Zur Ausbildungsvergütung bei nicht Tarifverträgen unterworfenen Ausbildungsverhältnissen

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 17.06.2011 – 6 Sa 19/11

In nicht Tarifverträgen unterworfenen Ausbildungsverhältnissen ist es statthaft, eine die (betrieblich-fachlich) einschlägige tarifliche Ausbildungsvergütung bis maximal 20 % unterschreitende Vergütung zu vereinbaren. Bei Fehlen branchenentsprechender Tarifverträge können Tarifverträge ähnlicher Branchen oder Empfehlungen entsprechend befasster Einrichtungen herangezogen werden (Rn. 53).

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12. Nov. 2010 – 31 Ca 1202/10 – wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und Berufungsklägerin 33/64, der Beklagte und Berufungsbeklagte 31/64.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um Differenzvergütung und Schadenersatz wegen vorzeitiger Beendigung des zwischen ihnen bestandenen Ausbildungsverhältnisses.

2

Die Klägerin war beim Beklagten, der Ingenieurdienstleistungen im Bereich der Metallindustrie anbietet, als Auszubildende für den Beruf einer Kauffrau für Bürokommunikation in der Zeit vom 7. Juli 2008 bis 12. Nov. 2009 beschäftigt. Im Ausbildungsvertrag war eine Vergütung für das 1. Ausbildungsjahr von € 500.-, für das 2. Ausbildungsjahr von € 550.- und für das 3. Ausbildungsjahr von € 600.- festgehalten.

3

Auf das Ausbildungsverhältnis fand unmittelbar kein Tarifvertrag Anwendung. Die … gesamten Bereich … (nachfolgend: …) hatte für den Ausbildungsberuf Kauffrau für Bürokommunikation zum Stand 2007 eine Ausbildungsvergütung von € 669.- im 1. Ausbildungsjahr, von € 731.- im 2. Ausbildungsjahr und von € 801.- im 3. Ausbildungsjahr vorgeschlagen.

4

Der Beklagte zahlte ab August 2009 die Ausbildungsvergütung nicht mehr termingerecht. Am 12. Nov. 2009 kündigte die Klägerin das Ausbildungsverhältnis außerordentlich und begann am 1. Dez. 2009 ein neues Ausbildungsverhältnis, in dem sie eine Ausbildungsvergütung von € 519.- bezog. Sie fuhr, wie zur früheren Ausbildungsstätte, auch zur neuen, 8 km weiter von ihrer Wohnadresse entfernten Ausbildungsstätte, mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

5

Mit Schreiben vom 12. Nov. 2009 hatte die Klägerin noch ausstehende Ausbildungsvergütung sowie Schadenersatzansprüche, auch wegen sexueller Belästigung, geltend gemacht. Der Beklagte hatte bis zur ersten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht € 1.591,13 netto an die Klägerin bezahlt.

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Mit ihrer am 1. Feb. 2010 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und dem Beklagten am 5. Feb. 2010 zugestellten Klage vom 1. Feb. 2010 begehrt sie nun Differenzvergütung, Mehrarbeitsvergütung, Beendigungsschadenersatz und Ersatz immaterieller Schäden.

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Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe keine angemessene Ausbildungsvergütung entrichtet. Ihr stünde vielmehr die Differenz zwischen der entrichteten und der angemessenen Ausbildungsvergütung zu. Die Angemessenheit ergebe sich, wie sie unter Hinweis auf den Überleitungstarifvertrag Niedersachsen meint, aus den Metalltarifverträgen, die eine höhere Ausbildungsvergütung vorsähen. Jedenfalls seien aber die Empfehlungen der … zugrunde zu legen. Ferner behauptet sie, Mehrarbeit geleistet zu haben. Weiterhin ist sie der Ansicht, der Beklagte habe ihre Eigenkündigung veranlasst, weswegen er Schadenersatz schulde. Dieser setze sich, wie sie meint, aus dem Gehalt während der einzuhaltenden regelmäßigen Kündigungsfrist von vier Wochen, einer Abfindung analog §§ 9, 10 KSchG und einer Kilometerpauschale wegen der weiteren Entfernung der neuen Ausbildungsstätte vom Wohnort zusammen.

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Nach Ansicht des Beklagten stellten die Empfehlungen der … keinen Maßstab für sein Unternehmen dar. Bei diesen handle es sich um durchschnittliche Vergütungen, zusammengestellt aus verschiedenen Tarifverträgen in der Industrie, im Handwerk und im Handel. Für diese seien die jeweiligen Verhältnisse im Betrieb oder Unternehmen, insbesondere auch deren Größe, maßgebend. Mehrarbeitsstunden der Klägerin bestreitet er.

