Zur Haftung wegen Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung durch Ausstellung unzutreffender Ausfuhrbescheinigungen

BFH, Beschluss vom 30.12.1998 – VII B 160/98

Zur Haftung wegen Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung durch Ausstellung unzutreffender Ausfuhrbescheinigungen

Tatbestand
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Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wird vom Beklagten (Finanzamt –FA–) wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, die er geleistet haben soll, auf Haftung für die Rückzahlung von Vorsteuern in Anspruch genommen. Deren Erstattung hatten die Firmen A, B, C und D erschlichen. Diese Firmen haben sich entsprechend einem mit verschiedenen angeblichen Lieferanten abgesprochenen Tatplan Rechnungen über hochwertige Kfz ausstellen lassen, mit denen sie Ausfuhrlieferungen auszuführen vorgaben, so daß sie in den Genuß der Erstattung der in den Rechnungen ausgewiesenen Vorsteuern kamen. Der Transportweg der Fahrzeuge führte bei diesen in Wahrheit nur vorgetäuschten Geschäften angeblich von Süddeutschland zum Freihafen Hamburg. Dort betrieb der Antragsteller eine Speditionsfirma. Er ließ sich dazu bewegen, den vorgenannten Firmen Transportrechnungen und Ausfuhrbescheinigungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) für zahlreiche im Besteuerungszeitraum 1991 angeblich in den Freihafen gelieferte Fahrzeuge auszustellen. In diesen bestätigte er unter Angabe der jeweiligen Fahrgestellnummer die Übergabe der Kfz und ihre Versendung bzw. Beförderung in den Freihafen. Dafür hat der Antragsteller je Kfz eine Vergütung von … DM, insgesamt … DM erhalten.

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Der Antragsteller ist wegen dieser Vorgänge vom Landgericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 15 Fällen verurteilt worden. Nach Ergehen dieses Urteils hat das FA den Antragsteller neben den Tätern und anderen Gehilfen wegen der bei den inzwischen in Konkurs gefallenen Firmen nicht mehr beitreibbaren Vorsteuern nach § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch genommen. Gegen die deswegen ergangenen, im Einspruchsverfahren teilweise dem Betrag nach geänderten Haftungsbescheide hat der Antragsteller unter dem Az. des Finanzgerichts (FG) Klage erhoben und zugleich die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren beantragt.

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Der Antragsteller hat seine Klage im wesentlichen folgendermaßen begründet:

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Anfang 1990 habe der ihm seit längerer Zeit bekannte E den Auftrag für mehrere Fahrzeugtransporte erteilen wollen. Er habe den Auftrag jedoch mangels Kapazität ablehnen müssen. Im September/Oktober sei E dann bei ihm erschienen und habe ihn gebeten, für die von ihm, E, auf eigener Achse transportierten Fahrzeuge Ausfuhrbescheinigungen für Umsatzsteuerzwecke auszufüllen, weil dies den Spediteuren vorbehalten sei. Auf sein Verlangen eines Nachweises über das Verbringen der Fahrzeuge in den Freihafen habe E ihm Schiffszettelquittungen der renommierten Schiffsmaklerfirma X vorgelegt, die die allgemein üblichen Angaben –wie die vollständige Fahrgestellnummer– und u.a. eine Unterschrift des zuständigen Mitarbeiters des Schuppens enthalten hätten. Gegen Vorlage solcher Unterlagen habe er sich gegenüber E bereit erklärt, auch für künftig wegen Auslastung seiner eigenen Transportkapazität von E nach Hamburg transportierte Wagen Ausfuhrbescheinigungen gefälligkeitshalber auszustellen. Entsprechend sei verfahren worden. Daß die Schiffszettel gefälscht waren und die dort aufgeführten Fahrzeuge nicht existierten, sei ihm von E nicht mitgeteilt worden. Er sei von E getäuscht worden, was er unter dessen Zeugnis stelle. Unter das Zeugnis des Handelsbevollmächtigten der Firma X, F, stelle er, daß die Fälschung der Schiffszettel nicht zu erkennen gewesen sei. Tatsächlich habe der vom Landgericht als Zeuge vernommene F die Schiffszettel nicht als Fälschungen erkannt.

