Zur Haftung eines Grundstücksnachbarn für grobe Beleidigung von Hotelgästen

OLG München, Urteil vom 09.11.2011 – 3 U 1771/11

Grundlage eines Hotelbetriebs ist, dass Hotelgästen ein vom Fehlen störender Eingriffe geprägter, Erholung und Entspannung förderlicher Aufenthalt geboten werden kann, was in Frage steht, wenn gezielt Hotelgäste von einem unmittelbaren Nachbarn des Hotelgrundstücks aus nichtigen Anlässen grob beleidigt werden. Angesichts der konkreten Gefahr, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung Hotelaufenthalte daraufhin verkürzt bzw. nicht wiederholt und derartige Zwischenfälle publik werden, sind dadurch die Erwerbschancen für den Gewerbebetrieb beeinträchtigt und die wirtschaftlichen Aussichten des Hotelbetriebs bedroht (Rn. 27).

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 29.03.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Ziffern II und V des Urteilstenors wie folgt neu gefasst lauten:

„II. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, es zu unterlassen, das Landhotel P. in A. aufsuchende/dort befindliche Gäste während ihres dortigen Aufenthalts zu beleidigen, insbesondere ihnen gegenüber Missachtung durch Beschimpfen kundzutun.

V. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es zu unterlassen, das Landhotel P. in A. aufsuchende/dort befindliche Gäste während ihres dortigen Aufenthalts zu beleidigen, insbesondere ihnen gegenüber Missachtung durch Beschimpfen kundzutun.“

II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Sie tragen die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind Unterlassungsansprüche der Klägerin, die Betreiberin des Landhotels P. in A. ist, gegen die Beklagten. Letztere sind Eigentümer und Bewohner des Hausgrundstücks auf der gegenüberliegenden Straßenseite und Eigentümer eines Grundstücksstreifens auf der Straßenseite des Hotels der Klägerin, auf welchem immer wieder, trotz Verbotshinweisen auf angebrachten Schildern, Hotelgäste der Klägerin Fahrzeuge abstellen. Es kam und kommt wiederholt zu verbalen Auseinandersetzungen, einerseits zwischen den Beklagten und Hotelgästen, andererseits zwischen den Beklagten und der Klägerin, die auch von im Umkreis befindlichen Personen wahrgenommen wurden. Im Rahmen verbaler Auseinandersetzungen wurde die Klägerin vom Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) als Prostituierte bezeichnet und sinngemäß behauptet, in dem Landhotel der Klägerin würde der Prostitution nachgegangen.

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Das Landgericht Traunstein hat über die (noch weitergehend als im Berufungsverfahren verfahrensgegenständliche) Unterlassungs-Klage (und dort noch verfahrensgegenständliche Klage auf Vornahme von Handlungen) verhandelt und der auf Unterlassung gerichteten Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben. Auf die im Ersturteil vom 29.03.2011 getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die Protokolle der erstinstanzlichen Verhandlung (Bl. 40/42, Bl. 70/81, Bl. 109/112 d. A.) wird Bezug genommen, des weiteren auf die zwischen den Parteien erstinstanziell gewechselten Schriftsätze.

3

Die Verurteilung der Beklagten ist insoweit in Rechtskraft erwachsen, als diese es zu unterlassen haben, die Klägerin als Prostituierte zu bezeichnen bzw. zu behaupten, in dem Landhotel der Klägerin würde der Prostitution nachgegangen werden. Während der Beklagte zu 1) die Verurteilung zur Unterlassung der Behauptung, die Klägerin hätte in der Vergangenheit als Prostituierte gearbeitet, hinnahm, wendet sich die Beklagte zu 2) gegen die diesbezügliche Verurteilung. Ferner wenden sich die Beklagten zu 1) und 2) dagegen, dass sie verurteilt wurden, es zu unterlassen, Gäste des Landhotels der Klägerin, dem Landhotel P.in A., in der Zeit von ihrer Ankunft in A. an bis zum Zeitpunkt der Abreise zu beschimpfen oder zu beleidigen.

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Dementsprechend beantragen beide Beklagten,

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I. auf die Berufungen des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 29.03.2011, Az.: 1 O 4012/09, unter Aufhebung im Übrigen neu zu fassen wie folgt:

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1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin als Prostituierte zu bezeichnen bzw. zu behaupten, die Klägerin hätte in der Vergangenheit als Prostituierte gearbeitet bzw. zu behaupten, in dem Landhotel der Klägerin würde der Prostitution nachgegangen werden. Dies gilt auch für die Verwendung von Synonymen des Wortes Prostituierte oder Prostitution.

7

2. Dem Beklagten zu 1) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung hinsichtlich Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,– € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

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3. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin als Prostituierte zu bezeichnen bzw. zu behaupten, in dem Landhotel der Klägerin würde der Prostitution nachgegangen werden. Dies gilt auch für die Verwendung von Synonymen des Wortes Prostituierte oder Prostitution.