9

Das Arbeitsgericht München hat der Klägerin mit Endurteil vom 12. Nov. 2010 eine Vergütungsdifferenz von € 437,95 sowie eine angemessene Ausbildungsvergütung von € 2.122,72 brutto, abzüglich € 1.591,13 netto für die Monate August bis November 2009 sowie einen Schadenersatzbetrag von € 384,48 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hinsichtlich des unstreitigen und des streitigen Sachvortrags der Parteien im Übrigen, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

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Im Wesentlichen begründet das Arbeitsgericht seine Entscheidung, soweit hier noch von Interesse, wie folgt: Die zugesprochene Vergütungsdifferenz rechtfertige sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG. Der Beklagte habe eine angemessene Vergütung zu leisten gehabt. Die Angemessenheit ergebe sich hier nicht aus einer tariflichen Vergütung, da kein Tarifvertrag Anwendung finde. Daher sei auf die branchenüblichen Sätze, also die Empfehlung der … zurückzugreifen, die, wenngleich nicht verbindlich, so doch als Richtschnur anzuwenden sei, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur bis zu 20 % unterschritten werden dürfe. Eine Anpassung der vertraglich ausgewiesenen Vergütung sei auf den Betrag der Empfehlung der … abzüglich 20 % veranlasst. Entsprechend sei der Klägerin auch für die Monate August mit November 2009 eine auf derselben Basis errechnete Vergütung, abzüglich des zwischenzeitlich vom Beklagten bezahlten Betrages von € 1.591,13 netto zuzusprechen. Schließlich habe die Klägerin Anspruch auf Beendigungsschadenersatz aus § 23 Abs. 1 BBiG. Sie habe die Ausschlussfrist des § 23 Abs. 2 BBiG zumindest dem Grunde nach gewahrt. Der Beklagte habe die vorzeitige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zu vertreten, da er trotz Aufforderung die Vergütung nicht (rechtzeitig) entrichtet habe. Der Schadenersatz bemesse sich allein nach der angemessenen Vergütung. Anspruch auf eine Abfindung habe die Klägerin nicht, ebenso nicht auf eine entsprechende Kilometerpauschale, da sie die Ausbildungsstätten, die frühere wie die bisherige, mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreiche und denselben Preis für die Fahrten entrichte. Einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung hat das Arbeitsgericht verneint, da die Leistung von Mehrarbeit nicht ausreichend vorgetragen und nicht ersichtlich sei, dass etwa geleistete Mehrstunden angeordnet oder gebilligt worden seien.

11

Gegen dieses ihr am 7. Dez. 2010 zugestellte Endurteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Jan. 2011, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12. Nov. 2010, soweit die Klage hinsichtlich der Vergütungs- und Differenzvergütungsansprüche, der Schadenersatzansprüche und des immateriellen Schadenersatzes abgewiesen worden war, beantragt.

12

Mit Beschluss vom 26. Jan. 2011 hat das Landesarbeitsgericht der Klägerin hinsichtlich der Differenzvergütungsansprüche und des Beendigungsschadenersatzes, nicht aber hinsichtlich des erstinstanzlich auch geltend gemachten Ersatzes immaterieller Schäden, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. ohne Ratenzahlung bewilligt.

13

Mit Schriftsatz vom 28. Jan. 2011, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen, hat die Klägerin Berufung eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Berufung hat sie mit Schriftsatz vom 7. Feb. 2011, der am selben Tag eingegangen war, begründet.

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Sie hält daran fest, die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung sei nach dem üblichen Tarifniveau zu bestimmen. Die … benenne die Angemessenheit nach dem Stand 2007. Die Ausbildung sei 2008 und 2009 durchgeführt worden. Ein Abschlag von der empfohlenen Vergütung sei nicht veranlasst. Das Arbeitsgericht könne sich, wie die Klägerin meint, nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. 9. 1998 (5 AZR 690/97) berufen, wenn es nur 80 % der empfohlenen Vergütung zuspreche, da in der fraglichen Entscheidung nur 80 % eingeklagt gewesen seien. Bei einer unangemessenen Vergütungsvereinbarung finde zudem keine geltungserhaltende Reduktion statt. Gleiches gelte für die ausstehende Vergütung.

15

Hinsichtlich der vorzeitigen Vertragsbeendigung umfasse der Schadenersatz auch eine angemessene Abfindung, wie das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 26. 7. 2001 – 8 AZR 739/00) festgestellt habe. Unter Abwägung der Kündigungsumstände und der Kündigungsfolgen liege diese bei, wie sie meint, einem Monatsverdienst von € 801.- als unterster Grenze.

