Zur Haftung wegen Verursachung eines Werkhallenbrandes durch Funkenerzeugung in der Nähe eines Benzin-Luftgemisches

BGH, Urteil vom 30.05.1995 – VI ZR 148/94

Zur Haftung wegen Verursachung eines Werkhallenbrandes durch Inbetriebnahme einer Leuchtstofflampe, die durch einen Funken erzeugenden Glimmzünder angeschaltet wird, in der Nähe eines entzündlichen Benzin-Luftgemischs

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 1994 insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die in Nachtragsliquidation befindliche Klägerin nimmt den Beklagten, einen Sohn ihres früheren Geschäftsführers, auf Schadensersatz wegen eines Brandes in Anspruch, durch welchen in der Werkhalle der Klägerin eine größere Anzahl von Maschinen, Werkzeuge sowie sonstige Geräte erheblich beschädigt oder unbrauchbar wurden.

2
Der Vater des Beklagten hatte am 19. März 1988 in der Werkhalle seinen privaten PKW an den Hinterrädern 30 bis 40 cm hoch aufgebockt, da die Benzinleitung des Wagens kurz vor dem Tank ein Leck hatte und dort Kraftstoff ausgetreten war. Am folgenden Tag, einem Sonntag, wollte er die Leitung auswechseln. Während er sich in der Werkhalle aufhielt, kam der Beklagte mit seiner Familie zu Besuch. Er suchte den Vater in der Halle auf und erkundigte sich danach, was er mache. Der Vater erwiderte, daß er im Augenblick noch die Maschinen warte und anschließend die defekte Benzinleitung des PKW’s auswechseln wolle.

3
Der Beklagte begab sich dann zu dem Fahrzeug. Um sich den Schaden näher anzusehen, legte er eine elektrische Leuchtstofflampe unter den Wagen, die er von der Wand genommen hatte. Diese Leuchte ohne eigenen Schalter mit einer elektrischen Leistung von 8 Watt nimmt durch den in der Zuleitung integrierten Vorwiderstand bei Inbetriebnahme eine Gesamtleistung von 38,5 Watt auf. Sie war nicht durch eine ausreichende Ummantelung und Abschirmung nach den dafür geltenden VDE-Bestimmungen für den Einsatz in explosionsgefährdeten Räumen geschützt. Die Leuchte verfügte über einen Glimmzünder in der Röhre, von welchem bei Inbetriebnahme der Leuchte ein Funken überspringt. Der Beklagte steckte den Stecker der Lampenzuleitung in die Steckdose einer Kabeltrommel. Unmittelbar danach fing das Auto Feuer, das auch die Werkzeughalle erfaßte, die im wesentlichen niederbrannte.

4
Die Klägerin hat behauptet, als der Beklagte den Stecker der Lampe in die in unmittelbarer Nähe des Fahrzeuges liegende Kabeltrommeldose gestöpselt habe, sei das infolge der defekten Benzinleitung unter dem Fahrzeug vorhandene Benzin-Luftgemisch entflammt worden.

5
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe den durch den Brand entstandenen Schaden zu ersetzen, den sie auf insgesamt 524.817,07 DM beziffert hat.

6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage dem Grunde nach zu 2/3 stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe
I.

7
Das Berufungsgericht stellt fest, daß aus einem undichten Verbindungsschlauch austretender Kraftstoff sich im Bereich der Undichtigkeit und unterhalb davon am Boden durch Verdunstung zu einem zündfähigen Kraftstoff-Luftgemisch verbinden kann, welches bereits durch ein elektrisches Betriebsmittel mit einer Leistung von 5 bis 10 Watt gezündet werden kann. Das Berufungsgericht sieht es auch nicht als ausgeschlossen an, daß noch am Mittag des 20. März 1988 Benzin aus der defekten Leitung austreten und sich zu einem entzündbaren Gemisch verbinden konnte. Da der Beklagte auch keine andere denkbare Ursache als die Inbetriebnahme der Stablampe aufgezeigt habe, ist das Berufungsgericht davon überzeugt, daß der Beklagte den Brand des PKW und die sich daraus ergebenden weiteren Brandfolgen verursacht hat.

8
Nach Auffassung des Berufungsgerichts trifft den Beklagten auch der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens. Der Beklagte habe damit rechnen müssen, daß entweder ein beim Einstecken des Lampensteckers in die Kabeltrommel entstehender oder aber durch den beim Anschluß vom Glimmzünder in der Arbeitslampe überspringender Funke das Benzin-Luftgemisch habe in Brand setzen können.

