Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.08.2010 – 10 Ta 155/10
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte wird vom Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, verlangt, dass er im Einzelnen darlegt, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat (Rn. 10)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 9. Juni 2010, Az.: 3 Ca 2356/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Beklagte (geb. am … 1935) war bei dem inzwischen verstorbenen Kläger von November 2007 bis zum 30.06.2008 als Haushaltshilfe zu einem Monatslohn von € 500,00 beschäftigt. Der Kläger hat der Beklagten am 10.12.2007 ein Darlehen von € 2.400,00 gewährt; die Restdarlehensschuld beläuft sich unstreitig auf € 1.800,00. Mit seiner am 29.10.2009 zugestellten Klage macht der Kläger die Rückzahlung des Darlehens geltend.
2
Die Beklagte beantragt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten und wendet gegen die Klage ein, sie habe den geschuldeten Restbetrag „mehr als abbezahlt“. Sie habe in der 7-Tage-Woche 12 bis 14 Stunden täglich arbeiten müssen. Mit Widerklage vom 23.11.2009 verlangte sie zunächst die Zahlung rückständigen Lohns in Höhe von € 4.261,60. Auch hierfür beantragt sie Prozesskostenhilfe. Die Widerklage hat sie im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht um € 1.800,00 auf € 2.461,60 brutto reduziert.
3
Die Widerklageforderung berechnet die Beklagte zuletzt im Schriftsatz vom 14.01.2010 wie folgt: Sie habe mit dem Kläger eine 6-Tage-Woche mit ca. 6 bis 6,5 Stunden täglich vereinbart. Ausgehend von einem Bruttomonatslohn von € 800,00 (€ 500,00 in bar, € 300,00 für Kost und Logis) bei 40 Wochenstunden ergebe sich ein Stundenlohn von € 5,20 brutto. Sie mache Überstundenvergütung für die Monate Januar bis Juni 2008 in Höhe von € 710,26 brutto monatlich geltend, das entspreche 136,5 Überstunden im Monat, was 34 Überstunden wöchentlich entspreche. Sie habe sonntags 8 Stunden gearbeitet und an den Wochentagen über die vereinbarten 6 Stunden hinaus mindestens 4 bis 4,5 Stunden zusätzlich.
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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.06.2010 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte habe ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vollständig dargelegt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, die sie am 06.07.2010 eingelegt hat. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 08.07.2010 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig. Sie ist in der Sache jedoch nicht begründet.
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1. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 114 Satz 1 ZPO voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An dieser Voraussetzung fehlt es.
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Der Kläger bzw. seine Erben haben gegen die Beklagte gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Darlehensrestschuld in Höhe von € 1.800,00. Dieser Anspruch ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit einer Forderung auf Überstundenvergütung erloschen (§§ 387, 389 BGB). Auch die Widerklage auf Zahlung weiterer € 2.461,60 (€ 4.261,60 – € 1.800,00) ist unbegründet.
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Die Beklagte hat die von ihr behaupteten Überstunden nicht schlüssig dargelegt. Bereits das Rechenwerk der Beklagten ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte behauptet, sie habe im Zeitraum von Januar bis Juni 2008 wöchentlich 34 Überstunden geleistet. Das wären in 26 Wochen insgesamt 884 Überstunden. Wie die Beklagte auf 136,5 Überstunden monatlich und damit in sechs Monaten auf insgesamt 819 Stunden kommt, ist bereits rechnerisch nicht nachvollziehbar. Die Beklagte gibt an, es sei vereinbart worden, dass sie in einer 6-Tage-Woche „ca. 6 bis 6,5 Stunden“ täglich arbeite. Das ergeben rechnerisch zwischen 36 und 39 Wochenstunden. Wie die Beklagte 40 Wochenstunden errechnet, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Sie gibt weiter an, dass sie sonntags 8 Stunden gearbeitet und an den Wochentagen „über die vereinbarten 6 Stunden“ – von 6,5 Stunden ist keine Rede mehr – mindestens 4 bis 4,5 Stunden zusätzlich gearbeitet habe. Das sind rechnerisch 32 bis 35 Überstunden wöchentlich. Wie die Beklagte zu dem Ergebnis kommt, sie habe 34 Überstunden pro Woche geleistet, ist schon rechnerisch nicht nachvollziehbar. Die pauschale Behauptung der Beklagten, sie habe – was auch bewiesen werden könne – „an vielen Tagen mehr als 10 oder 10,5 Stunden gearbeitet“, erfüllt nicht ansatzweise die Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Sachvortrag.
