Zur Haftung des Tierhalters für tiermedizinische Fachangestellte bei Hundebiss während einer Behandlung

AG Frankenthal, Urteil vom 07.07.2016 – 3a C 66/16

Zur Haftung des Tierhalters für tiermedizinische Fachangestellte bei Hundebiss während einer Behandlung

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.07.2015, zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2016, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 07.04.2016 zugestellten Klage die Zahlung von Schmerzensgeld und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aufgrund eines Hundebisses im Rahmen einer veterinärmedizinischen Röntgenuntersuchung vom 07.04.2015 gegen 19:00 Uhr in der Tierarztpraxis Dr. S… in der K…-Str. … in 6….

2
Die zum damaligen Zeitpunkt in der Tierarztpraxis beschäftigte Klägerin, die eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten absolvierte, wurde von der siebenjährigen Rottweilerhündin L…, deren Halter der Beklagte ist, und die von den Zeugen A… und S… R…, den Söhnen des Beklagten, mit einer Vorderfußverletzung in die Praxis gebracht worden ist, bei dem Versuch, die Hündin auf dem Röntgentisch zu drehen, in den linken Unterarm gebissen. Die Klägerin erlitt dabei eine Riss-Quetschwunde am Unterarm links sowie eine Hyposensibilität im Bereich des Versorgungsgebietes des Nervus cutaneus antebrachii medialis, die periphere Durchblutung und Motorik blieben intakt. Der nachfolgende operative Eingriff verlief komplikationslos, intraoperativ konnte eine Verletzung des Nervus cutaneus antebrachii medialis ausgeschlossen werden. Unter einer intravenösen Antibiose mit Ampicillin, Sulbactam, waren die initiale Rötung und Schwellung der mit vier Stichen genähte Wunde rückläufig im weiteren Heilungsverlauf stellten sich, mittlerweile nicht mehr vorhandene, Gefühlsstörungen am linken Unterarm ein, es blieb eine deutlich sichtbare Narbe zurück. Die Beeinträchtigungen erstreckten sich über 3 Monate.

3
Die Tierhalterhaftplichtversicherung lehnte mit Schreiben vom 28.05.2015 eine Regulierung des Schadens ab.

4
Die Klägerin trägt vor,
dass ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000,00 € angemessen sei.

5
Bei der am … 1992 geborenen Klägerin bleibe eine deutlich sichtbare Narbe im linken Unterarm zurück.

6
Aufgrund des Verhaltens des Tieres unmittelbar vor dem Biss habe keine Veranlassung bestanden, das Tier zu sedieren bzw. einen Maulkorb anzulegen.

7
Der Beklagte sei daneben verpflichtet, vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 €, wegen deren Berechnung auf Blatt 11 der Akten Bezug genommen wird, zu zahlen.

8
Die Klägerin beantragt,

9
1. der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.07.2015 zu bezahlen.

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2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 €, Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

13
und vertritt die Auffassung, dass die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auf eigene Gefahr gehandelt habe, zumindest habe das ursächliche Fehlverhalten der Klägerin gemäß § 254 BGB zum Ausschluss des Anspruchs geführt, denn es sei eine Sedierung des Hundes bzw. das Anlegen eines Maulkorbes geboten gewesen.

14
Die Klägerin habe mit den Worten „ich machs“ das Tier im Bereich der Pfote/Hals angepackt, um es auf dem Röntgentisch umzulegen, ohne zuvor den Zeugen A… R… hierum zu bitten.

15
Der Schmerzensgeldbetrag sei es bei einer Haftung überhöht.

16
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

17
Das Amtsgericht hat die Klägerin und den Beklagten persönlich gehört gemäß § 141 ZPO und Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Narbe sowie Vernehmung der Zeugen A… und S… R… sowie S… P…; wegen der Ergebnisse wird auf die Sitzungsniederschriften vom 12.05. (Bl. 44ff d.A.) und 16.06.2016 (Blatt 60 ff. der Akten) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

19
Die Klägerin hat gegen den Beklagten als Halter der Rottweilerhündin L… einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gemäß §§ 833 Abs. 1, 253 Abs. 1 BGB, das in Höhe von 2.700,00 € als ausreichend aber angemessen erachtet wird, § 287 ZPO.

20
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Schutzzweck der Gefährdungshaftung nur dann nicht mehr betroffen, wenn der Geschädigte die Herrschaftsgewalt über ein Tier im eigenen Interesse und in Kenntnis der damit verbundenen besonderen Tiergefahr übernimmt; eine Tierarzthelferin, die einen Hund in Auftrag des Halters medizinisch versorgt, §§ 611, 675, 278 BGB (BGH Urteil vom 10.05.2016 – VI ZR 247/15; kritisch zur Gesetzgebung Katzenmeier, NJW 2013, 817 ff m.w.N.), handelt nicht auf eigene Gefahr, sondern zur Erfüllung eines Behandlungsvertrages. Die Einstandspflicht des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB für dabei entstandene Schäden der Tierarzthelferin ist in diesen Fällen gerechtfertigt. Ein Mitverschulden der Tierarzthelferin bei der Schadensentstehung ist allein nach § 254 Abs. 1 BGB, wofür der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist, zu berücksichtigen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 11.06.212 – 20 U 38/11).

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Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat der Beklagte nicht mit der zur Überzeugung des Amtsgerichts erforderlichen Sicherheit nachgewiesen, dass der Klägerin ein Mitverschulden, § 254 Abs. 1 BGB, an der Schadensentstehung anzulasten ist.

22
Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz aber nicht voraus. Das Gericht darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktisch

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