Landgericht Wuppertal, Urteil vom 17.03.2016 – 9 S 262/15
Zur Berechtigung der Kündigung eines Dienstvertrages (hier: „Original Easylife Therapie“ zur Gewichtsabnahme)
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 05.11.2015 (Az. 10 C 150/15) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die jeweils andere nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
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Gründe:
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I.
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Der Kläger betreibt das Bergische Therapie- und Projektzentrum in Solingen. Dort bietet er als Franchisenehmer die Durchführung einer „Original Easylife Theraphie“ zur Gewichtsabnahme an. Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Vergütung für eine mit Vertrag vom 16.04.2014 (Bl. 22 d.A.) vereinbarte Durchführung einer solchen „Original Easylife Theraphie“. Dabei war eine Therapiedauer von 28 Tagen und eine Vergütung von 1.290 € vereinbart worden. Die Therapie sieht neben einer Ernährungsumstellung vor, dass täglich eine Spritze mit homöopathischen Mitteln subkutan (unter die Haut) verabreicht wird.
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Als Therapiebeginn war der 16.04.2014 vereinbart worden. Am 28.04.2014 überreichte die Beklagte ein ärztliches Attest, aus dem hervorgeht, dass aus medizinischen Gründen eine wesentliche Gewichtsreduktion durch ein spezielles Diätverfahren derzeit nicht zu empfehlen sei. Ferner bat sie um die Aufhebung des Vertrages.
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Wegen der Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht der auf Zahlung von 1.290,00 € nebst Zinsen sowie auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren von 207,71 € gerichteten Klage nur i.H.v. 598,91 € nebst Zinsen sowie bezüglich vorgerichtlicher Kosten i.H.v. 143,76 € stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte (nur) einen Anspruch auf Zahlung einer Teilvergütung gemäß § 628 BGB habe. Die Beklagte habe das Dienstverhältnis durch die Übersendung des ärztlichen Attestes und die Bitte um Aufhebung des Vertrages am 28.04.2014 wirksam gekündigt. Es sei hinreichend erkennbar gewesen, dass sie sich vom Vertrag habe lösen wollen. Die Beklagte sei zur Kündigung auch berechtigt gewesen, da es sich um ein Dienstverhältnis höherer Art nach § 627 BGB gehandelt habe. Denn die Therapie gestalte sich nicht derart, dass dem Teilnehmer schlicht Ernährungspläne übergeben und das Gewicht kontrolliert würde. Vielmehr würde damit geworben, dass die Therapie unter ärztlicher Begleitung stattfinde und der Teilnehmer zudem von Ernährungsberatern unterstützt werde. Überdies werde mit der Zusammenstellung individueller Ernährungspläne geworben. Dadurch solle dem Teilnehmer eine engmaschige und individuelle Betreuung zuteilwerden, wodurch dem Kläger eine herausgehobene Vertrauensstellung zukomme. Die dem Kläger zustehende Vergütung ergebe sich aus einer Berechnung pro rata temporis.
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Gegen die teilweise Klageabweisung richtet sich die Berufung des Klägers, der die Zahlung der weiteren vereinbarten Vergütung begehrt. Die Beklagte habe das Dienstverhältnis nicht durch Übersendung des ärztlichen Attestes mit der Bitte um Aufhebung des Vertrages am 28.04.2014 wirksam beendet. Sie habe zunächst um Aufhebung des Vertrages und Übertragung des Vertrages auf ihre Tochter gebeten und das ärztliche Attest zu den Akten gereicht, um sodann erneut um Aufhebung der Vereinbarung zu bitten. Vernünftigerweise könne eine solche Erklärung nicht als eine fristlose Kündigung eines Dienstvertrages angesehen werden. Bei der „Original Easylife Theraphie“ handele es sich auch nicht um eine Dienstleistung höherer Art. Bundesweit würden Therapieteilnehmer versuchen, unter Hinweis auf die Entscheidung des Landgerichts Wuppertal, 9 S 21/13, auf die sich auch das Amtsgericht bezogen hat, das Recht einer außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses zu konstruieren. Unisono würden jedoch sowohl andere Amts- als auch Landgerichte darauf hinweisen, dass die Entscheidung des Landgerichts Wuppertal wenig brauchbar sei. Eine substantiierte und nachvollziehbare Begründung, weshalb vorliegend von Diensten höherer Art ausgegangen werden müsste, fehle. Überdies habe das Amtsgericht übersehen, dass es in der zitierten Entscheidung des Landgerichts Wuppertal darum gegangen sei, dass dem dortigen Beklagten unter ärztlicher Aufsicht Infusionen durch Krankenschwestern verabreicht worden seien. Diese Handlungsweise kenne die hier in Rede stehende „Original Easylife Theraphie“ nicht. Die Therapie erfolge nicht unter ärztlicher Aufsicht sondern im Rahmen ärztlicher Begleitung. Der im Therapiezentrum tätiger Arzt berate ausschließlich das Therapiezentrum und betreue nicht kurativ die Therapieteilnehmer. Die Behandlung und ärztliche Beratung der Therapieteilnehmer erfolge ausschließlich durch die sie betreuenden Hausärzte, Internisten pp. Die homöopathischen Mittel würden zwar ausschließlich subkutan verabreicht, es sei aber auch eine orale Einnahme möglich. Jedermann könne subkutan Spritzen setzen. Eine besondere Qualifikation sei hierfür nicht erforderlich. Der Kläger beschäftige daher keine Krankenschwestern, sondern ausschließlich Ernährungsberater(innen), die auch über eine abgeschlossene Ausbildung als Arzthelfer(innen) verfügten. Der Schwerpunkt der Therapie liege nicht auf den Beratungsleistungen des Klägers, sondern in den Mitwirkungshandlungen der Therapieteilnehmer.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Solingen, Aktenzeichen: 10 C 150/15, vom 05.11.2015, zugestellt am 12.11.2015, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 631,09 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2014 sowie weitere vorgerichtliche nicht streitwerterhöhende Kosten i.H.v. 663,95 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auf Aufforderung der Kammer hat der Kläger die bei Vertragsabschluss überlassenen Unterlagen in Form eines Ringbuches übergeben. Ferner hat er die ihm bekannten Entscheidungen zum selben Thema eingereicht.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht ist zu Recht von einer wirksamen Kündigung zum 28.04.2014 ausgegangen.
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Zu Recht ist das Amtsgericht zunächst von einer Kündigungserklärung seitens der Beklagten ausgegangen. Nachdem diese schon zuvor um eine Aufhebung des Vertrages gebeten hatte, konnte die Übergabe des Attestes am 28.04.2014 nicht anders verstanden werden, als Ausdruck des Willens, das Vertragsverhältnis sofort zu beenden. Nach eigenem Vortrag des Klägers (zuletzt im Schriftsatz vom 10.03.2016, Bl. 211 d.A.) hat die Beklagte das Attest und die von ihr unterzeichnete Vereinbarung vom 16.04.2014 dem Kläger vorgelegt mit dem handschriftlichen Vermerk auf der Vereinbarung oben links: „Bitte um Aufhebung. Attest anbei.“ Aus Sicht der Beklagten war eine Fortsetzung der Therapie aus gesundheitlichen Gründen unmöglich. Dies mitzuteilen, war Sinn der Übergabe des Attests an den Kläger. Einen anderen Erklärungsinhalt konnte die Übergabe des Attests nicht haben. Zusammen mit dem bereits zuvor bekannten Wunsch der Beklagten, das Vertragsverhältnis aufzulösen, konnte die Übergabe des Attests daher nur so verstanden werden, dass die Beklagte das Vertragsverhältnis (sofort) beenden wollte. Eine Übertragung des Vertrages auf die Tochter wurde nach dem Vortrag des Klägers zu diesem Zeitpunkt nicht mehr thematisiert (Bl. 4 d.A.). Zudem kam auch diese nicht mehr in Betracht, da auch die Tochter unter dem 29.04.2014 ein inhaltsgleiches Attest eingereicht hatte (Bl. 5 d.A.).
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Die Beklagte war zur Kündigung auch ohne die in § 626 BGB bezeichnete Voraussetzung berechtigt, da der Kläger Dienste höherer Art zu leisten hatte, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen (§ 627 Abs. 1 BGB).
