BGH, Urteil vom 24.01.1995 – VI ZR 354/93
Zur Feststellung eines Verdienstausfallschadens bei wechselhaftem beruflichen Werdegang des Verletzten vor dem Unfall.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 28. Oktober 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger macht Schadensersatz, hier: Verdienstausfall, aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 15. August 1982 geltend.
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Die Beklagte ist aufgrund rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Juni 1989 – 5 U 60/88 – verpflichtet, dem Kläger u.a. sämtliche materiellen Schäden aus diesem Verkehrsunfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf gesetzliche Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Zugleich ist dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 1984 bis 31. Januar 1987 ein Erwerbsausfallschaden in Höhe von 36.219,34 DM zugesprochen worden.
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Eine weitere Klage auf Ersatz von Erwerbsschaden für das Jahr 1983 ist durch Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Mai 1986 – 5 U 216/85 – rechtskräftig abgewiesen worden, ebenso eine Klage wegen Erwerbsschadens für den Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis 31. August 1988 durch Urteil vom 31. Januar 1991 – 5 U 284/89.
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Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger Verdienstausfall zunächst für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Juli 1990 geltend gemacht und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 69.681,80 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Nach Klagabweisung durch das Landgericht hat er im zweiten Rechtszug seinen Klagantrag um DM 112.299,12 für den Zeitraum vom 1. August 1990 bis 31. Dezember 1991 erweitert. Seine Berufung blieb ohne Erfolg.
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Mit der Revision verfolgt der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht vermag sich nicht davon zu überzeugen, daß der Kläger in dem fraglichen Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Dezember 1991 ohne den Unfall einer entsprechenden Beschäftigung nachgegangen wäre. An dieser Beurteilung sieht es sich durch die rechtskräftige Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz des materiellen Schadens des Klägers im Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Juni 1989 nicht gehindert.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts erfaßt die Rechtskraft dieses Urteils nur die Entscheidung zum Schadensgrund und damit die haftungsbegründende Kausalität. Bei der vorliegenden Zahlungsklage gehe es jedoch um die Höhe des Schadens. Wenngleich für dessen Nachweis die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO Anwendung fänden, müsse doch jeweils bewiesen werden, daß der Schaden, dessen Ausgleich begehrt werde, die Voraussetzungen des Feststellungsurteils erfülle, also auf dem Schadensereignis beruhe. Da es sich mithin prozessual um einen anderen Streitgegenstand handele, sei für die Prognose der gesamte berufliche Werdegang des Klägers heranzuziehen.
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Dem Vorbringen des Klägers lasse sich, so führt das Berufungsgericht weiter aus, nicht mit der notwendigen Sicherheit entnehmen, daß bei einem gewöhnlichen Verlauf der Dinge in dem fraglichen Zeitraum ohne den Unfall die Wahrscheinlichkeit einer entgeltlichen Beschäftigung bestanden habe. Zwar komme der Kläger schon dann in den Genuß der Beweiserleichterungen des § 252 Satz 2 BGB, wenn ihm der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit gelinge. Das sei jedoch nicht der Fall. Der bisherige berufliche Werdegang des Klägers sei sprunghaft. Zwischen einzelnen Zeiträumen beruflicher Tätigkeit und Weiterbildung seien wiederholt beschäftigungsfreie Zeiträume festzustellen. So habe der Kläger nach seinem Vorbringen mit der Vorbereitung zur Steuerberaterprüfung im Mai 1980 erst zehn Monate nach Beendigung der vorangegangenen Tätigkeit begonnen. Bei einer umfassenden Würdigung des Zeitraums von Mai 1980 bis zum Unfall am 15. August 1982 drängten sich zusätzlich zu den in Bezug genommenen Ausführungen des Landgerichts weitere Zweifel auf, und zwar sowohl wegen der aus dem Gutachten des Nervenarztes W. ersichtlichen Aufnahme eines Jurastudiums im Sommer 1980 als auch wegen einer in diesem Gutachten angedeuteten Medikamentenabhängigkeit. Auch habe der Kläger in einem früheren Schriftsatz als wahren Grund für das zweimalige Verschieben der Steuerberaterprüfung die besonderen Belastungen anläßlich der Auseinandersetzung mit seiner geschiedenen Ehefrau angegeben. Diese Tatsachen sowie die vorangegangene berufliche Entwicklung und das Lebensalter des Klägers ließen den Schluß zu, daß er sich Anfang der 