9
Der Klägerin hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Vaters des Beklagten, ihres damaligen Geschäftsführers, zugerechnet, das darin liegen soll, daß ihm die von ihm geschaffenen Umstände, welche die Brandgefahr begründeten, hätten bewußt sein müssen, und er damit hätte rechnen müssen, daß sein Sohn die benutzte Stablampe oder eine andere Lichtquelle zur besseren Schadensbegutachtung einsetzen könnte.

II.

10
Das Berufungsurteil hält nicht durchweg den Angriffen der Revision stand.

11
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Beklagte durch die Inbetriebnahme der Stablampe die Entstehung des Brandes verursacht hat. Der erkennende Senat hat die dagegen gerichteten Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Auf eine nähere Begründung wird gemäß § 565a ZPO verzichtet.

12
2. Begründet sind jedoch die Rügen der Revision, mit denen sie sich gegen die Bejahung des Schuldvorwurfes wendet.

13
a) Das Berufungsurteil enthält keine ausreichenden Feststellungen dazu, aus denen sich ergeben könnte, daß der Beklagte damit rechnen mußte, daß auch am Mittag des 20. März 1988 aus der defekten Leitung noch Benzin austreten und sich zu einem gefährlichen und leicht entzündbaren Benzin-Luftgemisch verbinden konnte. Der Beklagte wußte zwar, daß das Fahrzeug Benzin verloren hatte. Das Berufungsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils aber als unstreitig nur festgestellt, daß “etwas” Kraftstoff ausgetreten war. Der Beklagte hatte zudem, wie die Revision rügt, vorgetragen, daß es in der Halle nicht nach Benzin gerochen habe. Die Klägerin hatte diese Behauptungen des Beklagten nicht bestritten. Das Berufungsgericht teilt auch nicht mit, wieso der Beklagte damit hätte rechnen müssen, daß noch weiteres Benzin aus der defekten Leitung austreten werde, nachdem das Auto bereits seit dem Vortag in der Halle aufgebockt war.

14
b) Mit Recht rügt die Revision auch, daß sich für die Annahme des Berufungsgerichts, für den Beklagten sei durch die Inbetriebnahme der Stablampe eine Brandgefahr erkennbar gewesen, entsprechende Feststellungen fehlen. Das Berufungsgericht überspannt die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten, wenn es meint, der Beklagte hätte bei der gebotenen Vorsicht in seine Überlegungen einbeziehen müssen, daß bereits eine geringe elektrische Energie ausreiche, um ein Benzin-Luftgemisch zu entzünden. Es muß zwar allgemein als bekannt vorausgesetzt werden, daß ein entzündliches Gemisch von Luft mit Lösungsmitteln oder Kraftstoffen durch eine offene Flamme zur Explosion gebracht werden kann. Es mag auch weitgehend bekannt sein, daß die beim Einschalten eines Lichtschalters in dem Schalter entstehenden kleinen Funken ein solches Gemisch, das sich in einem Raum ausgebreitet hat, entzünden können. Allerdings ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, daß der Verwender von Produkten, die leicht entflammbare Stoffe als Lösungsmittel enthalten, diese Gefahren im allgemeinen nicht kennt, und daß der Hersteller auf die Gefahren hinweisen muß (vgl. z.B. Senatsurteil vom 20. Oktober 1959 – VI ZR 152/58 – Klebemittel – VersR 1960, 342, 343). Im Streitfall ist jedenfalls bisher nicht ersichtlich, woraus der Beklagte die Kenntnis erlangt haben sollte, daß die von ihm benutzte Lampe über einen Glimmzünder in einer Röhre verfügte, von welchem bei Inbetriebnahme ein Funke überspringt, und daß sich ein etwa vorhandenes Benzin-Luftgemisch dadurch entzünden konnte. In diesem Zusammenhang kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht darauf an, ob an der Lampe irgendwelche Kennzeichnungen vorhanden waren oder ob solche fehlten, aus denen man hätte entnehmen können, daß die Lampe den VDE-Richtlinien entsprach.

15
3. Da das Berufungsgericht selbst davon ausgeht, daß die Klägerin nicht bewiesen hat, daß der Brand etwa dadurch ausgelöst wurde, daß der Beklagte in Fahrzeugnähe geraucht hat, kann das Berufungsurteil auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden.

III.

16
Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

17
In der neuen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wird der Beklagte, falls das Berufungsgericht erneut eine Verurteilung in Erwägung zieht, noch Gelegenheit haben, auf weitere Umstände hinzuweisen, die für die Abwägung des Verschuldens des früheren Geschäftsführers der Klägerin und das des Beklagten von Bedeutung sind.

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