LG Bonn, Urteil vom 20. Dezember 2001 – 14 O 162/01
Zur Haftung der Deutschen Post AG bei Verlust eines Wertbriefes mit verbotenem Inhalt im internationalen Postverkehr
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 3.500,00 vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien dürfen Sicherheitsleistungen auch durch eine unwiderrufliche, schriftliche, selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen Bank oder Sparkasse erbringen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer Ersatz ihrer Leistungen, die sie als Transportversicherer erbracht hat, weil bei der Beklagten eingelieferte Sendungen abhanden gekommen sind.
Die Klägerin ist alleiniger Transportversicherer des Kunst- und T OHG in O (im folgenden: Versicherungsnehmer). Angestellte des Versicherungsnehmers lieferten am 31.10.2000 eine Sendung mit einem Smaragd-Ring sowie ein paar Ohrringe mit einem behauptetem Wert von DM 23.000,00 bei der Beklagten ein. Die Sendung wurde als Wertbrief, bestimmt für eine Firma N in B unter Wertangabe in Höhe von DM 500,00 – deklariert. Die Sendung geriet in Verlust; die Beklagte ersetzte dem Versicherungsnehmer DM 500,00 (entsprechend der Wertangabe) und die Kosten der Einlieferung, die Klägerin den Rest des Schadens.
Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma S & J (im folgenden: Versicherungsnehmer), die Diamanten zum Preise von US-Dollar 4.918,85 und US-Dollar 5.255,60 (Handelsrechnungen vom 30.10.2000, Blatt 27, 28 der Akten) an eine Firma M. in U, P , veräußerte. Angestellte des Versicherungsnehmers übergaben am 30.10.2000 der Beklagten die Sendungen. Es wurde die Versandart per Einschreiben vereinbart; eine Wertangabe erfolgte nicht. Die Klägerin hat unter dem 04.04.2001 ihren Versicherungsnehmer mit DM 23.474,44 entschädigt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 45.974,44 nebst 8,42 % Zinsen auf DM 23.474,44 seit dem 03.04.2001 und auf DM 22.500,00 seit dem 26.08.2001 zu zahlen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet den Wert der Sendungen und vertritt die Auffassung, eine Ersatzpflicht sei aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Ziffer 2 Abs. 4 Nr. 5) und der Bestimmungen des Weltpostvertrages ausgeschlossen, geleistet habe. soweit sie nicht bereits geleistet habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus übergegangenem (§ 67 VVG) oder abgetretenem Recht auf Ersatz des Schadens, der daraus entstanden ist, dass sie ihren Versicherungsnehmern den durch den Verlust der am 31.10. und 30.10.2000 aufgegebenen Schmucksendungen entstandenen Schaden ersetzt hat, gemäß §§ 425 Abs. 1, 452 HGB.
Nach diesen Vorschriften wäre eine Haftung der Beklagten grundsätzlich gerechtfertigt; sie ist jedoch ausgeschlossen gemäß Ziffer 2. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Briefdienst Ausland (im folgenden: AGB) in Verbindung mit Artikeln 26 Abs. 2, 34 Abs. 2, 4, des Weltpostvertrages. Die vorgenannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind wirksam in den Vertrag mit den Versicherungsnehmern einbezogen worden. Es ist gerichtsbekannt, dass Kunstfirmen, Juweliere und Goldschmiede die Beklagte mit einer gewissen Häufigkeit beauftragen. Aufgrund dieser Häufigkeit ist ihnen bekannt, dass die Beklagte Transportverträge grundsätzlich unter Zugrundelegung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließt. Dieses dürfte zudem weitläufig bekannt sein, da es heutzutage Allgemeinwissen ist, dass kein Transportunternehmer, insbesondere nicht derjenige, der im Massengeschäft tätig ist, ohne Zugrundelegung von Geschäftsbedingungen, die Einzelheiten des Vertragsverhältnisses, insbesondere die Art der zur Versendung zugelassenen Handelsware und Haftungsbeschränkungen sowie die Möglichkeiten der Versicherung regeln. Nach Ziffer 2. Abs. 4 Nr. 1 der AGB sind Sendungen, deren Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, von der Beförderung ausgeschlossen; die Beklagte weist ausdrücklich in einem Klammerzusatz auf die Anlage 13 hin, die Artikel 26 Abs. 2 des Weltpostvertrages wiedergibt, wonach Edelsteine, Schmuck und andere Wertgegenstände nur in Wertsendungen versandt werden dürfen. Der Zusatz enthält das Verbot für den Bereich der Q AG, diese Gegenstände in Einschreibebriefen zu versenden.
Hält sich der Einsender an diese Bedingungen nicht, hat er die Beklagte wegen seiner Vertragsverletzung so zu stellen, wie Sie stehen würde, wenn der Einlieferer sie ordnungsgemäß auf den verbotenen Inhalt der Sendung hingewiesen hätte: sie hätte den Vertrag nicht geschlossen, so dass es nicht zu einem Haftungsfall gekommen wäre.
