OLG Oldenburg, Urteil vom 25.01.2011 – 2 SsRs 8/11
Jedenfalls in Fällen, in denen die durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vorgeschriebene Fahrtunterbrechung nur verspätet eingelegt wird, ohne dass dies mit einer Unterschreitung der vorgesehenen Dauer von 45 Minuten einherginge, ist für die Feststellung zweier tateinheitlich begangener Verstöße gegen die Bußgeldvorschrift des § 8 a Abs. 2 Ziff. 1 Fahrpersonalgesetz kein Raum (Rn. 9).
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 01.11.2010 unter Aufrechterhaltung der tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich des Schuld- und Rechtsfolgenausspruches aufgehoben, soweit gegen den Betroffenen wegen einer verspäteten und verkürzten Fahrtunterbrechung am 11.01.2010 ein Bußgeld von 97,50 Euro verhängt worden ist.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Osnabrück zurückverwiesen.
Gründe
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Mit Urteil vom 01.11.2010 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen u.a. wegen tateinheitlich begangener verspäteter und verkürzter Fahrtunterbrechung am 11.01.2010 ein Bußgeld von 97,50 Euro verhängt. Das Amtsgericht hat insoweit folgende mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen zum tatsächlichen Hergang getroffen:
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„Am 02.02.2010 wurde der Betroffene, der mit der Sattelzugmaschine Daimler Benz, amtliches Kennzeichen … , und dem Sattelauflieger S , amtliches Kennzeichen … , gegen 15:45 Uhr die A 30 in S befuhr, von der Polizei kontrolliert. Das EG-Kontrollgerät des von ihm geführten Fahrzeugs wurde ausgelesen.
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Die Auswertung ergab, dass der Betroffene am 11.01.2010 in der Zeit zwischen 15:52 Uhr und 21:15 Uhr nach einer Lenkdauer von 4 ½ Stunden keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten, die durch eine Unterbrechung von mindestens 15 Minuten, gefolgt von einer Unterbrechung von mindestens 30 Minuten ersetzt werden kann, einlegte. Tatsächlich wurde eine Fahrtunterbrechung erst nach 4 Stunden 54 Minuten eingelegt.“
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Das Amtsgericht hat die Ordnungswidrigkeit als tateinheitliche Verkürzung der geforderten Fahrtunterbrechung (Verstoß gegen Art. 7 S. 1, 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006) sowie verspätetes Einlegen der Fahrtunterbrechung (Verstoß gegen Art. 7 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006) gewertet und ist deshalb von der tateinheitlichen Begehung zweier Ordnungswidrigkeiten gemäß § 8 a Abs. 2 Nr. 1 Fahrpersonalgesetz ausgegangen. Bei der Bemessung des Bußgeldes, welches das Amtsgericht auf der Grundlage des Buß- und Verwarnungsgeldkataloges für Verstöße gegen die Fahrpersonalordnung bestimmt hat, ist es von dem für eine Verkürzung der Fahrtunterbrechung um 45 Minuten vorgesehenen Bußgeld von 90,00 Euro ausgegangen und hat dieses mit Rücksicht auf das verspätete Einlegen der Fahrtunterbrechung auf insgesamt 97,50 Euro erhöht.
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Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit welcher er geltend macht, dass lediglich von einer verspätet eingelegten Fahrtunterbrechung ausgegangen werden könne, nicht jedoch darüber hinaus von einer tateinheitlich erfolgten Verkürzung der Fahrtunterbrechung.
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Mit Beschluss vom 25.01.2011 hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen und das Verfahren dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und auch in der Sache selbst begründet.
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Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 ordnet an, dass ein Fahrer nach einer Lenkdauer von 4 ½ Stunden eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten einzulegen habe, sofern er keine Ruhezeit einlegt. § 8 a des Gesetzes über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen regelt unter Abs. 2 Ziff. 1, dass ein Fahrer ordnungswidrig handle, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verstoße, indem er die in Art. 7 S. 1 genannte Fahrtunterbrechung nicht einhält.
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Im vorliegenden Falle hat der Betroffene die erforderliche Fahrtunterbrechung nicht nach einer Lenkzeit von 4 ½ Stunden, sondern erst 24 Minuten später eingelegt. Hierin liegt lediglich ein einmaliger Verstoß gegen Art. 7 der Verordnung. Jedenfalls in Fällen, in denen die durch die Verordnung vorgeschriebene Fahrtunterbrechung nur verspätet eingelegt wird, ohne dass dies mit einer Unterschreitung der vorgesehenen Dauer von 45 Minuten einherginge, ist für die Feststellung zweier tateinheitlich begangener Verstöße gegen die Bußgeldvorschrift des § 8 a Abs. 2 Ziff. 1 Fahrpersonalgesetz kein Raum. Die Vorschriften enthalten keine Differenzierung zwischen einem ausschließlich auf die Verkürzung der Unterbrechungsdauer sowie einem lediglich auf die Verspätung der Unterbrechung abzielenden Tatbestand. Die Auffassung, das Verhalten des Fahrers stelle sich angesichts einer logisch zwingend vorangegangenen Verkürzung der Fahrtunterbrechung als mehrfacher Verstoß dar, beruht auf einer unnatürlichen Aufspaltung der Handlungsweise des Fahrers in einzelne logisch zwingend miteinander verbundene Komponenten.
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Hierzu stehen die im Buß- und Verwarnungsgeldkatalog zum Fahrpersonalrecht des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LV 48) enthaltenen Regelungen im Übrigen nicht im Widerspruch. Unter der laufenden Ziffer B – Verstöße gegen die Vorschriften über Lenkzeiten, Ruhezeiten und Unterbrechungen – Ziff. 5 sind Verwarnungs- bzw. Bußgelder für den Fall vorgesehen, dass die Lenkdauer nicht zum vorgeschriebenen Zeitpunkt unterbrochen wird. Diese differenzieren nach der Dauer des Überschreitens. Unter Ziff. 6 sind Verwarnungs- bzw. Bußgelder für den Fall vorgesehen, dass die Lenkdauer nicht in der vorgeschriebenen Dauer unterbrochen wurde. Diese differenzieren nach dem Unterschreiten der vorgeschriebenen Fahrtzeitunterbrechung. Eine kumulative Verhängung von Verwarnungs- bzw. Bußgeldern für das Überschreiten des vorgeschriebenen Zeitpunktes und die Unterschreitung der vorgeschriebenen Dauer in dem Falle, in welchem die Unterbrechung zwar verspätet, aber über die vorgeschriebene Dauer von 45 Minuten hin eingelegt wurde, ergibt sich daraus nicht.
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Angesichts dessen ist der Schuldspruch hinsichtlich des in Rede stehenden Verstoßes dahingehend abzuändern, dass lediglich ein fahrlässiger Verstoß gegen die Fahrpersonalverordnung und das Fahrpersonalgesetz vorliegt. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen, deren Richtigkeit mit der Rechtsbeschwerde ausdrücklich bestätigt worden ist, können dem gegenüber bestehen bleiben. Einer erneuten Entscheidung bedarf jedoch darüber hinaus der Rechtsfolgenausspruch. Da der Buß- und Verwarnungsgeldkatalog im Fahrpersonalrecht insoweit keine Bindungswirkung entfaltet, sondern lediglich einen Bußgeldrahmen skizziert, hat der Senat von einer eigenen Entscheidung abgesehen und das Verfahren zum erneuten Befinden an das Amtsgericht zurückverwiesen.