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Sie b e a n t r a g t:

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1. Vergütungsdifferenz

18

Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.11.2010 – 31 Ca 1202/10 – wird aufgehoben, soweit der Klageantrag Ziffer II. aus dem Schriftsatz vom 14.06.2010 abgewiesen wurde.

19

2. Verzugsvergütung

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Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.11.2010 – 31 Ca 1202/10 – wird aufgehoben, soweit der Klageantrag Ziffer III. aus dem Schriftsatz vom 14.06.2010 abgewiesen wurde.

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3. Beendigungsschadenersatz

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Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.11.2010 – 31 Ca 1202/10 – wird bezüglich der Ziffer II., zweiter Teilzuspruch, dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin zu den zugesprochenen € 348,48 brutto weitere € 923,82 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.02.2010 zu bezahlen.

23

Im Termin vom 3. Mai 2011 hat die Klägerin auf Hinweis des Gerichts, in den beiden ersten Anträgen sei nicht angegeben, welchen Betrag sie begehre, auf die Anträge in Ziffern 1, 2, 4 der im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Klageanträge Bezug genommen.

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Der Beklagte b e a n t r a g t,

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die Berufung zurückzuweisen und

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widerklagend:

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III. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten brutto € 437,50 sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.01.2011 zu bezahlen.

28

IV. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten brutto € 2.122,72 abzüglich netto € 1.591,13 sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.01.2011 sowie weitere brutto € 384,48 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.01.2011 zu bezahlen.

29

V. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten € 9,92 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.01.2011 zu bezahlen.

30

VI. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten € 114,47 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.02.2011 zu bezahlen.

31

Die Klägerin b e a n t r a g t,

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die Widerklage/Anschlussberufung zurückzuweisen.

33

Im Termin vom 3. Mai 2011 hat der Beklagte klargestellt, dass es sich der Sache nach um eine Anschlussberufung, nicht um eine Widerklage handle. Die Anschlussberufung hat der Beklagte noch im Termin zurückgenommen.

34

Er hält die vereinbarte Ausbildungsvergütung für angemessen. Das BBiG regle die Angemessenheit nur rahmenmäßig und lasse den Vertragspartnern einen erheblichen Spielraum. Gerichtlich sei nur das Erreichen oder Unterschreiten der Mindesthöhe zu überprüfen.

35

Die vertragliche Vergütung sei zwischen den Vertragspartnern individuell vereinbart worden. Ein Tarifvertrag finde mangels beidseitiger Tarifbindung keine Anwendung. Die … könne keine bindenden Vorgaben unterbreiten. Dies entspreche nicht ihren Aufgaben. Er sei Ingenieur für Maschinenbau und betreibe ein Vermittlungs- und Beratungsbüro mit nur einer Auszubildenden. U.a. vermittle er Ingenieurdienstleistungen, vor allem im Bereich Automotive und Maschinenbau. Vermittlungs- und Beratertätigkeit seien etwa gleich gewichtet. Zudem handle er mit Maschinen. Seine Tätigkeit stelle eine freiberufliche Tätigkeit dar. In diesem Bereich zahle man den vertraglich vereinbarten vergleichbare Ausbildungsvergütungen.

36

Die Klägerin könne keinen höheren Beendigungsschadenersatz verlangen. Insbesondere bestehe keine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung.

37

Hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 1. Feb. 2010 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 14. Juni 2010 (Bl. 226 ff. d. A.), vom 7. Jan. 2011 (Bl. 340 ff. d. A.), vom 7. Feb. 2011 (Bl. 390 ff. d. A.) und vom 29. Apr. 2011 (Bl. 460 ff. d. A.), des Beklagten vom 8. März 2010 (Bl. 81 ff. d. A.), vom 15. Juli 2010 (Bl. 270 ff. d. A.) und vom 11. Apr. 2011 (Bl. 415 ff. d. A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 20. Okt. 2010 (Bl. 284 f. d. A.) und vom 3. Mai 2011 (Bl. 479 ff. d. A.) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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I. Die Berufung ist zulässig.

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1. Die Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2b ArbGG statthaft sowie in rechter Form eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO).

41

2. Zwar ist die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO) nicht gewahrt, doch ist der Klägerin insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

42

a. Will eine bedürftige Partei gegen eine ergangene Entscheidung ein Rechtsmittel einlegen, so ist grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung (§§ 233 ff. ZPO) zu gewähren, sofern sie innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Prozesskostenhilfegesuch angebracht hat und vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss (vgl. BGH v. 16. 11. 2010 – VII ZB 55/10, NJW 2011, 230; ferner BGH v. 13. 1. 2010 – XII ZB 108/09, NJW-RR 2010, 424; BGH v. 10. 11. 2008 – IV ZB 38/08, NJW-RR 2009, 563). Voraussetzung ist allerdings ein vollständiger Prozesskostenhilfeantrag (§ 117 Abs. 1, 2 ZPO) unter Vorlage auch der vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Belegen (BGH v. 16. 11. 2010, a.a.O.; BGH v. 13. 2. 2008 – XII ZB 151/07, NJW-RR 2008, 942). Diesen Anforderungen hat die Klägerin vorliegend genügt.

