Zur Bedeutung von Kindesbelangen bei einer Zuweisungsentscheidung hinsichtlich der Ehewohnung

OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.07.2010 – 10 WF 99/10

Zur Bedeutung von Kindesbelangen bei einer Zuweisungsentscheidung hinsichtlich der Ehewohnung

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise berichtigt, teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.

Die Wohnung …weg 23 in E… wird der Antragstellerin vorläufig zur alleinigen Benutzung überlassen.

Der Antragsgegner hat die Wohnung bis zum 15. August 2010 zu räumen.

Dem Antragsgegner wird das Betreten der Wohnung und des dazugehörigen Hausgrundstücks gegen den Willen der Antragstellerin untersagt.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 € festgesetzt.

Gründe
I.

1
Die Beteiligten streiten um die Zuweisung der Ehewohnung während des Getrenntlebens im Verfahren der einstweiligen Anordnung.

2
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 5.7.1980 geheiratet. Aus der Ehe sind die inzwischen volljährigen Kinder J…, geboren am ….4.80, und Je…, geboren am ….11.1984, sowie das noch minderjährige Kind Jo…, geboren am ….9.2000, hervorgegangen.

3
Die Antragstellerin ist als Lehrerin im Oberstufenzentrum tätig. Sie musste sich in den Jahren 2004 und 2005 jeweils einer Darmoperation unterziehen.

4
Der Antragsgegner ist von Beruf Maurer. Er ist hörgeschädigt und hat einen Grad der Behinderung von 50. Wegen einer Hauterkrankung (Schuppenflechte) spritzt er sich selbst regelmäßig ein Medikament.

5
Die beteiligten Ehegatten lebten gemeinsam in einem Einfamilienhaus nebst Hausgrundstück im …weg 23 in E…. Sie sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks.

6
Die Antragstellerin ist ferner Eigentümerin des Grundstücks …weg 15 c in E…. Dieses wurde ihr im Jahr 1995 von ihren Eltern übertragen, wobei als Gegenleistung ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht der Eltern im gesamten Haus sowie die Nutzung aller Einrichtungen des Hauses und des Grundstücks vereinbart wurde. Der Vater der Antragstellerin ist inzwischen verstorben. Die Mutter der Antragstellerin lebt auf dem Grundstück …weg 15 c.

7
Die Antragstellerin hat unter dem 6.1.2010 beantragt, ihr nach § 2 GewSchG die Ehewohnung im Wege der einstweiligen Anordnung allein zuzuweisen (Verfahren 7 F 2/10). Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, der Antragsgegner betreibe Psychoterror und beschimpfe sie. Auch habe er das Fernsehkabel im Keller durchtrennt, um sie an der Benutzung des Fernsehgerätes zu hindern. Zudem habe er am 31.12.2009 die Tür eingetreten und mit Teilen der Türfassung, mit einem Bügeleisen und anderen Gegenständen nach ihr geworfen. Sie habe Verletzungen unter dem linken Auge erlitten, geblutet und Prellungen davon getragen. Sie halte sich mit der Tochter Jo… seit dem 1.1.2010 vorübergehend in einem möblierten Zimmer der Wohnung ihrer Mutter im …weg 15 c auf. Dies sei nur ein provisorischer Zustand, da sie sich nicht ausreichend auf ihre Berufstätigkeit vorbereiten könne.

8
Der Antragsgegner ist dem Begehren entgegen getreten. Er hat geltend gemacht, er habe das gemeinsame Haus 1990 bis auf solche Gewerke, die er nicht fachkundig beherrsche, selbst errichtet. Er könne sich daher gar nicht vorstellen, das Haus jemals zu verlassen. Er selbst wolle die Trennung von der Antragstellerin nicht. Der bestehende Partnerschaftskonflikt könne durch Eheberatung und Eigenbemühungen bewältigt werden.

9
Die von der Antragstellerin behaupteten Vorkommnisse hat der Antragsgegner im Wesentlichen bestritten, allerdings eingeräumt, mit irgendwelchen Gegenständen, nach denen er gegriffen habe, als es dunkel gewesen sei, nach der Antragstellerin geworfen zu haben, aber nicht gezielt.