80er Jahre in einer persönlichen Krisensituation nach offenbar unverarbeiteter Trennung von seiner Ehefrau bei umfassender beruflicher Neuorientierung mit völlig offenem Ausgang befunden habe. Wenn es also einen “Knick” in der Biographie des Klägers gegeben habe, liege es nahe, diesen nicht auf den Unfall, sondern auf vorangegangene Erschütterungen seiner sozialen Existenz zurückzuführen. Auch der weitere berufliche Werdegang des Klägers vermöge eine günstige Prognose nicht zu rechtfertigen. Es sei nicht erkennbar, daß der Kläger sich mit realistischer Erwartungshaltung einer beruflichen Neuorientierung zugewandt hätte oder etwa bereit gewesen wäre, im Rahmen der bereits erworbenen beruflichen Qualifikation weiter tätig zu sein. Ein Bewerbungsschreiben des Klägers vom 7. Dezember 1985 lasse erkennen, daß er zumindest in diesem Zeitraum mit Versicherungsleistungen gerechnet und dies zur Grundlage seiner beruflichen Aktivitäten gemacht habe. Die daran dokumentierte Erwartungshaltung gehe einher mit der mangelnden Bereitschaft, etwa vorhandene gesundheitliche Einschränkungen zu akzeptieren und sich gleichwohl dem Berufsleben zu stellen. So habe der Gutachter W. den Kläger wörtlich mit der Bemerkung zitiert “ich packe den Griffel nicht an, bevor die Gesundheit nicht voll wieder da ist”. Diese Annahme finde ihre Bestätigung auch in der Tatsache, daß nach dem 11. Februar 1989 keine aktiven Bemühungen des Klägers mehr vorlägen, sich wieder in das Berufsleben zu integrieren.
II.
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Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht durchweg stand.
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1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch des Klägers auf Verdienstausfall für den eingeklagten Zeitraum ergebe sich nicht aus der Rechtskraft des Urteils vom 29. Juni 1989.
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Die Revision sucht ihre Auffassung darauf zu stützen, daß in jenem Urteil nicht nur die Ersatzpflicht der Beklagten für materiellen Zukunftsschaden festgestellt, sondern daneben für den eingeklagten Zeitraum Verdienstausfall von monatlich 4.000 DM mit der Begründung zuerkannt worden sei, es sei davon auszugehen, daß der Kläger aufgrund seiner beruflichen Qualifikation als Diplom-Kaufmann ohne den Unfall die Prüfung als Steuerberater und Rechtsbeistand abgelegt und infolgedessen ein solches Bruttoeinkommen erzielt haben würde. Sie meint, infolge der Rechtskraft des Urteils vom 29. Juni 1989 sei auch für die vorliegende Leistungsklage von dieser günstigen Prognose auszugehen. Das trifft jedoch nicht zu.
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Das Urteil entfaltet entgegen der Meinung der Revision keine Rechtskraftwirkung dahin, daß ein etwaiger Verdienstausfallschaden sich für zukünftige Zeiträume, die nicht Gegenstand des Urteils sind, in ähnlicher Höhe bewegen müsse. Das bedarf keiner näheren Darlegungen, soweit in dem Urteil zur Leistung nur für einen bestimmten Zeitraum verurteilt worden ist. Anderes ergibt sich aber auch nicht aus der Rechtskraft der Feststellung künftiger Ersatzpflicht für materiellen Schaden in jenem Urteil. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, führt zwar die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers festgestellt worden ist, dazu, daß Einwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, welche schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, soweit sie das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen (Senatsurteile vom 15. Juni 1982 – VI ZR 179/80 – VersR 1982, 877 und vom 14. Juni 1988 – VI ZR 279/87 – VersR 1988, 1139). Um die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des materiellen Schadens des Klägers aus jenem Unfall, die das Urteil vom 29. Juni 1989 festgestellt hat, geht es hier aber nicht. Vielmehr betrifft die Frage, ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Erwerbsausfallschaden eingetreten ist, den Umfang des Unfallschadens, also die Höhe des Anspruchs, und wird deshalb von der Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils nicht erfaßt.
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2. Daher ist es nicht eine Frage der Rechtskraft, sondern vielmehr der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO, ob der Kläger für den infragestehenden Zeitraum Ersatz für einen Verdienstausfallschaden beanspruchen kann. Insoweit geht es um eine vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung, die nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Jedoch ist revisionsrechtlich nachprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrundegelegt hat (Senatsurteile BGHZ 92, 54, 86 ff.; 102, 322, 330).
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Dieser Nachprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.