43

aa. Sie hat innerhalb der Berufungsfrist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG), an deren letzten Tag, einen vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe angebracht und auch eine vollständig ausgefüllte Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO mit den erforderlichen Belegen vorgelegt. Damit war sie schuldlos an der rechtzeitigen Einlegung der beabsichtigten Berufung gehindert.

44

bb. Die Klägerin war auch nicht gehalten, die beabsichtigte Berufung mit dem Prozesskostenhilfeantrag zu verbinden. Sie konnte die Berufungseinlegung, wie geschehen, bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zurückstellen. Dies hatte sie auch hinreichend deutlich gemacht. Mit der nachfolgenden Berufungseinlegung (Schriftsatz vom 28. Jan. 2011 (Bl. 386 f. d. A.)) hat sie in formell ordnungsgemäßer Weise, form- und fristgerecht (§§ 234, 236 ZPO) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

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b. Die Berufungsbegründungsfrist hatte die Klägerin mit der Begründung mit Schriftsatz vom 7. Feb. 2011, der am selben Tag, also am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, gewahrt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 222 ZPO).

46

c. Die seitens der Klägerin gestellten Berufungsanträge sind gerade noch als ausreichend anzusehen, obschon sie in den ersten beiden Anträgen nur die „Aufhebung“ des Ersturteiles beantragt, ohne zu bezeichnen, was sie anstelle des erstinstanzlich abweisenden Urteilsausspruches begehrt. Allerdings sieht die Kammer die im Termin vom 3. Mai 2011 erfolgte Inbezugnahme der erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge, wie sie im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteiles aufgeführt sind, als noch ausreichend an, wiewohl es nicht Aufgabe des Gerichtes sein kann, auszurechnen, was die Klägerin letztlich begehren kann.

47

II. In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg.

48

Das Arbeitsgericht hat die der Klägerin zustehende Differenzvergütung zutreffend auf den Betrag gemäß der Empfehlung der … abzüglich 20 % festgesetzt. Damit ist die der Klägerin zustehende angemessene Ausbildungsvergütung für den konkreten Fall und unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles der Ausbildung im konkreten Betrieb des Beklagten zutreffend bezeichnet (§ 17 Abs. 1 BBiG). Mangels beidseitiger Tarifbindung kann die Klägerin keine höhere tarifliche Ausbildungsvergütung begehren; eine Anpassung der Vergütung musste zudem nicht voll an die Empfehlung der … erfolgen, da diese nicht bindend ist. Ein (moderates) Abweichen nach unten erscheint aus der konkreten betrieblichen Situation des Beklagten durchaus angemessen, ohne dass dies, wie die Klägerin anzunehmen scheint, eine unzulässige teleologische Reduktion bedeutete. Ferner hat das Arbeitsgericht auch den Beendigungsschadenersatz zutreffend bemessen. Mangels einer (weiteren) Vergütungserhöhung ist der ausgeurteilte Betrag zutreffend; Anspruch auf die Zahlung einer zusätzlichen Abfindung hat die Klägerin nicht.

49

Vorweg wird zu Vermeidung von Wiederholungen vorweg auf das ausführlich und eingehend begründete Endurteil des Arbeitsgerichts München Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Hinsichtlich der Berufungsangriffe ist ergänzend auszuführen:

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1. Das Arbeitsgericht hat die angemessene Vergütung (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG) im konkreten Fall zutreffend auf die Höhe der Empfehlung der … für Auszubildende der Richtung Kauffrau für Bürokommunikation abzüglich 20 % festgesetzt. Die dagegen angeführten Einwendungen der Klägerin hinsichtlich einer tariflichen Vergütung als Maßstab bzw. des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion greifen nicht durch.

51

a. Das Gesetz definiert die Angemessenheit der Vergütung nicht. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist vielmehr unter Berücksichtigung des Zwecks der Vergütung und der Verkehrsauffassung sowie unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragspartner und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu bestimmen (Leinemann/Taubert, BBiG, 2. Aufl., § 17 Rz. 10 m.w.N.). Maßgebend ist die Angemessenheit bei Fälligkeit der Vergütung, nicht bei Vertragsschluss (BAG v. 30. 9. 1998 – 5 AZR 690/97, NZA 1999, 265).

