BGH, Urteil vom 28.03.1995 – VI ZR 356/93
1. Ob ein Schwangerschaftsabbruch aus der früher in StGB § 218a Abs 2 Nr 3 (F: 1976-05-18) geregelten Notlagenindikation rechtmäßig war und deshalb bei Fehlschlagen des Eingriffs Grundlage eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Ersatz von Unterhaltsaufwand für ein Kind sein kann, ist nach den Voraussetzungen zu beurteilen, die das BVerfG im Urteil vom 28. Mai 1993, 2 BvF 2/90, BVerfGE 80, 203ff = NJW 1993, 1751ff für die Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen aufgestellt hat.
2. Eine sich aus der Durchführung des damals gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsverfahrens ergebende Vermutung, daß die Indikation gegeben gewesen sei, reicht hierfür nicht aus (Abgrenzung BGH, 1985-07-09, VI ZR 244/83, BGHZ 95, 199ff).
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 26. November 1993 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen den Klägern zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Kläger nehmen den Beklagten wegen eines fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruchs im September 1979 auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der Geburt ihres Kindes Erik am 5. April 1980 in Anspruch. Der Eingriff war von dem beklagten Gynäkologen aus Notlagenindikation (§ 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB i.d.F. des 15. StÄG v. 18. Mai 1976 – BGBl. I S. 1213 – im folgenden § 218 a StGB a.F.) vorgenommen worden. Die Kläger haben dem Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen und von ihm u.a. Ersatz von Unterhaltsaufwand für das Kind Erik verlangt. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 15. April 1986 – VI ZR 72/85 – VersR 1986, 869 verwiesen, mit welchem das erste, die Klage abweisende Urteil des Berufungsgerichts vom 26. Februar 1985 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden war. Nach weiterer Sachaufklärung hat das Berufungsgericht den Beklagten durch Urteil vom 16. Januar 1991 u.a. verurteilt, als Unterhaltsschaden je 188,– DM für die Monate Juni bis Dezember 1988 zu zahlen. Wegen der weitergehenden Anträge hat es die Klage abgewiesen. Dieses Urteil ist vom erkennenden Senat mit Urteil vom 25. Februar 1992 – VI ZR 44/91 – VersR 1992, 829 f. im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben und zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, als Ansprüche auf Ersatz weiterer materieller Schäden aberkannt worden sind.
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Nachdem die Parteien die Hauptsache wegen eines Betrags von 4.936 DM nebst 4% Zinsen ab 5. Februar 1991 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, haben die Kläger beantragt, auf diesen Betrag Zinsen von 4% für die Zeit vom 15. März 1982 bis 4. Februar 1991 sowie für das Kind Erik Unterhalt in gestaffelter Höhe bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu zahlen. Ferner haben sie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Monatsbeträge nach Maßgabe der Regelbedarfsverordnung in ihrer jeweiligen Fassung zu zahlen, die Kläger auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres von Erik hinaus für den Fall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder einer länger dauernden Schul- oder Berufsausbildung von der Unterhaltsverpflichtung freizustellen und ihnen allen Schaden aus der finanziellen Mehrbelastung im Zusammenhang mit der Geburt des Sohnes Erik zu ersetzen, soweit für diese nicht Dritte eintrittspflichtig seien.
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Der Kläger zu 1) hat diese Anträge mit der Maßgabe gestellt, daß nicht mehr als die monatliche Zinsbelastung für die Eigentumswohnung H. Weg und Freistellung von der Unterhaltsverpflichtung nur hinsichtlich der die normale Unterhaltsverpflichtung übersteigenden Aufwendungen verlangt werde.
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Das Berufungsgericht hat die beantragten Zinsen zuerkannt und im übrigen die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
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Mit der Revision verfolgen die Kläger die abgewiesenen Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht führt aus, im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 – BVerfGE 88, 203, 295 f. = NJW 1993, 1751, 1763 f. bestünden Bedenken, der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche zu folgen. Diesem Urteil sei nämlich zu entnehmen, daß jedenfalls der Unterhaltsaufwand für ein ungewolltes gesundes Kind von Verfassungs wegen (Art. 1 GG) nicht Grundlage eines Schadensersatzanspruchs sein könne. Deshalb sei der materielle Schadensersatzanspruch bei einer Schlechterfüllung des Arztvertrages in derartigen Fällen auf die Rückzahlung der geleisteten Vergütung und auf eine Entschädigung der Frau für den fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch beschränkt. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 16. November 1993 – VI ZR 105/92 – BGHZ 124, 128 ff., welches vielmehr offenlasse, ob Verträge über Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der früheren Fristenlösung bzw. in Fällen der sog. Notlagenindikation noch Grundlage eines Schadensersatzanspruchs sein könnten.