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Es ist zwar zutreffend, dass der vorliegende Fall nicht vollumfänglich mit der Fallkonstellation vergleichbar ist, zu welcher die Kammer bereits mit Urteil vom 05.12.2013, 9 S 21/13 (abrufbar unter www.nrwe.de), eine entsprechende Entscheidung gefällt hat. Denn dieser früheren Entscheidung lag zu Grunde, dass unter ärztlicher Aufsicht Infusionen von Krankenschwestern verabreicht werden sollten. Dies ist vorliegend unstreitig nicht der Fall. Dennoch sind ist die vorliegende Form der „Original Easylife Theraphie“ als Dienstleistung höherer Art anzusehen:
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Dienste höherer Art sind solche, die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität voraussetzen und aufgrund dessen eine herausgehobene Stellung verleihen. Der Gesetzgeber wollte vorwiegend solche Tätigkeiten erfassen, die einer akademischen Ausbildung bedürfen und sich durch ein besonders qualifiziertes Berufsbild auszeichnen. Dazu treten qualifizierte Tätigkeiten, die den persönlichen Lebensbereich betreffen (vgl. Reuter in: Staudinger, BGB, Neubeararb. 2012, § 627, Rn. 18; Henssler in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 627, Rn. 21; BGH, NJW 2010, 150). Dies gilt auch, wenn das Geschäft als juristische Person betrieben wird (s.u.).
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Für die Beurteilung maßgeblich ist der Geschäftsinhalt des Vertrages. Dieser kann sich sowohl aus den Vereinbarungen der Beteiligten als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Hinsichtlich der Vereinbarungen zwischen den Parteien muss sich der Kläger auch an seiner Werbung für die „Original Easylive Therapie“ und den überreichten Unterlagen festhalten lassen, da die dortigen Beschreibungen der Therapie aus Sicht des Kunden den Vertragsinhalt konkretisieren. Soweit die praktische Durchführung des Vertrages von der versprochenen abweicht und man für die Beurteilung, ob Dienste höherer Art vorliegen, allein auf Letztere abstellen würde, so würde ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB ggf. entfallen, dann aber ein Kündigungsrecht nach § 626 BGB begründen (vgl. Henssler, aaO, Rn. 24).
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Nach diesen Maßgaben erbringt der Kläger vorliegend eine als Dienstleistung höherer Art zu qualifizierende Tätigkeit, die den persönlichen Lebensbereich des Kunden betrifft:
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Dass eine (besonders) qualifizierte Tätigkeit erbracht wird, und nicht nur eine einfache ernährungswissenschaftliche Beratung, ergibt sich zunächst aus dem Umstand, dass nach der Vereinbarung und dem Vortrag des Klägers eine „Therapie“ erfolgt. Dies steht nach dem (altgriechischen) Wortsinn für eine Tätigkeit im Bereich Dienst, Pflege oder Heilung. Eine Therapie ist folglich mehr als eine bloße Beratung und setzt eine besondere Qualifikation voraus. Zu Recht hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass dem Teilnehmer hier eine besonders engmaschige und individuelle Betreuung zuteilwerden soll. Dies ergibt sich u.a. aus der vom Kläger überreichten Einführungsbroschüre (als Bestandteil der dem Teilnehmer übergebenen Unterlagen), in der es auf Seite 4 heißt:
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„Individuelle Beratung ist nicht nur irgendein netter Zug von easylive, sondern gehört wesentlich zur Therapie. Mit unserem Team an ihrer Seite entdecken Sie ihre optimale Ernährungsart, behalten ihre Ziele exakt im Blick und nähern sich ihnen Schritt für Schritt ohne Selbstkasteiung. (…) Auf dieser Grundlage stehen Ihnen unsere Experten täglich mit Rat und Tat zur Seite und lassen keine Fragen offen.“
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Dass eine qualifizierte, therapeutische Maßnahme angeboten wird, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Beklagte zwei Fragebögen (Bl. 24, 72 d.A.) ausgefüllt hat, von denen sich einer detailliert mit bestehenden Vorerkrankungen auseinandersetzt. Der Teilnehmer hat eine Liste der von ihm eingenommenen Medikamente anzufertigen. Die „stoffwechsel-optimierte Ernährung“ soll individuell auf den jeweiligen Teilnehmer zugeschnitten sein. Zu Beginn der Behandlung wurde bei der Beklagten ein Messprotokoll angefertigt (Bl. 73 d.A.), welches sich u.a. zu ihrem Gewicht, der Fett-, Muskel- und Knochenmasse sowie dem „Level Viszerales Fett“ verhält. Kommt es, wie bei der Beklagten, zu gesundheitlichen Problemen, so wird den Teilnehmern Blut abgenommen und ein Zuckertest gemacht (vgl. die Angaben des Klägers in der informatorischen Anhörung vom 08.07.2015, Bl. 54R d.A.).