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Der Antragsteller habe im Strafverfahren stets seine Unschuld beteuert; er habe jedoch feststellen müssen, daß das Landgericht aufgrund der Vielzahl der Vorgänge und der Größenordnung der Beträge ihm möglicherweise keinen Glauben schenken werde und ohne Geständnis dazu neige, eine Freiheitsstrafe gegen ihn zu verhängen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. In Panik und Existenzangst sowie auf Anraten seines Verteidigers habe er sich deshalb dazu durchgerungen, einzuräumen, daß er zwar keine definitive Kenntnis davon gehabt habe, daß etwas nicht mit rechten Dingen zuging, er aber letztlich aufgrund der Häufung der Vorgänge die Augen davor verschlossen habe. Das sei vom Gericht als Geständnis gewertet worden. Dieses Geständnis sei jedoch in der Sache nicht zutreffend gewesen. Die Feststellung des Landgerichts, er habe gewußt und gebilligt, daß die betreffenden Firmen ihnen nicht zustehende Vorsteuererstattungen erhalten, sei falsch. Sie könne nicht zur Grundlage einer Haftungsinanspruchnahme herangezogen werden.

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Überdies stehe der Haftungsinanspruchnahme das Mitverschulden des FA entgegen. Die Ausfuhrbescheinigungen seien nicht geeignet gewesen, einen tatsächlich durchgeführten Export der Fahrzeuge zu beweisen. Sie reichten daher für eine Steuerbefreiung nach § 6 des Umsatzsteuergesetzes nicht aus. Deshalb habe er, der Antragsteller, nicht davon ausgehen müssen, daß die Umsatzsteuerbefreiung allein aufgrund der Vorlage der Ausfuhrbescheinigungen und der Schiffszettel vom FA gewährt werde. Daß dies dennoch geschehen sei, stelle ein pflichtwidriges Handeln der Beamten des FA dar. Überdies habe der Betriebsprüfer bei dem FA in den Monaten … bis dahin eingefrorene … DM Umsatzsteuer trotz bereits bestehender Verdachtsmomente gegen die Firmen freigegeben.

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Das FG hat den Antrag auf Gewährung von PKH –unter Gewährung von PKH hinsichtlich anderer Zeiträume– abgelehnt, soweit er die Haftungsinanspruchnahme für die Monate … betrifft.

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Die Beschwerde gegen diesen Beschluß wird im wesentlichen folgendermaßen begründet:

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Die Annahme des FG, die Täter hätten sich, wenn sie tatsächlich Fahrzeuge ausgeführt hätten, billiger Grenzzollbestätigungen nach § 9 UStDV oder eine Abnehmerbestätigung beschaffen können, stehe mit der tatsächlichen Handhabung durch den Zoll nicht im Einklang. Denn an der Freihafengrenze würden für Kfz grundsätzlich keine Ausfuhrbescheinigungen oder Ausfuhrbestätigungen ausgestellt. Es werde lediglich die Ausfuhranmeldung abgestempelt, aber mit dem Vermerk „Nicht für Umsatzsteuerzwecke“ versehen. Ein Exporteur könne daher eine Ausfuhrbescheinigung nur vom Spediteur erhalten. Es sei dem Antragsteller gestattet gewesen, Ausfuhrbescheinigungen auszustellen, auch wenn er die Fahrzeuge durch Dritte –hier nach Meinung des Antragstellers u.a. durch E– habe über die Grenze verbringen lassen, sofern er sich nur davon überzeugt habe, daß die Fahrzeuge tatsächlich in den Freihafen verbracht worden seien. Letzteres habe der Antragsteller anhand der Anlieferquittungen getan. Es habe aufgrund dieser Anlieferquittungen des Schuppens, der ein staatlicher Betrieb sei, nicht den geringsten Zweifel an der Existenz der Fahrzeuge gegeben. Der Antragsteller habe nicht erkennen können, daß die Anlieferquittungen gefälscht waren. Auch die große Zahl der exportierten Fahrzeuge habe keinen Verdacht erregen müssen. Es habe daher keinen Anlaß gegeben, sich bei den Sachbearbeitern der Firma X oder dem Lademeister rückzuversichern.