9

4. Der Beklagten zu 2) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung hinsichtlich Ziffer 3. ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,– € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

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5. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 96,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2009 zu zahlen.

11

6. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 96,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2009 zu zahlen.

12

7. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 84 %, der Beklagte zu 1) 8 % und die Beklagte zu 2) 8 %. Die Klägerin trägt 84 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und 84 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2).

13

Der Beklagte zu 1) trägt 8 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

14

Die Beklagte zu 2) trägt 8 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

15

Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

16

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

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Die Berufung beanstandet, dass das landgerichtliche Urteil jegliche Feststellungen dazu vermissen lasse, weshalb die vom Beklagten zu 1) jeweils einmal getätigten Äußerungen gegenüber dem Zeugen H. und der Zeugin K. einen Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin darstellen sollten. Der Beklagte zu 1) habe einzig und allein das Ziel verfolgt, den Zeugen H. auf die von diesem begangene Eigentums- und Besitzstörung hinzuweisen. Die Zeugin K. habe sich in die Auseinandersetzung zwischen den Parteien eingemischt, dadurch beide Beklagten verärgert, was am Folgetag durch die Tochter der Zeugin K. noch dadurch verstärkt worden sei, dass diese die Beklagten aufgefordert habe, doch herüberzukommen. Erst hierauf hätten die Beklagten ihre Geduld gegenüber der „Duzfreundin“ der Klägerin verloren und sich zu unbedachten Äußerungen hinreißen lassen. Mit der Gästeeigenschaft der Zeugin im Sinne eines zielgerichteten Eingriffs in den Gewerbebetrieb der Klägerin habe das nichts zu tun. Die Beklagte zu 2) habe niemals geäußert, die Klägerin sei in der Vergangenheit der Prostitution nachgegangen.

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Im Übrigen wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 30.06.2011 (Bl. 142/149 d. A.) Bezug genommen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung auf Kosten der Beklagten und Berufungskläger zurückzuweisen.

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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

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Was den in den Urteilsgründen thematisierten Vorfall mit dem Zeugen H. angehe, sei allein ausschlaggebend, dass eine massive Beleidigung eines Hotelgastes durch einen unmittelbaren Nachbarn vorliege, mit der Folge, dass dieser Hotelgast – wie dieser selbst festgestellt hat – das Hotel der Klägerin nicht mehr aufsuchen werde, da ihm diese verbalen Übergriffe aus der unmittelbaren Nachbarschaft seinen Urlaub verderben würden; dies sei gerade das Ziel der Beklagten. Auch die gegen die Zeugin K. und deren Tochter gerichteten Beschimpfungen seien gegen diese Hotelgäste gerichtet und würden diesen, wie gewollt, künftige Aufenthalte im Hotel der Klägerin verleiden. Die unstrittige – als solche unwahre – Äußerung des Beklagten zu 1), die Klägerin sei eine ehemalige Prostituierte, habe sich die Beklagte zu 2) zu eigen gemacht.

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Im Übrigen ergebe sich eine Wiederholungsgefahr auch angesichts des Verhaltens der Beklagten in sämtlichen mündlichen Verhandlungen, insbesondere aus den verbalen Entgleisungen der Beklagten in Form von eklatanten Beleidigungen zu Lasten der Klägerin. Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 11.07.2011 (Bl. 152/158 d. A.) Bezug genommen.

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Der Senat hat am 19.10.2011 mündlich verhandelt; auf das Verhandlungsprotokoll wird verwiesen. Beweis wurde nicht erhoben.

II.

25

Die Berufungen der Beklagten sind zulässig, aber nicht begründet.

26

1. Das Erstgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagten zu 1) und 2) einen Unterlassungsanspruch dahingehend besitzt, dass Gäste ihres Hotels durch die Beklagten nicht beleidigt oder sonst ihnen gegenüber Missachtung kundgegeben wird, resultierend aus einem unerlaubten Eingriff der Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin.