10
Das Verfahren 7 F 2/10 hat seinen Abschluss zunächst gefunden durch Beschluss des Amtsgerichts vom 15.3.2010, durch den dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt worden ist, die Antragstellerin zu beleidigen, zu bedrohen und tätlich anzugreifen, wobei diese Unterlassungsanordnung bis zum 11.6.2010 gelten sollte. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin ist abgewiesen worden. Zur Begründung der Abweisung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass keine weiteren Verletzungen, Drohungen, Beleidigungen durch den Antragsgegner zu besorgen seien und die lange Ehezeit, das hälftige Miteigentum am Grundstück sowie das noch im Haushalt lebende minderjährige Kind bei der Entscheidung zu berücksichtigen seien.

11
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.3.2010 hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, jedoch unter dem 22.4.2010 die Erledigung des Beschwerdeantrages unter Hinweis auf das inzwischen anhängige vorliegende Verfahren erklärt.

12
Mit Schriftsatz vom 8.3.2010 hat die Antragstellerin das Verfahren 7 F 130/10 eingeleitet und dabei beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, ihr einen Schlüssel zu dem von ihm eingebauten Schloss für die gemeinsame Wohnung herauszugeben, hilfsweise, ihn zu verpflichten, das entfernte frühere Schloss wieder einzusetzen und ihm zu verbieten, sie am Zutritt zur ehelichen Wohnung zu hindern. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

13
Am 12.3.2010 hat das Polizeipräsidium … eine Anordnung gemäß § 16 a Abs. 1 BbgPolG erlassen, wonach gegen den Antragsgegner eine Wohnungsverweisung und ein Rückkehrverbot mit sofortiger Wirkung bis zum 19.3.2010, 24:00 Uhr, ausgesprochen worden ist.

14
Das vorliegende Verfahren hat die Antragstellerin unter dem 16.3.2010 eingeleitet und erneut begehrt, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung die Ehewohnung allein zuzuweisen. Ihren Antrag hat sie diesmal nicht auf § 2 GewSchG, sondern auf § 1361b BGB gestützt. Dabei hat sie einen Vorfall vom 12.3.2010 in den Mittelpunkt ihrer Begründung gestellt, als sie der Antragsgegner zwischen Türpfosten und Tür eingeklemmt habe.

15
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht angeordnet, dass die Wohnung in E…, …weg 23, der Antragstellerin vorläufig zur alleinigen Benutzung überlassen wird, und dem Antragsgegner das Betreten der Wohnung und des dazugehörigen Hausgrundstücks gegen den Willen der Antragstellerin untersagt. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen.

16
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Er trägt vor:

17
Die Entscheidung des Amtsgerichts beruhe auf den falschen Angaben der Antragstellerin. Im Übrigen habe das Amtsgericht eine umfassende Würdigung der Umstände, die die Annahme einer unbilligen Härte rechtfertigen könnten, nicht vorgenommen.

18
Bereits im Vorverfahren 7 F 2/10, in dem die Antragstellerin die alleinige Wohnungsnutzung beantragt habe, habe er mehrfach vorgeschlagen, das Haus während der Trennung aufzuteilen.

19
Von glaubhaft gemachter körperlicher Gewalt seinerseits gegen die Antragstellerin könne nicht ausgegangen werden. Er habe an Eides statt versichert, dass die Vorwürfe der Antragstellerin nicht zuträfen.

20
Bei der Interessenabwägung habe das Amtsgericht seinen Gesundheitszustand nicht berücksichtigt. Er sei schwerbeschädigt. Auch habe das Amtsgericht nicht beachtet, dass die Einkommensverhältnisse beider Beteiligten deutlich voneinander abwichen. Überhaupt nicht in die Entscheidung eingeflossen sei die verbotene Eigenmacht durch die Antragstellerin.

21
Eine Gefährdung des Wohls des gemeinsamen Kindes gehe primär von der Antragstellerin aus, indem diese das Kind aktiv in die Auseinandersetzung mit einbeziehe.

22
Der Antragsgegner beantragt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung des Antrages auf Wohnungszuweisung.

