Zur Beweislast für Vorkühlung des Transportguts

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 29.03.2000 – 7 U 206/98

Zur Beweislast für Vorkühlung des Transportguts

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.06.1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 16.971,80 DM.

Tatbestand
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Die Klägerin macht Ansprüche wegen Verderbs einer Ladung Rindfleisch geltend, die die Beklagte im Auftrage der T Im- und Export GmbH, K, von S/Dänemark nach Sch transportiert hat. Die Klägerin, die aus abgetretenem Recht klagt, beziffert den entstandenen Schaden in Höhe von 16.971,80 DM.

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Die Klägerin hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.971,80 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 22.08.1996 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Landgericht hat durch Urteil vom 24.06.1998 die Klage abgewiesen mit der Begründung, Ansprüche der Klägerin gemäß § 17 Abs. 1 CMR in Verbindung mit § 398 BGB könnten nicht erkannt werden, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß das Transportgut erst nach der Übernahme durch die Beklagte zu Schaden gekommen ist.

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Gegen dieses Urteil, das ihr am 01.07.1998 zugestellt wurde, hat die Klägerin am Montag, den 03.08.1998 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.10.1998 am 01.10.1998 begründet hat.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.06.1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.971,80 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 22.08.1996 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Auf die weitere Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

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Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR in Verbindung mit § 398 BGB können nicht erkannt werden. Die Haftung des Frachtführers nach Art. 17 Abs. 1 CMR setzt voraus, daß die Schadensursache erst nach der Übernahme des Frachtgutes durch den Frachtführer gesetzt worden ist, nicht aber bereits zuvor gegeben gewesen ist (BGH NJW 1979, 2471, 2472; OLG Hamm, Transportrecht 1990, 375, 376; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 17 CMR, Rn. 11). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, daß dies für das von der Beklagten übernommene Frachtgut der Fall gewesen ist.

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Der Zeuge B hat bei seiner Vernehmung durch den erkennenden Senat keine konkreten Angaben zum Zustand des Fleisches bei der Übergabe durch die T Im- und Export GmbH an die Beklagte machen können, da er nach seiner Aussage jener nicht persönlich beigewohnt hat. Er hat — neben der Schilderung der allgemeinen handelsüblichen Vorgehensweise — lediglich den Inhalt der über den streitgegenständlichen Transport vorliegenden Frachtpapiere wiedergeben können. Letztere sind jedoch ebenfalls nicht geeignet, einen ausreichenden Beweis dafür zu erbringen, daß im konkreten Falle das Frachtgut der Beklagten als Frachtführerin in ordnungsgemäßem Zustande, insbesondere ausreichend vorgekühlt, übergeben worden ist. Den Papieren läßt sich, soweit sie dem erkennenden Senat durch die Parteien vorgelegt worden sind, solches nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.

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Aus dem als Anlage K 2 zur Klageschrift vom 01.10.1997 vorgelegten CMR-Frachtbrief vom 16.08.1996, Bl. 6 d. A., läßt sich nicht ersehen, in welchem Zustand sich das von der Beklagten transportierte Fleisch bei der Übernahme an die Beklagte befunden hat. Es ist bereits als Ort der Übernahme des Gutes ein anderer Ort genannt als derjenige, an dem die Beklagte das Transportgut tatsächlich übernommen hat. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Übergabe des streitgegenständlichen Fleisches gemäß dem von der T Im- und Export GmbH erteilten Transportauftrag am Sitz der fleischverarbeitenden Betriebe in S/Dänemark vorgesehen war und durchgeführt worden ist; den diesbezüglichen Sachvortrag der Klägerin — zuletzt — im Schriftsatz vom 22.03.1999 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.05.1999 ausdrücklich zugestanden. Der Frachtbrief vom 16.08.1996 nennt als Übernahmeort jedoch nicht S, sondern P/Dänemark, wohin das Frachtgut durch die Beklagte von S aus zunächst verbracht worden ist. Die Ortsbezeichnung „S“ ist im weiteren Text des Frachtbriefes lediglich unter Ziff. 6 aufgeführt als Kennzeichnungsmerkmal des Frachtgutes, so daß sich die Aussagekraft des Frachtbriefes allenfalls auf den Zustand der Ware in P nicht aber auf die Gegebenheiten in S beziehen kann. Soweit die Klägerin demgegenüber in der Berufungsbegründung vom 01.10.1998 vorträgt, aus dem CMR-Frachtbrief ergebe sich die Übernahme der Fleischsendung in ordnungsgemäßem Zustand, kann dem nicht gefolgt werden, da die Klägerin sich — ausdrücklich — auf den als Anlage K 2 zur Klageschrift vorgelegten Frachtbrief vom 16.08.1996 bezieht, dem solches nach Vorstehendem eben nicht entnommen werden kann. Soweit die Klägerin als Anlage K 13 zum Schriftsatz vom 22.03.1999, Bl. 207 d. A., einen weiteren CMR-Frachtbrief vom 15.08.1996 vorgelegt hat, gilt für diesen Entsprechendes, wobei dahinstehen kann, ob aus den auf der Ablichtung des Frachtbriefes erkennbaren Durchstreichungen zu schließen ist, daß es auf der Grundlage dieses Frachtbriefes zu einem CMR-Transport gar nicht gekommen ist; auch in diesem Frachtbrief wird nicht S, sondern P als Ort der Übernahme der Ware und der Ausstellung des Frachtbriefes genannt, so daß auch dieser Frachtbrief zum Beweise des Zustandes der Ware in S nicht geeignet ist. Den von der Klägerin als Anlagen K 10 und K 11 zur Berufungsbegründung vom 01.10.1998 vorgelegten, mit Stempeln des dänischen Veterinäramtes versehenen Exportbescheinigungen, Bl. 117, 118 d. A., kann hierzu ebenfalls nichts entnommen werden. Soweit die Klägerin vorträgt, dort sei bestätigt worden, daß das Fleisch die zulässige Transporttemperatur gehabt und sich in ordnungsgemäßem Zustand als Frischfleisch befunden habe, spiegelt sich dieses in den vorgelegten Bescheinigungen nicht wider. Die Transportbescheinigungen enthalten zum Zustand der Ware keinerlei Angaben, denen solches entnommen werden könnte. Entsprechendes gilt für die auf den Bescheinigungen befindlichen Stempelungen, die dort lediglich als solche aufgebracht sind, ohne daß aufgeführt ist, zu welchem Zwecke dies geschehen ist.