52

b. Die angemessene Ausbildungsvergütung bestimmt sich vorliegend nicht aus einem Tarifvertrag. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass tarifvertragliche Ausbildungsvergütungen stets als angemessen anzusehen sind (BAG v. 18. 6. 1980 – 4 AZR 545/80, AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 21; Leinemann/Taubert, a.a.O., Rz. 13). Dies gilt allerdings nur, wenn der konkrete Tarifvertrag etwa kraft beidseitiger Tarifbindung (§ 3 Abs. 1 TVG) oder kraft Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages (§ 5 TVG) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet (BAG v. 18. 6. 1980, a.a.O., Rz. 31; Leinemann/Taubert, a.a.O.), was hier hinsichtlich des in Bezug genommenen niedersächsischen Überleitungstarifvertrages gerade nicht der Fall ist. Weder war das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien den Metalltarifverträgen in Bayern kraft Tarifbindung noch kraft Allgemeinverbindlichkeit unterworfen. Nicht einmal eine vertragliche Inbezugnahme wird behauptet. Zudem kann die Tarifanwendung auch nicht über einen niedersächsischen Überleitungstarifvertrag, der räumlich in Bayern keine Anwendung findet, begründet werden.

53

c. In den Fällen nicht gegebener Tarifbindung ist die Angemessenheit nach § 17 Abs. 1 BBiG zu bestimmen (BAG v. 15. 12. 2005 – 6 AZR 224/05, AP BBiG § 10 Nr. 15; Sächsisches Landesarbeitsgericht v. 30. 9. 2005 – 3 Sa 542/04, LAGE BBiG § 19 Nr. 4; LAG Schleswig-Holstein v. 7. 11. 2006 – 5 Sa 159/06, EzB BBiG § 17 Abs. 1 Nr. 62; Leinemann/Taubert, a.a.O., Rz. 14). Statthaft ist es allerdings, in nicht Tarifverträgen unterworfenen Ausbildungsverhältnissen eine die (betrieblich-fachlich) einschlägige tarifliche Ausbildungsvergütung bis maximal 20 % unterschreitende Vergütung zu vereinbaren (BAG v. 10. 4. 1991 – 5 AZR 226/90, AP BBiG § 10 Nr. 3; BAG v. 8. 5. 2003 – 6 AZR 191/02, AP BBiG § 10 Nr. 14). Bei Fehlen branchenentsprechender Tarifverträge können Tarifverträge ähnlicher Branchen (Leinemann/Taubert, a.a.O., Rz. 16) oder auch Empfehlungen der … (BAG v. 25. 4. 1984 – 5 AZR 540/82, EzB BBiG § 10 Abs. 1 Nr. 45) zur Orientierung herangezogen werden.

54

aa. Auch danach scheidet eine Heranziehung der Ausbildungsvergütungen im Bereich der Metallindustrie aus. Denn die Tätigkeit des Beklagten ist betrieblich-fachlich nicht der Metallindustrie zuzuordnen, selbst wenn er beratend oder vermittelnd überwiegend oder gar ausschließlich für Betriebe der Metallindustrie tätig sein mag. Es handelt sich dann aber um keine Metallverarbeitung, sondern gerade um Beratungs- oder Vermittlungstätigkeit. Auch der Handel mit Maschinen kann nicht der Metallindustrie zugeordnet werden, allenfalls den Tarifverträgen des Einzel- oder Großhandels.

55

bb. Die angemessene Ausbildungsvergütung kann daher allein über eine Orientierung an den Empfehlungen der …, wie sie das Arbeitsgericht zutreffend vorgenommen hatte, bestimmt werden. Dabei sind die Empfehlungen nicht bindend zugrunde zu legen, sondern stellen nur ein Indiz für die Angemessenheit der Vergütung dar (BAG v. 15. 12. 2005, a.a.O.; Leinemann/Taubert, a.a.O., Rz. 19).

56

cc. Das Arbeitsgericht hat die unter den Vertrags- und Prozessparteien vertraglich vereinbarte Vergütung zu Recht als unangemessen angesehen und diese im Ergebnis ebenso zutreffend auf die Empfehlung der … abzüglich 20 % angepasst. Eine vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütung, welche nicht mehr als 20 % unter den Empfehlungen liegt, ist nach der von der Kammer geteilten Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 30. 9. 1998, a.a.O.; was allerdings auch nicht ausnahmslos gilt und sogar eine weitergehende Unterschreitung im Einzelfall eröffnen kann, vgl. BAG v. 19. 2. 2008 – 9 AZR 1091/06, NZA 2008, 828) als angemessen zu vermuten. Die hier vereinbarte Vergütung lag unterhalb dieses vorgezeichneten Spielraumes. Dennoch war die Vergütung aus den konkreten Umständen des Einzelfalles vom Arbeitsgericht vorliegend zu Recht nicht auf die volle Höhe der …-Empfehlung angepasst worden. Die Anpassung an die Untergrenze des noch Angemessenen stellt keine unstatthafte geltungserhaltende Reduktion im Sinne des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 19. 2. 2008, a.a.O.) dar.