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Das Berufungsgericht meint, bei dieser Sachlage hindere auch die Bindungswirkung des Revisionsurteils nicht daran, von der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats abzuweichen, zumal das frühere Berufungsurteil nur insoweit aufgehoben worden sei, als das Berufungsgericht angenommen habe, ab 1. Januar 1981 seien die wirtschaftlichen Belastungen durch das Kind Erik zumutbar geworden. Demgegenüber sei die Frage, ob Unterhaltsaufwand wegen des fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruchs überhaupt im Wege des Schadensersatzes verlangt werden könne, nicht Gegenstand der Prüfung im Revisionsverfahren und daher auch nicht Gegenstand der Aufhebung gewesen.
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Entgegen der Auffassung des Klägers zu 1) sei zwischen den Parteien nicht ein vom Beklagten angebotener Vergleich über die Zahlung von DM 60.000,– zustandegekommen. Die Gespräche seien nämlich nicht über bloße Vergleichsverhandlungen hinausgekommen. Insbesondere sei über die Kosten des Rechtsstreits noch nicht verhandelt worden. Auch sei davon auszugehen, daß die Wirksamkeit der Vereinbarung gemäß § 154 Abs. 2 BGB von der gerichtlichen Protokollierung habe abhängen sollen. Schließlich sei das Vergleichsangebot auch nicht rechtzeitig angenommen worden. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zu 1) bereits im Januar 1993 von dem Angebot Kenntnis erhalten habe, sei die Annahme des Vergleichs erst mit am 28. Juli 1993 eingegangenem Schriftsatz erklärt worden. Nach § 147 Abs. 2 BGB könne indes der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu einem Zeitpunkt angenommen werden, bis zu dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten dürfe. Das sei nach Ablauf von 6 Monaten nicht mehr der Fall.
II.
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Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand.
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1. a) Der erkennende Senat folgt dem Berufungsgericht allerdings nicht in seiner auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 – aaO – Bezug nehmenden Auffassung, Art. 1 Abs. 1 GG verbiete es im Streitfall den Klägern, von dem beklagten Arzt Schadensersatz für ihre Belastung mit dem Unterhalt für ihren Sohn Erik zu verlangen, weil es gegen das Grundrecht des Kindes auf Achtung seiner Menschenwürde verstoße, die Pflicht der Eltern, ihm Unterhalt zu leisten, als Schaden zu begreifen. Freilich verbietet es Art. 1 GG, die Existenz des Kindes als Schaden zu bewerten. Indessen führt in den Fällen, in denen der Arzt sich vertraglich verpflichtet hat, die Unterhaltsbelastung durch ein Kind zu vermeiden, die Einordnung dieser Belastung als von ihm zu ersetzender Schaden seines Vertragspartners nicht zu einer solchen Beurteilung. Der erkennende Senat hat dies in seinem Urteil vom 16. November 1993 – aaO – näher begründet und auch dargelegt, daß den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28. Mai 1993 – aaO – in diesem Punkt keine Bindungswirkung beikommt. Er nimmt hierauf Bezug.
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b) Gleichwohl hat das Berufungsurteil im Ergebnis Bestand. Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zu solchen Ansprüchen war die Auffassung, daß ein Vertrag über die Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs bei Vorliegen einer der in § 218 a StGB a.F. bezeichneten Indikationen, hier der sog. Notlagenindikation nach Abs. 2 Nr. 3, rechtswirksam und im Fall einer Schlechterfüllung Anknüpfungspunkt für einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch sein könne (Senatsurteile BGHZ 95, 199, 204 f.; vom 27. November 1984 – VI ZR 43/83 – VersR 1985, 240, 241 f.; vom 15. April 1986 – VI ZR 72/85 – VersR 1986, 869 f. und vom 25. Februar 1992 – VI ZR 44/91 – VersR 1992, 829 <die beiden letztgenannten Urteile im vorliegenden Verfahren>; vgl. zur rechtfertigenden Wirkung des § 218 a StGB a.F. aus strafrechtlicher Sicht auch BGH, Urteil vom 3. Dezember 1991 – 1 StR 120/90 – NJW 1992, 763, 766 ff.).