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Aus der strafgerichtlichen Verurteilung des Antragstellers ergebe sich nichts zu seinen Lasten.

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Das Mitverschulden des FA, für das er Beweis antrete, habe das FG nicht zutreffend berücksichtigt.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Beschwerde (§ 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), die sich bei sinnentsprechender Auslegung gegen die Versagung von PKH hinsichtlich der Anfechtung der Haftungsinanspruchnahme für … richtet, ist nicht begründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller insoweit PKH zu gewähren.

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Anspruch auf Gewährung von PKH besteht nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Daran fehlt es im Streitfall in dem Umfang, in dem das FG PKH versagt hat. Denn die angefochtenen Haftungsbescheide des FA erweisen sich bei der in diesem Verfahren nur möglichen und gebotenen vorläufigen Prüfung insoweit als rechtmäßig, so daß die für die Gewährung von PKH erforderliche gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Antragstellers in dem Klageverfahren nicht gegeben ist.

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1. Wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Er kann vom FA nach § 191 Abs. 1 AO 1977 auf diese Haftung in Anspruch genommen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Haftung nach § 71 AO 1977 allerdings keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten; sie soll vielmehr lediglich den durch die Hinterziehungshandlung verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen (vgl. BFH-Urteile vom 8. November 1988 VII R 78/85, BFHE 155, 17, 21, BStBl II 1989, 118; vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504; vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, und vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198). Deshalb setzt die Haftungsinanspruchnahme des Gehilfen einer Steuerhinterziehung die Feststellung voraus, daß dessen (Beihilfe-)Handlung zu dem eingetretenen Erfolg einer Steuerverkürzung tatsächlich beigetragen hat, für ihn also (zumindest mit-)ursächlich gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1993 VI R 116/90, BFHE 171, 547, BStBl II 1993, 775).

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Es ist jedoch nicht zweifelhaft, daß der Antragsteller die auf die Gewährung unberechtigter Vorsteuererstattungen gerichteten, nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 strafbaren Taten von E und seinen Komplizen objektiv gefördert hat. Insbesondere scheitert die Haftung des Antragstellers nicht daran, daß die von ihm ausgestellten Ausfuhrbescheinigungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV nicht geeignet gewesen wären, das Gelingen des Tatplans von E und der übrigen Täter zu fördern, oder daß sie diesen nicht auch tatsächlich gefördert hätten, also dafür mitursächlich waren, daß die eingangs genannten Firmen zu Unrecht Vorsteuererstattungen erhalten haben.

