OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2012 – 6 U 16/12
1. Eine Ablösung von Gebäudeteilen i.S.d. § 836 Abs. 1 BGB kann auch dann vorliegen, wenn die Stufe einer auf den Dachboden führenden Treppe beim Betreten bricht.(Rn.13)
2. Wird eine Treppenstufe im Rahmen ihrer zulässigen Belastbarkeit betreten und bricht sodann, streitet der Anscheinsbeweis für fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung. Der Hausbesitzer kann sich nicht erfolgreich mit dem Hinweis entlasten, weitergehende Maßnahmen als Sichtprüfungen seien nicht zumutbar und bei einer bloßen Sichtprüfung hätte ein Schaden an der Holzstufe nicht erkannt werden können.(Rn.15)
3. Das Zivilgericht muss einen Rechtsstreit nicht nach § 108 Abs. 2 S. 1 SGB VII aussetzen, um die Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls und das Eingreifen der Haftungsbeschränkung nach §§ 104 ff. SGB VII herbeizuführen, wenn keine greifbaren Anhaltspunkte für die Haftungsbeschränkung vorliegen.(Rn.21)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das am 09.12.2011 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.240,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2011 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den infolge des Unfalls vom 20.03.2010 noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger 775,64 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2011 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 13 % und die Beklagte zu 87 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
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Gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Die landgerichtliche Entscheidung greift der Kläger mit seiner Berufung an, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt. Er macht geltend, die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft. Es sei nicht bewiesen, dass der Zeuge L ihm das Betreten der Leiter untersagt habe. Er sei im Gegensatz zum älteren und gehbehinderten Zeugen L in der Lage gewesen, die teils sperrigen Gegenstände wie Matratzen und Stühle über die Bodentreppe hinunter zu tragen. Die Beklagte treffe entgegen der Auffassung des Landgerichts auch eine Prüfpflicht in Bezug auf die Leiter. Diese habe sie verletzt. In dem Mehrfamilienhaus werde die Treppe regelmäßig auch von Mietern benutzt und müsse daher einer regelmäßigen Untersuchung unterzogen werden.
3
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Münster
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.879,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2011 zu zahlen, sowie
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2. an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber 10.000,00 €, nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2011 zu zahlen, sowie
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3. festzustellen, dass die Beklagte ihm den infolge des Unfalls noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen hat, sowie
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4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2011 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das Urteil. Sie meint, der Senat sei an die Feststellungen des Landgerichts gebunden. Dem Kläger sei das Betreten der Treppe untersagt worden, was schon einem Anspruch entgegenstünde. Zudem stützt die Beklagte die Auffassung des Landgerichts, es habe keine regelmäßige Prüfpflicht bestanden, zumal die Treppe nur von einem kleinen Personenkreis benutzt werde. Hinweise auf eine Beschädigung der Treppe habe auch der Kläger trotz Untersuchung der Treppe nicht gefunden.
II.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche in der tenorierten Höhe zu.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz gem. §§ 836 Abs. 1, 249, 253 BGB. Die Beklagte haftet für die dem Kläger entstandenen Schäden als Besitzerin ihres Hauses in der F-Straße in T2.
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1. Im Haus der Beklagten hat sich durch das Bersten der Treppenstufe in der damals unvermieteten Wohnung ein Gebäudeteil im Sinne der Norm des § 836 BGB abgelöst. Eine Sache ist unter anderem dann ein Teil eines Gebäudes, wenn sie in einem so festen baulichen Zusammenhang mit dem Gebäude steht, dass sich daraus nach der Verkehrsanschauung ihre Zugehörigkeit zum Bauganzen ergibt (BGH VersR 1985, 666). Es kommt auf die sachgerechte Einfügung der Teile zum bestimmungsgemäßen Zweck des Gebäudes an (BGH NJW 1997, 1853). So können auch Fensterläden, Torflügel, fest verschraubte Duschkabinen und Gerüstbretter Gebäudeteile darstellen (Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 836 Rn. 6, 11). Die Holztreppe gehört vorliegend ebenso zum Bauganzen. Diese war im Haus der Beklagten fest mit der Dachlukenklappe verschraubt und hatte eine so feste bauliche Verbindung, dass sie von der Klappe nicht ohne weiteres zu lösen war. Ebenso war die Dachlukenklappe fest mit den tragenden Dachelementen verbunden. Eine solche Verbindung der Klappe mit dem Dach sowie der Treppe mit der Klappe wird von der Verkehrsanschauung auch erwartet und ist üblich.