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Wenngleich diese Vorschrift nicht unmittelbar Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung im genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts gewesen ist, sind doch in diesem Urteil die verfassungsrechtlich zu verlangenden Voraussetzungen dafür, wann ein Schwangerschaftsabbruch nicht nur straffrei, sondern rechtmäßig sein kann, im einzelnen präzisiert worden. Im Lichte dieser Verfassungsauslegung, an die sich der erkennende Senat für gebunden hält, bedarf die vom Senat im Streitfall bisher bejahte Ausgangsfrage, ob und inwieweit der Vertrag über den Schwangerschaftsabbruch hier Rechtsfolgen entfaltet hat, erneuter Überprüfung.
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aa) Der Senat ist bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 und somit auch im Streitfall davon ausgegangen, daß der Abbruch einer Schwangerschaft zur Abwendung der Gefahr einer Notlage von der Schwangeren nicht nur straffrei, sondern rechtmäßig gewesen ist, wenn er die materiellen Voraussetzungen des § 218 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 StGB a.F. erfüllt hat, die Schwangere sich nach § 218 b StGB a.F. hatte beraten lassen und die Notlage sowohl von einem zweiten Arzt nach Maßgabe von § 219 Abs. 1 StGB a.F. als auch von dem mit dem Schwangerschaftsabbruch selbst betrauten Arzt festgestellt worden war. Dabei hat der Senat für die Bejahung einer solchen Indikation den Feststellungen der damit befaßten Ärzte zentrales Gewicht beigemessen. Zwar hat er die Zivilgerichte für berechtigt angesehen, die Indikation zu überprüfen, und ihre Bindung an die Beurteilung der an dem Beratungsverfahren vor dem Eingriff beteiligten Institutionen und Personen verneint. Er hat jedoch dem Umstand, daß § 218 a StGB a.F. ausschließlich auf die ärztliche Erkenntnis als Beurteilungsquelle für die Indikation abgestellt hat, besondere Bedeutung für die Grenzen solcher gerichtlichen Nachprüfung beigemessen und in diesem Zusammenhang erwogen, daß die erforderliche Feststellung der Belastung der Schwangeren durch die Notlage und die Bewertung der Schwere ihres Entscheidungskonflikts nicht durchweg objektivierbar sei, sondern ein ärztlicher Beurteilungsspielraum für die diagnostische und prognostische Bewertung aller relevanten Fakten verbleibe. Insoweit könne letztlich nur nachgeprüft werden, ob die Indikationsstellung nach ärztlicher Erkenntnis in der danach gegebenen Situation vertretbar erscheine oder nicht. Hierzu hat der Senat die Auffassung vertreten, der Aufgabe des Arztes, sich aufgrund der vielseitigen und erst in ihrem Zusammenhang zutreffend erfaßbaren Faktoren in einer prognostischen Bewertung eigenverantwortlich eine persönliche Meinung zu bilden, wäre die Grundlage entzogen, wenn er nicht davor geschützt wäre, daß eine von ihm bejahte Indikation nachträglich allein aufgrund anderer Gewichtung der maßgeblichen Faktoren als nicht bestehend bewertet werden könnte (BGHZ 95, 199, 205 ff). Der Senat hat deshalb bei Durchführung des vom Gesetz vorgeschriebenen Beratungsverfahrens eine Vermutung dafür eingreifen lassen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ärztlich bescheinigte Notlagensituation auch tatsächlich gegeben waren, und im Schadensersatzprozeß dem Arzt die Darlegungs- und Beweislast für das Gegenteil auferlegt. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht nach der ersten Zurückverweisung der Sache durch den erkennenden Senat sich in seinem Urteil vom 16. Januar 1991 für gebunden angesehen, eine Notlagensituation zu bejahen, weil angesichts der Durchführung der vorgeschriebenen Untersuchungen eine Vermutung für die Gegebenheit der gesetzlichen Voraussetzungen spreche, wenngleich die Kläger zu ihrer damaligen Situation nur wenig Eindrucksvolles gesagt hätten.