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Wie das FG zutreffend dargelegt hat, konnte der Tatplan nur gelingen, wenn den Finanzbehörden der mit Vorsteuer belastete Erwerb der Fahrzeuge glaubhaft erschien –was den Nachweis einer Weiterlieferung der Fahrzeuge erforderte– und wenn zugleich die Firmen nicht –wie bei einem vorgetäuschten Absatz der Fahrzeuge im Inland– steuerpflichtige Umsätze erklären mußten, welche den von ihnen erstrebten Vorteil der Vorsteuererstattung vereitelt hätten. Ob die von dem Antragsteller ausgestellten Ausfuhrbescheinigungen, mit denen der Antragsteller seine nach dem Tatplan vorgesehene Hilfeleistung zu der zur Vollendung gelangten Steuerhinterziehung geleistet hat –was seine Gehilfenstrafbarkeit begründet–, von E tatsächlich benutzt worden sind, um das für die Umsatzbesteuerung zuständige FA zu täuschen, ist im Ergebnis ebenso ohne Bedeutung wie die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, ob er damit rechnen mußte, daß allein aufgrund der von ihm ausgestellten Bescheinigungen Vorsteuererstattungen gewährt werden würden. Das FA hat auf Nachfrage des FG erklärt, ohne die vom Antragsteller ausgestellten Ausfuhrbestätigungen wären die von den Firmen geltend gemachten Vorsteuerbeträge von vornherein nicht anerkannt worden. Damit ist freilich nicht gesagt, daß vor Auszahlung der betreffenden Beträge eine Belegprüfung stattgefunden hat oder daß die Ausfuhrbescheinigungen zumindest nachträglich –etwa im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung– geprüft, als Ausfuhrnachweis anerkannt und insofern dafür ursächlich geworden sind, daß den betroffenen Firmen die ihnen zu Unrecht gewährten Umsatzsteuererstattungen belassen worden sind. Gleichwohl könnte die Haftungsinanspruchnahme des Klägers an dem rechtlichen Gesichtspunkt mangelnder Kausalität der Handlungen des Antragstellers für den bei dem FA eingetretenen Steuerausfall nicht scheitern, weil von dem Antragsteller durch die Ausstellung der Ausfuhrbescheinigungen (psychische) Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet und der beim FA eingetretene Steuerausfall unabhängig davon mitverursacht worden ist, ob von jenen Bescheinigungen steuerlich tatsächlich Gebrauch gemacht worden ist. Denn der Tatbeitrag des Antragstellers hat zumindest dazu beigetragen, daß die Täter meinten, mit der Entdeckung ihrer Taten bei der nächsten Außenprüfung nicht rechnen zu müssen. Ob sie die Vorsteuererstattungen auch ohne die Hilfe des Antragstellers –z.B. wie in anderen Fällen durch Fälschung von Ausfuhrbelegen– erschlichen hätten, ist dabei ohne Belang; denn auch einem bereits zur Tat fest Entschlossenen kann psychische Beihilfe geleistet werden, indem er in seinem Tatplan noch bestärkt und ihm innere Sicherheit vor der Gefahr einer nachträglichen Entdeckung gewährt wird (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1951 3 StR 82/51, Neue Juristische Wochenschrift 1951, 451).

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2. Das vom Antragsteller zu seiner Verteidigung gegen die Haftungsbescheide Vorgebrachte, nämlich daß ihm der für eine Haftung nach § 71 AO 1977 erforderliche Gehilfenvorsatz gefehlt habe, vermag Erfolgsaussichten seiner Klage nicht zu begründen. Gegen den Antragsteller spricht insoweit bereits und vor allem seine strafrichterliche Verurteilung, die auf seinem Geständnis beruht. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (u.a. Urteil vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311) kann das FG in dem Klageverfahren die strafgerichtlichen Feststellungen verwerten und seine Entscheidung auf die in dem Strafurteil festgestellten Tatsachen stützen, sofern gegen diese nicht substantiierte Einwendungen vorgebracht und dazu entsprechende Beweisanträge gestellt werden. Es spricht keine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, daß es dem Antragsteller gelingen könnte, die Beweiskraft der strafrichterlichen Feststellungen durch solche Einwendungen und Beweisanträge zu erschüttern. Schon seine Darstellung, wie er sich vor dem Strafgericht eingelassen hat, ist unklar und widersprüchlich. Wenn er dort, wie er offenbar glauben machen will, kein Geständnis abgelegt hat, konnte er auch nicht hoffen, aufgrund eines Geständnisses eine mildere Strafe zu erhalten, womit er seine Einlassungen vor dem Landgericht erklärt. Es würde seinen Gehilfenvorsatz auch nicht in Frage stellen, daß er keine „definitive Kenntnis“ von dem Steuerhinterziehungsvorsatz des E und der anderen Täter gehabt haben mag, sondern vor deren Tatplan lediglich „die Augen verschlossen“ hat, wie er es in seiner abschließenden Einlassung vor dem Landgericht dargestellt haben will. Zudem erscheint die Erklärung wenig plausibel, weshalb der Antragsteller vor dem Landgericht zu Unrecht sein (angeblich mißverstandenes) Geständnis abgelegt haben will. Denn wenn er, wie er es darstellt, von E nicht belastet worden ist und die Vernehmung des Zeugen F –entgegen dessen Aussage vor der Finanzbehörde– ergeben hat, daß der Antragsteller trotz seiner Erfahrungen im Speditionsgewerbe nicht erkennen konnte, daß die vorgeblich von der Firma X herrührenden Bescheinigungen gefälscht sind, wenn auch sonst gegen den Antragsteller aus seiner Sicht nichts Belastendes vorlag, insbesondere sein Verhalten plausibel und branchenüblich hat erscheinen können, wie der Antragsteller meint, hätte es zumindest nahegelegen, auf einen Freispruch durch das Landgericht hinzuwirken, statt sich –wie der sachkundig vertretene Antragsteller wissen mußte– durch ein Geständnis auch für ein anschließendes finanzgerichtliches Verfahren schwer selbst zu belasten.