57

aaa. Die Umstände des Zustandekommens der …-Empfehlung, auf die sich der Beklagte beruft, führen nicht zur Annahme einer vereinbarten angemessenen Ausbildungsvergütung, worauf bereits das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung hingewiesen hat. Die Ausführungen des Beklagten hierzu in der Berufungsinstanz bedingen kein abweichendes Ergebnis.

58

bbb. Die Angleichung der zu geringen vertraglichen an eine angemessene Vergütung muss aber nicht zwingend bis zur Höhe der Empfehlungen der … erfolgen. Schon das Bundesarbeitsgericht hatte mit Urt. v. 30. 9. 1998 (a.a.O.) einen gewissen Verhandlungsspielraum von 20 % unter der Empfehlung als möglich und keine Unangemessenheit begründend angesehen. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalt seien nur 80 % der Referenzvergütung gefordert worden. Dies ändert aber nichts daran, dass eine gewisse Bandbreite zur Festlegung einer angemessenen Ausbildungsvergütung besteht. Im Rahmen dieser Bandbreite kann unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und der Interessen der Vertragspartner eine individuell noch angemessene Vergütung festgelegt werden. Es geht nicht an, dass die Vertragspartner bei Begründung eines Ausbildungsverhältnisses im Wesentlichen frei und unter Berücksichtigung der Interessen des Auszubildenden und der jeweiligen Besonderheiten der Region, des Betriebes etc. eine (angemessene) Vergütung innerhalb der vorbezeichneten Bandbreite vereinbaren können, allerdings ohne Rücksicht auf etwaige Besonderheiten mit einer Anpassung stets auf die volle Höhe der Empfehlung rechnen müssten, wenn sie eine geringere vertragliche Vergütung vorsehen.

59

ccc. Wenngleich das Arbeitsgericht pauschal die Untergrenze möglicher Angemessenheit als zutreffend festgelegt hat, ohne diese Festlegung näher zu begründen, ist dies jedenfalls im Ergebnis unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, der Interessen beider Vertragspartner des Zwecks der Ausbildungsvergütung und der Verkehrsauffassung nicht zu beanstanden.

60

Die Ausbildungsvergütung dient dazu, dem Auszubildenden eine finanzielle Hilfe zur Bestreitung der Auslagen, die aus dem Ausbildungsverhältnis entstehen, zu geben. Sie soll die Bestreitung der Lebensunterhaltskosten ermöglichen und zugleich eine angemessene für die im jeweiligen Gewerbezweig bestimmbare Arbeitsleistung des Auszubildenden darstellen (BAG v. 25. 7. 2002 – 6 AZR 311/00, AP BBiG § 10 Nr. 11). Sie muss sich deshalb nicht am Arbeitsentgelt für vergleichbare Arbeitstätigkeit messen. Die Klägerin benötigte jedoch eine Ausbildungsvergütung, die es ermöglichte, die anfallenden Aufwendungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts sowie der aus der Ausbildung anfallenden Kosten, wie etwa anfallende Fahrtkosten, Bürokleidung, Lernmittel etc. abdecken. Daneben ist aber auch die Betriebsgröße des Beklagten zu sehen, der nur mit einer Auszubildenden seine Dienstleistungen ausübt. Seine Leistungsfähigkeit entspricht schon von daher nicht einem größeren Dienstleistungsbüro, welches vergleichbare oder gleiche Dienste anbietet. Von daher kann auch er für beschäftigte Auszubildende nicht notwendig dieselbe (höhere) Vergütung entrichten, wie größere Betriebe oder Büros, ohne dass ihm – wie ausgeführt – gestattet wäre, den gesetzten Angemessenheitsrahmen zu unterschreiten.

61

Umstände, aus denen ersichtlich würde, dem Beklagten wäre dennoch eine höhere Ausbildungszahlung anzusinnen gewesen, sind von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin (BAG v. 25. 7. 2002, a.a.O.) nicht vorgetragen.