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bb) Diese Feststellungen reichen nicht aus, um nach der die Gerichte bindenden Auslegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. Mai 1993 den beabsichtigten Schwangerschaftsabbruch als rechtmäßig erscheinen zu lassen. Zwar kann hiernach (BVerfGE 88, 203, 256 ff., 272 ff., 299 = NJW 1993, 1754 f.) ein Schwangerschaftsabbruch auch aufgrund einer sozialen oder psychisch-personalen Notlage der Schwangeren ausnahmsweise vom Gesetzgeber nicht nur für straffrei, sondern auch für rechtmäßig erklärt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Belastung der Schwangeren, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangt, daß ihr die Pflicht zum Austragen des Kindes nicht zugemutet werden kann. Wie das Bundesverfassungsgericht – aaO – weiter ausgeführt hat, gilt dies für Notlagen der hier in Betracht kommenden Art nur dann, wenn in ihrer Umschreibung die Schwere des sozialen oder psychisch-personalen Konflikts so deutlich erkennbar wird, daß – unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit betrachtet – die Kongruenz mit den anderen Indikationsfällen, nämlich der medizinischen, kriminologischen und – ihre hinreichend genaue Umgrenzung vorausgesetzt – auch embryopathischen Indikation gewahrt bleibt. Einem solchen Ausnahmetatbestand könne zudem, so führt das Bundesverfassungsgericht aus, rechtfertigende Wirkung nur dann zukommen, wenn das Vorliegen seiner Voraussetzungen durch die Gerichte oder durch Dritte, denen der Staat kraft ihrer besonderen Pflichtenstellung vertrauen dürfe und deren Entscheidung nicht jeder staatlichen Überprüfung entzogen sei, unter Beachtung des Schutzanspruchs des ungeborenen menschlichen Lebens bewertet und festgestellt worden sei (BVerfGE 88, 274 = NJW 1993, 1758 r. Sp.).
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cc) Auf dieser Grundlage kann eine den Schwangerschaftsabbruch rechtfertigende Notlagenindikation wegen des von der Klägerin zu 2) geltend gemachten Überlastungssyndroms nicht angenommen werden. Zwar ist der erkennende Senat im Streitfall wie auch sonst davon ausgegangen, daß bei der Notlagenindikation als einem den Schwangerschaftsabbruch rechtfertigenden Ausnahmetatbestand an die Konfliktlage für die Schwangere vergleichbare Anforderungen wie bei der medizinischen oder embryopathischen Indikation zu stellen seien. Der Senat hat das durch die Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 – BVerfGE 39, 1, 48 – besonders hervorgehoben. Indes hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 28. Mai 1993 – aaO – besondere Anforderungen auch an die Gewährleistung verlangt dafür, daß im konkreten Fall diese Voraussetzungen wirklich erfüllt sind. Diese Anforderungen erlauben es nicht, bereits aus dem durchgeführten Beratungs- und ärztlichen Prüfungsverfahren eine solche Notlagenindikation bis zum Beweis des Gegenteils durch den beklagten Arzt zu vermuten. Vielmehr bedarf es insoweit konkreter Feststellungen einer Ausnahmesituation, die als solche auch für die Gerichte deutlich ausgewiesen ist. Solche Feststellungen hat indessen das Berufungsgericht auch bei wiederholter Überprüfung des Vorbringens der Kläger nicht zu treffen vermocht. Daß es hieran rechtsfehlerhafte Anforderungen gestellt hätte, ist nicht ersichtlich.
