im Hinblick auf die Betriebskosten des Jahres 2006 zu (§ 535 Abs. 2 BGB).
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1. Nach der genannten Vorschrift ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Diese umfasst neben dem bloßen Mietzins auch Mietnebenkosten, soweit dies vertraglich so vereinbart wurde.
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2. Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält der Mietvertrag keine Ausschlussfrist dafür, die Mietnebenkostenabrechnung zu legen. In § 4 Nr. 4 Abs. 2 sind Fälligkeitszeitpunkte für die Nebenkostenabrechnung genannt. Dies mag der Mieterseite bei Verstreichen jener Daten angesichts des fälligen und durchsetzbaren Anspruchs auf Legung einer Nebenkostenabrechnung ein Zurückbehaltungsrecht einräumen, einen kompletten Rechtsverlust sieht die Vereinbarung nicht vor.
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3. Der Mietvertrag enthält in § 4 Nr. 2 und 4 eine Regelung zur Tragung der Wasser- und Abwasserkosten. Den dortigen Vorgaben wird die Abrechnung der Klägerseite nicht gerecht.
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Bereits der Wortlaut von § 4 Nr. 2 des Mietvertrages („Wasser- und Schmutzwasserverbrauch“) spricht gegen eine Umlage dieser Rechnungsposten nach Fläche. Er legt vielmehr die Erfassung des verbrauchten Wassers nahe samt Berechnung – nur – hierauf entfallenen Beträge.
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Soweit man die Regelung gleichwohl noch als unklar ansehen möchte, wurden etwaige Zweifel an ihrer Bedeutung im Verhältnis zwischen den Parteien durch die Vorgehensweise in den Jahren 2002 bis 2004 beseitigt. Einverständlich rechnete die Klägerin in diesen drei Jahren nach Bemängelung ihrer zuvor anderweitigen Umlage dieser Rechnungsposten nach den Zählerständen und damit nach Verbrauch ab. Spätestens damit wurde die verbrauchsabhängige Abrechnung der Wasser- und Abwasserkosten zum Vertragsinhalt.
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Die Klägerseite kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Durchführung der verbrauchsabhängigen Abrechnung stehe unter der Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) einer vorherigen Zählerstandablesung durch die Beklagte. § 4 des Mietvertrages begründet keine Obliegenheit der Mieterseite mit diesem Inhalt. Vielmehr ist der Regelung zu entnehmen, dass die Mietnebenkostenabrechnung durch den Vermieter erstellt und anschließend dem Mieter zugestellt wird. Damit ist es Sache der Vermieterseite, die der Abrechnung zu Grunde liegenden Daten zu erfassen. Ein abweichendes Verständnis der Klägerin gibt im übrigen auch das Schreiben ihrer Verwalterin vom 06.11.2004 nicht her (Bl. 59), als die Klägerseite, – soweit ersichtlich – erstmals mit der Thematik konfrontiert wurde.
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Es steht der Klägerseite nicht frei, in entsprechender Anwendung von § 12 Heizkostenverordnung die – um 15 % gekürzten – Kosten des Wasserverbrauchs (und der daran anknüpfenden Abwasserkosten) gleichwohl nach der Fläche abzurechnen. Denn diese Norm ist nicht anwendbar. Sie betrifft die Verteilung der Kosten für Heizung und Warmwasser (§ 1 Abs. 1 Heizkostenverordnung).
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Für eine entsprechende Anwendung ist kein Raum; es fehlte eine Regelungslücke. Es kann dahin stehen, ob auf § 12 Heizkostenverordnung zurückzugreifen sein mag, wenn in einem Mietvertrag kein Abrechnungsschlüssel enthalten ist oder Messeinrichtungen defekt werden. Diese Konstellation ist hier indes nicht gegeben. Die Mietvertragsparteien haben ausdrücklich die verbrauchsabhängige Abrechnung vereinbart. Diese war der Klägerin auch möglich; unstreitig hat die Beklagte sich niemals auf den Standpunkt gestellt, der Klägerin die Ablesung der Zähler zu verweigern.
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Zudem bestehen auch inhaltlich Bedenken, die Rechtsfolge des § 12 Heizkostenverordnung auf den Kaltwasserverbrauch (und die Abwasserkosten) zu übertragen. Die von der Heizkostenverordnung geregelte Verteilung der Warmwasser- und Heizungskosten ist durch das Anfallen von deutlichen Vorhaltekosten geprägt (für die Heizung und Warmwasserzubereitung). Derartige Fixkosten fallen beim Kaltwasser nicht an. Ein relativ großes Objekt (wie ein Supermarkt) mit einem durch das Gewerbe nicht angezeigten überdurchschnittlichen Wasserverbrauch würde durch die gleichwohl erfolgte Umlage der Wasserverbrauchskosten nach Fläche benachteiligt.
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4. Bezüglich des Teilbetrages von 283,99 €, für den die Beklagte grundsätzlich ihre Zahlungspflicht anerkannt hat, ergibt sich folgendes: Die Zahlungsverpflichtung ist bis auf einen Restbetrag von 72,63 € durch Leistung erloschen (§§ 362 Abs. 1, 366 BGB).
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Durch das Schreiben der Beklagten vom 07.12.2007 (Bl. 49 u. 50) war der Klägerin die Ankündigung einer Zahlung von Teilbeträgen auf die Abrechnungen 2005 und 2006 in Höhe von 221,68 € und 283,62 € bekannt (Bl. 77). Bei der Zahlung von 432,44 € am 01.05.2008 fehlte es deshalb an einer Grundlage für die Klägerin, „anderweitig bestehende Forderungen“ als Leistungsziel anzusehen. Da andererseits der tatsächlich überwiesene Betrag nicht hinreicht, beide angekündigten Beträge abzudecken, tilgte die Zahlung von 432,44 € – mangels vorrangiger Erfüllungskriterien – die ältere Schuld (§ 366 Abs. 2 BGB), mithin diejenige auf die Abrechnung für 2005. Mithin sind vom Zahlbetrag 221,68 € abzuziehen, wonach zur Tilgung des Betrages von 283,99 € – nur – noch 211,36 € verbleiben; entsprechend sind noch 72,63 € offen.
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5. Der Kostenausspruch folgt aus § 92 ZPO, der zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.