62

ddd. Wenn das Bundesarbeitsgericht eine geltungserhaltende Reduktion der vertraglichen Vereinbarung bis zur Grenze dessen, was noch als angemessen anzusehen wäre, als nicht in Betracht kommend ansieht, da dies zu einer mit dem Schutzzweck des Gesetzes (im konkreten Fall § 12 Abs. 1 KrPflG) nicht zu vereinbarenden Begünstigung des Ausbildenden führe, der eine möglichst geringe, sich weit von den tariflichen Regelungen entfernte Ausbildungsvergütung zahle, bedingt dies nichts Abweichendes. Ungeachtet der nicht nachzuvollziehenden Terminologie (die vertragliche wurde nach der Entscheidung erhöht, nicht reduziert), war vorliegend die Anpassung an die Untergrenze des noch Angemessenen nicht pauschal, sondern auf Grund konkreter und auch zu berücksichtigender Umstände der Einzelfalles und der Interessen der Vertragsparteien vorzunehmen. Es war somit eine aus den Umständen des Einzelfalles resultierende Entscheidung zu treffen gewesen. Dabei war neben den Interessen der Klägerin, eine finanzielle Hilfe zur Bestreitung der Auslagen, die aus dem Ausbildungsverhältnis entstehen, und ihr die Bestreitung der Lebensunterhaltskosten zu ermöglichen, auch zu sehen, dass es sich beim Betrieb des Beklagten um eine kleine Betriebsstätte handelte. Er arbeitete allein mit nur einer Auszubildenden, der Klägerin. Schon angesichts seiner nicht besonders hohen Finanzdecke, die sich auch in der verzögerten Zahlungsweise gegen Ende des Ausbildungsverhältnisses verdeutlichte, konnte er keine Ausbildungsvergütung im oberen oder auch nur mittleren Bereich der Bandbreite einer angemessenen Ausbildungsvergütung erbringen.

63

2. Nach dem Vorstehenden (oben II. 1.) ist auch die arbeitsgerichtlich für die Zeit von August bis November 2009 ausgeurteilte Differenzvergütung als zutreffend anzusehen. Die Klägerin kann keine weitere Erhöhung der Ausbildungsvergütung verlangen.

64

3. Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen höheren als den arbeitsgerichtlich ausgeurteilten Beendigungsschadenersatz nach § 23 Abs. 1 BBiG.

65

a. Die Voraussetzungen für die Leistung von Beendigungsschadenersatz nach § 23 Abs. 1 BBiG hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend bejaht. Hiergegen sind keine Berufungsangriffe gerichtet, weswegen insoweit auf die arbeitsgerichtliche Entscheidung Bezug genommen werden kann. Zugunsten der Klägerin kann hier auch eine rechtzeitige Geltendmachung innerhalb der Frist des § 23 Abs. 2 BBiG unterstellt werden.

66

b. Eine Erhöhung des zugesprochenen Betrages kommt weder durch eine der Klägerin zu gewährende angemessene Ausbildungsvergütung noch durch die durch den Beklagten zu zahlende Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Betracht.

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aa. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 26. 7. 2001 – 8 AZR 739/00, NZA 2002. 325), auf welche die Klägerin Bezug nimmt, muss der Beendigungsschadenersatz nach dem Zweck des § 628 Abs. 2 BGB nicht lediglich auf den dem kündigenden Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven Kündigung entstehenden Vergütungsausfall beschränkt sein; zudem könne eine den Verlust des Bestandsschutzes ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG hinzutreten. Der Auflösungsschadenersatz umfasse grundsätzlich die Pflicht, den Anspruchsberechtigten so zu stellen, wie er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses stünde (§§ 249 ff. BGB). Der Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB sei auf das volle Erfüllungsinteresse gerichtet. So bestehe Einigkeit, dass der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist den entgangenen Verdienst als Schadensposten beanspruchen könne. Lediglich ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch sei bestritten. Während der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für die insoweit gleichlautenden Vorschriften der § 89a Abs. 2 HGB und § 628 Abs. 2 BGB davon ausgehe, der Schadenersatzanspruch sei zeitlich bis zum Ablauf, zu dem der andere Vertragspartner ordentlich kündigen könnte bzw. bis zu dem vereinbarten Vertragsende begrenzt (BGH v. 3. 3. 1993 – VIII ZR 101/92, EzA HGB § 89 a Nr. 1 m.w.N.), werde von anderer Seite eine zeitlich unbeschränkte Schadenersatzpflicht für den Anspruch des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes zumindest dann vertreten, wenn bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis für den Geschädigten Kündigungsschutz besteht (BAG v. 26. 7. 2001, a.a.O., Rz. 49). Eine zeitliche Beschränkung auf eine fiktive fristgerechte Kündigung sei unangemessen, da eine arbeitgeberseitige Kündigung gem. § 1 KSchG dann rechtsunwirksam ist, wenn diese nicht sozial gerechtfertigt sei. Dem Arbeitnehmer stehe es offen, vorzubringen, ohne das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers wäre es zu keiner Auflösung des Arbeitsverhältnisses, auch nicht durch Kündigung des Arbeitgebers gekommen. Dieser Ansicht schloss sich das Bundesarbeitsgericht (BAG v. 21. 5. 2008 – 8 AZR 623/07, NZA-RR 2009, 75; BAG v. 26. 7. 2007 – 8 AZR 796/06, NZA 2007, 1419; BAG v. 25. 7. 2001, a.a.O.; vgl. auch ErfK/Müller-Glöge, 11. Aufl., § 628 Rz. 28) an. Der Arbeitnehmer verzichte durch die von ihm ausgesprochene außerordentliche Kündigung selbst auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses und auf den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes. Er begebe sich damit in die gleiche Situation wie ein Arbeitnehmer, der nach Ausspruch einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers im deswegen geführten Kündigungsschutzprozess einen Auflösungsantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KSchG stelle.