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Durch das Bersten der Treppenstufe nach der Belastung mit dem Gewicht des Klägers hat sich ein Teil des Gebäudes auch abgelöst. Unter einer Ablösung von Teilen im Sinne des § 836 BGB versteht man jede unwillkürliche Aufhebung der Verbindung vom Ganzen, die durch die sachgerechte Einfügung des Gebäudeteils hergestellt worden ist. Ein Ablösen liegt beispielsweise auch dann vor, wenn ein Gerüstbrett bei Drauftreten bricht (BGH NJW 1997, 1853). Hier ist eine Holzstufe der Treppe nach dem Betreten durchgebrochen. Dieses Geschehen hat zur Folge, dass die funktionsgerechte Einfügung der Treppenstufe in das Gebäude aufgehoben wurde.
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2. Diese Ablösung eines Gebäudeteils in Form des Berstens der Treppenstufe beruht vorliegend auch auf der mangelhaften Unterhaltung der Treppe durch die Beklagte. Zunächst ist die Tatsache, dass die Treppe nie überprüft und gewartet wurde, zwischen den Parteien unstreitig. Für den beweispflichtigen Kläger streitet daher schon ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der mangelhaften Unterhaltung für den Schädigungserfolg (vgl. BGH VersR 1993, 759). Eine Holztreppenstufe muss den Anforderungen standhalten, die durch ihre bestimmungsgemäße Benutzung an ihre Konstruktion gestellt werden. Eine Treppenstufe muss so beschaffen sein, dass sie nicht durchbricht, wenn sie im Rahmen ihrer Belastbarkeit betreten wird. Geschieht dies dennoch, so spricht nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise der Anschein dafür, dass die Stufe von ihrer Beschaffenheit her objektiv nicht funktionstüchtig, hier also vorgeschädigt, war und das Unfallgeschehen auf diesem Zustand beruht.
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Das Schadensereignis weist vorliegend auch keine Umstände auf, die vom typischen Geschehensablauf abweichen und konkret eine andere, ebenfalls ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit für die Entwicklung des Unfalls nahelegen mit der Folge, dass der Anscheinsbeweis nicht greifen würde. Ein derartiger Umstand liegt auch nicht darin, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls unstreitig zwischen 110 und 115 kg gewogen hat und zusätzlich noch einen Stuhl getragen hat. Zwischen den Parteien ist ebenfalls unstreitig, dass die Holztreppe für eine Belastung mindestens in Höhe von 150 kg ausgelegt war. Dieses Gewicht hat der Kläger auf der Treppenstufe auch nicht überschritten, als er einen Stuhl in Händen hielt. Die insoweit darlegungspflichtige Beklagte hat den Transport eines derart schweren Stuhls auch nicht behauptet, mit dem der Kläger das zulässige Gesamtbelastungsgewicht überschritten hätte. Ebenso wenig ist eine andere unsachgemäße Nutzung der Treppenstufe wie ein Wippen oder Hüpfen darauf vorgetragen.
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Schließlich hat die Beklagte auch keinen Entlastungsbeweis im Sinne des § 836 Abs. 1 S. 2 BGB führen können, da unstreitig ist, dass sie die Holztreppe niemals überprüft hat. Dabei hätte sie alle Maßnahmen treffen müssen, die aus technischer Sicht geboten und geeignet waren, die Gefahr einer Ablösung rechtzeitig zu erkennen und ihr zu begegnen. Sie hätte einwenden müssen, die richtigen Unterhaltungsmaßnahmen getroffen zu haben, z. B. die regelmäßige Wartung durch einen Fachmann (BGH a.a.O.; Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl. 2009, § 836 Rn. 19). An die regelmäßigen Wartungsarbeiten werden dabei hohe Anforderungen gestellt. Dies gilt für die dem Verantwortlichen obliegende Pflicht zur Überwachung, für die Substantiierung des dahingehenden Vortrags und für seinen Nachweis (BGH a.a.O.). Für die Anforderungen an die Gefahrensicherung ist insbesondere auf die Sicherungserwartung des Verkehrs abzustellen.