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a) Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß im Urteil vom 29. Juni 1989 die Zuerkennung von Verdienstausfall auf die günstige Prognose gestützt worden ist, daß der Kläger nach Ablegung der erwähnten Prüfung eine Anstellung in der Wirtschaft erhalten und daraus Einkommen erzielt hätte. Nun erlaubt es zwar § 287 ZPO dem Tatrichter, der in einem früheren Urteil für einen früheren Zeitraum unter Zugrundelegung einer bestimmten hypothetischen Entwicklung des Erwerbslebens des Verletzten ohne den Unfall Ersatz von Verdienstausfall zugebilligt hat, in einem späteren Verfahren zum Ergebnis zu gelangen, daß auf diese Prognose ein Anspruch auf Verdienstausfall für den späteren Zeitraum nicht gestützt werden könne. Im Hinblick auf die frühere Beurteilung muß er allerdings in einem solchen Fall zu der früheren Prognose Stellung nehmen und in nachvollziehbarer Weise darlegen, weshalb sie nicht aufrechterhalten werden kann.
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Die Ausführungen im angefochtenen Urteil lassen nicht hinreichend erkennen, ob und in welchem Umfang das Berufungsgericht von der früheren Prognose abweichen will.
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Insbesondere wird nicht deutlich, ob das Berufungsgericht – wie die Revision meint – nunmehr in Zweifel ziehen will, daß der Kläger ohne den Unfall die fragliche Prüfung abgelegt haben würde. Derartige Zweifel klingen zwar in den Ausführungen des Berufungsgerichts darüber an, daß der Kläger sich seinerzeit in einer persönlichen Krisensituation bei umfassender beruflicher Neuorientierung mit völlig offenem Ausgang befunden habe. Auch die – vom Berufungsgericht verneinte – Überlegung, ob der Kläger bereit gewesen wäre, im Rahmen der bereits erworbenen beruflichen Qualifikation weiter tätig zu sein, weist in diese Richtung.
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Diese Andeutungen reichen jedoch nicht aus, um die erforderliche Nachprüfung zu ermöglichen. Das Berufungsgericht hätte klar zum Ausdruck bringen müssen, ob es von der früheren Prognose abweichen und nunmehr annehmen wollte, daß der Kläger auch ohne den Unfall wegen einer besonderen Krisensituation die Prüfung nicht abgelegt und folglich keine entsprechende Anstellung in der Wirtschaft gefunden hätte. Hierzu hätte es einer eingehenden Begründung bedurft, damit nachgeprüft werden kann, ob bei Änderung der Prognose die oben aufgezeigten Grundsätze und insbesondere alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt worden sind.
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In diesem Zusammenhang rügt die Revision auch zu Recht, daß das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft für den Kläger ungünstige und teilweise unrichtige Tatsachen aus dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten des Nervenarztes W. entnommen hat. Dabei kann offen bleiben, in welchem Umfang die Beklagte das Gutachten zu ihrem Sachvortrag gemacht hat. Jedenfalls weist die Revision zutreffend darauf hin, daß der Kläger das Gutachten als falsch bezeichnet hat. Deshalb ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, daß er den betreffenden Ausführungen des Sachverständigen entgegengetreten wäre, wenn das Berufungsgericht zu erkennen gegeben hätte, daß es diese Einzelheiten für entscheidungserheblich halte.
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b) Im Ergebnis zu Recht beanstandet die Revision ferner, daß das Berufungsgericht der Sache nach jegliches Erwerbseinkommen des Klägers für den eingeklagten Zeitraum verneint hat.
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aa) Wie der Senat zuletzt in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 17. Januar 1995 – VI ZR 62/94 – dargelegt hat, müssen zwar der Schätzung des Verdienstausfallschadens eines Verletzten nach § 287 Abs. 1 ZPO hinreichende Anknüpfungspunkte zugrunde liegen, weil der Tatrichter die seinem Ermessen gesetzten Grenzen überschreiten würde, wenn er zu einer Schätzung greift, ohne für sie eine tragfähige Grundlage zu haben (vgl. Senatsurteil vom 22. Dezember 1987 – VI ZR 6/87 – VersR 1988, 466, 467). Deshalb läßt die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 287 Abs. 1 ZPO eine völlig abstrakte Berechnung des Erwerbsschadens im Sinn eines pauschalierten “Mindestschadens” nicht zu, sondern verlangt die Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung (vgl. z.B. Senatsurteile vom 15. März 1988 – VI ZR 81/87 – VersR 1988, 837 und vom 16. Oktober 1990 – VI ZR 275/89 – VersR 1991, 179). Andererseits dürfen an deren Darlegung im Rahmen der §§ 252 Satz 2 BGB, 287 Abs. 1 ZPO keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 31. März 1992 – VI ZR 143/91 – VersR 1992, 973 und vom 6. Juli 1993 – VI ZR 228/92 – VersR 1993, 1284, 1285 m.w.N.).