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Ferner stellt ein zentrales Element der Therapie die Verabreichung einer homöopathischen Spritze dar. Der Umstand, dass dieses homöopathische Mittel auch oral eingenommen werden könnte (vgl. die Berufungsbegründung), aber gerade subkutan verabreicht wird, stellt ein weiteres Element dar, das auf eine qualifizierte Tätigkeit schließen lässt, die ein besonderes Maß an Fachkenntnissen und Fertigkeiten erfordert.
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Es mag zwar sein, dass jeder einzelne der vorgenannten Tätigkeiten keine Dienstleistung höherer Art darstellt. Ihre Zusammenstellung in Form einer Therapie soll jedoch gerade den Eindruck erwecken, dass hier eine besonders hochwertige qualifizierte und individuelle Betreuung erfolgt.
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Hinzukommt, dass ein wesentliches Element der Therapie, jedenfalls nach dem in der Werbung vermittelten Eindruck, eine ärztliche Begleitung ist. In der genannten Einführungsbroschüre ist auf Seite 5 großformatig ein Arzt abgebildet, ohne dass dessen Tätigkeit näher beschrieben (oder sein Erscheinen in der Broschüre überhaupt begründet) wird. Allein dies erweckt den Eindruck einer – denklogisch individuellen – ärztlichen Betreuung. Die Werbung des Klägers in Tageszeitungen weist darüber hinaus u.a. eine Art Gütesiegel mit dem Inhalt „Gesund abnehmen mit ärztlicher Begleitung“ auf (vgl. Bl. 52 d.A.). Gegenstand der Werbung ist auch ein Interview mit dem „easylive-Arzt“ Dr. E. Dieser erklärt dort in einem Interview:
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„Meine Aufgabe hier besteht darin, des (sic) easylife-Teilnehmern mit sachdienlichen Hinweisen bei der Durchführung der Therapie zur Seite zu stehen (…). Für alle medizinischen Fragen rund um das Abnehmen stehe ich als Ansprechpartner den Teilnehmern – aber auch deren Hausärzten – zu (sic) Verfügung.“
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Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 15.10.2015 (Bl. 132 d.A.), wonach der Arzt nicht kurativ die Therapieteilnehmer betreue und Aufgabe des Arztes in allererster Linie sei, das Therapiezentrum zu beraten, entspricht daher jedenfalls nicht dem durch die Werbung vermittelten Eindruck. An diesem muss sich der Kläger jedoch festhalten lassen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass entscheidend für die Beurteilung, ob eine Dienstleistung höherer Art vorliegt, die tatsächliche (und nicht die versprochene) Ausführung der Dienste ist, so würde dies ein Kündigungsrecht zwar nicht nach § 627 BGB, dann aber nach § 626 BGB begründen (s.o.).
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Soweit bei der Beurteilung der Dienstleistung ergänzend auch die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen ist (Henssler, aaO, Rn. 24), wurde vorliegend für die Dauer von 28 Tagen eine Vergütung von 1.290 € vereinbart, was einer Vergütung von ca. 46 € pro Tag/Therapiesitzung entspricht. Diese nicht unerhebliche Vergütung spricht jedenfalls nicht gegen eine Dienstleistung höherer Art. Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausgeführt hat, dass sich die vereinbarte Vergütung auf die Gesamttherapie, welche ein Jahr andauere, beziehe, so ist dies ersichtlich unzutreffend und nicht mit der vorgelegten Vereinbarung in Einklang zu bringen. Hier ist ausdrücklich eine Dauer von 28 Tagen vereinbart und ein Therapieende am 19.05.2014, also am 28. Werktag (Montag bis Samstag) nach Therapiebeginn. Dass sich danach noch eine neunmonatige kostenlose Therapiedauer anschließen solle, ergibt sich aus der Vereinbarung nicht.
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Die (qualifizierte) Tätigkeit des Klägers betrifft auch den persönlichen Lebensbereich der Teilnehmer. Wie bei einer Partnerschaftsvermittlung berührt das vorliegende Vertragsverhältnis (durch die Verabreichung von Spritzen und das detaillierte Eingehen auf Gesundheits- und Gewichtsprobleme) in besonderem Maße die Privat- und Intimsphäre des Kunden (vgl. BGH, aaO). Dabei erachtet die Kammer den persönlichen Einschlag der Therapie sogar noch als höher als bei einer Partnerschaftsvermittlung, da Gegenstand der vorliegenden Therapie die ganz persönlichen Gewichts-und Gesundheitsprobleme des Kunden sind, über die zu sprechen in der Regel eine große Hemmschwelle besteht.
