ArbG Weiden, Endurteil v. 09.01.2019 – 3 Ca 615/18
1. Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein ungelochtes Arbeitszeugnis, wenn sein Arbeitgeber ungelochtes Geschäftspapier besitzt und benutzt oder die Verwendung ungelochten Papiers für die Zeugniserstellung in der betreffenden Branche Standard ist (beides hier verneint).
2. Eine Lochung stellt kein unzulässiges Geheimzeichen i.S.d. § 109 II 2 GewO dar.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 1.950,- € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin das Arbeitszeugnis auf ungelochtem Geschäftspapier zu erteilen.
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Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 01.10.1979 bis 31.03.2017 mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 1.950,- € beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Bauunternehmen (Verkauf und Verlegung von Fliesen und Natursteinarbeiten).
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Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 31.03.2017 ein Arbeitszeugnis auf gelochtem Geschäftspapier (Bl. 4 f. d.A.).
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Dagegen geht die Klägerin mit der vorliegenden, am 28.05.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vor. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses auf ungelochtem Papier. Es sei nicht richtig, dass die Beklagte nur über gelochtes Papier verfüge. Unabhängig davon habe sie aber in jedem Fall Anspruch auf ein ungelochtes Zeugnis. Eine Lochung sei absolut unüblich und lasse negative Rückschlüsse auf das Arbeitsverhältnis und die Beurteilung zu. Die Beklagte habe nach der Geschäftsübernahme verschiedene Änderungen am Geschäftspapier vorgenommen und den Druckauftrag gerade nicht unverändert fortgeführt. Vom vorherigen Lieferanten sei auch ungelochtes Geschäftspapier bezogen worden. Die Herstellung auch nur weniger Bögen ungelochtes Geschäftspapier verursache keine wesentlichen Kosten, es sei der Beklagten zuzumuten, ungelochtes Geschäftspapier für das Zeugnis zu verwenden.
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Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin das unter dem 31.03.2017 ausgestellte Arbeitszeugnis auf ungelochtem Geschäftspapier der Beklagten zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt hingegen,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, dass das Briefpapier der Beklagten sowohl vor als auch nach der Übernahme der Geschäfte durch die jetzigen Geschäftsführer stets nur gelocht bezogen worden sei. Ungelochtes Papier sei zu keinem Zeitpunkt geliefert worden und auch nicht vorhanden. Das aktuelle Papier sei vom Beklagtengeschäftsführer nach dem Muster des bis dahin existierenden Papiers und damit eben auch gelocht in Auftrag gegeben worden. Über die Frage der Lochung sei dabei nicht gesprochen worden. Da die Werbefirma aber die klare Anweisung gehabt habe, mit Ausnahme der wenigen besprochenen unwesentlichen Änderungen exakt das bislang vorhandene Geschäftspapier zu erstellen, sei zu Recht nur gelochtes Papier geliefert worden.
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Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend noch auf den gesamten übrigen Akteninhalt verwiesen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugen E. und F.. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.01.2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage konnte keinen Erfolg haben, da die Klägerin in der gegebenen Situation keinen Anspruch auf nochmalige Erstellung ihres Arbeitszeugnisses auf ungelochtem Geschäftspapier hat.
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Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, § 2 I Nr. 3 c ArbGG. Das Arbeitsgericht Weiden ist örtlich zuständig, §§ 46 II ArbGG, 12, 17 I ZPO.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Beklagte hat den Zeugniserteilungsanspruch der Klägerin gemäß § 109 I GewO durch Erteilung des unter dem 31.12.2017 erstellen Arbeitszeugnis auf gelochtem Geschäftspapier bereits erfüllt, § 362 I BGB.
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Jedenfalls in der hier betroffenen Baubranche und mit Blick auf die Größe der Beklagten darf der Arbeitgeber zur Überzeugung der Kammer dann, wenn im Betrieb ausschließlich gelochtes Geschäftspapier vorhanden ist, auch solches zur Zeugniserstellung verwenden.
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Das Gericht geht dabei von folgenden Grundsätzen aus:
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Der Arbeitnehmer hat nach § 109 I GewO bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dieses Zeugnis muss auch formell in Ordnung sein. Das Zeugnis muss sauber und ordentlich, sinnvollerweise in Maschinenschrift mit lesbarem Schriftgrad geschrieben sein und darf keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen, Durchstreichungen aufweisen. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, der Aussteller distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung, wie dies etwa beim Weglassen eines in der Branche oder dem Gewerbe üblichen Merkmals oder Zusatzes oder bei der Benutzung sonst nicht üblicher Formulare der Fall wäre. Daher ist, wenn im Geschäftszweig des Arbeitgebers für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenbögen verwendet werden und auch der Arbeitgeber solches Geschäftspapier verwendet, ein Zeugnis nur dann ordnungsgemäß, wenn es auf Firmenpapier geschrieben worden ist (ErfK, 19. Aufl., § 109 GewO, Rn. 14 mit Nachweis der BAG-Rechtsprechung).
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Andererseits sind übertriebene Anforderungen an die Zeugnisästhetik (Wahl eines bestimmten Papiers, einer bestimmten Schriftart oder eines bestimmten Papierformats) nicht anzuerkennen, doch darf das Zeugnis nicht durch negative Abweichungen vom Standard entwertet werden. Nicht ins Gewicht fallende Unvollkommenheiten des Zeugnisses hat der Arbeitnehmer hinzunehmen. Ein Rechtsanspruch auf ein ungefaltetes Zeugnis besteht nicht, ebenso wenig auf Farbe. Besteht das Zeugnis aus 2 oder mehr Blättern, dürfen diese maschinell mittels Heftklammer verbunden werden (vgl. ErfK a.a.O. mit Rechtsprechungsnachweisen).