17
Soweit über die von der Klägerin vorgelegten Frachtpapiere hinaus die Beklagte ihrerseits Kühlprotokolle vorgelegt hat, kann diesen ebenfalls nicht entnommen werden, in welchem Zustand sich die Ware bei der Übergabe an die Beklagte in S befunden hat, da die Protokolle sich, wie die Beklagte in den Schriftsätzen vom 03.05.1999 und 09.08.1999 ausführt, auf den Transport des Frachtgutes durch die Beklagte, also auf die Zeit nach der Übernahme der Ware in S, beziehen.

18
Die Beweisfälligkeit geht zu Lasten der Klägerin, da sie als diejenige, die Ansprüche aus Art. 17 Abs. 1 CMR geltend macht, insoweit die Beweislast trägt. Aus Art. 18 Abs. 1 CMR folgt im Umkehrschluß, daß regelmäßig der geschädigte Anspruchsteller zu beweisen hat, daß die Schadensursache erst nach der Übernahme des Transportgutes durch den Frachtführer eingetreten ist, wie es Voraussetzung der Haftung gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR ist (BGH, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; Koller, a.a.O., Art. 17 CMR, Rn. 11). Dies gilt auch, soweit zwischen den Parteien streitig ist, ob die Ware vor der Übergabe an die Beklagte ausreichend vorgekühlt gewesen ist. Auch die ordnungsgemäße Vorkühlung hat grundsätzlich der Geschädigte als derjenige, der die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen trägt, zu beweisen (OLG Hamm, a.a.O.; Thume, Kommentar zur CMR, Art. 18, Rn. 77). Der Gegenansicht, die den Schädiger als für das Vorliegen einer unzureichenden Vorkühlung beweispflichtig ansieht (OLG Schleswig, VersR 1979, 141, 142; Koller, a.a.O., Art. 17, Rn. 33 und Art. 18, Rn. 6), ist nicht zu folgen. Sie verkennt, daß, ist der Transport gekühlten Gutes vorgesehen, sich das Frachtgut bei der Übergabe an den Frachtführer nur dann in ordnungsgemäßem Zustand befindet, wenn es bereits zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß vorgekühlt ist; insoweit ist — zunächst — allein das Vorliegen der die Haftung gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR begründenden Umstände betroffen, nicht aber eine etwaige Haftungsbefreiung gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR (OLG Hamm, a.a.O.), wie sie die zitierte Gegenansicht zur Begründung anführt. Aus demselben Grunde läßt sich auch aus Art. 17 Abs. 4 Ziff. d CMR eine Beweiserleichterung nicht herleiten, auch wenn Art. 18 Abs. 4 CMR den Beweis der einen Fall des Art. 17 Abs. 4 Ziff. d CMR begründenden tatsächlichen Umstände dem Frachtführer auferlegt. Dabei kann dahinstehen, ob der Verderb von Frischfleisch nach unzureichender Vorkühlung einen aufgrund der natürlichen Beschaffenheit des Gutes eingetretenen Schaden im Sinne des Art. 17 Abs. 4 Ziff. d CMR darstellt (so Thume, a.a.O., Art. 17, Rn. 193); auch Art. 17 Abs. 4 CMR, der — ebenso wie Art. 17 Abs. 2 CMR — eine ausnahmsweise Befreiung des Frachtführers von der Haftung gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR vorsieht, kann erst zum Tragen kommen, wenn — positiv — festgestellt ist, daß ein Fall der Haftung gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR grundsätzlich gegeben ist.

19
Zuletzt kann die Beklagte sich auch nicht auf eine ihr günstige Beweiswirkung des Frachtbriefs gemäß Art. 9 Abs. 2 CMR berufen, da, wie ausgeführt, Frachtbriefe zur Übernahme der transportierten Fleischwaren in S nicht vorliegen. Die Vermutung des ordnungsgemäßen Zustandes des Frachtgutes gemäß Art. 9 Abs. 2 CMR setzt aber voraus, daß ein Frachtbrief tatsächlich ausgestellt worden ist (BGH NJW 1979, 2471, 2472). Für die Übernahme des Transportgutes durch die Beklagte in S ergibt sich solches, wie ausgeführt, weder aus den dem erkennenden Senat vorgelegten Frachtbriefen noch aus dem Sachvortrag der Parteien im übrigen.

20
Eine weitere Beweisaufnahme durch den von der Klägerin benannten Zeugen F ist nicht angezeigt gewesen, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.08.1999 den Verzicht auf den Zeugen F erklärt hat.

21
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

22
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

23
Die Festsetzung der Beschwer erfolgt gemäß § 546 Abs. 2 ZPO.

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