10
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte wird vom Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, verlangt, dass er im Einzelnen darlegt, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Bestreitet der Arbeitgeber die Behauptung des Arbeitnehmers, muss der Arbeitnehmer darlegen, welche – geschuldete – Tätigkeit er jeweils an den fraglichen Tagen ausgeführt hat. Er muss ferner eindeutig vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (vgl. BAG Urteil vom 29.05.2005 – 5 AZR 319/04 – AP Nr. 17 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung; LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 10.10.2008 – 6 Sa 390/08 – Juris; jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
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Im vorliegenden Fall fehlt jegliche konkretisierte Darlegung der angeblich geleisteten Überstunden an einzelnen Arbeitstagen. Das Arbeitsgericht hat der Beklagten bereits im Gütetermin vom 26.11.2009 aufgegeben, die angeblichen Überstunden im Einzelnen darzulegen. Die pauschale Darstellung der Beklagten vom 30.11.2009 über den Ablauf einer beliebigen Arbeitswoche genügt nicht. Sie hat weder die einzelnen Arbeitstage noch die Anfangs- und Endzeiten für jeden Arbeitstag angegeben, ganz abgesehen davon hat sie auch nicht angegeben, inwieweit in die behaupteten Arbeitszeiten Pausen eingeflossen sind. Die Darstellung enthält nur pauschale Angaben, welche die konkrete Arbeitstätigkeit an den einzelnen Arbeitstagen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erkennen lassen. Die Vernehmung der benannten Zeugen wäre unzulässige Ausforschung.
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2. Im Übrigen hat die Beklagte auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in ausreichender Weise dargetan. Ihre Erklärung ist in wesentlichen Punkten unvollständig und deshalb nicht ordnungsgemäß. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
13
Die Beklagte bezieht eine gesetzliche Rente der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von € 433,21 monatlich. Außerdem bezieht sie eine Rente der US-amerikanischen gesetzlichen Rentenversicherung (Social Security Administration) in Höhe von $ 827,00 monatlich. Dies entspricht ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge je nach Dollarkurs einem Eurobetrag zwischen € 565,75 (im Oktober 2009) und € 614,21 (im April 2010).
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Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, verfügt die Beklagte ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge über weitere Einkünfte. Diese Einkünfte hat sie im amtlichen Vordruck nicht angegeben. So ist dem vorgelegten Kontoauszug vom 06.10.2009 zu entnehmen, dass die Beklagte einen Scheck über $ 559,90 eingereicht hat, der ihr am 07.10.2009 mit € 368,67 (Vorgang: Auslandsgeschäft) gutgeschrieben worden ist. Dem vorgelegten Kontoauszug vom 08.10.2009 ist zu entnehmen, dass die Beklagte einen Scheck über $ 141,10 eingereicht hat, der ihr am 09.10.2009 mit € 83,11 (Vorgang: Auslandsgeschäft) gutgeschrieben worden ist. Am 17.03.2010 sind ihrem Konto € 89,52 wiederum mit dem Betreff „Auslandsgeschäft“ gutgeschrieben worden.
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Zu diesen Einkünften, die sie im amtlichen Vordruck verschwiegen hat, hat sich die Beklagte auch in der Beschwerde nicht ansatzweise geäußert. Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss vom 09.06.2010 ausdrücklich ausgeführt, dass die Beklagte mit der Vorlage des US-amerikanischen Rentenbescheids die zusätzlichen Dollareinkünfte, die auf ihren Kontoauszügen mit „Auslandsgeschäft“ vermerkt sind, nicht erklären könne.
16
Die Beklagte hat im amtlichen Vordruck unter der Rubrik: „Ist Vermögen vorhanden?“ die Frage „Kraftfahrzeug?“ mit „Nein“ beantwortet. Ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge zahlt sie per Dauerauftrag eine monatliche Garagenmiete von € 10,23 und an die I. Versicherung per Dauerauftrag vierteljährlich € 181,00 Kfz-Versicherungsbeiträge. Die Beklagte besitzt offensichtlich ein Kraftfahrzeug, das sie im amtlichen Vordruck nicht angegeben hat. Sie hat sich auch in der Beschwerde nicht ansatzweise erklärt, obwohl das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss vom 09.06.2010 ausdrücklich ausgeführt hat, dass die Beklagte weiteres Vermögen („siehe die Ausgaben für Garagenmiete“) nicht angegeben hat.
17
Nach alledem hat die Beklagte ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vollständig und damit nicht ordnungsgemäß dargelegt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt auch deshalb nicht in Betracht.
III.
18
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
19
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.