23
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

24
Sie trägt vor:

25
Der angefochtene Beschluss sei schon im Interesse des Kindes Jo… aufrechtzuerhalten. Eine Aufteilung der Wohnung scheide aus, da bereits bei der gegenwärtig praktizierten Aufteilung, bei der sich der Antragsgegner im Kellergeschoss aufhalte, die bestehenden Konflikte so ausgetragen würden, dass Jo… in Mitleidenschaft gezogen werde.

26
Der Antragsgegner betreibe Telefonterror und habe ihr schon mehrfach das Wasser abgestellt. Dabei sei sie infolge einer Darminkontinenz nach schwerer Darmoperation dringend auf Zugang zu einer funktionierenden Toilette angewiesen.

27
Wegen des weiteren Vorbringens der beteiligten Ehegatten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

28
Das vom Senat nach § 205 Abs. 1 FamFG angehörte Jugendamt hat sich schriftlich geäußert. Insoweit wird auf die Stellungnahme vom 16.6.2010 verwiesen.

29
Der Senat hat die Beteiligten angehört. Insoweit wird auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 13.7.2010 Bezug genommen.

II.

30
Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 57 S. 2 Nr. 5, 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist überwiegend unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht die Ehewohnung im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragstellerin allein zugewiesen und gegen den Antragsgegner ein Betretungsverbot ausgesprochen. Allerdings ist dem Antragsgegner eine Räumungsfrist zuzubilligen.

1.

31
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Ein Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, § 49 Abs. 1 FamFG, ist gegeben. Es besteht eine Situation, die das Wohnen der Beteiligten in derselben Wohnung so unerträglich erscheinen lässt, dass ein Abwarten des Abschlusses des Hauptsacheverfahrens, das die Antragstellerin immerhin schon unter dem 16.3.2010 eingeleitet hat, ohne dass das Amtsgericht das Hauptverfahren, so die Antragstellerin, entscheidend gefördert hätte, nicht zumutbar ist.

32
Ungeachtet der teilweise einander widersprechenden Angaben der Beteiligten steht fest, dass es zwischen ihnen Auseinandersetzungen gegeben hat, die über das hinausgehen, was zwischen Ehegatten, die sich getrennt haben, häufig stattfindet.

33
So hat der Antragsgegner im Verfahren 7 F 2/10 in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20.1.2010 eingeräumt, mit einem Gegenstand nach der Antragstellerin geworfen zu haben. Dass er dabei bestritten hat, gezielt geworfen zu haben, macht die Situation nicht besser, zumal er selbst angegeben hat, es sei dunkel gewesen und er habe nach etwas gegriffen. Vor diesem Hintergrund hat er eine schwere Verletzung der Antragstellerin jedenfalls billigend in Kauf genommen.

34
Die Heftigkeit der Auseinandersetzung der Beteiligten wird auch deutlich an dem Vorfall vom 12.3.2010. Unabhängig von der Frage, wer für die Auseinandersetzung in welchem Umfang Verantwortung trägt, lässt jedenfalls der Umstand, dass die Antragstellerin einen Schlüsseldienst herbeigerufen hat, um sich Zutritt zur Wohnung zu verschaffen, und es nach Öffnen der Wohnungstür durch den Antragsgegner zu einer Rangelei gekommen ist, erkennen, dass die Situation zwischen den Beteiligten erheblich angespannt ist, so dass es einer vorläufigen Regelung der Wohnungsverhältnisse bedarf.

35
Auch die gegenwärtige Situation macht deutlich, dass eine vorläufige gerichtliche Entscheidung zur Regelung der Wohnungsverhältnisse zu treffen ist. Denn selbst jetzt, wo faktisch nicht etwa eine annähernd gleichmäßige Aufteilung der Wohnräume auf die Beteiligten erfolgt ist, sondern sich der Antragsgegner lediglich in Kellerräumen aufhält, sind die Beteiligten zu einem Nebeneinanderherleben in dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Haus nicht in der Lage.