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dd) Daher ist davon auszugehen, daß der Schwangerschaftsabbruch, zu dem sich der Beklagte verpflichtet hat, selbst bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Straffreiheit nicht durch eine Notlagenindikation gerechtfertigt war. Ob im Streitfall deshalb der Vertrag nach §§ 134, 138 BGB als nichtig anzusehen ist oder ob er die Voraussetzungen erfüllt, unter denen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 (BVerfGE 88, 203, 296 f. = NJW 1993, 1755, 1763 f. und V 6) diese Vorschriften im Falle der Schlechterfüllung näher bezeichneten vertragsrechtlichen Sanktionen von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht entgegenstehen dürfen, kann offen bleiben. Jedenfalls kann der Vertrag nicht Ansatz dafür sein, auf dem Wege über einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wenigstens für die vermögensmäßige Ebene den von den Parteien mit dem Vertrag bezweckten Erfolg, für die Kläger die sozialen und wirtschaftlichen Belastungen durch ein weiteres Kind zu vermeiden, herzustellen, der unter den gegebenen Umständen von der Rechtsordnung mißbilligt wird. Damit ist dem Verlangen der Kläger nach Ersatz ihres Unterhaltsschadens die Grundlage entzogen.
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2. Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus der Bindungswirkung der zurückverweisenden Senatsurteile vom 15. April 1986 und vom 25. Februar 1992. Der vorliegende Fall nötigt nicht zu Erörterungen über Bedeutung und Umfang der Bindungswirkung nach § 565 Abs. 2 ZPO. Da – wie oben dargelegt – die Rechtsprechung des erkennenden Senats der Auslegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 28. Mai 1993 – aaO – angepaßt werden muß, kann die früher vertretene Auffassung keinen Bestand haben, soweit sie damit nicht in Einklang steht. Eine etwaige Bindungswirkung kann den erkennenden Senat nicht dazu zwingen, im Streitfall gegen die nunmehr erfolgte verbindliche Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht und damit gegen die Verfassung selbst zu entscheiden.
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3. Erfolglos zieht die Revision schließlich die Auffassung des Berufungsgerichts in Zweifel, daß ein wirksamer Vergleich nicht zustandegekommen sei. Insoweit kommt nach den tatrichterlichen Feststellungen ohnehin allenfalls ein Vergleich zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten in Betracht, da es an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß auch die Klägerin zu 2) den Vergleich habe annehmen wollen. Indessen kann auch bezüglich des Klägers zu 1) nicht vom Abschluß eines Vergleichs ausgegangen werden. Voraussetzung hierfür wäre eine abschließende Einigung über die Abgeltung aller Ansprüche, die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht worden sind (§ 779 BGB). Ob von den Parteien entsprechende Willenserklärungen abgegeben worden sind, unterliegt der Auslegung des Tatrichters. Das Berufungsgericht hat diese Erklärungen und insbesondere das mündliche Vergleichsangebot der Beklagten über 60.000 DM dahin ausgelegt, daß es nicht im Sinn einer abschließenden Regelung zu verstehen sei, weil es keinen Vorschlag über die Kosten des Rechtsstreits enthalten habe und über diesen Punkt noch gar nicht verhandelt worden sei. Diese Auslegung ist vertretbar und im Hinblick auf die beträchtlichen Kosten des seit fast 15 Jahren schwebenden Rechtsstreits sogar naheliegend, weil die Verteilung der Kosten eines derart langen Rechtsstreits einen wesentlichen Faktor für den Abschluß eines Vergleichs im Sinn einer endgültigen Beilegung aller Ansprüche darstellen dürfte. Die Revision meint zwar, daß der Prozeßvortrag der Parteien nichts dafür hergebe, daß die Einigung sich auch auf die Kosten habe erstrecken sollen. Indessen läßt die Auslegung des Berufungsgerichts, daß das Angebot des Beklagten mangels eines Vorschlags zu diesem Punkt keinen endgültigen Charakter gehabt habe, weder Denkfehler noch Verstöße gegen Erfahrungssätze oder anerkannte Auslegungsregeln erkennen. Derartige Auslegungsfehler werden von der Revision auch nicht gerügt, so daß die Auslegung aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist.
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Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob – was die Revision ebenfalls beanstandet – dem Berufungsgericht auch darin gefolgt werden könnte, daß die Annahme des Vergleichs durch den Kläger im Hinblick auf § 147 Abs. 2 BGB zu spät erfolgt sei und die Wirksamkeit des Vergleichs von der gerichtlichen Protokollierung habe abhängen sollen.