LG Münster, Urteil vom 07.12.2017 – 2 O 229/17
Zur Höhe des Schmerzensgeldanspruchs aufgrund eines sexuellen Übergriffs
Tenor
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 EUR zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Schmerzensgeldanspruch zu Ziffer 1 auf einer unerlaubten Handlung beruht.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall in der Nacht vom 22.08.2014/23.08.2014, die von dem Landgericht Münster in dem Urteil vom 20.11.2015 aufgeführt wurden, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind zu bezahlen.
4. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von je 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2017 (Beklagter zu 2)) und 24.08.2017 (Beklagter zu 1)) zu zahlen. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen den Beklagten zu 1) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, gegen den Beklagten zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche aufgrund eines sexuellen Übergriffes in der Nacht vom 22.08.2014 auf den 23.08.2014 in Ahlen geltend.
2
Der Beklagte zu 1. wurde vom Landgericht Münster durch Urteil vom 20.11.2015 (… KLs … Js …/… (…/…) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; der Beklagte zu 2. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten. Insoweit ist das Urteil in seinem Straf- und Schuldfolgenausspruch ebenfalls rechtskräftig.
3
Nach dem Urteil des Landgerichts Münster haben sich die Beklagten eines schweren sexuellen Missbrauchs gegenüber einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 179 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 sowie § 201 a Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
4
In jener Nacht kam es zu verschiedenen sexuellen Handlungen mit der zu diesem Zeitpunkt massiv alkoholisierten Klägerin. Das Geschehen wurde zu einem großen Teil auch vom Beklagten zu 2. gefilmt.
5
In seinem Urteil hat die Kammer u.a. folgende Feststellungen getroffen (wobei im Folgenden die Parteien wie hier im Rechtsstreit bezeichnet werden):
6
„9 Sekunden nach Abbruch der vorgenannten Audioaufzeichnung, mithin um 23:09:28 Uhr, begann der Beklagte zu 2) erneut zu filmen. Zu diesem Zeitpunkt penetrierte der Beklagte zu 1) bereits die Klägerin, deren zwischenzeitlich ausgezogener Slip nunmehr im Fußbereich des Bettes lag, erneut vaginal, wobei diese inzwischen vollständig in Rückenlage auf dem Bett lag und der Beklagte zu 1) sich mit seinen Händen seitlich von ihr auf dem Bett abstützend zugleich mit seinen Armen ihre gespreizten und angewinkelten Beine nach hinten in Richtung ihres Kopfes drückte. Nachdem der Beklagte zu 1) trotz ihrer Bitte „hör auf!“ weiter den Geschlechtsverkehr vollzog, äußerte die Klägerin erstmals „ich will nicht, dass Fotos von mir gemacht werden“, woraufhin der Beklagte zu 1), der zumindest damit rechnete, dass der Beklagte zu 2) inzwischen weiter filmte, und ohne sich zu diesem umzudrehen, wahrheitswidrig entgegnete, „es werden keine Fotos gemacht“ . Obwohl die Klägerin in den folgenden rund 40 Sekunden den Beklagten zu 1) wiederholt stöhnend anflehte, aufzuhören (im Einzelnen: „hör auf!, ich bin so betrunken, hör auf!, ich will nicht mehr, hör auf, hör auf, bitte, ich kann nicht mehr!“) ließ dieser nicht nur nicht von ihr ab, sondern erhöhte bzw. beschleunigte sogar das Tempo bei der Penetration. Währenddessen ging der Beklagte zu 2), der nackt direkt danebenlag, dazu über, Nahaufnahmen von der Vagina und dem eindringenden Glied des Beklagten zu 1) zu fertigen, bevor er sodann das Ganze aus unmittelbarer Nähe mit einer Hand weiterfilmend mit der anderen (linken) Hand in den Vaginalbereich der Zeugin griff und dabei vier Finger in ihren Scheidenvorhof einführte und dort mindestens 40 Sekunden lang hin und her bewegte, während die Klägerin zeitgleich weiter von dem Beklagten zu 1) penetriert wurde. Nach rund 90 Sekunden legte der Beklagte zu 2) das gleichwohl weiter aufzeichnende Handy weg, so dass mangels erkennbaren Bildsignals das weitere Geschehen nur akustisch verfolgt werden kann. Während dieser nachfolgenden Zeit äußerte die Klägerin „D, was machst du mit mir! Hör auf damit, hör auf“, bevor sie erneut erklärte „ich will nicht, dass irgendjemand das filmt“, woraufhin der Beklagte zu 1) wiederum entgegnete „das filmt keiner“.