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bb) Insoweit macht die Revision geltend, daß der Kläger mit Ausnahme der Studien- bzw. Fortbildungszeiten bis zum Unfall mit Pausen von einigen Monaten immer eine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt habe. Sie meint, deshalb müsse davon ausgegangen werden, daß er selbst dann, wenn er die Steuerberater- und Rechtsbeistandsprüfung nicht bestanden hätte, unter Berücksichtigung seiner vorhandenen Qualifikation als Diplom-Kaufmann wieder eine entgeltliche Tätigkeit aufgenommen haben würde.
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Das steht in Einklang mit den Grundsätzen, die der erkennende Senat im Urteil vom 6. Juli 1993 – aaO – dargelegt hat. Stehen nämlich Umstände fest, aus denen sich ergibt, daß der Geschädigte sich eine berufliche Existenz aufgebaut hat, so ist unter Zugrundelegung der Beweiserleichterungen nach § 252 Satz 2 BGB und § 287 ZPO, deren Anwendbarkeit das Berufungsgericht im Grundsatz auch nicht verkannt hat, in der Regel davon auszugehen, daß der Geschädigte ohne das Schadensereignis aus dieser beruflichen Tätigkeit Einkommen erzielt haben würde. Selbst wenn das Berufungsgericht in Abweichung von der früheren Prognose verfahrensfehlerfrei zum Ergebnis hätte gelangen können, daß der Kläger die Prüfung als Steuerberater und Rechtsbeistand nicht abgelegt haben würde, hätte es doch seine bereits erworbene berufliche Qualifikation als Diplom-Kaufmann und das daraus für längere Zeiträume erzielte Erwerbseinkommen in Betracht ziehen müssen. Allein der Umstand, daß der Kläger in der Vergangenheit häufig seine Arbeitsstelle gewechselt hat, rechtfertigt nicht ohne weiteres die Folgerung, daß er ohne das Schadensereignis von einem bestimmten Zeitpunkt an keinerlei Erwerbseinkommen mehr erzielt haben würde. Zum einen hat der Kläger dargelegt, daß die Unterbrechungen seiner Erwerbstätigkeit zumindest teilweise mit seinem Streben nach beruflicher Weiterbildung zusammengehangen haben. Im übrigen führt das häufige Wechseln der Arbeitsstelle vor dem Schadensfall auch dann, wenn hierdurch Zeiten ohne Erwerbseinkommen aufgetreten sind, nicht ohne weiteres zu der Annahme, daß der Geschädigte ohne den Unfall gar nicht mehr gearbeitet haben würde, wenngleich derartiges Verhalten bei der Bemessung des unfallbedingten Verdienstausfallschadens einen Abschlag rechtfertigen kann (Senatsurteil vom 5. Dezember 1989 – aaO ).
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cc) Das Berufungsgericht meint zwar, es sei nicht erkennbar, daß sich der Kläger mit realistischer Erwartungshaltung einer beruflichen Neuorientierung zugewandt hätte oder bereit gewesen wäre, im Rahmen der bereits erworbenen beruflichen Qualifikation weiter tätig zu sein. Indessen hätte es erwägen müssen, ob es nicht – wie die Revision geltend macht – der Lebenserfahrung widerspricht, daß ein Mann mit der Ausbildung des Klägers sich bereits mit 47 Jahren vom Arbeitsleben zurückzieht, um von öffentlicher Unterstützung zu leben, nachdem er sich zunächst nachhaltig um Weiterbildung bemüht hat.
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Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht insoweit nur auf die tatsächliche Entwicklung nach dem Unfall abhebt, statt die erforderliche Prognose für die berufliche Entwicklung ohne das Unfallereignis zu stellen. Insoweit ist es von nachrangiger Bedeutung, ob sich aus dem im Berufungsurteil erwähnten Bewerbungsschreiben des Klägers und einer Bemerkung gegenüber dem Privatgutachter W. eine Erwartungshaltung des Klägers ergibt. Diese bezieht sich ja gerade darauf, daß seine Gesundheit und Erwerbsfähigkeit durch den Unfall beeinträchtigt worden sind, während es vorliegend in erster Linie um die Frage geht, wie sich die Berufstätigkeit des Klägers ohne den Unfall entwickelt haben würde.
III.
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Nach alldem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäß § 565 Abs. 1 ZPO zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.