27

Wie das Landgericht Traunstein zutreffend festgestellt hat, stand die Beschimpfung der Zeugin K. und deren Tochter in eindeutigem Zusammenhang mit dem Umstand, dass sie sich als Gäste der Klägerin auf dem Hotelgrundstück aufhielten. Dass der Vorfall vom Vortag, bei dem die Zeugin K. angesichts von seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochener Beleidigungen für diese Partei ergriffen hatte, noch in irgendeiner Weise eine Rolle gespielt hätte, ist nicht glaubhaft. Die vom Zeugen H. geschilderte Episode zeigt ganz klar auf, dass der Beklagte zu 1) zu Überreaktionen neigt, er mithin, wäre die Äußerung der Zeugin K. ihm gegenüber am Vortag, er solle sich schämen, für ihn von Bedeutung gewesen, sogleich reagiert hätte. Stattdessen hatte ihn, wie die Zeugin Koch berichtet, diese Äußerung am Vortag nicht interessiert, sie sei dann weitergegangen. Letztlich ist das Verhalten des Beklagten zu 1) – und nichts anderes kann, was ihr synchrones Verhalten in dem von der Zeugin K. berichteten Vorfall mit den ihr und ihrer Tochter gegenüber ausgesprochenen Beleidigungen angeht, auch für die Beklagte zu 2) gelten – eindeutig darauf gerichtet, durch Kundgabe der Missachtung gegenüber den Hotelgästen die Grundlagen des Hotelbetriebs zu bedrohen, womit ein betriebsbezogener Eingriff vorliegt (vgl. Palandt, 69. Aufl. 2010, Bearbeiter Sprau, § 823, Rdnr. 128). Grundlage eines Hotelbetriebs ist, dass Hotelgästen ein vom Fehlen störender Eingriffe geprägter, Erholung und Entspannung förderlicher Aufenthalt geboten werden kann, was in Frage steht, wenn gezielt Hotelgäste von einem unmittelbaren Nachbarn des Hotelgrundstücks aus nichtigen Anlässen grob beleidigt werden. Angesichts der konkreten Gefahr, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung Hotelaufenthalte daraufhin verkürzt bzw. nicht wiederholt und derartige Zwischenfälle publik werden, sind dadurch die Erwerbschancen für den Gewerbebetrieb beeinträchtigt und die wirtschaftlichen Aussichten des Hotelbetriebs bedroht. Wenn die Beklagten eine solche Intention in Abrede stellen, ist dies schon deshalb nicht glaubhaft, weil der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) bereits dadurch, dass sie auch gegenüber Hotelgästen die Klägerin als Prostituierte bezeichnet und den Gewerbebetrieb der Klägerin in Zusammenhang mit Prostitution gesetzt, eine Schädigung des Hotelbetriebs in Kauf genommen haben. Insoweit haben ja beide Beklagten ihre Verurteilung, auch gestützt auf Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, ausdrücklich akzeptiert.

28

Das Erstgericht hat daher die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung gemäß Ziffer II und V des Urteilstenors zu Recht ausgesprochen, wobei der Senat hinsichtlich dieser Verurteilung den Tenor zur Klarstellung neu gefasst hat, ohne dass dies jedoch eine teilweise Zurückweisung der klägerischen Anträge implizieren würde.

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2. Soweit die Beklagte zu 2) sich gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung der Behauptung wendet, die Klägerin hätte in der Vergangenheit als Prostituierte gearbeitet, sieht der Senat nach den erstgerichtlich gewonnenen Erkenntnissen die konkrete Gefahr gegeben, dass die Beklagte zu 2) sich in einem das Persönlichkeitsrecht der Klägerin dergestalt verletzenden Sinn äußern wird. Dies ergibt sich schon aus der Parteianhörung im Termin vom 31.08.2010. Hier äußerte der Beklagte (Protokoll Seite 4 letzter Absatz): „Als ich zum ersten Mal zur Klägerin sagte, sie sei eine ehemalige Prostituierte, hatte ihr Ehemann einen Pflasterstein in der Hand und sagte: „Sag das nochmal“. Daraufhin sagte meine Frau: „Seit wann hörst Du schlecht.“ Dies zeigt, dass die Beklagte zu 2) sich insoweit mit dem Beklagten zu 1) solidarisiert und diese Äußerung billigt. Diese Solidarisierung der Beklagten zu 2) mit dem Beklagten zu 1) ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen Andrej G. Nachdem zunächst allein der Beklagte zu 1) die Klägerin als Prostituierte und Nutte, das Hotel als Puff bezeichnet hatte, hatte nach der Angabe dieses Zeugen auch die Beklagte zu 2), hinzugekommen, geäußert, alles war ihr Mann gesagt habe, sei richtig und habe auch gesagt, dass das Hotel P. ein Puff sei. Ähnlich bekundet der Zeuge Alexej T., dass die Beklagte zu 2) bei diesem Vorfall zu den Ausführungen des Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin geäußert habe: „Ja, das bist du doch“ und selbst die Klägerin eine Schlampe genannt habe. Dies belegt, dass die Beklagte zu 2), was die Person der Klägerin angeht, letztlich von keinem anderen Vorstellungsbild ausgeht als der Beklagte zu 1). Unter diesen Umständen ist, wie das Erstgericht im Ergebnis zutreffend feststellt, die Gefahr gegeben, dass die Beklagte zu 2), ebenso wie ihr Ehemann, die Klägerin auch als ehemalige Prostituierte bezeichnet.

30

3. Die vom Landgericht festgesetzten einzelnen Streitwerte für die Klageanträge erscheinen angemessen, der Senat sieht insoweit zu Änderungen keine Veranlassung. Ausgehend hiervon erweisen sich auch die in Ziffer VII und VIII des Ersturteils ausgeurteilten Nebenforderungen als zutreffend berechnet.

31

Die Berufung war demnach insgesamt zurückzuweisen.

III.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 542 Abs. 2 ZPO liegen ersichtlich nicht vor.

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