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Auf der nächsten von dem Beklagten zu 2) ab 23:13:05 Uhr gefertigten, nur zwei Sekunden andauernden Videosequenz liegt die Klägerin bis zum Hüftbereich in Bauchlage quer auf dem Bett und stützt ihren aus dem Bett herausragenden Oberkörper mit beiden Händen auf dem Schlafzimmerboden ab, während der Beklagte zu 1) sie – ihre Hüften dabei mit beiden Händen festhaltend – von hinten vaginal penetriert, wobei er selbst auf ihren Oberschenkeln sitzt und sich mit einem Fuß auf dem Boden abstützt. Auch während dieser nur zwei Sekunden andauernden Sequenz äußerte die Klägerin „hör auf!“. ………………
8
Um 23:13:15 Uhr begann der Beklagte zu 2) erneut zu filmen, während der Beklagte zu 1) die Zeugin in der zuvor beschriebenen Stellung von hinten weiter vaginal penetrierte und trotz ihrer wiederholten Bitte aufzuhören, nicht von ihr abließ sondern weiter den Geschlechtsverkehr durchführte (im Einzelnen äußerte sie: „hör auf, wo ist mein Handy, D, hör auf, hör auf, hör auf, D, hör auf“).
9
…..fest steht allerdings, dass T Klägerin zwischenzeitlich von den Beklagten ins Badezimmer gebracht wurde und der Beklagte zu 2) anschließend in der Zeit von 23:24:22 Uhr bis 23:24:27 Uhr mit seinem Handy insgesamt sieben Fotos von der Klägerin fertigte, die diese jeweils vollständig entkleidet in der Badewanne sitzend (dabei den Kopf mit den nassen Haaren gerade nach unten hängend) zeigen, während der Beklagte zu 1) immer noch mit seinem T-Shirt und dem roten Kondom bekleidet, diese abduscht.
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Um 23:24:33 Uhr (bis 23:24:51 Uhr) begann der Beklagte zu 2) im Badezimmer das dortige Geschehen zu filmen. Im Unterschied zu den kurz zuvor gefertigten Fotos war die Klägerin zwischenzeitlich ein Stück in der Badewanne abgerutscht und lag mehr als sie saß mit seitlich herabhängendem Kopf in der Wanne, während der Beklagte zu 1) sie mit einer Hand abduschte und mit der anderen an seinem Glied manipulierte.
11
….während die Klägerin in diesem Moment nach wie vor gänzlich unbekleidet neben dem Bett auf Knien und herabhängendem Kopf vor dem Eimer, in den sie sich zuvor übergeben hatte und neben dem Erbrochenes auf dem Boden lag, hockte und „es tut mir so leid“ stöhnte, näherte sich zeitgleich der Beklagte zu 1), der inzwischen ebenfalls vollständig entkleidet war und nunmehr ein durchsichtiges Kondom trug, ihr von hinten und sprach sie in normaler Lautstärke mit „T“ an, bevor er dem Beklagten zu 2) sodann zuflüsterte „ich fick die jetzt!“, woraufhin der Beklagte zu 2) ebenfalls flüsternd mit „ja, gut“ antwortete.
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…………wobei er nunmehr wieder Großaufnahmen von dem Gesäß der Zeugin und dem mit einem durchsichtigen Kondom überzogenen Glied des Beklagten zu 1) fertigte, der sein Glied in ihrer Gesäßspalte auf- und abrieb und dabei versuchte, anal in sie einzudringen, wobei durchsichtiges Gleitgel von der Gesäßspalte der Zeugin auf den Boden tropfte. Während dieses Vorgangs flehte die Klägerin, die nach wie vor aufgrund ihrer massiven Alkoholisierung zur Gegenwehr nicht in der Lage war, den Beklagten zu 1) mit den Worten „D! Bitte!“ zunächst vergeblich an, aufzuhören, was der Beklagte zu 1) lediglich mit „aber dir gefällt das, oder?“ kommentierte…….“
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Nach der Tat befand sich die Klägerin über einen Zeitraum von über einem Jahr vom 29.04.2015 bis 20.07.2016 in Therapie. In der Folgezeit war die Klägerin auch mehrfach krankgeschrieben.
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Durch einen Bescheid vom 21.08.2017 hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe über den Opferentschädigungsanspruch der Klägerin entschieden. Nach diesem Bescheid wurde bei der Klägerin eine posttraumatische psychoreaktive Störung festgestellt aufgrund der im Rahmen des Strafverfahrens aufgearbeiteten Tat. Es wurde ein Grad der Schädigung bei der Klägerin von 40 bis zum 30.11.2015, von 30 bis zum 31.02.2016 und noch heute von 20 festgestellt.