36
Fest steht, dass der Antragsgegner mittels des in den Kellerräumen befindlichen Wasserhahns mehrfach die Wasserzufuhr unterbrochen hat. Unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegner das Wasser nur abgestellt hat, um die Antragstellerin zu ärgern, oder ob der Grund für das Abstellen des Wassers in Problemen bei der Hebeanlage liegt, wie vom Antragsgegner angegeben, zeigen diese Vorfälle, dass ein gedeihliches Zusammenleben der Beteiligten im selben Haus nicht möglich ist. Denn selbst dann, wenn das Abstellen des Wassers notwendig gewesen wäre, hätte man vom Antragsgegner erwarten können, dass er die Antragstellerin auf die unterbrochene Wasserzufuhr hinweist. Dies gilt umso mehr, wenn nur die Zufuhr des kalten Wassers unterbrochen wird, so dass bei Benutzung der Dusche durch die Antragstellerin die Gefahr der Verbrühung durch kochendheißes Wasser besteht.

37
Auch die Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten über das Sprengen am frühen Samstagmorgen zeigen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ohne Auftreten größerer Konflikte im selben Haus zu leben. Einerseits ist fraglich, ob die Antragstellerin in der Lage ist, die nötige Rücksichtnahme aufzubringen, wenn der Antragsgegner im Hinblick auf die Arbeitsbelastung unter der Woche am Wochenende ausschlafen möchte. Andererseits lässt die Reaktion des Antragsgegners wiederum erkennen, dass die Beteiligten außer Stande sind, miteinander zu kommunizieren. Statt die Antragstellerin zu bitten, das Sprengen im Garten auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, hat der Antragsgegner einfach den Hahn für das Gartenwasser abgedreht.

38
Schließlich macht auch die Auseinandersetzung am 5.7.2010 bei der es um Pfützen im Vorraum des Kellers infolge des Gartensprengens ging, deutlich, dass die Beteiligten einander provozieren.

39
Am Regelungsbedürfnis fehlt es nicht etwa im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin Eigentümerin des Grundstücks …weg 15 c ist. Denn es ist ihr nicht zuzumuten, statt in der Ehewohnung dort zu wohnen. Dort lebt nämlich ihre Mutter, die ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht hat. Aus der eingereichten schriftlichen Erklärung der Mutter vom 3.6.2010 wird deutlich, dass die Antragstellerin, auch wenn sie vorübergehend mit der Tochter Jo… bei ihrer Mutter gelebt hat, auf eine Rückkehr dorthin nicht verwiesen werden kann.

2.

40
Die vom Amtsgericht getroffene Anordnung ist nach dem für das Rechtsverhältnis maßgeblichen Vorschriften gerechtfertigt, § 49 Abs. 1 FamFG. Denn die im Falle eines Hauptsacheverfahrens nach § 1361 b BGB vorzunehmende Abwägung fällt im summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung zugunsten der Antragstellerin aus.

a)

41
Allerdings lassen sich die Voraussetzungen für eine Wohnungszuweisung an die Antragstellerin allein nach § 1361 b Abs. 2 BGB nicht feststellen. Der Antragstellerin ist die gesamte Wohnung zur alleinigen Benutzung nicht unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen Körperverletzung durch den Antragsgegner zu überlassen.

42
Hinsichtlich der Vorfälle vor dem 12.3.2010, ist das Amtsgericht in dem Verfahren 7 F 2/10 davon ausgegangen, dass, soweit es am 31.12.2009 zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei, jedenfalls eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Der Vorfall am 12.3.2010, auf den die Antragstellerin die Einleitung des vorliegenden Verfahrens stützt, kann nicht dem Antragsgegner allein als Körperverletzung angelastet werden. Die Auseinandersetzung ist erfolgt, nachdem die Antragstellerin versucht hatte, sich mit Hilfe eines Schlüsseldienstes Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Nachdem der Antragsgegner die Wohnungstür geöffnet hatte, ist es zu einer „Rangelei“ gekommen. Dies geschah im Rahmen der Auseinandersetzung darüber, ob die Antragstellerin, nachdem sie die Ehewohnung zunächst verlassen hatte, nun wieder einziehen durfte.

b)

43
Entscheidend für die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin allein sprechen die Belange des gemeinsamen Kindes Jo… der Parteien.

44
Eine unbillige Härte, die bei Trennung der Ehegatten dazu führen kann, einem von ihnen die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung zu überlassen, kann auch dann gegeben sein, wenn das Wohl der in dem Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist, § 1361 b Abs. 1 S. 2 BGB. So liegt es hier.