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Unstreitig sind vorliegend aber keinerlei Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt worden. Diese waren auch nicht entbehrlich. Zwar mag es sein, dass eine reine Sichtprüfung keine Gefahr gezeigt hätte, da auch der Kläger keine solche wahrgenommen hat, als er die Verschraubung der Treppe betrachtete. Da an die Unterhaltungsmaßnahmen aber hohe Anforderungen zu stellen sind, war es geboten, auch regelmäßig Belastungstests durchzuführen, um die aktuelle Belastbarkeit der Treppe zu überprüfen. Die Bodentreppe war den Einflüssen von großer Wärme im Sommer und großer Kälte im Winter ausgesetzt. Zudem war sie für Mieter der Wohnung jederzeit zugänglich. Die Beklagte konnte daher nicht ausschließen, dass eine Treppenstufe vorgeschädigt wird, ohne dass die Bruchspuren schon offensichtlich waren. Diese Möglichkeit hätte es erfordert, regelmäßig eine Überprüfung durch Belastungstests, z.B. durch Betreten mit Gewichten, durchzuführen. In welchen Intervallen dies erforderlich gewesen wäre, kann offen bleiben, denn unstreitig ist die Treppe niemals überprüft worden.
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3. Zwar ist der Kläger nicht unmittelbar durch die gebrochene Treppenstufe verletzt worden. Dies ist im Rahmen des § 836 BGB aber auch nicht erforderlich. Es reicht aus, dass die Verletzung mit dem Bersten der Stufe in ursächlichem Zusammenhang steht und sich als eine bei gewöhnlichem Geschehensablauf eintretende Unfallfolge darstellt (BGH a.a.O.). Der Sturz des Klägers und damit der eingetretene Berstungsbruch eines Lendenwirbelkörpers sind hier auf den Bruch der Stufe zurückzuführen. Dieser ursächliche Zusammenhang besteht, wenn der Schaden durch die typischen Gefahren der Ablösung verursacht ist, also gerade durch die bewegend wirkende Kraft der Ablösung, wenn auch durch Vermittlung anderer dadurch in Bewegung gesetzter Massen oder durch Druck infolge Dagegenlehnens oder Betretens (BGH VersR 1983, 558; BGH NJW 1997, 1853). Das Brechen einer Treppenstufe birgt die typische Gefahr des Sturzes und der dadurch bedingten Bruchverletzung.
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4. Ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung kommt vorliegend nicht zum Tragen.
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Die Haftungsbeschränkung gem. §§ 104 ff SGB VII greift entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht ein. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist nicht unter solchen Umständen geleistet worden, nach welchen sie einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich wäre. Gefälligkeitshandlungen im Freundes- und Familienkreis, die der Kläger hier vorgenommen hat, stehen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da sie nicht mit einem professionellen Service vergleichbar sind (BayLSG v. 12.04.2011; L 3 U 121/10). Eine Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 108 Abs. 2 S. 1 SGB VII war nicht erforderlich, da angesichts dieser Umstände keine greifbaren Anhaltspunkte für die Haftungsbeschränkung vorliegen (vgl. Senat v. 7.5.2012, 6 W 12/12; OLG Naumburg, NJOZ 2005, 2238). In dem Fall ist das Zivilgericht berechtigt, selbst über die Frage der Haftungsbeschränkung zu entscheiden.
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Auch ein Mitverschulden des Klägers im Sinne des § 254 BGB ist nicht ersichtlich. Die diesbezüglich beweispflichtige Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Zeuge L dem Kläger das Betreten der Treppe untersagt habe. Der Senat ist insoweit gem. § 529 Abs. 1 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, das weder eine Anweisung, die Treppe zu besteigen, noch ein Verbot dessen feststellen konnte. Die Aussagen der Zeugen L und G waren insoweit widersprüchlich. Eine feste Überzeugung konnte das Landgericht daraus nicht gewinnen. Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen des Landgerichts fehlerhaft oder unvollständig sein könnten, hat die Berufung nicht dargelegt.
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5. Die Beklagte hat dem Kläger gem. § 836 Abs. 1 BGB folglich die ihm entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.
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a) Dem Kläger steht ein materieller Schadensersatzanspruch gem. § 249 Abs. 1 BGB in Höhe von insgesamt 1.240,51 € gegen die Beklagte zu.