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Im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Landgericht Münster ist von Seiten der Beklagten bzw. ihrer Verteidiger eine sogenannte Konfliktverteidigungsstrategie gewählt worden. Die Hauptverhandlung umfasste 26 Verhandlungstage und dauerte vom 17. Februar 2015 bis zum 20. November 2015. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde die Klägerin zweimal als Zeugin vernommen, und zwar am 31.03.2015 und ein weiteres Mal am 23.09.2015. Zu der letzten Vernehmung heißt es in dem Urteil des Landgerichts wie folgt:
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„Nicht zuletzt war die aufgrund entsprechender Beweisanträge der Verteidiger erforderlich gewordene zweite Vernehmung vor der Kammer am 23.09.2015, bei der der Zeugin die ihr bis dahin nicht bekannten Audio- und Videoaufzeichnungen zur „Auffrischung ihres Erinnerungsvermögens“ vorgespielt wurden, für die Zeugin besonders belastend. Die Zeugin, die im hohen Maße angespannt war und deren Beine während der mehrstündigen Vernehmung durchgehend zitterten, brach während des Vorspielens der Aufzeichnungen wiederholt in Tränen aus und war sichtlich aufgelöst, so dass dieser Vorgang mehrfach unterbrochen werden musste, damit sich die Zeugin im Beisein ihres Beistandes und der psychiatrischen Sachverständigen soweit beruhigen konnte, dass das Vorspielen bzw. die anschließende Vernehmung fortgesetzt werden konnte.“
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Eine Entschädigungszahlung ist von Seiten der Beklagten an die Klägerin bislang nicht erfolgt. Eine Entschuldigung ist von Seiten des Beklagten zu1) nicht erfolgt. Der Beklagte zu 2. hat sich erstmals in einem Schreiben vom 22.08.2017 gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entschuldigt.
18
Angesichts der Folgen stellte die Klägerin sich ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,- Euro vor.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,
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2. festzustellen, dass der Schmerzensgeldanspruch auf einer unerlaubten Handlung beruht,
22
3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall in der Nacht vom 22.08.2014/23.08.2014, die von dem Landgericht Münster in dem Urteil vom 20.11.2015 aufgeführt wurden, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind, zu bezahlen,
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4. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten je vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 958,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte zu 1. hat keinen Antrag gestellt.
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Der Beklagte zu 2. hat den Klageantrag zu 1. in Höhe von 5.000,- Euro und den Klageantrag zu 2. anerkannt.
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Im Übrigen beantragt der Beklagte zu 2.,
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die Klage abzuweisen.
28
Der Beklagte zu 2. bestreitet die Folgeschäden der Klägerin mit Nichtwissen.
29
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
30
Die Klage ist in vollem Umfang gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 BGB begründet.
31
Der Beklagte zu 1) war säumig. Gegen ihn konnte insoweit ein Versäumnisurteil ergehen.
32
Der Beklagte zu 2) war im Rahmen seines Anerkenntnisses schon zu verurteilen. Im Übrigen ist die Klage gegen ihn auch begründet.
33
Der Klägerin steht zunächst ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner in Höhe von 25.000,- Euro zu.
34
Aufgrund des nicht bestrittenen Inhalts der Feststellungen des Landgerichts Münster in dem Strafurteil, welches Anlage der Klagebegründung der Klägerin war, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagten zu Lasten der Klägerin die vorgeworfenen Taten, nämlich schweren sexuellen Missbrauch gegenüber einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, begangen haben.
35
Ein Zivilgericht kann sich zum Zweck seiner eigenen Überzeugungsbildung, ob sich ein bestimmtes Geschehen zugetragen hat, auf ein dazu ergangenes Strafurteil stützen. Dem steht nicht entgegen, dass die in einem strafrichterlichen Urteil enthaltenen Feststellungen von Tatsachen für die zu derselben Frage erkennenden Zivilgerichte grundsätzlich nicht bindend sind. Die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil können aber im Rahmen der eigenen freien Beweiswürdigung und der Überzeugungsbildung des Zivilrichters im Sinne von § 286 ZPO Berücksichtigung finden, wobei das Urteil, wenn eine Partei sich zu Beweiszwecken darauf beruft, im Wege des Urkundenbeweises gemäß §§ 415, 417 ZPO zu verwerten ist. Allerdings darf der Zivilrichter die vom Strafgericht getroffenen Feststellungen nicht ungeprüft übernehmen. Er hat vielmehr die in der Beweisurkunde dargelegten Feststellungen einer eigenen kritischen Prüfung zu unterziehen (OLG Hamm, NJW-RR 2013, 221).
36
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen keine durchgehenden Zweifel, dass die Beklagten die ihnen vorgeworfenen Straftaten begangen haben. Es wurde nicht einmal behauptet, dass es sich bei dem Strafurteil um ein Fehlurteil handeln solle.
37
Ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 25.000,- Euro erscheint der Kammer angemessen.