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Es liegen auch Dienste vor, die im Allgemeinen auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Eine Übertragung auf Grund besonderen Vertrauens kommt immer dann in Betracht, wenn die Dienstleistung den persönlichen Lebens- oder Geschäftsbereich betrifft und daher in besonderem Maße Diskretion erfordert (BGH, NJW 2011, 3575). Dies ist aus den vorgenannten Gründen der Fall, ohne dass ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Person bestehen müsste. Allein der Umstand, dass der Dienstberechtigte ein Vertragsverhältnis nicht mit einer Einzelperson, sondern mit einer Gesellschaft begründet, führt nicht zur Unanwendbarkeit des § 627 BGB. Für den Bereich der Partnerschaftsvermittlungsvertrag hat der BGH (aaO) ausgeführt, dass es unerheblich ist, ob der Vermittler sein Geschäft als GmbH und damit als juristische Person betreibt. Mithin ist es auch unerheblich, wenn der Kunde von verschiedenen Beratern, die er bei Vertragsschluss möglicherweise noch nicht einmal kennt, betreut wird. So unterfällt nach der Rechtsprechung des BGH der Vertrag mit einem Pflegeinstitut über häusliche Krankenpflege sogar dann dem § 627 BGB, wenn der Pflegebedürftige keinen Einfluss darauf hat, welcher Mitarbeiter des Pflegedienstes ihn zu unterstützen hat (NJW 2011, 2955).
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Soweit die Berufungsbegründung sinngemäß darauf abstellt, andere Amts- und Landgerichte würden „unisono“ eine andere Meinung als die Kammer vertreten und die vorliegende Therapie nicht als Dienstleistung höherer Art ansehen, so lässt sich (auch) dies objektiv nicht nachvollziehen. Veröffentlicht ist in diesem Zusammenhang – neben der genannten Entscheidung der Kammer – lediglich eine Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund (Urteil vom 15.12.2015, 425 C 7731/15, juris), welche bei einer easylive-Therapie ebenfalls eine Dienstleistung höherer Art nach § 627 BGB annimmt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat auf Bitte der Kammer sodann weitere Entscheidungen vorgelegt. Danach sprechen sich das Amtsgericht Leverkusen (25 C 276/14, doppelt vorgelegt), das Amtsgericht Rheinbach (10 C 73/15) und das Amtsgericht Solingen (14 C 82/14) gegen eine Anwendbarkeit des § 627 BGB aus, während das Amtsgericht Velbert (13 C 63/15) sich für eine Anwendbarkeit des § 627 BGB ausspricht. Die weiter vorgelegten Entscheidungen des Amtsgerichts Dresden (103 C 3904/15) und des Amtsgerichts Dachau (3 C 542/15) beschäftigen sich mit der Frage der Dienstleistung höherer Art nicht. Dass sich eine „herrschende Meinung“ herausgebildet hätte, welche der Ansicht der Kammer widerspricht, ist insoweit schon nicht nachvollziehbar. Die angekündigten landgerichtlichen Entscheidungen liegen weiterhin nicht vor. Schließlich überzeugen die Ausführungen der Amtsgerichte Leverkusen, Rheinbach und Solingen nicht. Soweit das Amtsgericht Leverkusen darauf abstellt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Therapie nicht um eine heilberufliche Tätigkeit handele, so ist festzustellen, dass es auch außerhalb der Heilberufe noch andere Dienstleistungen höherer Art gibt. Soweit das Amtsgericht Solingen und das Amtsgericht Rheinbach darauf abstellen, dass eine persönliche Beziehung zwischen Dienstleister und Kunden vorliegen müsse, wobei das Amtsgericht Rheinbach sogar voraussetzt, dass eine ausschließliche persönliche Beratung durch einen bestimmten Berater vereinbart worden sein muss, so ist dies aus den vorgenannten Gründen nicht zutreffend.
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Geht man demnach von einem (jederzeitigen) Kündigungsrecht der Therapieteilnehmer aus, so ist die Berechnung der dem Kläger zustehenden Vergütung („pro rata temporis“) nicht von der Berufung angegriffen worden.
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III.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Soweit in dem am Ende der Kammersitzung verkündeten Urteilstenor der Ausspruch zur Abwendungsbefugnis fehlte, war dies nach § 319 ZPO hiermit nachzuholen.
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Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Frage, ob eine „Original Easylife Theraphie“ (oder eine vergleichbare Form der Gewichtsabnahmetherapie) eine Dienstleistung höherer Art darstellt, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.