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Das Bundesarbeitsgericht stellt darauf ab, welche Gepflogenheiten in formeller Hinsicht in der betreffenden Branche bestehen, d.h. welches Geschäftspapier sonst üblich ist. Es kommt aber entscheidend auch auf die Gepflogenheiten des ausstellenden Arbeitgebers und darauf an, welches Geschäftspapier dieser besitzt und benutzt (vgl. BAG vom 3.3.1993, 5 AZR 182/92). An die formelle Ausgestaltung eines Zeugnisses einer internationalen Großkanzlei gelten beispielsweise andere Anforderungen als an die eines kleinen Handwerkbetriebes (Beispiel nach Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, § 109 GewO Rn. 53).
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Der Arbeitgeber hat die Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen er die Erfüllung des Zeugnisanspruchs folgert. Dazu gehören die ein formell einwandfreies, inhaltlich vollständiges und in der Bewertung durchschnittliches Zeugnis ausmachenden Tatsachen. Die notwendige Substantiierung seines diesbezüglichen Sachvortrags ist jeweils abhängig vom Vortrag des klagenden Arbeitnehmers. Im Rahmen von § 109 II 2 GewO trägt die Partei die Darlegungs- und Beweislast, die geltend macht, dass ein verbotenes Geheimzeichen vorliegt (vgl. ErfK Rn. 85).
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Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte hier den Zeugnisanspruch der Klägerin gehörig erfüllt. Das Zeugnis ist formell – nur darum streiten die Parteien – ordnungsgemäß. Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, nur gelochtes Geschäftspapier zu besitzen und zu benutzen. Die Zeugin F. hat als Bürokauffrau der Beklagten erklärt, dass die Beklagte nur gelochtes Papier verwende und ungelochtes Geschäftspapier ihrer Kenntnis nach nicht vorhanden sei. Der Zeuge E. hat als Produzent und Lieferant des aktuellen Geschäftspapiers der Beklagten erklärt, der Beklagten nur gelochtes Papier geliefert zu haben. Beide Zeugen erwiesen sich als glaubwürdig. Auf diesem vorhandenen Geschäftspapier hat die Beklagte das Zeugnis der Klägerin unstreitig erstellt.
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Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Beschaffung eines neuen (ungelochten) Geschäftspapiers zur Erstellung ihres Zeugnisses besteht aus Sicht der entscheidenden Kammer nicht. Einer solchen Verpflichtung würde die Beklagte nach § 109 GewO und den aufgezeigten Grundsätzen nur unterliegen, wenn die Zeugniserstellung auf ungelochtem Papier im betreffenden Geschäftszweig Standard oder die Lochung ein nach § 109 II 2 GewO verbotenes Geheimzeichen wäre.
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Dass ein ungelochtes Zeugnis maßgebender Standard in der hier betroffenen Baubranche – bei der Beklagten handelt es sich nach ihrem Internetauftritt um einen eher kleinen Handwerksbetrieb für Fliesen- und Natursteinarbeiten mit unter 20 Arbeitnehmern – wäre, ist nicht ersichtlich und kann insbesondere auch weder dem Vortrag der Klägerin – die nur ganz allgemein und ohne Branchenbezug davon ausgeht, dass Zeugnisse auf ungelochtem Geschäftspapier üblich seien – noch dem Beklagtenvortrag entnommen werden. Die Kammer legt aber Wert darauf festzuhalten, dass sie es nicht für ausgeschlossen erachtet, dass dieser Punkt von einem anderen Gericht abweichend beurteilt wird.
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Schließlich sieht das Gericht in der Verwendung des gelochten Geschäftspapiers auch kein unzulässiges Geheimzeichen i.S.d. § 109 II 2 GewO. Das gelochte Geschäftspapier signalisiert einem unvoreingenommenen Leser mit Branchenkenntnis keine Kritik an der Klägerin. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich der beklagte Handwerksbetrieb durch die Verwendung eines gelochten Papiers vom Zeugnisinhalt distanziert oder die Klägerin sonst kritisiert, sind nicht erkennbar oder von der i.R.d. § 109 II 2 GewO darlegungsverpflichteten Klägerin näher vorgetragen. Eine allgemein anerkannte oder jedenfalls überwiegend vertretene Bedeutung eines gelochten Zeugnisses kann nicht erkannt werden. Damit entscheidet das Gericht den Fall des gelochten Arbeitszeugnisses im Ergebnis so wie den des „getackerten“ Zeugnisses (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz vom 9.11.2017, 5 Sa 314/17 mit zustimmender Anmerkung von Dahl, jurisPR-ArbR 23/2018 Anm. 6).
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Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 I ZPO.
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Der Streitwert wurde gem. §§ 61 I ArbGG, 3 ZPO festgesetzt.
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Ein gesetzlich begründeter Anlass für eine gesonderte Berufungszulassung bestand nicht, § 64 III ArbGG. Auf die Möglichkeit einer Beschwerdewertberufung gem. § 64 II b) ArbGG wird aber hingewiesen.