Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 05.03.2014 – 12 U 151/13
1. Das Stechen einer Tätowierung stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar. Die rechtfertigende Einwilligung des Auftraggebers bezieht sich auf eine technisch und gestalterisch mangelfreie Herstellung.
2. Da es um Arbeiten geht, deren Duldung für den Auftraggeber mit körperlichen Schmerzen verbunden ist und deren Schlechterfüllung gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, kommt dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers eine besondere Bedeutung zu.
3. Verständliche Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers sind deshalb eher als bei anderen Werken geeignet, eine Nachbesserungsverweigerung des Auftraggebers zu rechtfertigen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten vom 28.11.2013 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Berufung hat keine hinreichende Erfolgsaussicht, da das Landgericht zu Recht sowohl einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin als auch die Ersatzpflicht des Beklagten im Hinblick auf zukünftige materielle und immaterielle Schäden wegen der fehlerhaften Tätowierung auf dem rechten Schulterblatt der Klägerin bejaht hat.
1.
Der ausgeurteilte Schmerzensgeldanspruch ergibt sich aus § 253 Abs. 2 BGB. Das Stechen einer Tätowierung stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar. Die Einwilligung der Klägerin erstreckte sich lediglich auf die technisch und gestalterisch mangelfreie Herstellung eines der zuvor gebilligten Skizze entsprechenden Tattoos. Sie hat hier keine rechtfertigende Wirkung, weil nach den zweitinstanzlich bindenden und mit der Berufung auch nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts die Farbe in zu tiefe Hautschichten eingebracht wurde mit der Folge, dass es im Umfeld der Tätowierungslinien zu deutlichen Farbverläufen kam. Zudem erscheinen nach den bei den Akten befindlichen Fotos des Tattoos auch die sich auf die deutlichen Kaliberunregelmäßigkeiten der dunkelblau dargestellten Ranken und die Linienführung beziehenden Beanstandungen der Klägerin hinsichtlich der gestalterischen Umsetzung des ausgewählten Motivs berechtigt.
Soweit das Landgericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 750,00 € festgesetzt hat, ist dies frei von Rechtsfehlern. Die Ausführungen zu den für die Bemessung maßgeblichen Kriterien sind nicht zu beanstanden.
2.
Zu Recht hat das Landgericht auch die sich aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB ergebende Ersatzpflicht des Beklagten im Hinblick auf zukünftige entstehende materielle und immaterielle Schäden festgestellt. Die von der Klägerin beabsichtigte Entfernung des Tattoos im Wege einer Laserbehandlung wird Kosten verursachen, deren Höhe derzeit noch nicht absehbar ist. Auch ist diese Behandlung mit weiteren immateriellen Beeinträchtigungen verbunden. Zum einen ist sie nicht schmerzfrei. Zum anderen ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F offen, ob danach weitere Beeinträchtigungen in Form von Pigmentveränderungen oder Narben bleiben.
Auf die vom Beklagten angebotene Nachbesserung in Form einer von ihm in Auftrag zu gebenden Laserbehandlung lediglich der beanstandeten Stellen durch einen entsprechend ausgestatteten Mediziner mit anschließender Neutätowierung dieser Stellen durch ihn selbst muss die Klägerin sich nicht einlassen. Ob eine solche Kombination verschiedener Maßnahmen überhaupt möglich und geeignet ist, ein zufriedenstellendes Ergebnis herbeizuführen, erscheint zweifelhaft, muss aber nicht abschließend entschieden werden. Weitere Nachbesserungsbemühungen des Beklagten muss die Klägerin jedenfalls deshalb nicht dulden, weil sie ihr nicht zuzumuten sind, § 636 BGB.
Unzumutbar ist eine Nacherfüllung dann, wenn aus der maßgeblichen objektiven Sicht des Auftraggebers das Vertrauen in die ordnungsgemäße Durchführung der Mängelbeseitigung nachhaltig erschüttert ist. Dies ist hier angesichts des Gewichts der festgestellten Mängel zu bejahen. Sowohl im Hinblick auf die schon unter fachlichen Gesichtspunkten verfehlte Arbeitsweise (Stechen in zu tiefe Hautschichten) als auch unter Berücksichtigung der gestalterischen Mängel ist es objektiv einsichtig und nachvollziehbar, dass die Klägerin das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Beklagten verloren hat. Da es um Arbeiten geht, deren Duldung für sie mit körperlichen Schmerzen verbunden ist und deren Schlechterfüllung gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, kommt dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers eine besondere Bedeutung zu. Die Folgen eines erfolglosen Nachbesserungsversuches, die bei anderen Werken in der Regel überschaubar sind, können hier gravierend sein. Verständliche Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers sind daher bei Tätowierungsarbeiten eher als bei anderen Werken geeignet, die Nachbesserungsverweigerung zu rechtfertigen.