Würde man dem Vorgenannten nicht folgen, findet deutsches Recht Anwendung. Zu diesem deutschen Recht gehört auch der Weltpostvertrag vom 14.09.1994, der unmittelbar geltendes deutsches Recht ist, das über das Innenverhältnis der beteiligten Verwaltungen hinaus eine Außenwirkung, für die jeweiligen Postbenutzer entfaltet (BGH NJW 1980, 1222; Koller, Transportrecht, 4. Auflage, Rn. 2 zu Artikel 2 WA; OLG Karlsruhe NJW 1996, 2582, 2583; Herdegen in Beck’scher Postgesetz-Kommentar, Rn. 46 zu § 3 PostG) .
Die Beklagte ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Zustimmungsgesetzes Postverwaltung im Sinne der vorgenannten Abkommen. Diese stellen eine spezielle Regelung gegenüber dem deutschen allgemeinen Frachtrecht dar. Dieses ergibt sich bereits aus § 452 Abs. 2 HGB. Dabei ist nicht zu verkennen, dass unter internationale Übereinkommen in diesem Sinne nur solche fallen sollen, die Frachtrecht regeln (Herber Transportrecht 2001, 101, 102) . Es kann dahinstehen, ob der vorgenannte internationale Vertrag diesen Ansprüchen gerecht wird; denn jedenfalls ergibt der Sinn dieser Regelung, dass dieser Vertrag vorgeht: es ist unbestritten, dass das CMR dem Frachtrecht des HGB vorgeht; das CMR seinerseits ist jedoch gemäß Artikel l Abs. 4 a CMR für Beförderungen, die nach den Bestimmungen internationaler Postübereinkommen durchgeführt werden, nicht anwendbar. Gemäß Artikel 26 Nr. 2 des Weltpostvertrages dürfen unter anderem Edelsteine, Schmuck und andere Wertgegenstände nur in Wertsendungen versandt werden. Die Folge ist ein Haftungsausschluss gemäß Artikel 35 Abs. 2. Daraus folgt, dass aus diesen Gründen eine Haftung der Beklagten für den dem Versicherungsnehmer Firma S & J GmbH & Co. KG verloren gegangenen Schmuck entfällt.
Gemäß Artikel 34 Abs. 4.1 haftet die Beklagte bei verlorenen Wertsendungen grundsätzlich in der tatsächlichen Höhe des Schadens, jedoch auf keinen Fall über den angegebenen Wert hinaus. Der von dem Versicherungsnehmer Kunst- und T OHG aufgegebene .Wertbrief trug die \ Wertangabe von DM 500,00. Insoweit hat die Beklagte ihre Verpflichtung zum Schadensersatz erfüllt, die Klägerin ist nicht in Anspruch genommen worden.
Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 435 HGB oder der unerlaubten Handlung vorliegen. Die Haftung der Beklagten im internationalen Postverkehr ist in den Bestimmungen der oben genannten Verträge abschließend geregelt (BGH a.a.O., Seite 1223).
Im übrigen wird auch zu einem möglichen Mitverschulden der Versicherungsnehmer im Sinne von § 254 BGB, 425 Abs. 2 HGB auf die beiden Parteien bekannten Ausführungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe in dem am 25.07.2001 verkündeten Urteil verwiesen.
Der Klägerin brauchte kein Schriftsatznachlass aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die erst im Termin übergeben worden sind, gewährt zu werden. Es ist gerichtsbekannt, dass ihre Prozessbevollmächtigten in mindestens 95 % der Streitigkeiten mit der Beklagten wie auch der Subunternehmer der Beklagten beteiligt sind. Sie haben demzufolge zu der Problematik des Weltpostvertrages bereits in der Klageschrift, aber auch in weiteren Schriftsätzen, vorgetragen. Die Problematik, war insgesamt bekannt aus dem Rechtsstreit 14 0 95/01. Dieser Rechtsstreit befindet sich in der Berufung bei dem Oberlandesgericht Köln; die Kammer hatte hierzu außergerichtlich angeregt, dass eine Entscheidung des Oberlandesgerichts abgewartet werden sollte. Schließlich war – trotz der ausdrücklichen Anordnung – ein sachorientierter Vertreter der Klägerin im Sinne von §§ 141 Abs. 3, 279 ZPO ohne Entschuldigung im Termin nicht zugegen. Unter diesen Umständen erschien es nicht angemessen, der Klägerin ausschließlich wegen der Nachreichung bekannter Allgemeiner Geschäftsbedingungen – eine weitere Schriftsatzfrist zu gewähren.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,‘ 709 Satz 1 ZPO.
Streitwert: bis DM 46.000,00.