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aa) Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz seines Verdienstausfalls in Höhe von 704,78 € für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit. Insoweit war der reguläre Durchschnittslohn in Höhe von 1.553,50 € dem gezahlten Krankengeld in Höhe von 1.292,10 € gegenüberzustellen. Allerdings waren vom Durchschnittslohn 100,00 € pro Monat in Abzug zu bringen. Der Kläger muss sich ersparte berufsbedingte Aufwendungen für nicht angefallene Fahrt- und Kleiderreinigungs-Kosten abziehen lassen. Die ersparten Aufwendungen sind anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu schätzen (OLG Celle MDR 2006, 985). Der Senat hat hier Fahrtkosten für 7,5 km pro einfacher Strecke und Kosten in Höhe von 0,25 € je Kilometer angesetzt und hat zudem unstreitige monatliche Kosten für die Reinigung der Berufskleidung in Höhe von 11,00 € berücksichtigt. Auf dieser Grundlage hat der Senat monatlich ersparte Aufwendungen in Höhe von 100,00 € geschätzt. Danach ergibt sich ein Verdienstausfall in Höhe von 1.453,50 € – 1.292,10 € = 161,40 € x 4 Monate, 11 Tage = 704,78 €.
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bb) Die Kosten der Eigenbeteiligung an den Krankenhauskosten in der Zeit vom 20.03.2010 – 21.03.2010 sind nicht erstattungsfähig. Der Kläger hat eine Kostenbeteiligung in Höhe von 10,00 € / Tag geltend gemacht. Er hat sich jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats ersparte Aufwendungen für häusliche Verpflegungskosten in gleicher Höhe abziehen zu lassen (vgl. auch Palandt-Grüneberg, Vorb. § 249 Rn. 93).
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cc) Gleiches gilt für die Eigenbeteiligung an den Krankenhauskosten in der Zeit vom 21.03.2010 – 06.04.2010.
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dd) Medikamentenkosten sind dem Kläger in Höhe von 23,95 € zu erstatten. Nicht erstattungsfähig sind die Kosten in Höhe von 5,00 € für das Medikament Panotile Cipro. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kosten für diese Ohrentropfen einen Schaden darstellen, der ursächlich mit dem Unfallgeschehen verknüpft sein könnte. Die von der Beklagten beanstandeten Kosten für das Medikament Pantoprazol sind vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Der Beleg weist dafür Kosten in Höhe von 0,00 € aus.
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ee) – ii) Die Kosten für die ärztliche Bescheinigung des M-stifts sind belegt, erstattungsfähig und von der Beklagten nicht beanstandet. Gleiches gilt für die Kosten bzgl. des Einlegerahmens, des Befundberichts der Dres. T sowie der Zuzahlung für Toilettensitz, Duschhocker, Greifzange und Haltegriff.
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jj) Auch die Kosten für die Anschaffung einer Stehtischgarnitur in Höhe von 172,66 € sind nach Auffassung des Senats in voller Höhe erstattungsfähig. Der Senat hat den Kläger hierzu persönlich angehört. Dieser hat gut nachvollziehbar ausgeführt, dass er postoperativ zunächst nicht sitzen durfte. Er benötigte daher eine Vorrichtung, die ihm die Essensaufnahme im Stehen ermöglichte. Mit der Anschaffung des Stehtisches hat der Kläger eine kostengünstige Lösung für das Problem gefunden. Ein Abzug als Vorteilsausgleich kommt unter Wertungsgesichtspunkten nicht in Betracht. Ein solcher würde die Schädigerin hier unbillig begünstigen (vgl. BGH NJW 2006, 499), da ihr die bloße Möglichkeit der späteren Nutzung eines Gegenstandes zu Gute käme, den sich der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht angeschafft hat.
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kk) Die Kosten für den Fitnessball und das Drehkissen hat der Kläger ebenfalls belegt. Sie sind erstattungsfähig. Aufgrund des Ergebnisses der Anhörung des Klägers steht fest, dass der Kläger den Ball für seine gymnastischen Übungen nach durchgeführter Operation und das Kissen zum schmerzfreien Ein- und Aussteigen in und aus seinem PKW benötigte. Der Senat sieht keinen Grund, an der Richtigkeit dieser Einlassung zu zweifeln.
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ll) Die Kosten für die Zuzahlung zum Dreipunktstützkorsett sind nicht beanstandet und erstattungsfähig.
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mm) – nn) Soweit die Beklagte die Erstattungsfähigkeit der Fahrtkosten für die Fahrten zu den Reha-Maßnahmen und den Untersuchungsterminen bestreitet, hält der Senat zunächst das Bestreiten der Teilnahme an den Reha-Einheiten angesichts der vom Kläger vorgelegten Unterschriften-Listen für unsubstantiiert und unzureichend. Erstattungsfähig sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedoch nur 0,25 € pro Kilometer (vgl. auch Palandt-Grüneberg, § 249 Rn. 9). Insgesamt hat der Senat 917,5 Kilometer berücksichtigt, die sich aus den vom Senat korrigierten Entfernungen ergeben. Der Anspruch besteht folglich in Höhe von 229,38 €.