38
Das Schmerzensgeld soll in erster Linie dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden und Lebensbeeinträchtigungen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zugleich soll es aber dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dieser Gesichtspunkt entfällt auch nicht dadurch, dass in solchen Fällen, in denen wie hier die Schädiger in dem Strafverfahren, an dem die Geschädigte als Nebenklägerin beteiligt war, zu erheblicher Strafe verurteilt worden sind. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Bestrafung des Täters wegen einer vorsätzlichen Tat den Schmerzensgeldanspruch nicht mindert (BGHZ 128, 117 = NJW 1995, 781). Denn eine Bestrafung vermag das zivilrechtliche anerkannte Genugtuungsbedürfnis der Geschädigten vielfach nicht ausreichend zu befriedigen, zumal gerade bei Gewalttaten mit sexuellem Hintergrund das Verbrechensopfer seine Leiden in dem späteren Verfahren teilweise nacherleben muss. Dabei kann das Verfahren aufgrund der Eigenart des Strafprozesses nur unvollkommen zur Verarbeitung und Bewältigung des Geschehens beitragen (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1994, 94, 95). Im Vordergrund steht bei der Schmerzensgeldbemessung der Ausgleich der erlittenen Schäden und Lebensbeeinträchtigungen, wobei einem Langzeit- oder Dauerschaden eine besondere Genugtuung zukommt.
39
Bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass das Durchleben dieser alptraumartigen Behandlungen, wie sie von den Beklagten an der Klägerin begangen wurden, Nachwirkungen bei einem Menschen hinterlässt, die ihn noch lange Zeit nach der Tat belasten. Allein schon die Erinnerung des Opfers an ein derartiges Geschehen rechtfertigt es, von einer Tatfolge zu sprechen, die die Betroffene auch in Zukunft in ihrer Lebensfreude beeinträchtigt.
40
Dass die Tat auch an der Klägerin nicht spurlos vorübergegangen ist und sie in der Tat auch heute noch stark belastet, dies folgt bereits aus dem Opferentschädigungsbescheid des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, wonach die Klägerin noch heute einen Schädigungsgrad von 20 hat. Außerdem ist eine posttraumatische psychoreaktive Störung der Klägerin bescheinigt worden.
41
All diese Dinge erfordern bereits ein Schmerzensgeld in erheblicher Höhe.
42
Im vorliegenden Fall kommen aber noch weitere Aspekte hinzu.
43
Erheblich schmerzensgelderhöhend ist nach Auffassung der Kammer das Verhalten der Beklagten in dem Strafprozess zu würdigen. Die Beklagten haben eine sogenannte Konfliktverteidigungsstrategie gewählt, obwohl die, da das Geschehen über längere Zeit gefilmt worden war und die Filmaufnahmen beschlagnahmt worden sind, keine Aussicht auf Erfolg bot. Gleichwohl musste die Strafkammer die Klägerin zweimal, und zwar am 31.03.2015 und am 23.09.2015, als Zeugin anhören. Gerade bei der letzten Vernehmung kamen nach den Feststellungen im Strafurteil, die im Tatbestand wiedergegeben sind, die alptraumartigen Erinnerungen der Klägerin an dieses Geschehen wieder hoch. Zudem wurde sie aufgrund der Beweisanträge der Verteidiger „gezwungen“, sich die ihr bis dahin noch nicht bekannten Audio- und Videoaufzeichnungen anzusehen.
44
Diese Konfliktverteidigungsstrategie hat das Leiden der Klägerin in erheblicher Weise verlängert und auch wieder neu hervorgerufen. Am Rande soll nicht unerwähnt bleiben, dass dies auch bei den Beklagten „fatale“ Auswirkungen gehabt hat. Bei einem von Reue getragenen Geständnis wäre mit Sicherheit der Strafrahmen viel milder ausgefallen. Zudem wären die Kosten durch das Gerichtsverfahren auch deutlich niedriger gewesen. Aber das hat die Kammer nicht zu entscheiden. Hier geht es allein um den Schmerzensgeldanspruch der Klägerin.
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Unter Berücksichtigung aller Umstände meint das Gericht daher, dass ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 25.000,- Euro angemessen ist, wofür die Beklagten als Gesamtschuldner haften.
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Der Klageantrag zu 2. hat seine Rechtfertigung in § 302 Nr. 1 InsO und ist begründet, da der Schmerzensgeldanspruch der Klägerin auf einer unerlaubten Handlung beruht.
47
Auch der Feststellungsantrag ist begründet. Angesichts des Bescheides des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, nach dem nach wie vor ein Schädigungsgrad besteht, sind zukünftige Schäden nicht ausgeschlossen.
48
Nach Schadensersatzgesichtspunkten sind die Beklagten darüber hinaus verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
49
Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.
50
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 2, 709 ZPO.