45
Durch Vorlage der psychologischen Einschätzung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie … vom 15.3.2010 hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Kind Jo… unter der Trennung und den erheblichen Auseinandersetzungen der Eltern erheblich leidet. Wiedergegeben ist dort die Äußerung des Kindes, langfristig bei seiner Mutter bleiben zu wollen und sich deswegen in starken Gewissenkonflikten zu befinden. Die Einschätzung der behandelnden Psychologen geht dahin, dass Jo… mit der Bewältigung ihrer Lebenssituation überfordert sei, sich ohnmächtig und ausgeliefert fühle. Für das Kind sei eine klare und verlässliche Regelung, den Lebensmittelpunkt bei der Mutter zu behalten, sinnvoll. Ein Zusammenleben mit dem Vater unter einem Dach sei unbedingt zu vermeiden.

46
Das Jugendamt hat in seiner Stellungnahme vom 16.6.2010 ausgeführt, dass zwar beide Elternteile Interesse an der Entwicklung des gemeinsamen Kindes hätten, der Konflikt zwischen ihnen aber seit längerer Zeit derart im Vordergrund stehe, dass die Bedürfnisse des Kindes nicht immer angemessen Berücksichtigung fänden. Das Jugendamt hat eine klare räumliche Trennung der Eltern als notwendig angesehen. Die Trennung der Wohnbereiche im selben Haus habe immer wieder zu Konflikten geführt und sich gerade auch im Hinblick auf Jo… als ungünstig erwiesen.

47
Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls im einstweiligen Anordnungsverfahren davon auszugehen, dass das Kind Jo… unter der Trennung seiner Eltern und den erheblichen Auseinandersetzungen der beiden über das normale Maß hinaus leidet und ein Zusammenleben der Eltern mit dem Kind auf demselben Grundstück dem Kindeswohl abträglich ist. Schon mit Rücksicht darauf, dass sich Jo… seit der Trennung der Eltern in der Obhut der Mutter befunden hat, das Kind den Wunsch geäußert hat, weiterhin bei der Mutter zu leben und dies auch vom Vater offensichtlich nicht in Frage gestellt wird, ist eine Zuweisungsentscheidung zugunsten der Mutter zu treffen.

c)

48
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Zuweisung nur eines Teils der Ehewohnung an die Antragstellerin nicht ausreicht. Vielmehr ist ihr die gesamte Wohnung unter Einschluss des Kellers allein zuzuweisen.

d)

49
Der Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin allein stehen die vom Antragsgegner angeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht entgegen. Wie sich diese auf die Wohnbedürfnisse auswirken, hat er nicht dargelegt. Zudem macht auch die Antragstellerin im Hinblick auf die angegebene Darminkontinenz derartige Beeinträchtigungen geltend.

50
Den aus Sicht des Antragsgegners ungleichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten kommt jedenfalls unter Berücksichtigung der Belange des gemeinsamen minderjährigen Kindes keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

3.

51
Das vom Amtsgericht ausgesprochene Betretungsverbot hat seine Grundlage in § 209 Abs. 1 FamFG. Der angefochtene Beschluss ist, da das Amtsgericht offensichtlich eine sofortige Alleinnutzung der Ehewohnung durch die Antragstellerin erreichen wollte, gemäß § 42 FamFG dahin zu berichtigen, dass die Räumung der Wohnung angeordnet wird (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Schael, § 3, Rz. 42; FamVerf /Gutjahr, § 3, Rz. 73; FamVerf/Weidemann, § 3, Rz. 128). Dem Antragsgegner ist insoweit aber unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses eine Räumungsfrist zuzubilligen. Da der Antragsgegner die Ehewohnung nach der Trennung der Beteiligten zunächst allein bewohnt und sich nach Rückkehr der Antragstellerin in den Kellerräumen aufgehalten und dort persönliche Gegenstände aufbewahrt hat, ist ihm, auch wenn im einstweiligen Anordnungsverfahren Eilbedürftigkeit grundsätzlich besteht, eine angemessene Frist zur Räumung von etwa drei Wochen nach Erlass des Beschlusses zuzugestehen.

4.

52
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.

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