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oo) Hinsichtlich der Kosten bzgl. der Operation in T2 sind die Medikamentenkosten in Höhe von 5,04 € und die Telefonkosten in Höhe von 6,36 € erstattungsfähig. Soweit der Kläger Kosten für die Eigenbeteiligung in Höhe von 50,00 € geltend macht, gilt das oben zu 5. b) ausgeführte. Er muss sich ersparte Aufwendungen in gleicher Höhe abziehen lassen.
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b) Zudem hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 2 BGB in Höhe von 8.000,00 €. Diese Summe ist nach Auffassung des Senats unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblicher Umstände als Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Leiden erforderlich, aber auch ausreichend. Dabei hat der Senat vor allem berücksichtigt, dass beim Kläger zunächst operativ Metallplatten zur Stabilisierung des Lendenwirbelkörpers eingebracht werden mussten, die später ebenfalls operativ wieder entfernt werden mussten. Aufgrund dessen musste sich der Kläger einmal für zweieinhalb Wochen und einmal für vier Tage in stationäre Behandlung begeben. Der Kläger war über sechs Monate arbeitsunfähig. Zudem musste er an 50 Rehabilitationsmaßnahmen teilnehmen, um seine Beweglichkeit und Belastbarkeit wieder herzustellen.
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Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und dessen plausibler Darstellung sowie nach den Ausführungen des Leiters des Wirbelsäulenzentrums des M-stifts, Dr. M, in seinem Befundbericht vom 12.11.2010 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es zu einer posttraumatischen Fehlstellung des Lendenwirbelkörpers gekommen ist, die dazu führt, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, schwer zu heben. Ab einem geringen zu hebenden Gewicht, welches der Kläger auf 10 bis 15 Kilogramm geschätzt hat, treten Schmerzen im Rücken auf, die nur durch Ruhe oder gymnastische Übungen reduziert werden können. Die Arbeitsfähigkeit des Klägers ist dadurch dauerhaft beeinträchtigt. Aufgrund des Sturzes und der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen – und nicht aufgrund einer frühkindlichen Epilepsie – war der Kläger auch für die Dauer von mehr als sechs Monaten arbeitsunfähig. Auch dies folgt bereits aus dem Befundbericht des Dr. M, der vorgelegten Meldung der U-Krankenkasse sowie der Einlassung des Klägers.
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c) Der Anspruch auf Verzinsung des materiellen sowie des immateriellen Schadensersatzes ergibt sich aus Verzug gem. §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB ab dem 25.01.2011. Mit Schreiben der B-Versicherung vom 24.01.2011 hat diese für die Beklagte sämtliche Ansprüche des Klägers ernsthaft und endgültig zurückgewiesen.
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d) Der Feststellungsanspruch bezüglich der noch entstehenden immateriellen Schäden folgt aus §§ 256 ZPO i. V. m. 836 Abs. 1 BGB. Es ist nach der Überzeugung des Senats möglich, dass infolge des Unfalls ein heute nicht vorhersehbarer Zustand eintritt, der weitere immaterielle Schadensersatzansprüche auslösen kann.
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e) Hinsichtlich des beantragten Ersatzes der Kosten in Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren besteht ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch des Klägers in Verbindung mit § 836 Abs. 1 BGB. Geltend gemacht wurde vorprozessual lediglich materieller Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld. Insoweit wurden dem Kläger 9.240,51 € zuerkannt. Demnach war für die Bemessung dieses Anspruchs von einem Wert von bis zu 10.000,00 € auszugehen. Der Zinsanspruch ergibt sich insoweit aus § 291 BGB.
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6. Die prozessualen Nebenentscheidungen resultieren aus §§ 92, 97 Abs. 1, 709 ZPO. Die Voraussetzungen der Revisionszulassung gem. § 543 ZPO lagen nicht vor. Der Anregung der Beklagten, die Revision zuzulassen zur Klärung der Frage, ob § 836 BGB die vorliegende Fallgestaltung erfasst und welche konkreten Anforderungen an die Unterhaltungsmaßnahmen zu stellen sind, folgt der Senat nicht. Die Entscheidung beruht auf den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 836 BGB; deren Anwendung auf einen Einzelfall eröffnet keinen Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 ZPO.