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3. Aber auch abgesehen von der Indizwirkung des Geständnisses des Antragstellers und seiner strafrichterlichen Verurteilung, denen jedenfalls im Verfahren wegen Gewährung von PKH i.d.R. erhebliche Bedeutung beizumessen ist, vermag der erkennende Senat für die Klage gegen die Haftungsbescheide des FA keine hinreichenden Erfolgsaussichten zu erkennen. Denn die Sachdarstellung des Antragstellers ist nicht glaubhaft.

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Nicht glaubhaft ist bereits, daß der Antragsteller darauf hereingefallen sein will, daß E und seine Komplizen ihm vorgespiegelt haben, monatelang keinen Transporteur für ihre hochwertigen Neuwagen finden zu können, und daß sie deshalb solche Fahrzeuge „auf eigener Achse“ in großer Zahl von Süddeutschland nach Hamburg fahren und damit ohne einen plausiblen Grund Risiken, wenn nicht eine Wertminderung der Fahrzeuge in Kauf nehmen. Unglaubhaft ist ferner, daß der Kläger trotz dieser nach Einschätzung des erkennenden Senats schon für sich genommen ungewöhnlichen Umstände keinen Verdacht gegen E und seine Komplizen geschöpft haben will, als diese ihm für die Ausstellung von Ausfuhrbescheinigungen … DM pro Fahrzeug anboten und gewährten, ein Entgelt, welches dem Antragsteller für eine Gefälligkeit, als die er seine Leistung angesehen haben will, kaum angemessen erscheinen konnte. Es spricht schließlich für sich, daß der Antragsteller trotz dieses verdächtigen Verhaltens von E und der vorgenannten ungewöhnlichen Umstände der Geschäftsabwicklung während der sich über mehrere Monate hinziehenden angeblichen Ausfuhren und trotz der für seine Leistungen bezogenen erheblichen Zahlungen sowie der offensichtlichen schwerwiegenden steuerlichen Auswirkungen der von E und seinen Komplizen angeblich durchgeführten Geschäfte und des daraus für den Antragsteller entstehenden Risikos, der Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung bezichtigt und auf Haftung in Anspruch genommen zu werden, nicht auf den naheliegenden Gedanken gekommen sein will, jemals zumindest stichprobenweise die Echtheit der ihm vorgelegten Schiffsquittungen oder die Glaubwürdigkeit des E zu überprüfen, sondern daß er es vielmehr vermieden hat, dem in irgendeiner Weise nachzugehen.

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4. Die Behauptung des Antragstellers, das FA hätte den eingetretenen Steuerausfall bei sorgfältiger Amtsführung vermeiden können und müssen, kann der Klage des Antragstellers ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats würde ein mitwirkendes Verschulden des FA nicht in entsprechender Anwendung des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu einem Ausschluß der Haftung oder auch nur zu einer Haftungsminderung führen (Urteil des Senats vom 12. Juni 1986 VII R 135/80, BFH/NV 1988, 76); ein solches Mitverschulden könnte grundsätzlich allenfalls bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden (u.a. Beschluß vom 28. August 1990 VII S 9/90, BFH/NV 1991, 290 und Urteil vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4) und stünde auch unter diesem Gesichtspunkt der Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen, wenn der Haftungsschuldner den Steuerausfall –wie hier– vorsätzlich herbeigeführt hat (Beschlüsse des Senats vom 8. April 1986 VII R 187/83, BFH/NV 1986, 508, und vom 21. Januar 1986 VII S 30/85, BFH/NV 1986, 518).

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