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bb. Nach dem Vorstehenden (oben II. 1.) kann die Klägerin keine höhere angemessene Ausbildungsvergütung verlangen, weswegen der Schadenersatzanspruch (Ersatz der Vergütung bis zur ordentlichen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses) wegen schuldhaft durch den Beklagten veranlasster Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nach § 23 Abs. 1 BBiG nicht schon deswegen zu erhöhen wäre.

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cc. Zudem kann die Klägerin auch nicht die Gewährung einer Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG als zusätzlichen Schadensbetrag verlangen. Vom Wortlaut des § 23 Abs. 1 BBiG sind die Überlegungen des Bundesarbeitsgerichts zum Schadensumfang nach § 628 Abs. 2 BGB, die auch die mögliche Zahlung einer Abfindung einschließen, durchaus auf den vorliegenden Fall der Eigenkündigung eines Ausbildungsverhältnisses übertragbar. Dies gilt allerdings nicht für die intendierten Zwecküberlegungen und vor allem nicht für die im konkreten Fall gegebene Sachgestaltung.

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aaa. Bedenken, diese Fallgestaltung und damit die Zahlung einer Abfindung an Auszubildende bei schuldhaft durch den Ausbildenden veranlasster fristloser Eigenkündigung, bestehen schon deswegen, weil sich Auszubildende in keiner einem Arbeitnehmer vergleichbaren Position befinden. Zwar findet auch auf Ausbildungsverhältnisse das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Doch ist das Ausbildungsverhältnis kraft Gesetzes befristet. Im Falle einer (veranlassten) fristlosen Kündigung durch die Auszubildenden verlieren diese keinen, einem Arbeitnehmer vergleichbaren Bestandsschutz. Allenfalls für die Restlaufzeit des Ausbildungsverhältnisses geben sie ihr Vertragsverhältnis auf.

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bbb. Jedenfalls aber war vorliegend kein Einschluss einer Abfindung in den zu entrichtenden Beendigungsschadensbetrag veranlasst, weil die Klägerin keinen nennenswerten weitergehenden Schaden erlitten hat. Sie hat etwa zwei Wochen nach ausgesprochener fristloser Eigenkündigung ein neues Ausbildungsverhältnis begründet. Es ist nicht ersichtlich, dass sie die (neue) Ausbildung von vorne hätte beginnen müssen und die zurückgelegte Ausbildungszeit nicht ganz oder zumindest teilweise angerechnet worden wäre. Sie befand sich ersichtlich in keiner einem Arbeitnehmer vergleichbaren Lage, der durch den Arbeitgeber zum Ausspruch einer Eigenkündigung veranlasst wird, seinen bis dahin erworbenen Bestandsschutz verliert, ggf. längere Zeit kein neues Arbeitsverhältnis begründen kann oder aber zwar ein neues Arbeitsverhältnis eingeht, dort aber erst nach Ablauf der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG Kündigungsschutz genießt und auch dann bei einer etwa zu treffenden Sozialauswahl im Rahmen des nachfolgenden Ausspruches betriebsbedingter Kündigungen keine vergleichbare Position wie im früheren Betrieb einnehmen könnte. Gerade angesichts der relativ geringen Beeinträchtigungen der Klägerin durch die seitens des Beklagten veranlasste außerordentliche Eigenkündigung befand sie sich (glücklicherweise) in einer deutlich günstigeren Position. Die Zubilligung einer zusätzlichen Abfindung als Schadenersatz stellte sie besser, als sie ohne die außerordentliche Lösung des Ausbildungsverhältnisses gestanden wäre (vgl. dazu auch ErfK/Müller-Glöge, a.a.O.).

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der zurückgenommenen Anschlussberufung/Widerklage waren dem Beklagten aufzuerlegen.

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IV. Die Revisionszulassung beruht auf § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG.

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